Verwaltungsstrafe Gebrauchsabgabe Portal, Fläche bestritten, Ersitzung, Eigentümer oder Mieter heranzuziehen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Verwaltungsstrafsache gegen Bf., A-1, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 3 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 46/2021, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 - Abgabenstrafen vom , N-1, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Beschuldigten, der Behördenvertreter:innen P-1, P-2 und P-3 sowie der Schriftführerin P-4 zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG i. V. m. § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 10,00 zu leisten.
III. Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG wird der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde bestimmt.
IV. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Straferkenntnis vom wurde der Beschwerdeführer (Bf.) für schuldig befunden, im Jahr 2022 vor der Liegenschaft A-2, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr diene, durch einen Ladenvorbau (Portal) mit einer Schaufläche von 12,46 m² genutzt zu haben, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2022 bis zum mit dem Betrag von € 99,30 verkürzt und eine Verwaltungsübertretung begangen.
Er habe dadurch die Rechtsvorschriften § 1 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 3 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 46/2021 verletzt.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der derzeit geltenden Fassung über ihn eine Geldstrafe von € 50,00, falls diese uneinbringlich sei, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, verhängt.
Ferner habe er gemäß § 64 VStG € 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das seien 10 % der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt zu zahlen.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/ Kosten/ Barauslagen) betrage daher € 60,00.
Begründung
Gemäß § 1 Abs. 1 GAG sei für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angeben sei.
Im vorliegenden Fall gehe aus einer Anzeige der Magistratsabteilung 46 hervor, dass er den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, durch die angeführten Taten ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen habe.
In seinem Einspruch habe der Bf. Folgendes eingewendet:
"Ich erhebe gegen die im Betreff angeführte Strafverfügung Einspruch, da ich der Meinung bin, dass ich den öffentlichen Gemeindegrund nicht genutzt habe.
Es handelt sich um ein Wohnungseigentumsobjekt. Im Wohnungseigentümervertrag ist geregelt, dass die Räumlichkeiten hinter den Außenfenstern den einzelnen Eigentümern zugeordnet werden. Das restliche Gebäude sind allgemeine Flächen.
Da ich auch nicht der Betreiber des Geschäftes bin, habe ich den Ladenvorbau nicht genutzt. Als Eigentümer vermiete ich die im Eigentum stehende Fläche.
Soweit ich informiert bin, wurde dieses Portal bereits in den 50er Jahren errichtet, weshalb von einer Ersitzung gegenüber der öffentlichen Hand auszugehen ist.
Ich ersuche um Einstellung des Strafverfahrens oder aber als Beschuldigter im Verwaltungsstrafverfahren steht mir das Recht auf eine mündliche Verhandlung zu. Ich mache davon Gebrauch und möchte zur mündlichen Verhandlung jene Person als Zeugen laden, die die Nutzung durch mich behauptet."
Seinen Ausführungen sei Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß seinen eigenen Ausführungen sei der Bf. Eigentümer der Räumlichkeiten, zu denen der gegenständliche Ladenvorbau bzw. das Portal gehöre, und habe diese Räumlichkeiten vermietet.
Als Liegenschaftseigentümer des gegenständlichen Objekts sei der Bf. - unabhängig vom Eigentümervertrag - ebenso wie der Mieter dafür verantwortlich gewesen, vor dem Gebrauch des öffentlichen Gemeindegrundes eine entsprechende Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die dafür anfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten.
Die zugrundeliegende verkürzte Gebrauchsabgabe hänge auch nicht davon ab, wem die die Gebrauchsabgabepflicht auslösenden Gegenstände gehörten oder von wem diese angebracht worden seien. Gemäß § 9 Abs. 1a GAG treffe nämlich sowohl den Eigentümer eines Gebäudes oder Geschäftslokals (als mittelbaren Nutzer durch die Vermietung oder Verpachtung des Geschäftslokals) als auch den Mieter oder Pächter des Lokals die Abgabepflicht für die Nutzung öffentlichen Gemeindegrundes. Beide hätten daher die Verwaltungsübertretung zu verantworten, da beide, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, den öffentlichen Gemeindegrund durch den am Gebäude angebrachten Gegenstand genutzt hätten (vgl. ; ; ).
Weiters normiere § 6 Abs. 1 BAO, dass Personen, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner seien (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB). Es würden damit der Eigentümer eines Gebäudes oder Geschäftslokals und der Mieter des entsprechenden Geschäftslokals für die Gebrauchsabgabe zu Gesamtschuldnern.
Wer nun im Innenverhältnis verpflichtet sei, die Gebrauchsabgabe wirtschaftlich zu tragen, sei eine Frage, die im Rahmen der privatrechtlichen Schuldverhältnisse zu klären sei.
Dass auch der Mieter den gleichen Tatbestand erfülle und daher auch die Gebrauchsabgabe schulde, vermöge den Bf. nicht zu befreien. In diesem Falle schuldeten, wie in § 6 BAO geregelt, beide Abgabepflichtige die gleiche Abgabe und würden dadurch für die Gebrauchsabgabe zu Gesamtschuldnern.
