VwGH 10.02.1976, 0441/75
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Die organisatorische Einheit eines Betriebes muß in der Hauptsache in dreifacher Weise zum Ausdruck kommen, nämlich in der Einheit des Betriebsinhabers, in der Einheit des Betriebszweckes und in der Einheit der Organisation, wobei bei dem zuletzt angeführten Erfordernis die räumliche Entfernung der Betriebsteile voneinander eine besondere Rolle spielt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0492/69 E VwSlg 7664 A/1969 RS 1 |
Norm | |
RS 2 | Die Bestimmungen des § 105 ArbVG sind nur dann anzuwenden, wenn der betreffende Arbeitnehmer in einem betriebsratspflichtigen Betrieb iSd Bestimmungen der §§ 33 und 34 ArbVG beschäftigt ist (Hinweis auf Floretta-Strasser "Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz 1975 S 193 und S 623, sowie E des 758/65, VwSlg 6828 A/1965). |
Norm | ArbVG §105 Abs3 Z2 lita; |
RS 3 | Nur dann, wenn der Nachweis des Vorliegens von Umständen, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, dem Arbeitgeber nicht gelungen ist, kommt der Einwand, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, zum Tragen. Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich (Hinweis E , 1224/52, VwSlg 2830 A/1953; E , 950/54, VwSlg 3629 A/1955; E , 240/63, Arb 7787; E , 1455/63 und E , 1005/73, weiters auf folgende Literatur: Floretta-Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz 1975, S 643; Dr. Martin Mayr im Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz, Österr.Wirtschaftsverlag, Wien 1974, S 251). |
Norm | |
RS 4 | Eine organisatorische Einheit wird erst dann zu einem Betrieb im Sinne des BRG, wenn dieser Einheit ein gewisses Mindestmaß an Selbständigkeit, insbesondere in technischer Hinsicht, eingeräumt ist und auch dem Ergebnis des Arbeitsvorganges dieser Einheit eine, wenn auch beschränkte Abgeschlossenheit oder Unabhängigkeit von anderen Betriebsvorgängen eignet. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1039/72 E RS 4 |
Norm | ArbVG §105 Abs3 Z2 lita; |
RS 5 | Als für die betrieblichen Interessen nachteilige Umstände kommen Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis in Betracht, wie Arbeitsversäumnis, Arbeitsverweigerung, erhebliche Minderleistung, oftmalige Unpünktlichkeit, ungenügender Fleiß, Unverträglichkeit gegenüber den Mitarbeitern (ausführliche VJ). |
Entscheidungstext
Beachte
Besprechung in:
RdA 1976, S 181 teilweise Veröffentlichung;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Loebenstein und die Hofräte Dr. Zach, Dr. Jurasek, Dr. Draxler und Großmann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Korsche, über die Beschwerde des HH in L, vertreten durch Dr. Wilfrid Stenitzer, Rechtsanwalt in Leibnitz, Hauptplatz 34, gegen den Bescheid des Einigungsamtes Graz vom , Zl. Re 7/74 (mitbeteiligte Partei: RM in W), betreffend Anfechtung einer Kündigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.565,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Die mitbeteiligte Partei war ab beim Beschwerdeführer, und zwar bei dessen Tankstelle in W, als Tankwart beschäftigt. Mit Schreiben vom sprach der Beschwerdeführer gegenüber der mitbeteiligten Partei für die Kündigung aus; mit Beendigung des Dienstverhältnisses habe die mitbeteiligte Partei die ihr vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellte Wohnung in geräumtem Zustand zu übergeben. Unter Bezugnahme auf § 107 Arbeitsverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 22/1974 (ArbVG), stellte die mitbeteiligte Partei bei der belangten Behörde den Antrag, "die ausgesprochene Kündigung ungültig zu erklären". Die mitbeteiligte Partei leite die Tankstelle in W seit , sei 46 Jahre alt und habe für die Ehefrau, die im dritten Monate schwanger sei, und sechs minderjährige Kinder im Alter von 1 bis 16 Jahren zu sorgen.
