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VwGH 27.01.2016, Ra 2014/10/0003

VwGH 27.01.2016, Ra 2014/10/0003

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Wird in der Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf Zustellung eines Bescheides wegen Präklusion zurückgewiesen wurde, (nur) geltend gemacht, der Antragsteller sei nicht präkludiert, weil die Kundmachung der Verhandlung mangelhaft gewesen sei, so ist das VwG berechtigt, den angefochtenen Bescheid wegen des (in der Beschwerde nicht geltend gemachten) Umstandes aufzuheben, dass zwischen Verhandlungskundmachung und Bescheiderlassung eine Projektsänderung stattgefunden hat.
Normen
RS 2
Eine Auslegung des § 27 VwGVG 2014 dahingehend, dass die Prüfbefugnis der VwG jedenfalls stark eingeschränkt zu verstehen wäre, ist unzutreffend. Von einem Beschwerdeführer kann nicht erwartet werden, dass er in seiner Beschwerde sämtliche rechtlichen Angriffspunkte aufzeigt. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang ausschließlich an das Vorbringen des Beschwerdeführers binden wollte. Die Prüfungsbefugnis der VwG ist aber keine unbegrenzte. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides. Innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden iSd Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. E , Ro 2014/03/0066; E , Ra 2014/07/0077).
Normen
RS 3
Eine Überschreitung der Kognitionsbefugnis nach § 27 VwGVG 2014 durch das VwG erfolgt dann nicht, wenn sich die Entscheidung des VwG innerhalb des nach der hg. Rechtsprechung gesteckten Rahmens der "Sache" des bekämpften Bescheides bewegt; das VwG ist befugt aufgrund der in der Beschwerde geltend gemachten Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten auch Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die in der Beschwerde nicht vorgebracht wurden (vgl. E , Ra 2014/07/0077; E , Ro 2014/03/0066).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/10/0077 B RS 1
Normen
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
RS 4
Soweit sich die Zulassungsausführungen gegen die mangelnde Einräumung von Parteiengehör zu der Annahme einer Projektänderung und gegen das Unterbleiben einer Verhandlung vor dem VwG wenden, wird dabei die Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels nicht konkret ausgeführt (vgl. B , Ra 2014/18/0036 bis 0039; B , Ra 2015/10/0077).
Normen
ABGB §472;
AVG §42;
AVG §8;
B-VG Art133 Abs4;
ForstG 1975 §17;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
RS 5
Die revisionswerbende Partei bringt vor, durch die vorgenommene Projektänderung komme es zu einer Ausweitung der Rodungsfläche. Selbst bei Zugrundelegung des Revisionsvorbringens kann somit nicht gesagt werden, eine Berührung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Servitutsberechtigten an der zur Rodung beantragten Waldfläche - sei "von vornherein ausgeschlossen" (vgl. E , 2008/05/0111).
Normen
RS 6
Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstreckt sich das einzuräumende Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung (vgl. E , Ro 2014/03/0066).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der S GmbH in G, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom , Zl. LVwG- 2014/26/0374-2, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zustellung eines forstrechtlichen Bewilligungsbescheides (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz; mitbeteiligte Parteien: 1. J H und 2. J H, beide in G, beide vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der revisionswerbenden Partei (unter anderem) die forstrechtliche Bewilligung für das Projekt "Piste Vorkogel" nach Maßgabe der vorgelegten Projektunterlagen erteilt.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Interesse - einen Antrag der Mitbeteiligten auf Zustellung des Bewilligungsbescheides vom  mangels Parteistellung der Mitbeteiligten zurück, weil die Mitbeteiligten zu einer Verhandlung am entsprechend § 42 Abs. 1 AVG geladen worden seien und mangels rechtzeitig erhobener Einwendungen ihre Parteistellung verloren hätten.