Der Mieter und der Gebäudeeigentümer erfüllten hinsichtlich des gebrauchsabgabepflichtigen Objekts (Ladenvorbau, Portal, etc.) denselben Abgabentatbestand. Sie seien daher gemäß § 6 Abs. 1 BAO Gesamtschuldner (siehe Stoll, BAO, 90).
Bei der Gesamtschuld sei jeder Gesamtschuldner nach außen hin (gegenüber der Abgabenbehörde) verpflichtet, die Schuld (Abgabe) in voller Höhe zu entrichten. Es liege im Ermessen der Behörde, an welchen von mehreren Gesamtschuldnern sie sich wende. Zahle einer der Gesamtschuldner die Abgabe, so erlösche die Schuld und somit auch die Zahlungsverpflichtung der übrigen Gesamtschuldner gegenüber der Abgabenbehörde. Die Abgabenbehörde könne die Abgabe somit insgesamt nur einmal einfordern. Der zahlende Gesamtschuldner könne sich an den anderen dann im Innenverhältnis nach § 896 ABGB regressieren.
Dass der Bf. Eigentümer der angeführten Liegenschaft an der gegenständlichen Örtlichkeit im geahndeten Tatzeitraum sei, habe er zu keinem Zeitpunkt bestritten, sondern sogar bestätigt und angeführt, dass das Geschäftslokal von ihm vermietet würde.
Für die Abgabenverkürzung nach § 16 Abs. 1 GAG sei relevant, dass bis zur Tilgung jeder Gesamtschuldner zur Zahlung der Abgabe in voller Höhe verpflichtet sei. Jeder Gesamtschuldner unterliege daher einer eigenständigen, von den anderen Gesamtschuldnern unabhängigen Pflicht zur Abgabenzahlung. Werde die Abgabe nicht rechtzeitig (von einem der Gesamtschuldner) entrichtet, so erfülle jeder Gesamtschuldner für sich den Tatbestand der Abgabenverkürzung. Da die Abgabe bereits durch die Nichtentrichtung bei Fälligkeit verkürzt sei, sei der Tatbestand nach § 16 Abs. 1 GAG auch dann verwirklicht, wenn die Abgabe nachträglich gezahlt werde, sowohl beim zahlenden Gesamtschuldner als auch bei allen übrigen. Die Tilgung der Abgabenschuld hebe den Strafanspruch nicht nachträglich auf.
Das Rechtsinstitut der Ersitzung/Dienstbarkeit sei den hier betroffenen Verwaltungsgesetzen fremd (sowohl dem materiellen GAG, als auch den Verfahrens- und Strafnormen des VStG, AVG, vgl. ).
Da die gegenständlichen Strafbestimmungen über das Verschulden nichts Anderes bestimmten, genüge gemäß § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit des dort umschriebenen Verhaltens Fahrlässigkeit. Fahrlässig handle, wer die Sorgfalt außer Acht lasse, zu der er nach den Umständen verpflichtet, nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt und die ihm zuzumuten sei, und deshalb nicht erkenne, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspreche (§ 6 StGB).
Zur Verschuldensform der Fahrlässigkeit habe der VwGH festgehalten, dass die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt dem Täter im Sinn des § 6 Abs. 1 StGB nur dann vorgeworfen werden könne, wenn es ihm unter dem besonderen Verhältnis des Einzelfalles auch zuzumuten gewesen sei, sie tatsächlich aufzuwenden. Objektiv sorgfaltswidrig habe der Täter dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch an seiner Stelle anders verhalten hätte (vgl. ).
Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssten somit unverschuldet sein. Da es bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen bedürfe, wäre es im gegenständlichen Fall geboten gewesen, eine rechtliche Auskunft bei der zuständigen Behörde, bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person oder bei gesetzlichen beruflichen Vertretungen () einzuholen. Da der Beschuldigte diese nicht eingeholt habe, vermöge er sich nicht mit seiner Unkenntnis des Gesetzes zu entschuldigen und ihn die Unkenntnis der Vorschriften nicht von seiner Schuld zu befreien ().
Der Bf. als Liegenschaftseigentümer hätte sich auch mit den einschlägigen Bestimmungen hinsichtlich des Antrages auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis bzw. Entrichtung der damit verbundenen Abgaben auseinanderzusetzen gehabt. Daher sei ihm das Unterlassen dieser Erkundigungspflicht jedenfalls vorwerfbar und habe sohin zu Recht von einer Verletzung der zukommenden Sorgfaltspflicht und somit von einer fahrlässigen Handlungsweise ausgegangen werden dürfen ().
Der Bf. habe dadurch die Gebrauchsabgabe leicht fahrlässig verkürzt, indem er die gebotene Sorgfalt verletzt habe, für den in den Gemeindegrund hinausragenden Gegenstand bzw. die Baulichkeit rechtzeitig eine Bewilligung nach dem Gebrauchsabgabegesetz zu erlangen und die jährlich fällige Abgabe zu entrichten.
Nachdem er mit seinem Vorbringen weder die objektiven noch die subjektiven Voraussetzungen für eine Strafbarkeit entkräften noch einen geeigneten Schuldausschließungsgrund belegen habe können, sei es als erwiesen anzusehen, dass der Bf. den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, in Anspruch genommen habe, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die darauf entfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten. Er habe somit die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt.
Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehöre der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe komme (). Durch sein fahrlässiges Verhalten habe die Behörde - wie bereits oben erwähnt - die Abgabe nicht bei deren Fälligkeit erhalten, sondern habe nach Aufdeckung der Verwaltungsübertretung mit amtswegiger Festsetzung im Rahmen eines Nachbemessungsbescheides vorgegangen werden müssen.
Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG könne das Verfahren eingestellt oder allenfalls eine Ermahnung verhängt werden, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering seien. Im gegenständlichen Fall sei ein Ladenvorbau mit einer Gesamtfläche von 12,46 m² in A-2, im Jahr 2022 genutzt worden, ohne dass zuvor die gesetzlich gebotene Gebrauchsabgabe entrichtet worden wäre. Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes sei angesichts des dadurch in Anspruch genommenen erheblichen flächenmäßigen Bereiches im öffentlichen Bereich bedeutend, weiters sei die Intensität der Beeinträchtigung des genannten Rechtsgutes angesichts der erheblichen Abmessung der genannten Nutzung keinesfalls gering, sodass bereits aus diesen Erwägungen sowohl eine Einstellung des Verfahrens als auch eine Ermahnung ausschieden. Für eine Anwendung der Bestimmungen über die Ermahnung oder Einstellung des Verfahrens sei nämlich das kumulative Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erforderlich, geringes Verschulden und geringe Auswirkungen der Verwaltungsübertretung. Es könne gegenständlich weder von geringem Verschulden noch von geringen Auswirkungen der Verwaltungsübertretung gesprochen werden.
Gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der derzeit geltenden Fassung seien Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt werde, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis € 42.000,00 zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe sei eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauere so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachhole oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt werde.
Für die Strafbemessung sei zunächst das Ausmaß des Verkürzungsbetrages maßgebend gewesen, wobei die verhängte Geldstrafe durch ihre Höhe geeignet sein solle, den Bf. wirksam von einer Wiederholung abzuhalten (Spezialprävention). Die verhängte Strafe befinde sich im untersten Segment der bis zu € 42.000,00 reichenden Strafdrohung und sei daher jedenfalls angemessen.
Die Strafbemessung sei unter Annahme durchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse erfolgt. Ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse hätten zu seinen Gunsten nicht angenommen werden können, da er von der eingeräumten Möglichkeit, diese darzulegen, keinen Gebrauch gemacht habe und für eine solche Annahme kein Anhaltspunkt bestehe.
Als erschwerend sei kein Umstand zu werten gewesen.
Als mildernd seien die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit und die umgehende Schadensgutmachung in vollem Umfang durch zeitnahe Entrichtung der Gebrauchsabgabe zu werten gewesen.
Die der Bestrafung zu Grunde liegende Tat habe das als sehr bedeutend einzustufende öffentliche Interesse an der ordnungsgemäßen und fristgerechten Abgabenentrichtung geschädigt, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat an sich nicht als geringfügig angesehen werden könne.
Die Verschuldensfrage sei aufgrund der Aktenlage zu bejahen und spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Der Ausspruch über die Kosten sei in § 64 Abs. 2 VStG begründet.
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In der dagegen am eingebrachten Beschwerde führte der Bf. aus, dass er der Meinung sei, den öffentlichen Gemeindegrund nicht genutzt zu haben.
Es handle sich um ein Wohnungseigentumsobjekt. Im Wohnungseigentümervertrag sei geregelt, dass die Räumlichkeiten hinter den Außenfenstern den einzelnen Eigentümern zugeordnet würden. Das restliche Gebäude seien allgemeine Flächen.
Da der Bf. auch nicht der Betreiber des Geschäftes sei, habe er den Ladenvorbau nicht genutzt. Als Eigentümer habe er die im Eigentum stehende Fläche vermietet. Soweit er informiert sei, sei dieses Portal bereits in den 50er Jahren errichtet worden, weshalb von einer Ersitzung gegenüber der öffentlichen Hand auszugehen sei.
Der Bf. ersuche um Einstellung des Strafverfahrens oder aber als Beschuldigter im Verwaltungsstrafverfahren stehe ihm das Recht auf eine mündliche Verhandlung zu. Er mache davon Gebrauch und möchte zur mündlichen Verhandlung jene Person als Zeugen laden, die die Nutzung durch ihn behaupte.
Außerdem sei er der Meinung, dass die Größenangabe der Schaufläche falsch sei.
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Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Magistrat der Stadt Wien, MA 46, um folgende Auskünfte und Übermittlung der angesprochenen Unterlagen:
Laut Grundbuchsauszug sei der Bf. Eigentümer der Geschäfte Top P/V, Top P/VIII und Top P/IX. Hingegen gehörten die Geschäfte Top P/I, Top P/X und Top P/XI anderen Eigentümern.
Die Anzahl der Geschäfte laut Firmenbuch korrespondiere mit den auf Google Street View ersichtlichen Lokalen:
L-1 - L-2 - L-3 - L-4 - L-5 - L-6
Es werde um Bekanntgabe ersucht, um welchen Ladenvorbau/welches Portals welches Geschäftes es sich bei der vom Magistrat vorgenommenen Nachbemessung an Gebrauchsabgabe nach der Tarifpost B 3 GAG handle und welche Geschäfte dem Bf. gehörten.