Bei der Übernahme der Tankstelle in W habe die mitbeteiligte Partei ihre Wohnung in B. aufgegeben, da ihr der Beschwerdeführer eine Lebensstellung versprochen habe; infolge der Kündigung und des Auftrages, die vom Beschwerdeführer der mitbeteiligten Partei zur Verfügung gestellte Wohnung mit zu übergeben, wäre die mitbeteiligte Partei samt ihrer Familie ab diesem Zeitpunkt ohne Wohnung. Die mitbeteiligte Partei habe sich während des Arbeitsverhältnisses nichts zuschulden kommen lassen. Zwischen August 1972 und November 1973 habe sie 780 Überstunden geleistet. Erst als sich der Beschwerdeführer geweigert habe, diese Überstunden zu bezahlen, habe die mitbeteiligte Partei im Dezember 1973 dem Beschwerdeführer erklärt, keine unbezahlten Überstunden mehr zu machen. Da der Beschwerdeführer nunmehr einen Tankwart gefunden habe, der über die tägliche zehnstündige Arbeitszeit hinaus sogar für weniger Geld arbeite, habe er die mitbeteiligte Partei gekündigt. Diese Kündigung stelle eine soziale Härte dar.
1.2.1.1. Im Zuge des Verfahrens brachte der Beschwerdeführer vor, die mitbeteiligte Partei habe die ihr vorgeschriebene Arbeitszeit wiederholt nicht eingehalten und sei wiederholt erst um 8.00 Uhr statt schon um 7.00 Uhr zur Arbeit gekommen. Sie habe häufig ihren Dienstplatz verlassen, keinen Samstags- und Sonntagsdienst geleistet, sich gegenüber anderen Tankwarten unkameradschaftlich verhalten, sodaß niemand mit ihr habe zusammenarbeiten wollen. Die von der mitbeteiligten Partei geleisteten Überstunden seien stets bezahlt worden. Bei der Tankstelle in W handle es sich um einen eigenen Betrieb, bei dem ständig zwei bis drei Dienstnehmer beschäftigt seien.
1.2.1.2. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde von Zeugen angegeben, der Plan, eine turnusmäßige Einteilung der Tankwarte an beiden Tankstellen, sowohl in L. als auch in W., zu treffen, sei an der Weigerung der mitbeteiligten Partei gescheitert, in L. zu arbeiten. Es hätten jedoch die übrigen Tankwarte in L. und W. gegenseitig bei Bedarf ausgeholfen. Die mitbeteiligte Partei habe kein Recht gehabt, selbst Dienstnehmer aufzunehmen oder Bestellungen zu tätigen. Die Buchhaltung werde in L. geführt, wo der Beschwerdeführer eine Tankstelle und ein Kaufhaus betreibe. Die örtliche Entfernung zwischen den Tankstellen in L. und W. würde zirka. 10 km betragen. Der Beschwerdeführer habe täglich mit der Tankstelle in W. abgerechnet.
1.2.1.3. Die mitbeteiligte Partei erwiderte, sie habe ihren Dienst von Montag bis Samstag jeweils von 8.00 bis 18.00 Uhr ordnungsgemäß versehen und während der gesamten Dienstzeit bloß dreimal wegen Verschlafens die Tankstelle zu spät aufgesperrt. Eine genaue Dienstzeitregelung sei nicht getroffen worden. Die mitbeteiligte Partei habe zeitweise täglich von 6.00 Uhr früh bis 21.00 Uhr Dienst gemacht, zeitweise habe die Ehefrau geholfen. Als die mitbeteiligte Partei die Bezahlung von Überstunden verlangt habe, habe sich der Beschwerdeführer geweigert. Daraufhin habe die mitbeteiligte Partei keine Überstunden mehr gemacht oder, wenn dies unabweislich gewesen sei, sich Freizeitausgleich genommen, hievon aber den Beschwerdeführer jeweils verständigt.
