VwGH 12.11.1980, 1300/80
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Ein Betrag ist dem Steuerpflichtigen nicht nur dann zugeflossen, wenn er ihm bar ausgezahlt wurde, es genügt, daß der Empfänger in der Lage ist, über den Betrag rechtlich und wirtschaftlich zu verfügen. Im Falle der Vereinnahmung durch einen Bevollmächtigten erfolgt diese gleichzeitig zu Gunsten des Machtgebers. Bei Eingang auf ein Gemeinschaftskonto ist der Zufluß von Einnahmen unmittelbar als anteiliger Zufluß bei jedem einzelnen Gemeinschafter anzusehen (Hinweis E 4536/F, 4324/F, 3072/F, 1952/F, 264/F). Sind aber Einnahmen einmal zugeflossen, dann hat ihr weiteres Schicksal auf die Tatsache des Zufließens von keinem Einfluß mehr (Hinweis auf hg E , 618/67). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde 1) des Dr. E B, und 2) der X Y, beide in W, die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6-1721/3/79, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1972, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer wurden als Ehegatten zur Einkommensteuer 1972 gemeinsam veranlagt. Die Zweitbeschwerdeführerin war damals an einer Grundstücksgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt, aus der sie Einkünfte bezog. In der von ihrer Steuerberaterin B B erstellten Steuererklärung 1972 wurden diese Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als „Anteil Erwerbsgemeinschaft mit DM 58.345,-- beziffert; der Steuerbescheid für 1972 über Einkommensteuer und Kirchensteuer des Finanzamtes F stellte diese Einkünfte der Zweitbeschwerdeführerin dann mit DM 56.610 fest.
Da die zur Berechnung eines allfälligen Progressionsvorbehaltes bei Ermittlung der österreichischen Einkommensteuer benötigte Höhe dieser Einkünfte bei einer im Jahre 1974 durchgeführten Betriebsprüfung noch nicht feststand, erließ das zuständige inländische Finanzamt vorerst einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid 1972. Als in der Folge die Höhe dieser Einkünfte nicht mitgeteilt wurde, holte das Finanzamt im April 1978 im Rechtshilfewege eine diesbezügliche Auskunft des Finanzamtes F ein, aus welcher sich die Höhe der in der Bundesrepublik von der Zweitbeschwerdeführerin im Jahre 1972 erzielten Einkünfte mit DM 56.610,-- sowie die Rechtskraft des deutschen Einkommensteuerbescheides 1972 ergab.
Im endgültigen Einkommensteuerbescheid 1972 wendete das inländische Finanzamt hierauf den Progressionsvorbehalt auf dieser Basis bei einem DM-Kurs von S 7,25 an.
In einer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete der Erstbeschwerdeführer ein, seiner Gattin seien nur 50 % der DM 56.610,-- zugeflossen, der restliche Betrag hingegen dem Miteigentümer. Außerdem sei die DM mit S 7,15 umzurechnen. Eine dieser Berufung teilweise, nämlich hinsichtlich des Umrechnungskurses, stattgebende Berufungsvorentscheidung, in der auch andere im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr relevante Korrekturen vorgenommen wurden, trat durch einen Vorlageantrag außer Kraft, in welchem der Erstbeschwerdeführer vorbrachte, die Einkünfte in der Bundesrepublik Deutschland hätten nur DM 53.770,-- betragen; dieser Betrag sei aber nachweislich den Beschwerdeführern nicht zugeflossen. Der einzige seit 1972 für dieses Jahr den Beschwerdeführern zugeflossene Betrag habe DM 10.000,-- betragen und sei vom Finanzamt auf Grund einer Meldung der Beschwerdeführer im Jahre 1979 versteuert worden.