Um Vorlage der entsprechenden Ermittlungsergebnisse und Namhaftmachung des Organs, das den Ortsaugenschein durchgeführt habe, zwecks Ladung zur mündlichen Verhandlung werde ersucht.
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In Beantwortung dieses Auskunftsersuchens teilte der Magistrat der Stadt Wien, MA 46, mit Schreiben vom mit, dass der Ortsaugenschein von Herrn P-5 durchgeführt worden sei. Der erlassene Nachbemessungsbescheid betreffe das Geschäftslokal "L-4", Top P/IX.
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In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde vorgebracht:
Bf.:
"Ich habe den öffentlichen Gemeindegrund nicht genutzt, da ich nur Wohnungseigentümer von vielen in dem gegenständlichen Haus bin und das betroffene Portal nicht errichtet habe, da ich auch nicht der Grundeigentümer bin."
Vertreterin MA 6:
"Wir haben nur den Nachbemessungsbescheid der MA 46 und wissen nicht, wer von dem gegenständlichen Haus die jeweiligen Eigentümer sind, und wussten daher nicht, dass es sich beim Bf. lediglich um einen von mehreren Wohnungseigentümern handelt. Bei dem Nachbemessungsbescheid handelt es sich um eine Anzeige, bei der anzunehmen ist, dass der darin beurkundete Sachverhalt der Richtigkeit entspricht."
Einvernahme des Zeugen P-5, Magistrat der Stadt Wien MA 46:
Richterin:
"Können Sie angeben, um welches Lokal es sich bei dem gegenständlichen Nachbemessungsbescheid handelt?"
Zeuge:
"Es handelt sich um das Lokal P/IX, das L-4."
Bf.:
"Ich kann bestätigen, dass mir die Innenflächen dieses Lokals als Wohnungseigentumsobjekt zuzurechnen sind."
Richterin:
"Können Sie ausführen, weshalb die von Ihnen gerügte Flächenangabe nicht stimmen soll?"
Bf.:
"Das Portal besteht aus zwei schmalen Streifen links und rechts der Eingangstüre und kann unmöglich 12 m2 groß sein."
Richterin:
"Ist die Eingangstüre hineinversetzt oder schließt sie mit dem sie umgebenden Portal bündig ab?"
Bf.:
"Sie schließt bündig ab."
Zeuge:
"Ich kann bestätigen, dass die Türe im geschlossenen Zustand mit dem Portal bündig abschließt. Das Portal samt der Eingangstüre ragt 25 cm von der Hausfassade vor. Ab 7 cm Vorsprung bestand dafür bis Ende 2022 die Gebrauchsabgabepflicht."
Bf.:
"Gibt es zu den Abmessungen ein Protokoll darüber, wie diese erfolgt sind?"
Zeuge:
"Bereits ab den 1980er Jahren wurde dieses bis heute unverändert gebliebene Portal abgemessen, weshalb im gegenständlichen Fall auf diese Abmessungen zurückgegriffen wurde."
Vertreterin MA 6:
"Es existiert ein Programm namens Kapazunder, mit dem genaue Abmessungen vorgenommen werden können und das der Gemeinde zur Verfügung steht."
Zeuge:
"Der Nachbemessungsbescheid enthält bereits die auch im Straferkenntnis enthaltenen Abmessungen und wurde dieser nicht bekämpft."
Bf.:
"Handelt es sich bei den früheren Inhabern der Gebrauchsbewilligung um die Mieter des Lokals oder auch um die Eigentümer?"
Zeuge:
"Früher wurden die Mieter des Lokals herangezogen, ab 2022 die Eigentümer, dies ist in § 3 Abs. 1 GAG begründet."
Vertreterin MA 6:
"Die Mieter sind zwar die unmittelbaren Nutzer des Portals, allerdings sind auch die Eigentümer mittelbare Nutzer. Im Straferkenntnis wurden auch Erkenntnisse des BFG angeführt, bei denen ebenfalls die Eigentümer bestraft wurden. Im Strafverfahren ist es unerheblich, von wem diese Einrichtungen tatsächlich angebracht wurden."
Ende der Zeugeneinvernahme
Richterin:
"Ihrer Aussage, dass nur die Flächen hinter den Außenfenstern den Wohnungseigentümern zuzurechnen sind und daher nicht die Portale, wird der Wohnungseigentumsvertrag vom entgegengehalten. Ich verlese die Punkte IV, 4.1. und 4.2. b) und c):
IV 4.1.: Die Kosten des Betriebes der Instandhaltung und einer allfälligen Wiederinstandsetzung und der Neuherstellung jeder Wohnungseigentumseinheit und des zugeordneten Zubehör- Wohnungseigentums trägt der jeweilige Wohnungseigentümer.
IV 4.2.: Zu den einzelnen Wohnungseigentumseinheiten bzw. dem zugeordneten Zubehör- Wohnungseigentum gehören im Allgemeinen aufgezählt insbesondere:
b) die Innen- und Außenseiten der Fenster und Türen samt Beschlägen, Fenster- und Türstöcken, Jalousien und Markisen;
c) die Portale und Eingangstüren zu den Wohnungseigentumseinheiten sowie die innerhalb dieser Einheiten vorhandenen Türen."