1.2.2. Die zahlreichen von der belangten Behörde vernommenen Zeugen sagten im wesentlichen aus, die Entlohnung der mitbeteiligten Partei habe auf einer wöchentlichen Arbeitsleistung von 60 Stunden beruht. In der Regel sei neben dem Beschwerdeführer noch ein weiterer Tankwart bei dieser Tankstelle beschäftigt gewesen, mitunter auch ein dritter; dann sei es wieder vorgekommen, daß der Beschwerdeführer allein Dienst gemacht habe. Eine genaue Arbeitseinteilung sei nicht getroffen worden, dies sei den bei der Tankstelle beschäftigten Tankwarten überlassen worden. Die Tankstelle sollte täglich von 7.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet sein; Sonntagsdienst habe die mitbeteiligte Partei zuletzt nicht gemacht. Die mitbeteiligte Partei habe wiederholt die Tankstelle nicht zeitgerecht geöffnet oder sei tagsüber stundenweise fortgeblieben. Einige Zeugen gaben an, mitunter von der mitbeteiligten Partei bei Serviceleistungen weggeschickt worden zu sein, obwohl noch hiezu Zeit gewesen wäre, andere Zeugen wieder lobten die zuvorkommende Arbeit der mitbeteiligten Partei, die auch außerhalb der Öffnungszeiten, falls notwendig, bedient habe.
1.2.3. In seiner abschließenden Stellungnahme zum Ergebnis des Beweisverfahrens gab der Beschwerdeführer an, die Öffnungszeit der Tankstelle in W sei mit 7.00 bis 19.00 Uhr bestimmt worden, eine stundenmäßige Einteilung sei nicht getroffen worden, die Tankwarte müßten so arbeiten, daß jeder auf eine tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden komme. Der Beschwerdeführer habe der mitbeteiligten Partei anfangs Jänner 1974 die Weisung erteilt, um 7.00 Uhr anzufangen, was dieser verweigert habe. Glaublich einen Monat vor der schriftlichen Kündigung habe der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Partei aufgetragen, zu bestimmten im Akt angegebenen Zeiten anwesend zu sein; auch dies habe die mitbeteiligte Partei verweigert. Als der Beschwerdeführer der mitbeteiligten Partei hierauf mit der Kündigung gedroht habe, habe sie gemeint, sie warte schon darauf. Weiters legte der Beschwerdeführer noch Schreiben vor. In einem dieser Schreiben wurde die mitbeteiligte Partei mit entlassen, diese Entlassung hat der Beschwerdeführer jedoch in der Folge wieder zurückgenommen. In einem anderen Schreiben beklagt sich ein Tankwart über das unkameradschaftliche Verhalten der mitbeteiligten Partei.
1.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Kündigung für rechtsunwirksam erklärt. In der Begründung wurde nach Darstellung des Ermittlungsverfahrens als erwiesen angenommen, die Entlohnung sei auf der Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden festgesetzt worden, für die Tankstelle in W sei keine fixe Öffnungszeit festgelegt gewesen. Die Tankstelle in W. stelle keinen selbständigen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des § 34 Abs. 1 ArbVG dar, da sie völlig in das Gesamtunternehmen in L. integriert sei. Da im Betrieb des Beschwerdeführers kein Betriebsrat bestehe, sei die Anfechtung der Kündigung durch die mitbeteiligte Partei (gemäß § 107 ArbVG) zulässig. Durch die Kündigung der mitbeteiligten Partei seien zweifellos deren wesentliche Interessen beeinträchtigt worden (§ 105 Abs. 3 Z. 2 lit. a ArbVG), da es klar sei, daß die mitbeteiligte Partei mit ihrer großen Familie nicht in der Lage sei, in absehbarer Zeit eine geeignete Wohnung zu finden. Diese Beeinträchtigung sei für sich allein schon eine schwerwiegende, weshalb nicht weiter darauf eingegangen werden müsse, ob durch die Kündigung auch noch andere wesentliche Interessen der mitbeteiligten Partei, besonders in Richtung auf die Möglichkeit des Auffindens eines neuen Arbeitsplatzes, beeinträchtigt würden. Zwar seien "im Verhältnis zwischen den Parteien Unzukömmlichkeiten aufgetreten", doch würden diese daher rühren, daß es der Beschwerdeführer unterlassen habe, eine bestimmte uhrzeitmäßige Dienstzeit für die mitbeteiligte Partei und die genauen Öffnungszeiten für die Tankstelle festzusetzen. Ein Grund dafür dürfte sein, daß der Beschwerdeführer nicht die Bestimmung des Kollektivvertrages für die Arbeiter in Tankstellenunternehmungen eingehalten habe. Die daraus resultierenden Eigenmächtigkeiten der mitbeteiligten Partei könnten dieser daher nicht zur Last gelegt werden. Andere Dienstverfehlungen seien zwar behauptet worden, doch hätten sie nicht erwiesen werden können.