In der dagegen erhobenen Berufung vom wandten sich die Mitbeteiligten gegen die von der belangten Behörde angenommene Präklusion und brachten dazu im Wesentlichen vor, sie wären zu der für den anberaumten Verhandlung persönlich zu laden gewesen. Soweit sich die belangte Behörde in ihrem Bescheid auf eine doppelte Kundmachung, nämlich zum einen durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde sowie zum anderen durch Veröffentlichung auf der Homepage der belangten Behörde stütze, werde dadurch den Anforderungen des § 42 Abs. 1 AVG nicht entsprochen, weil die Kundmachung der Verhandlung im Internet im vorliegenden Fall jedenfalls keine geeignete Form der Kundmachung darstelle. Der Verwaltungsgerichtshof habe nämlich ausgesprochen, dass es zur Kundmachung einer mündlichen Verhandlung im Internet maßgeblich sei, ob der Kreis der Beteiligten "vernetzt" sei, d.h. einen permanenten Internetzugang habe, und man davon ausgehen könne, dass die Betroffenen über dieses Medium von der Anberaumung der mündlichen Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangten; dieses voraussichtliche Kenntniserlangen über das Internet sei auch immer nur dann zu bejahen, wenn diese mögliche Form der Kundmachung entsprechend allgemein bekannt geworden sei (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0131). Diese Voraussetzungen lägen bei den Mitbeteiligten, die als Landwirte nicht von Berufs wegen mit Computertechnik und Internet arbeiteten, nicht vor.

Die Berufung mündet in den Antrag, dem Antrag der Mitbeteiligten auf Bescheidzustellung unter Einräumung der Parteistellung möge stattgegeben werden.

Mit dem mit der vorliegenden außerordentlichen Revision angefochtenen Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Tirol der nunmehr als Beschwerde zu wertenden Berufung der Mitbeteiligten statt und behob den Bescheid der belangten Behörde in dem wiedergegebenen Umfang.

Dies begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen damit, dass es nach der Verhandlung am zu einer Projektänderung gekommen sei, welche den Verlust der Parteistellung der Mitbeteiligten wegen nicht rechtzeitig erhobener Einwendungen nach § 42 Abs. 1 und 2 AVG jedenfalls verhindere (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/06/0192). Eine derartige Projektänderung sei im vorliegenden Fall eingetreten, weil die revisionswerbende Partei - infolge einer vom Amtssachverständigen für Forstwesen bei der Verhandlung am abgegebenen Stellungnahme - mit Eingabe vom die Rodungsunterlagen ausgetauscht und nunmehr statt wie ursprünglich vorübergehende Rodungen im Ausmaß von 5.451 m2 solche Rodungen im Ausmaß von 9.187 m2 sowie statt dauernden Rodungen im Ausmaß von 23.457 m2 nunmehr solche Rodungen im Ausmaß von 19.910 m2 beantragt habe. Damit sei auch die Gesamtrodungsfläche von 28.908 m2 auf 29.097 m2 geändert worden.

Mangels Verlust der Parteistellung der Mitbeteiligten durch Präklusion sei daher der Bescheid der belangten Behörde, mit dem diesen die Zustellung des forstrechtlichen Bewilligungsbescheides verwehrt worden sei, aufzuheben.

Das Absehen von der Durchführung einer Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass bereits aufgrund der Aktenlage feststehe, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben sei (§ 24 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall VwGVG), weil die von der revisionswerbenden Partei vorgenommene Projektänderung aktenkundig sei. Zudem lasse die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten (§ 24 Abs. 4 VwGVG). Auch stünden weder Art. 6 Abs. 1 MRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einem Entfall der Verhandlung entgegen, weil mit dem vorliegenden Erkenntnis lediglich über die Frage der Parteistellung der Mitbeteiligten entschieden werde (nicht jedoch über eine allfällige Aufhebung der erteilten Rodungsbewilligung).