Vertreterin MA 6:
"Für mich war ohnehin klar, dass die Portale den jeweiligen Eigentümern des Lokals zuzurechnen sind, da diese sonst nicht von den Mietern zur Ausgestaltung verwendet werden könnten."
Bf.:
"Von der Hausverwaltung wurde ich informiert, dass die Außenfenster der Allgemeinheit und nicht den einzelnen Wohnungseigentümern zugeordnet werden."
Richterin:
"Der soeben (teilweise) verlesene Wohnungseigentumsvertrag, der Gegenteiliges besagt, wurde auch von Ihnen unterschrieben.
Haben Sie sich erkundigt, ob von Ihnen für das Portal eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die Gebrauchsabgabe zu errichten ist?"
Bf.:
"Ich habe mich deshalb nicht erkundigt, weil ich der Meinung war, dass mich das als Wohnungseigentümer nicht betrifft, sondern dies ausschließlich Angelegenheit der jeweiligen Mieter ist. Wie ich heute vom Mitarbeiter der MA 46 erfahren habe, betrifft dies auch offensichtlich nur die Jahre ab 2020, daher seit der Pandemie. Ich frage mich, warum die Behörde nicht bereits davor den Mieter herangezogen hat, sondern erst dann tätig wurde, als mittlerweile die Eigentümer belangt wurden."
Vertreterin MA 6:
"Für die Strafverfahren ist es unerheblich, wer von der MA 46 zur Entrichtung der Gebrauchsabgabe herangezogen wird. Darüber hinaus besteht seitens der Behörde keine Informationsverpflichtung über die Notwendigkeit der Antragstellung und Abgabenentrichtung (siehe ). Außerdem wurde der Bf. laut MA 46 ohnehin vor Bescheiderlassung zweimal aufgefordert, zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen."
Bf.:
"Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wieso ich nicht nur zur Entrichtung der Abgabe herangezogen werde, sondern auch noch dafür bestraft werde."
Vertreterin MA 6:
"Es besteht ohnehin eine Gesamtschuld zwischen dem Mieter und dem Eigentümer, wer zur Entrichtung der Abgabe herangezogen werden kann. Sowohl im Strafverfahren als auch im Abgabeverfahren steht es im Ermessen, wer herangezogen wird."
Bf.:
"Wurde der Mieter bestraft?"
Vertreterin MA 6:
"Das darf ich Ihnen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht sagen."
Richterin:
"Wollen Sie zu Ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Angaben machen?"
Bf.:
"Nein, darüber möchte ich keine Aussage machen."
Vertreterin MA 6:
"Die Strafbemessung befindet sich ohnehin im untersten Bereich des möglichen Strafausmaßes."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Objektive Tatseite:
1. Abgabenanspruch
Gemäß § 1 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 ist für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.
Tarif über das Ausmaß der Gebrauchsabgaben
B. Jahresabgaben je begonnenes Kalenderjahr
(in der Fassung ABl. der Stadt Wien Nr. 46/2021, gültig im Zeitraum 01.01.-)
3. für Ladenvorbauten, portalartige Verkleidungen, aus welchem Material immer, Portalausgestaltungen in Putz u. dgl. sowie für Portalköpfe und Schaukästen an Gebäuden bzw. Bauwerken für den ersten begonnenen m2 der Schaufläche 16,50 Euro, für jeden weiteren begonnenen m2 6,90 Euro; portalartige Verkleidungen oder Portalausgestaltungen in Putz u. dgl. sind abgabenfrei, wenn sie entweder mit dem übrigen Mauerputz in einer Ebene liegen oder nicht mehr als 7 cm über die Baulinie vorragen.
Da der Abschluss eines Abgabenbemessungsverfahrens nicht Voraussetzung für ein Verwaltungsstrafverfahren in derselben Angelegenheit ist, entfaltet der Inhalt von Abgabenbescheiden weder hinsichtlich der Sachverhaltsannahme noch in Bezug auf die rechtliche Beurteilung Bindungswirkung für die Strafbehörde (). Der Sachverhalt ist vielmehr von der Abgabenstrafbehörde selbst zu beurteilen, was nicht ausschließt, dass die im Abgabenverfahren erzielten Beweisergebnisse ohne Wiederholung der Beweisaufnahme verwertet werden können.
Im Anlassfall liegt eine Abgabennachbemessung des Magistrates der Stadt Wien MA 46 vom vor, wonach sich vom bis ein Ladenvorbau (Portal) mit einer Fläche von 12,46 m2 (2,65 m Länge, 4,70 m Höhe und 0,25 m Vorsprung) vor der Liegenschaft A-2, ohne Gebrauchserlaubnis befunden habe.
1.1. Bestrittene Fläche
Dagegen wendet sich die Beschwerde, wonach die Größenangabe der Schaufläche unrichtig sei.
Dazu ergab die Beweisaufnahme durch Einsicht in Google Street View und das Grundbuch sowie die Auskunft der Magistratsabteilung 46, dass es sich um das Lokal "L-4", Top P/IX EZ N-2 KG N-3, handelt, das im Eigentum des Bf. steht.