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. In ihr wird vorerst eingewendet, daß zwar die Finanz- und Lohnbuchhaltung für alle Betriebe des Beschwerdeführers im Büro in L. geführt werde, auch die Verteilung von Waren erfolge dort, die Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die Bilanz würden für den Betrieb in L. und den Betrieb in W., der 10 km vom Betrieb in L. entfernt sei, gesondert erstellt. Der Beschwerdeführer leite zwar alle seine Betriebe selbst, weil die Größe der einzelnen Betriebe weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit die Einstellung eines Geschäftsführers rechtfertigen würde, doch sei dieser Umstand kein Argument dafür, die Selbständigkeit des Betriebes in W gegenüber den anderen Betrieben des Beschwerdeführers in L. zu verneinen, wozu noch komme, daß für den Betrieb in W ein selbständiger Kreis von Arbeitnehmern bestehe, nämlich zwei bis drei Tankwarte. Die Tankstelle in W, bei der die mitbeteiligte Partei beschäftigt gewesen sei, stelle daher einen selbständigen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des § 34 Abs. 1 ArbVG dar, bei dem allerdings dauernd weniger als fünf stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt seien (§ 40 Abs. 1 ArbVG). Die mitbeteiligte Partei sei daher nicht berechtigt gewesen, gemäß § 107 ArbVG die ausgesprochene Kündigung anzufechten.
2.2. Die belangte Behörde habe weiters die Bestimmungen des § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. a ArbVG falsch ausgelegt. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde sei die Anfechtung der Kündigung nicht nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer Umstände, die die betrieblichen Interessen nachteilig berührten, verschuldet habe, vielmehr bedürfe es lediglich des Nachweises von Umständen, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen seien und die betrieblichen Interessen nachteilig berührten. Aus der auszugsweisen Wiedergabe der Angaben des Zeugen Ferdinand N. auf Blatt Zl. 3 der Begründung des angefochtenen Bescheides sei zu schließen, daß die belangte Behörde die Angaben dieses Zeugen als richtig annehme. Dieser Aussage zufolge hätten sich innerhalb der Zeit vom 18. Februar bis zahlreiche Dienstverletzungen der mitbeteiligten Partei in der Weise ereignet, daß diese entweder für mehrere Stunden den Dienst ohne Verständigung und Genehmigung des Beschwerdeführers unterbrochen oder den Dienst erst zwischen 8.15 und 8.45 Uhr, also zu spät angetreten habe. Überdies habe die mitbeteiligte Partei die vereinbarte Arbeitszeit von 60 Wochenstunden bzw. 10 Stunden täglich nicht eingehalten, was insbesondere daraus hervorgehe, daß die Öffnungszeiten der Tankstelle 10 Stunden täglich betragen hätten und die mitbeteiligte Partei diese Zeit nicht eingehalten habe. Daß keine Diensteinteilung seitens des Beschwerdeführers angeordnet worden sei, sei daher ohne Bedeutung; das gleiche gelte für die Frage der Einhaltung des Kollektivvertrages durch den Beschwerdeführer. Der Zeuge Albin S. habe angegeben, daß die mitbeteiligte Partei es wiederholt abgelehnt habe, Serviceleistungen zu erbringen. Es hätten daher die von der belangten Behörde ausdrücklich festgestellten als "Unzukömmlichkeiten" bezeichneten Umstände in ihrer Gesamtheit betrachtet als "Ausschließungsgründe im Sinne des § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. a ArbVG angesehen werden" müssen.
2.3. Verfahrensvorschriften habe die belangte Behörde dadurch verletzt, daß sie es unterlassen habe, sich mit den Aussagen von acht in der Beschwerde namentlich genannten Zeugen auseinanderzusetzen. Aus diesen Zeugenaussagen wären Feststellungen in der Richtung zu treffen gewesen, daß die mitbeteiligte Partei wiederholt während der Öffnungszeiten in der Tankstelle nicht anwesend gewesen sei, diesen Arbeitsplatz eigenmächtig verlassen habe oder zu spät gekommen sei, sich mit den Arbeitskollegen nicht vertragen habe, wiederholt Aufträge, die ihr der Beschwerdeführer erteilt habe, nicht befolgt habe, obwohl ihr dies innerhalb der zehnstündigen Arbeitszeit möglich gewesen wäre, und Kunden, die Serviceleistungen verlangt hätten, weggeschickt habe; schließlich, daß die mitbeteiligte Partei die mündlich ausgesprochene Kündigung vorerst mit den Worten "es gehe in Ordnung" zur Kenntnis genommen, jedoch nach 14 Tagen eine schriftliche Kündigung verlangt habe. Aus dem Schreiben des Tankwartes Robert Sch., das der Beschwerdeführer vorgelegt habe, gehe hervor, daß die mitbeteiligte Partei schwere Verfehlungen gesetzt und ein unverträgliches Verhalten gegenüber den Arbeitskollegen an den Tag gelegt habe.