Nach ergänzenden Ermittlungen gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung im Sinne der Berufungsvorentscheidung teilweise statt. Sie schloß sich damit der Ansicht des Finanzamtes an, die laut deutschem Steuerbescheid für 1972 mit DM 56.610,-- festgestellten Einkünfte der Zweitbeschwerdeführerin aus der Grundstücksgemeinschaft seien im österreichischen Einkommensteuerbescheid 1972 im Wege des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen. Der Erstbeschwerdeführer habe uneinheitliche Angaben gemacht und keine Nachweise für seine Behauptungen erbracht. Gerade bei Tatbeständen, die im Ausland ihre Wurzel hätten, sei jedoch eine gesteigerte Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht des Abgabepflichtigen gegeben. Der Umstand, daß der Zweitbeschwerdeführerin in der Bundesrepublik Deutschland Einkünfte in der Höhe von DM 56.610,-- zugerechnet worden seien und davon rechtskräftig festgesetzte Einkommensteuer erhoben worden sei - was bedeute, daß das Zufließen dieser Einkünfte an die Zweitbeschwerdeführerin im Jahre 1972 durch diese anerkannt worden sei - sei zwar für die Anwendung des Progressionsvorbehaltes bei der Einkommensteuerberechnung in Österreich nicht bindend, aber doch ein bedeutendes Indiz. Auf Grund der durch ihre deutsche Steuerbevollmächtigte erstatteten Steuererklärung für 1972 habe die Zweitbeschwerdeführerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus zwei Anteilen an der zwischen ihr und einem Miteigentümer bestehenden Erwerbsgemeinschaft bezogen, folglich müßten ihr bzw. der Erwerbsgemeinschaft entsprechende Einnahmen zugeflossen sein. Mit der an sich unbestrittenen Vereinnahmung der Beträge durch die Erwerbsgemeinschaft im Jahre 1972 seien die entsprechenden Anteile den Mitgesellschaftern zugeflossen. Die deutsche Steuerbevollmächtigte habe dazu nur mitgeteilt daß die Zweitbeschwerdeführerin in der Folge nicht über die Beträge verfügt habe, nicht aber auch, daß ihr eine Verfügung tatsächlich unmöglich gewesen wäre, weil der Mitunternehmer die Herausgabe des Anteils verweigere, Beträge unterschlagen oder sonst einen Anspruch der Zweitbeschwerdeführerin verneint habe. Ein Zufließen der strittigen Einkünfte in einem anderen als dem Streitjahr könne daher nicht als erwiesen angenommen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer halten darin ihre bereits im Verwaltungsverfahren vertretene Ansicht aufrecht, die DM 56.610,-- seien der Zweitbeschwerdeführerin im Jahre 1972 nicht zugeflossen. Voraussetzung dafür wäre gewesen, daß die Zweitbeschwerdeführerin in die Lage versetzt worden wäre, über diesen Betrag rechtlich und wirtschaftlich zu verfügen. Im Beschwerdefall habe der Miteigentümer von vornherein die Mieteinnahmen als ihm allein zugeflossen behandelt. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß er als Bevollmächtigter der Zweitbeschwerdeführerin in der beim deutschen Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung für 1972 die Aufteilung des Überschusses über die Werbungskosten nach den Anteilen der Miteigentümer vorgenommen habe. Für das Jahr 1972 habe er tatsächlich nur DM 10.000,-- als Anteil der Zweitbeschwerdeführerin überwiesen. Durch die Behandlung der DM 56.610,-- als Einnahme der Zweitbeschwerdeführerin durch das deutsche Finanzamt sei ein Zufließen nicht bewirkt worden. Die belangte Behörde habe aber auch Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie den Sachverhalt trotz entsprechender Beweisanbote nicht vollständig erhoben habe. Aus der Korrespondenz und aus einer Einvernahme der deutschen Steuerberaterin der Zweitbeschwerdeführerin als Zeugin im Rechtshilfeweg hätte die belangte Behörde die Richtigkeit der Behauptungen der Beschwerdeführer entnehmen und entsprechende Feststellungen treffen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde und über die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:
Nach dem für das Streitjahr anzuwendenden § 11 Abs. 1 EStG 1967 (jetzt gleichlautend § 19 Abs. 1 EStG 1972) sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Ein Betrag ist danach nicht nur dann als dem Abgabepflichtigen zugeflossen anzusehen, wenn er ihm bar ausbezahlt wurde, sondern es genügt, daß der Empfänger in der Lage ist, über den Betrag rechtlich und wirtschaftlich zu verfügen (vgl. hg. Erkenntnisse Slg. Nr. 4536/F, 1952/F, 264/F u.a.). Die Vereinnahmung durch einen Bevollmächtigten erfolgt gleichzeitig zugunsten des Machtgebers; so liegt etwa bei Verwaltung durch einen Hausverwalter die tatsächliche Vereinnahmung in dessen Händen, sie vollzieht sich aber, da dieser eine von den Hauseigentümern bevollmächtigte Person ist, gleichzeitig zugunsten der Machtgeber. Auch wenn mehrere Personen Eigentümer eines Mietwohnhauses sind und die Mietzinse auf ein Gemeinschaftskonto der Mitbesitzer eingezahlt werden, ist der Zufluß von Einnahmen unmittelbar als anteiliger Zufluß bei jedem einzelnen Gemeinschafter anzusehen; Mieten, die auf dieses Konto eingezahlt werden, stehen nach bürgerlichem wie auch nach Steuerrecht anteilig jedem Gemeinschafter zu. Das Zufließen erfolgt hier durch die Gutschrift zurechenbarer Einnahmen (vgl. Hofstätter-Reichel, Kommentar III B, S 2 und 13 zu § 19 EStG 1972, und die hg. Erkenntnisse Slg. Nr. 4536/F, 4324/F, 3072/F, 264/7). Sind aber Einnahmen einmal zugeflossen, dann ist ihr weiteres Schicksal auf die Tatsache des Zufließens von keinem Einfluß mehr (vgl. Hofstätter-Reichel aaO, S. 5, sowie hg. Erkenntnis vom , Zl. 618/67). Führt die vom Empfänger gewünschte Art der Verwendung letztlich zum Verlust des Betrages, dann handelt es sich daher nicht mehr darum, daß das Zufließen unterblieben wäre, sondern nur darum, daß der bereits zugeflossene Betrag verlorengegangen ist.
Geht man von dieser rechtlichen Situation aus, dann ist der belangten Behörde im Beschwerdefall nicht vorzuwerfen, daß sie in Verkennung der Rechtslage weitere Ermittlungen unterlassen hätte. Die Beschwerdeführer bezeichnen selbst den Miteigentümer der Zweitbeschwerdeführerin als deren Bevollmächtigten, allerdings habe er von vornherein die Mieteinnahmen als ihm allein zugeflossen behandelt. Dies konnte ihm jedoch nur dadurch möglich sein, daß er diese Beträge entweder tatsächlich als Bevollmächtigter der Zweitbeschwerdeführerin in Empfang genommen hat, oder daß diese Beträge auf Konten eingingen, über die er als Miteigentümer der Grundstücksgemeinschaft verfügen konnte. Spätere Schwierigkeiten der Miteigentümer bei der Verrechnung der vereinnahmten Beträge ändern nichts daran, daß der Zufluß derselben an die Miteigentümer im steuerlichen Sinn anteilig bereits mit ihrem Eingang bei einem dazu Bevollmächtigten bzw. auf einem Gemeinschaftskonto erfolgt ist. Aus der Tatsache, daß auch die Steuererklärung der Zweitbeschwerdeführerin in der Bundesrepublik von einem Zufließen der Mieteinnahmen bei der Zweitbeschwerdeführerin im Jahre 1972 ausging und die Zweitbeschwerdeführerin den in diesem Sinne ergangenen deutschen Einkommensteuerbescheid 1972 in Rechtskraft erwachsen ließ, ist zu ersehen, daß auch sie ursprünglich die Lage nicht anders einschätzte. Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie diese Umstände als Indizien für das Zufließen der DM 56.610,-- im Jahre 1972 wertete.
Auch mit ihrem Einwand, es seien im Jahre 1979 DM 10.000,-- aus einer Forderung der Zweitbeschwerdeführerin aus Eingängen der Grundstücksgemeinschaft im Jahre 1972 in Österreich steuerlich berücksichtigt worden, zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, zumal sich dieser ja ausschließlich mit der Höhe der der Zweitbeschwerdeführerin im Jahre 1972 zugeflossenen Beträge zu befassen hatte. Ein Vorbringen in der Richtung, daß der auf die Zweitbeschwerdeführerin entfallende Anteil aus den Einnahmen der Grundstücksgemeinschaft im Jahre 1972 der Höhe nach mit DM 56.610,-- unrichtig angenommen worden wäre, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, die ja selbst von einer „Gutschrift“ in dieser Höhe spricht.
Da somit die behauptete Rechtswidrigkeit dem angefochtenen Bescheid nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Ersatz von Aufwendungen an den Bund gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b und 53 Abs. 1 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542/1977.
Wien,
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1980001300.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-54542