VwGH 18.12.2019, Ra 2019/15/0008
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §38 ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995 Verlagerung des Ortes Telekommunikationsdienste 2003 §1 idF 2009/II/221 VwGG §62 12010E267 AEUV Art267 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art59 idF 32008L0008 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art59a litb idF 32008L0008 32008L0008 Nov-32006L0112 Art2 |
RS 1 | Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RE/2100001/2019 (beim EuGH anhängig unter C-593/19), vorgelegten Fragen ausgesetzt. |
Normen | UStG 1994 §3a Abs13 lita UStG 1994 §3a Abs16 Verlagerung des Ortes Telekommunikationsdienste 2003 idF 2009/II/221 62019CJ0593 SK Telecom VORAB |
RS 1 | Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ro 2019/15/0011, unter Hinweis auf das SK Telecom Co. Ltd, C 593/19, ausgesprochen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls im Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren "tatsächliche Nutzung oder Auswertung" im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der S Limited in G, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100943/2016, betreffend Erstattung von Vorsteuern Jänner bis Dezember 2014, den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , RE/2100001/2019 (beim EuGH anhängig unter C-593/19), vorgelegten Fragen ausgesetzt.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine in Guernsey ansässige Mobilfunkgesellschaft, die an ihre nicht in einem Mitgliedstaat ansässigen Kunden im Revisionszeitraum Telekommunikationsdienstleis tungen in Österreich erbracht hat.
2 Um den Kunden der Revisionswerberin während deren Aufenthalten in Österreich die Benützung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellte ein österreichischer Netzbetreiber (Provider) der Revisionswerberin sein Netz gegen Verrechnung von Benützungsgebühren unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung. Die Revisionswerberin verrechnete ihren Kunden für die Nutzung des österreichischen Netzes Roaming-Gebühren. 3 Die Revisionswerberin beantragte für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2014 die Erstattung der ihr vom österreichischen Netzbetreiber in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nach dem Verfahren gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995.
4 Das Finanzamt versagte die Erstattung der Vorsteuern.
5 Der dagegen eingebrachten Beschwerde der Revisionswerberin
gab das Bundesfinanzgericht nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung keine Folge und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens sei ausgeschlossen, weil die im Revisionsfall anwendbare Telekom-VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 eine Leistungsortverlagerung der Umsätze der Revisionswerberin ins Inland bewirke. Von einer Leistungsortverlagerung in das Inland sei in unionsrechtskonformer Interpretation jedenfalls dann auszugehen, wenn die Leistung im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliege. Dass es im Ansässigkeitsstaat der Revisionswerberin, welcher als Steueroase gelte, überhaupt zu einer Besteuerung der Telekommunikationsumsätze komme, sei im Verfahren weder behauptet noch nachgewiesen worden.
6 In der dagegen gerichteten Revision wird unter anderem geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht habe sich mit der in § 1 der VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 geforderten Nutzung oder Auswertung im Inland nicht auseinandergesetzt, obwohl eine solche nur vorliege, wenn der Leistungsempfänger im Inland ansässig sei. Es habe nicht geprüft, ob der Tatbestand des § 1 der VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, nämlich dass die Leistung im Inland genutzt oder ausgewertet wird, überhaupt erfüllt sei.
7 Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom hat das Bundesfinanzgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1) Ist Artikel 59a lit. b der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung Art. 2 der Richtlinie 2008/8/EG dahin auszulegen, dass die Inanspruchnahme von Roaming in einem Mitgliedstaat in Form des Zugriffs auf das inländische Mobilfunknetz zur Herstellung von ein- und ausgehenden Verbindungen durch einen sich vorübergehend im lnland aufhaltenden, 'nichtsteuerpflichtigen Endkunden' ein 'Nutzen und Verwerten' im Inland darstellt, das zur Verlagerung des Leistungsortes aus dem Drittland in diesen Mitgliedstaat berechtigt, obwohl sowohl der leistende Mobilfunkbetreiber als auch der Endkunde nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und der Endkunde auch keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat?
2) Ist Art. 59a lit. b der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung Art. 2 der Richtlinie 2008/8/EG dahin auszulegen, dass der Ort von Telekommunikationsdienstleistungen wie in Frage 1) beschrieben, die nach Art. 59 Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung Art. 2 der Richtlinie 2008/8/EG außerhalb der Gemeinschaft liegen, in das Gebiet eines Mitgliedstaates verlagert werden kann, obwohl sowohl der leistende Mobilfunkbetreiber als auch der Endkunde nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und der Endkunde auch keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat, nur weil die Telekommunikationsdienstleist ungen im Drittland keiner der unionsrechtlichen Mehrwertsteuer vergleichbaren Abgabe unterliegen."
8 Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der S Limited in G, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100943/2016, betreffend Erstattung von Vorsteuern Jänner bis Dezember 2014, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine in Guernsey ansässige Mobilfunkgesellschaft. Um den Kunden der Revisionswerberin während derer Aufenthalte in Österreich die Benützung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellte ein österreichischer Netzbetreiber (Provider) der Revisionswerberin sein Netz gegen Verrechnung von Benützungsgebühren unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung. Die Revisionswerberin verrechnete ihren - nicht im Unionsgebiet ansässigen - Kunden für die Nutzung des österreichischen Netzes Roaming-Gebühren.
2 Mit Antrag vom begehrte die Revisionswerberin für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2014 die Erstattung der ihr vom österreichischen Netzbetreiber in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nach dem Verfahren gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995.
3 Das im Beschwerdeweg angerufene Bundesfinanzgericht versagte die Erstattung der Vorsteuern mit der Begründung, dass die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens ausgeschlossen sei, weil die im Revisionsfall anwendbare Telekom-VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 eine Leistungsortverlagerung der Umsätze der Revisionswerberin ins Inland bewirke. Eine ordentliche Revision ließ das Bundesfinanzgericht unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2016/15/0035, nicht zu.
4 In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, dass die wesentliche Rechtsfrage, „wie der Begriff ‚genutzt oder ausgewertet‘ der VO BGBl II Nr. 383/2003 idF BGBl II Nr 221/2009 zu verstehen ist, weder vom VwGH noch vom EuGH entschieden“ sei.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage daher vom Verwaltungsgerichtshof - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa , mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ro 2019/15/0011, unter Hinweis auf das SK Telecom Co. Ltd, C 593/19, ausgesprochen, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls im Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren „tatsächliche Nutzung oder Auswertung“ im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt.
10 Damit ist die im Vorbringen zur Revisionszulassung aufgeworfene Rechtsfrage nunmehr durch Judikatur des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne der dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegenden Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts geklärt.
11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §38 ErstattungsV abziehbare Vorsteuern ausländischer Unternehmer 1995 Verlagerung des Ortes Telekommunikationsdienste 2003 §1 idF 2009/II/221 VwGG §62 12010E267 AEUV Art267 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art59 idF 32008L0008 32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art59a litb idF 32008L0008 32008L0008 Nov-32006L0112 Art2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019150008.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-47677