Schließlich sei den Aussagen der mitbeteiligten Partei zu entnehmen, daß sie die Tankstelle in W während der Öffnungszeiten verlassen habe, um private Dinge zu erledigen, und sich zu dem Arbeitskollegen L. äußerst abfällig geäußert habe. Auch habe es die belangte Behörde unterlassen, die vom Beschwerdeführer nominierten Zeugen Johann H. und Alexander M. zu vernehmen.
3.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3.1. Der Geltungsbereich des allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutzes fällt mit dem des betriebsverfassungsrechtlichen Teiles des ArbVG (II. Teil) zusammen. Die Bestimmungen des § 105 ArbVG sind daher nur dann anzuwenden, wenn der betreffende Arbeitnehmer in einem betriebsratspflichtigen Betrieb beschäftigt ist (siehe z. B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 758/65, Slg. N.F. Nr. 6828/A, Arb. 8181, weiters Floretta-Strasser, Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz 1975, Seite 193, zu § 33, 1.2.2. und Seite 623, zu §§ 105 bis 107, 2.1.1.). Es muß sich also um einen Betrieb im Sinne der Bestimmungen der §§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 1 ArbVG handeln, in dem dauernd zumindest fünf stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind (§ 40 Abs. 1 ArbVG), damit ein Anfechtungsrecht der mitbeteiligten Partei entstehen kann (siehe auch Mayr im "Kommentar zum Arbeitsverfassungsgesetz", Österreichischer Wirtschaftsverlag, 1974 - in der Folge "Wirtschaftsverlag-Kommentar" zitiert - Seite 242 zu § 105, 1).
3.2.1. Als Betrieb gilt gemäß § 34 Abs. 1 ArbVG jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht. Diese Bestimmung ist im wesentlichen gleich der des § 2 Abs. 1 des durch das ArbVG außer Kraft gesetzten Betriebsrätegesetzes (siehe auch Adametz in "Wirtschaftsverlag - Kommentar" Seite 117, zu § 34, 1). In dieser "organisatorischen Einheit" muß nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Einheit des Betriebsinhabers, des Betriebszweckes und der Organisation zum Ausdruck kommen (siehe z.B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 492/69, Slg. N.F. Nr. 7664/A, Arb. 8674); dieser Einheit muß also ein gewisses Mindestmaß an Selbständigkeit, insbesondere in technischer Hinsicht, eingeräumt sein, und auch dem Ergebnis des Arbeitsvorganges dieser Einheit muß eine, wenn auch beschränkte Abgeschlossenheit oder Unabhängigkeit von anderen Betriebsvorgängen eigen sein (siehe z.B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1039/72 Soz. M II B 1019, und die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur, weiters Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 501/72, Slg. N.F. Nr. 8342/A).
