VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Die Sachbehauptungen des Waffenpasswerbers, mit denen das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen geltend gemacht wird, begrenzen den festzustellenden Sachverhalt und damit die Prüfbefugnis des VwG, zumal es allein dem Antragsteller obliegt, die Sachumstände, aus denen er einen Bedarf abgeleitet wissen will, glaubhaft zu machen (vgl ). |
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RS 2 | Auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit darf über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden (vgl ). |
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RS 3 | Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl etwa ; (VwSlg 17.938 A/2010)), wobei die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens allgemein anzuwenden sind (vgl ). Dieser Grundsatz ist daher auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG 2014 eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs 1 AVG im Rahmen des VwGVG 2014 nicht vorkehrt. |
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RS 4 | Auch die Entscheidung eines VwG wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig (vgl idS ), wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben (). Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (vgl dazu ). Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl dazu etwa ). |
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RS 5 | Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom VwG von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl ). Auch das VwG hat dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis (vgl dazu etwa ) einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl idS etwa ; vgl G 5/2014 (VfSlg 19.882/2014)). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des A L in W, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl VGW- 103/048/8468/2015-15, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 A. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde (LPD) wies mit Bescheid vom den Antrag der revisionswerbenden Partei auf Ausstellung eines Waffenpasses mangels Vorliegen eines Bedarfes iSd § 22 Abs 2 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG) ab.
2 Das Verwaltungsgericht wies die dagegen gerichtete Beschwerde mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis als unbegründet ab und bestätigte den bekämpften Bescheid mit der Maßgabe, dass der von der revisionswerbenden Partei am eingebrachte Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses zurückgewiesen wird (Spruchpunkt I.). Ferner erklärte das Verwaltungsgericht gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis für unzulässig (Spruchpunkt II.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die LPD Wien mit rechtskräftigem Bescheid vom einen auf einen jagdlichen Bedarf gestützten Antrag des Revisionswerbers vom auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Waffen der Kategorie B (dem eine Bestätigung des Landesjagdverbandes für Wien beigeschlossen gewesen sei) abgewiesen habe, weshalb dem nunmehrigen, ebenfalls auf einen jagdlichen Bedarf gestützten Antrag vom auf Ausstellung eines Waffenpasses für zwei Waffen der Kategorie B (dem eine Bestätigung des Burgenländischen Landesjagdverbandes beigeschlossen gewesen sei) die Rechtskraft des Bescheides der LPD iSd § 68 Abs 1 AVG entgegenstehe.
3 B. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen nach Art 133 Abs 9 B-VG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.
4 C. Entgegen der außerordentlichen Revision ist das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, weshalb vorliegend keine Rechtsfragen aufgeworfen wurden, denen im Sinn des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
5 C.1. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht war (ungeachtet des von § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfungsumfangs) nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde bildete (vgl , und , mwH). "Sache" des in diesem Sinne von der LPD getroffenen bescheidmäßigen Abspruchs war die Versagung der Ausstellung des beantragten Waffenpasses. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Übrigen schon ausgesprochen, dass die Sachbehauptungen des Waffenpasswerbers, mit denen das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen geltend gemacht wird, den festzustellenden Sachverhalt und damit die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts begrenzen, zumal es allein dem Antragsteller obliegt, die Sachumstände, aus denen er einen Bedarf abgeleitet wissen will, glaubhaft zu machen (vgl ).
6 C.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat zum VwGVG bereits ausgesprochen, dass auf dem Boden der tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts und der Rechtssicherheit über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden darf (vgl ). Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl etwa ; (VwSlg 17.938 A/2010)), wobei die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens allgemein anzuwenden sind (vgl ). Dieser Grundsatz ist daher auch dann zu beachten, wenn § 17 VwGVG eine sinngemäße Anwendung des IV. Teils des AVG und damit des § 68 Abs 1 AVG im Rahmen des VwGVG nicht vorkehrt. Fest steht nach der Judikatur weiters, dass auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mit ihrer Erlassung rechtskräftig wird (vgl idS ), wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben (). Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (vgl dazu ). Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl dazu etwa ).
7 C.3. Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung - hier: einer Verwaltungsbehörde - auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen (vgl idS ). Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl nochmals ). Auf dem Boden der Rechtsprechung hat auch das Verwaltungsgericht dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis (vgl dazu etwa ) einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl idS etwa ; vgl G 5/2014 (VfSlg 19.882/2014)).
8 C.4. Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist damit lediglich die Frage, ob das Verwaltungsgericht den Antrag der revisionswerbenden Partei zu Recht im Sinn des tragenden Verfahrensgrundsatzes, wie er sich aus § 68 Abs 1 AVG ergibt, wegen entschiedener Sache zurückwies (vgl idS ).
9 Dass sich die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, einer neuerlichen Sachentscheidung über den verfahrensgegenständlichen Antrag der revisionswerbenden Partei auf Erteilung eines Waffenpasses für zwei Waffen der Kategorie B auf Grund eines jagdlichen Bedarfes im Bereich des Burgenlandes (Revier in N) stehe die Rechtskraft eines einen vergleichbaren Antrag abweisenden Bescheides der LPD vom betreffend einen jagdlichen Bedarf in einem anderen Bundesland (Revier in Wien E) entgegen, außerhalb der Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bewegen würde, ist nicht zu erkennen. Bezüglich der für die Annahme einer "entschiedenen Sache" maßgeblichen rechtlichen Beurteilung für das Vorliegen eines "jagdlichen Bedarfes" iSd § 22 Abs 2 WaffG bewegt sich (auch) die in Revision gezogene Entscheidung innerhalb der einschlägigen wiederholt aufgezeigten Leitlinien (vgl etwa , und , beide mwH). Weiters hat das Verwaltungsgericht die rechtskräftige Entscheidung der LPD vom auf dem Boden der eben dargestellten Leitlinien beachtet, zumal eine Änderung der relevanten Rechtslage seither nicht eingetreten ist.
10 D. Die außerordentliche Revision war daher gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §68 Abs1; VwGVG 2014 §17; VwGVG 2014 §27; VwGVG 2014 §28 Abs1; WaffG 1996 §21 Abs1; WaffG 1996 §22 Abs2; |
Schlagworte | Zurückweisung wegen entschiedener Sache Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016030050.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-50618