In der mündlichen Verhandlung konnte einvernehmlich geklärt werden, dass die Eingangstüre des Lokals nicht hineinversetzt wurde, sondern mit dem sie umgebenden Portal bündig abschließt, weshalb auch die Fläche der Türe zur Bemessungsgrundlage für die Gebrauchsabgabe zählt, da sie durch den Vorsprung von 0,25 m gegenüber der Hausfassade ebenso zum Ladenvorbau gemäß TP B 3 GAG zählt.
In diesem Zusammenhang war der schlüssigen und glaubhaften Erläuterung des von der MA 46 namhaft gemachten Zeugen, wonach auf die in den 1980er Jahren erfolgte Abmessung des bis heute unverändert gebliebenen Portals zurückgegriffen wurde, zu folgen, weshalb es bei dem im Nachbemessungsbescheid sowie im Straferkenntnis angeführten Flächenausmaß bleibt, zumal der Einwand des Bf. lediglich auf die Einbeziehung der Fläche der Eingangstüre gerichtet war.
1.2. Ersitzung
Wird das verjährte Recht vermöge des gesetzlichen Besitzes zugleich auf jemand Andern übertragen; so heißt es gemäß § 1452 ABGB ein ersessenes Recht, und die Erwerbungsart Ersitzung.
Dem Einwand des Bf., dass das gegenständliche Portal bereits in den 50er Jahren errichtet worden sei, weshalb von einer Ersitzung gegenüber der öffentlichen Hand auszugehen sei, ist entgegenzuhalten, dass es im öffentlichen Recht eine Ersitzung iSd ABGB nicht gibt, es sei denn, dass sie gesetzlich ausdrücklich anerkannt wird ( 437/65; ; ; ). Dies ist in der vorliegenden Beschwerde nicht der Fall.
Darüber hinaus könnte es sich im gegenständlichen Fall ohnehin nicht um die Ersitzung des Eigentumsrechts an der der Gemeinde Wien zugehörigen Verkehrsfläche (Gehsteig) handeln, sondern lediglich um eine Ersitzung des Benützungsrechtes am über dem öffentlichen Gut befindlichen Luftraum, wodurch die Gebührenpflicht jedoch nicht beeinträchtigt wäre (vgl. ).
Subjektive Tatseite:
1. Heranziehung als Beschuldigter
Gemäß § 32 Abs. 1 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache.
Derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, hat - unbeschadet der §§ 6 und 16 - gemäß § 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten.
Wurde die Gebrauchserlaubnis für Arten des Gebrauches gemäß Tarif A, Post 1 bis 4, sowie Tarif B, Post 3, erteilt, so steht sie gemäß § 3 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 in der zum Tatzeitraum geltenden Fassung LGBl. für Wien Nr. 57/2019 dem jeweiligen Eigentümer der Baulichkeit zu, von der aus der Gebrauch erfolgt oder erfolgen soll.
Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob der Bf. als Eigentümer der Top P/IX EZ N-2 KG N-3 und Vermieter des dort befindlichen Lokals "L-4" für den dort angebrachten Ladenvorbau Gebrauchsabgabe zu entrichten hatte oder ob lediglich der Mieter dieses Lokals als Abgabepflichtiger im Sinne des § 9 GAG zu behandeln ist.
Wie bereits aus § 3 Abs. 1 GAG hervorgeht, steht die Gebrauchserlaubnis für die Ladenvorbauten dem jeweiligen Eigentümer der Baulichkeit zu, von der aus der Gebrauch erfolgt oder erfolgen soll. Damit hat der Landesgesetzgeber dem Umstand, wer die Gebrauchserlaubnis tatsächlich erwirkt hat, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, sondern festgelegt, dass der Gebrauch von öffentlichem Grund durch mit dem Gebäude fest verbundenen Ladenvorbauten jedenfalls dem Eigentümer des Gebäudes bzw. Gebäudeanteils zuzurechnen ist.
Dieser hat daher gemäß § 9 Abs. 1 GAG als Träger einer Gebrauchserlaubnis für öffentlichen Grund in der Gemeinde die Gebrauchsabgabe zu entrichten. Daraus geht aber auch hervor, dass den Gebrauch von öffentlichem Grund durch Ladenvorbauten nicht nur die Mieter der Geschäftslokale zu verantworten haben, sondern dass jedenfalls auch der Vermieter als Miteigentümer des Gebäudes mit den Anbauten öffentlichen Grund benutzt. Im Übrigen zieht er ja auch im Rahmen der Vermietung dieser Geschäftslokale einen Nutzen aus den damit verbundenen Portalverkleidungen.
Der Bf. irrt daher mit seiner Ansicht, nur der Mieter des gegenständlichen Geschäftslokals könnte die Gebrauchserlaubnis für die Anbauten erwirken und nur dieser könnte zur Entrichtung der Gebrauchsabgabe herangezogen werden.
Gemäß § 9 Abs. 1a GAG schulden sowohl die Eigentümer des Gebäudes oder Gebäudeanteils als auch die Mieter der Geschäftslokale die Gebrauchsabgabe für die Nutzung öffentlichen Grundes durch die am Gebäude angebrachten Ladenvorbauten.