3.2.2. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Tankstelle in W, die vom übrigen Betrieb des Beschwerdeführers in L., bestehend aus einem Kaufhaus, einem Transportunternehmen, einem Mineralölhandel und einer Tankstelle (siehe Blatt Zl. 1v der Begründung des angefochtenen Bescheides) etwa 10 km entfernt ist und in der außer der mitbeteiligten Partei im Durchschnitt ein bis zwei Tankwarte beschäftigt sind. Diese Tankstelle wird vom Betrieb des Beschwerdeführers in L. beliefert, wo auch die Buchhaltung geführt wird, ebenso werden Bestellungen und Personalaufnahmen für diese Tankstelle nur über den Betrieb in L. getätigt. Ergab sich bei der Tankstelle in W. ein vorübergehender Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften, so wurden diese von den Betrieben in L. dorthin geschickt. Aus diesem von der belangten Behörde festgestellten und vom Beschwerdeführer nicht widersprochenen Sachverhalt ergibt sich, daß es sich bei der Tankstelle in W. nicht um einen selbständigen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des § 34 Abs. 1 ArbVG handelt, da dieser Tankstelle die vorgenannten wesentlichen Merkmale eines solchen Betriebes fehlen; diese Tankstelle bildet vielmehr eine organisatorische Einheit mit den Betrieben des Beschwerdeführers in L. Bilden zwei, wenn auch örtlich getrennte, Tankstellen eines Unternehmens eine organisatorische Einheit, so liegt, wie auch der OGH zum Beispiel in seinem Urteil vom , GZ. 4 Ob 148/61 (Arb. 7466), ausgesprochen hat, ein einheitlicher Betrieb im Sinne des Betriebsrätegesetzes (und daher nunmehr auch im Sinne des § 34 Abs. 1 ArbVG) vor. Dieser einheitliche Betrieb umfaßt im vorliegenden Fall soviele Dienstnehmer, daß jedenfalls von einem Betrieb im Sinne der Bestimmungen des § 34 Abs. 1 ArbVG gesprochen werden kann. Ein Betriebsrat besteht in diesem Betrieb nicht, die mitbeteiligte Partei war daher zur Anfechtung der Kündigung gemäß § 107 ArbVG berechtigt.
3.3.1. Eine Kündigung kann unter anderem gemäß § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. a ArbVG - nur diese Bestimmung kommt für den vorliegenden Fall in Frage - angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt und der gekündigte Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Betrieb beschäftigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, daß die Kündigung durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, begründet ist. Dieser Anfechtungsgrund ist dem des § 25 Abs. 4 des ehemaligen Betriebsrätegesetzes sehr ähnlich. Es muß einerseits eine wesentliche Beeinträchtigung der Interessen auf der Arbeitnehmerseite vorliegen, andererseits dürfen durch eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus betriebliche Interessen nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden. Das Vorliegen eines derartigen betrieblichen Interesses, das in der Person des Dienstnehmers gelegen ist, hat der Arbeitgeber zu beweisen (siehe z.B. Floretta-Strasser, a.a.O., Seite 636 f, zu §§ 105 bis 107, 3.2.2.). Als solche kommen Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis in Betracht, wie Arbeitsversäumnis, Arbeitsverweigerung, erhebliche Minderleistung, oftmalige Unpünktlichkeit, ungenügender Fleiß, Unverträglichkeit gegenüber den Mitarbeitern, wobei - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - ein Verschulden auf Seiten des Arbeitnehmers nicht erforderlich ist (siehe z.B. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1224/52, Slg. N.F. Nr. 2830/A, vom , Zl. 950/54, Slg. N.F. Nr. 3629/A, vom , Zl. 240/63, Arb. 7787, vom , Zl. 1455/63, und vom , Zl. 1005/73, sowie Floretta-Strasser, a.a.O., Seite 643, zu §§ 105 bis 107,
3.2.2. und Mayr, a.a.O., Seite 251, zu § 105, 9).
3.3.2. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, daß im vorliegenden Fall die soziale Härte der Kündigung der mitbeteiligten Partei allein schon darin gelegen sein könnte, daß die mitbeteiligte Partei auch die ihr eingeräumte Dienstwohnung verliert und es ihr mit Rücksicht auf ihre große Familie schwer fallen würde, in absehbarer Zeit eine geeignete Wohnung zu finden. Allein dieser Umstand enthebt die belangte Behörde nicht ihrer Verpflichtung, auch zu der Frage Stellung zu nehmen, ob es dem Beschwerdeführer als Betriebsinhaber gelungen ist, den Nachweis zu erbringen, daß die Kündigung durch Umstände bedingt ist, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren. Nur dann, wenn dieser Nachweis dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, kommt der Einwand, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, zum Tragen.