Die ordentliche Revision ließ das Verwaltungsgericht nicht zu, weil die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorlägen. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich schon in mehreren Erkenntnissen mit den Voraussetzungen der Präklusion der Parteistellung nach §§ 4142 AVG auseinandergesetzt. Von dieser Judikatur weiche die vorliegende Entscheidung nicht ab.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3. Mit den Zulassungsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan:

3.1. Darin wird zunächst ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe mit Blick auf § 27 iVm § 9 Abs. 1 Z. 3 und 4 VwGVG seine Kognitionsbefugnis überschritten, weil sich das Vorbringen in der Beschwerde der Mitbeteiligten ausschließlich auf die Ladungs- bzw. Kundmachungserfordernisse beziehe, die nach Auffassung der Mitbeteiligten nicht erfüllt seien, und darin von mangelnden Präklusionsfolgen aufgrund einer Projektänderung überhaupt keine Rede sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings mittlerweile zu § 27 VwGVG klargestellt, dass eine Auslegung dieser Bestimmung dahingehend, dass die Prüfbefugnis der Verwaltungsgerichte jedenfalls stark eingeschränkt zu verstehen wäre, unzutreffend ist. Von einem Beschwerdeführer kann nicht erwartet werden, dass er in seiner Beschwerde sämtliche rechtlichen Angriffspunkte aufzeigt. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang ausschließlich an das Vorbringen des Beschwerdeführers binden wollte. Die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte ist aber keine unbegrenzte. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die "Sache" des bekämpften Bescheides. Innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden im Sinn des Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Ro 2014/03/0066, sowie vom , Ra 2014/07/0077, mwN).

Infolge dessen hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis seine Kognitionsbefugnis nach § 27 VwGVG nicht überschritten, weil sich seine Entscheidung innerhalb des nach der hg. Rechtsprechung gesteckten Rahmens der "Sache" des bekämpften Bescheides, nämlich der Frage, ob die Mitbeteiligten im Verfahren präkludiert waren, bewegt und das Verwaltungsgericht aufgrund der in der Beschwerde geltend gemachten Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten der Mitbeteiligten befugt war, auch Rechtswidrigkeitsgründe aufzugreifen, die in der Beschwerde nicht vorgebracht wurden.

Mit dem wiedergegebenen Zulassungsvorbringen wird somit zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage (mehr) aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2014/07/0032, mwN).

3.2. Soweit sich die Zulassungsausführungen im Weiteren gegen die mangelnde Einräumung von Parteiengehör zu der Annahme einer Projektänderung und gegen das Unterbleiben einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wenden, wird dabei die Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels nicht konkret ausgeführt (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom , Zl. Ra 2014/18/0036 bis 0039, sowie vom , Zl. Ra 2015/10/0077):

In diesem Zusammenhang bringt die revisionswerbende Partei nämlich selbst vor, durch die vorgenommene Projektänderung komme es zu einer Ausweitung der Rodungsfläche um 189 m2. Selbst bei Zugrundelegung des Revisionsvorbringens kann somit nicht gesagt werden, eine Berührung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Mitbeteiligten - welche unstrittig Servitutsberechtigte an der zur Rodung beantragten Waldfläche sind - sei "von vornherein ausgeschlossen" (vgl. dazu das von der Revision hervorgehobene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/05/0111, mwN; vgl. weiters Hengstschläger/Leeb, AVG2 Rz 15 ff zu § 42).

Im Übrigen war die Tatsache der Projektänderung der revisionswerbenden Partei als der Projektwerberin naturgemäß bekannt; auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstreckt sich das einzuräumende Parteiengehör - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat - nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, nicht aber auf die von der Behörde vorzunehmende rechtliche Beurteilung (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis zur Zl. Ro 2014/03/0066, mwN).

4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Ein Streitgenossenzuschlag ist danach allerdings nicht vorgesehen, die Umsatzsteuer wiederum im Pauschalbetrag nach § 1 Z. 3 lit. a VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 bereits enthalten, weshalb das diesen Pauschalbetrag übersteigende Mehrbegehren abzuweisen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht
Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2014100003.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-50127