Gemäß § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB). Es werden damit der Bf. als Miteigentümer des Gebäudes und der Mieter des Geschäftslokals für die Gebrauchsabgabe zu Gesamtschuldnern.
Wer nun im Innenverhältnis verpflichtet ist, die Gebrauchsabgabe wirtschaftlich zu tragen, ist eine Frage, die im Rahmen der privatrechtlichen Schuldverhältnisse zu klären ist. Diese Frage ist nicht Gegenstand des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens.
In Anbetracht des Umstandes, dass Mieter von Geschäftslokalen immer wieder wechseln, war es auch durchaus zweckmäßig, den Abgabenanspruch zunächst gegenüber dem Bf. als Miteigentümer und Vermieter geltend zu machen. lm Übrigen hat dieser auch die Möglichkeit, die Abgabe auf den Mieter abzuwälzen oder einen Rückbau der Vorbauten zu veranlassen.
Auch sind im gegenständlichen Fall nicht alle Miteigentümer des Gebäudes für die Vergebührung der Gebrauchserlaubnis des Ladenvorbaus beim Lokal P/IX heranzuziehen, da im aufgrund der durch den Dachgeschossausbau notwendigen neuen Parifizierung errichteten Wohnungseigentumsvertrag vom sowie im Punkt B.IV. zur "Abgrenzung der Wohnungseigentumsobjekte zu allgemeinen Teilen" auszugsweise Folgendes festgehalten wurde:
"4.1. Die Kosten des Betriebes, der Instandhaltung und einer allfälligen Wiederinstandsetzung und der Neuherstellung jeder Wohnungseigentumseinheit und des zugeordneten Zubehör-Wohnungseigentums trägt der jeweilige Wohnungseigentümer."
"4.2. Zu den einzelnen Wohnungseigentumseinheiten bzw. dem zugeordneten Zubehör-Wohnungseigentum gehören im Allgemeinen aufgezählt insbesondere:
(…)
b) die Innen- und Außenseiten der Fenster und Türen samt Beschlägen, Fenster- und Türstöcken, Jalousien und Markisen;
c) die Portale und Eingangstüren zu den Wohnungseigentumseinheiten sowie die innerhalb dieser Einheiten vorhandenen Türen;
(…)"
Aus dem Einwand des Bf., dass im Wohnungseigentumsvertrag geregelt sei, dass die Räumlichkeiten hinter den Außenfenstern den einzelnen Wohnungseigentümern zugeordnet und das restliche Gebäude allgemeine Flächen seien, lässt sich nichts gewinnen, da einerseits der genannte Wohnungseigentumsvertrag diese Zuordnung nicht enthält, sondern in Punkt B.IV.4.2.b) bestimmt, dass (unter anderem) die Innen- und Außenseiten der Fenster zu den einzelnen Wohnungseigentumseinheiten gehören.
Darüber hinaus ist in Punkt B.IV.4.2.c) expressis verbis geregelt, dass jedenfalls auch die Portale jeder Wohnungseigentumseinheit zuzurechnen sind.
Zu Recht wird daher im angefochtenen Straferkenntnis ausgeführt, dass der Bf. als Eigentümer der gegenständlichen Lokalität den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diente, in Anspruch genommen hat, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die darauf entfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten.
2. Fahrlässigkeit
Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt gemäß § 5 Abs. 1 VStG zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.
Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt gemäß § 5 Abs. 2 VStG nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Hinsichtlich der für eine Strafbarkeit geforderten subjektiven Tatseite genügt gemäß § 5 Abs. 1 VStG Fahrlässigkeit, also eine Sorgfaltspflichtverletzung in der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Belange.
Zur Verschuldensform der Fahrlässigkeit hat der VwGH festgehalten, dass die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt dem Täter im Sinn des § 6 Abs. 1 StGB nur dann vorgeworfen werden kann, wenn es ihm unter dem besonderen Verhältnis des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch an seiner Stelle anders verhalten hätte (vgl. ).
Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssen somit unverschuldet sein. Da es bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen bedarf, wäre es im gegenständlichen Fall geboten gewesen, eine rechtliche Auskunft bei der zuständigen Behörde, bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person oder bei gesetzlichen beruflichen Vertretungen () einzuholen.
Aus dem Vorbringen, dass er von der Hausverwaltung die (unzutreffende) Auskunft erhalten hätte, dass die Außenfenster und damit auch die Portale nicht den jeweiligen Wohnungseigentümern, sondern der Allgemeinheit zuzurechnen wären, lässt sich nichts gewinnen, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die geforderte Einholung von Auskünften lediglich durch die vorstehend genannten Stellen als ausreichend angesehen werden kann, nicht aber durch eine Hausverwaltung.
Da der Bf. diese nicht eingeholt hat, vermag er sich nicht mit seiner Unkenntnis des Gesetzes zu entschuldigen und ihn die Unkenntnis der Vorschriften nicht von seiner Schuld zu befreien ().