3.4.1. In der Begründung des angefochtenen Bescheides setzt sich die belangte Behörde nur mit einigen wenigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens auseinander. So schreibt sie (Blatt Zl. 3), der Zeuge Ferdinand N. habe angegeben, die mitbeteiligte Partei habe wiederholt, so am , , , , , um 8.00 Uhr noch nicht den Dienst angetreten. Am , , , , und habe die mitbeteiligte Partei während dieser Arbeitszeit für längere Zeit den Arbeitsplatz verlassen. Der Zeuge Albin S. habe, wie weiters in der Begründung ausgeführt wird (Blatt Zl. 3), angegeben, ein Kunde (Werner O.) habe im Jahre 1974 an einem Freitag zwischen 15.30 Uhr und 16.30 Uhr an der Tankstelle in W. einen Lastkraftwagen waschen und schmieren lassen wollen, sei von der mitbeteiligten Partei vorerst auf den nächsten Tag verwiesen worden und, als diese Kunde am nächsten Tag zwischen 8.00 Uhr und 8.30 Uhr ihren Auftrag wiederholt habe, von der mitbeteiligten Partei abgewiesen worden.
3.4.2. Selbst mit diesen Teilergebnissen des Ermittlungsverfahrens setzt sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur insofern auseinander, als sie darauf hingewiesen hat (Seite 3v der Begründung), die Feststellung des Sachverhaltes habe sich äußerst schwierig gestaltet, "da viele Widersprüche in den einzelnen Aussagen aufgetreten" seien. Im Verhältnis zwischen den Parteien "seien zahlreiche Unzukömmlichkeiten aufgetreten" (siehe Seite 4v der Begründung), doch würden diese daher rühren, daß es der Beschwerdeführer unterlassen habe, eine uhrzeitmäßig bestimmte Dienstzeit für die mitbeteiligte Partei festzusetzen. Dies und eine genaue Festsetzung der Öffnungszeiten der Tankstelle wäre aber zumindest erforderlich gewesen, um feststellen zu können, ob die mitbeteiligte Partei ihre Dienstpflichten verletzt habe. Andere Dienstverfehlungen hätten der mitbeteiligten Partei nicht nachgewiesen werden können.
3.4.3. Allein schon für diesen Schluß der belangten Behörde bietet das von ihr in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebene Ergebnis des Ermittlungsverfahrens keine genügende Handhabe. Sie nahm auf Grund der Aussagen der mitbeteiligten Partei jedenfalls als erwiesen an (Seite 2 der Begründung), daß diese ab Dezember 1973 ihre tägliche Arbeitsverpflichtung von zehn Stunden (wöchentliche Arbeitszeit von 60 Stunden) in der Form erfüllt habe, daß sie jeweils Montag bis Samstag von 8.00 bis 18.00 Uhr Dienst versehen habe. Alle vom Zeugen N. festgehaltenen Zeiten, an welchen die mitbeteiligte Partei nicht am Arbeitsplatz gewesen sein soll, fallen in diesen von der mitbeteiligten Partei selbst als Arbeitszeit angegebenen Zeitraum.
3.5.1. Darüber hinaus hat es die belangte Behörde unterlassen, sich mit den zahlreichen anderen Zeugenaussagen und anderen Beweismitteln des Ermittlungsverfahrens auseinanderzusetzen. In der Beschwerde wird insbesondere auf die Aussagen der Zeugen Harald T. (Seite 12 f), Anton L. (Seite 14), Friedrich St. (Seite 15), Hubert H. jun. (Seite 15 f), Josef G. (Seite 17) und Werner O. (Seite 18) verwiesen. Weiters hat sich die belangte Behörde insbesondere nicht mit den vom Beschwerdeführer im Rahmen des Ermittlungsverfahrens vorgelegten Schreiben des Robert Sch. vom (Beilage 2 des Aktes) und den schriftlich niedergelegten Angaben der Zeugen Johann P. vom (Beilage 3 des Aktes) und Alexander M. vom (Beilage 4 des Aktes) auseinandergesetzt.
3.5.2. Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde glaubhaft angegeben, es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde, hätte sie sich mit diesen Beweismitteln auseinandergesetzt, zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Eine schriftliche Auseinandersetzung mit den übrigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens wäre im vorliegenden Fall insbesondere auch deshalb zu fordern gewesen, weil die belangte Behörde selbst in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die vielen Widersprüche des Ermittlungsverfahrens hingewiesen hat, allerdings nur pauschal, ohne näher auf diese einzugehen und auszuführen, welchen Sachverhalt und warum sie diesen als erwiesen angenommen hat.
4.1. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4.2. Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 im Zusammenhang mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 8986 A/1976 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1976:1975000441.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
MAAAF-52775