Der Bf. als Liegenschaftseigentümer hätte sich somit mit den einschlägigen Bestimmungen hinsichtlich des Antrages auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis bzw. Entrichtung der damit verbundenen Abgaben auseinanderzusetzen gehabt. Daher ist ihm das Unterlassen dieser Erkundigungspflicht jedenfalls vorwerfbar und durfte die belangte Behörde sohin zu Recht von einer Verletzung der ihm zukommenden Sorgfaltspflicht und somit von einer fahrlässigen Handlungsweise ausgehen.
Die dem Straferkenntnis zugrundeliegende verkürzte Gebrauchsabgabe hängt auch nicht davon ab, wer den die Gebrauchsabgabepflicht auslösenden Ladenvorbau am Gebäude angebracht hat. Auch wenn dieser nicht vom Bf. selbst angebracht wurde, sondern von einem seiner Vorgänger bzw. einem seiner Mieter, befreit ihn dies nicht von seiner Verpflichtung, zumal er das Portal angebracht belassen hat.
Den Bf. trifft daher ein Verschulden, das über einen minderen Grad des Versehens hinausgeht. Er hat dadurch die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt, indem er die gebotene Sorgfalt verletzt hat, für den an der Hausfassade angebrachten und in den Luftraum über dem Gemeindegrund hinausragenden Ladenvorbau eine Bewilligung zu erlangen und die jährlich fälligen Abgaben zu entrichten.
Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehört der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass es später tatsächlich - aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe kommt ().
Durch das zumindest fahrlässige Verhalten des Bf. hat die Behörde die Abgabe nicht bei deren Fälligkeit erhalten, sondern musste nach Aufdeckung der Verwaltungsübertretungen mit amtswegiger Festsetzung vorgehen.
Strafbemessung:
Gemäß § 16 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 42.000 Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Für die Strafbemessung war zunächst das Ausmaß des jeweiligen Verkürzungsbetrages maßgebend (eine Verkürzung liegt bereits dann vor, wenn die geschuldete Abgabe nicht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entrichtet wird, es ist nicht gefordert, dass eine Abgabe auf Dauer entzogen werden sollte), wobei die verhängten Geldstrafen durch ihre Höhe geeignet sein sollten, den Beschuldigten wirksam von weiteren Sorgfaltspflichtverletzungen abzuhalten (Spezialprävention).
Zur Höhe der verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen hat der Bf. kein inhaltliches Beschwerdevorbringen - wie etwa die Bekanntgabe seiner aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse - erstattet. Die Strafbemessung erfolgte unter Annahme durchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse. Ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse konnten zu Gunsten des Bf. nicht angenommen werden, da er von der eingeräumten Möglichkeit, diese darzulegen, keinen Gebrauch gemacht hat und für eine solche Annahme kein Anhaltspunkt besteht.
Ausgehend von einer fahrlässigen Handlungsweise des Bf. wird bei der Strafbemessung als mildernd die verwaltungsbehördliche Unbescholtenheit sowie die rasche Schadensgutmachung gewertet. Weitere Milderungsgründe wurden durch ihn nicht genannt.
Die ausgesprochene Strafe entspricht der Spruchpraxis der Verwaltungsbehörde und ist im Hinblick auf die begangene Tat schuld- und tatangemessen.
Zur Strafbemessung von € 50,00 hinsichtlich des verkürzten Abgabenbetrages von € 99,30 wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 149/76, B 397/76 und B 416/76, verwiesen, wonach bei einer derart niedrigen Abgabe die Relation zwischen der verkürzten Abgabe und dem Strafbetrag gegenüber der absoluten Höhe der Strafe zurücktritt. Es ist durchaus nicht unsachlich, wenn sich diese absolute Strafhöhe vor allem am Strafzweck orientiert.
Die gemäß § 16 Abs. 1 GAG iVm § 16 VStG bestimmte Ersatzfreiheitsstrafe entspricht ebenfalls dem festgestellten Verschulden des Bf. in der Vernachlässigung seiner abgabenrechtlichen Verpflichtungen.
Kostenentscheidung:
In jedem Straferkenntnis ist gemäß § 64 Abs. 1 VStG auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Dieser Beitrag ist gemäß § 64 Abs. 2 VStG für das Verfahren erster Instanz mit 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 EURO zu bemessen.
Die Kostenbestimmung für das verwaltungsbehördliche Verfahren ergibt sich aus § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes.
Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG ist dieser Betrag für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen.
Die beschwerdeführende Partei hat daher gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG weitere € 10,00 als Kostenbeitrag zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu leisten.
Vollstreckungsbehörde:
Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG sind die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 54b Abs. 1 VStG sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.
Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat.
Hier erweist sich der Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde zweckmäßig, da dem Magistrat der Stadt Wien bereits gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VVG die Vollstreckung der von den (anderen) Verwaltungsgerichten erlassenen Erkenntnisse und Beschlüsse obliegt (vgl. für viele ausführlich , sowie Wanke/Unger, BFGG, § 25 Anm. 6).
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine solche Rechtsfrage lag verfahrensgegenständlich nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 16 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 9 Abs. 1a Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 1 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 5 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 5 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 19 Abs. 1 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 19 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 64 Abs. 2 VStG, Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 § 52 Abs. 1 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 § 52 Abs. 2 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.7500481.2024 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
HAAAF-48686