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VwGH 20.11.2018, Ra 2016/16/0096

VwGH 20.11.2018, Ra 2016/16/0096

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
31992R2913 ZK 1992 Art220;
31992R2913 ZK 1992 Art221;
RS 1
Es darf nicht verkannt werden, dass die Mitteilung des (nachträglich) buchmäßig erfassten Abgabenbetrages nach Art. 220 und 221 Zollkodex den ursprünglich buchmäßig erfassten Abgabenbetrag und einen darüber ergangenen Abgabenbescheid unberührt lässt und weder ändert noch ersetzt, sondern dazu mit einer eigenen Mitteilung, einem eigenen Bescheid, ergänzend hinzutritt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/16/0052 B RS 6
Norm
ZollRDG 1994 §87 Abs1 Z1;
RS 2
Durch die bloße Mitteilung, dass von den Eingangsabgaben die EUSt mit Null "festgesetzt" wird, sohin buchmäßig erfasst wird, wird nicht in Form einer gesonderten Entscheidung iSd § 87 Abs. 1 Z 1 ZollR-DG (Grundlagenbescheid) über eine Eingangsabgabenfreiheit abgesprochen (vgl. ).
Normen
31992R2913 ZK 1992 Art213;
62016CJ0154 Latvijas Dzelzcels VORAB;
RS 3
Nach dem , Latvijas Dzelzcels, Rn. 85 und 89, entspricht es dem Wesen der Gesamtschuld , dass es dem Gläubiger grundsätzlich freisteht, die Erfüllung einer Verbindlichkeit von einem oder mehreren Schuldnern seiner Wahl zu verlangen. Daher ist die Zollverwaltung nicht verpflichtet, mehrere Zollschuldner gesamtschuldnerisch in Anspruch zu nehmen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der U GmbH in S, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4200163/2012, betreffend u.a. Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom bestätigte das Bundesfinanzgericht u.a. einen Bescheid des Zollamts Salzburg, mit dem der Revisionswerberin Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in Höhe von 19.269,60 EUR sowie eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von 1.730,09 EUR vorgeschrieben wurden. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

2 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin, ein Speditionsunternehmen, mit Warenanmeldung vom als indirekte Vertreterin der S-GmbH in Deutschland, unter Verwendung ihrer Sonder-UID, beim Zollamt Salzburg die Überführung von Poloshirts in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr unter Befreiung von der EUSt beantragt hatte. Die angemeldeten Waren seien antragsgemäß in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführt und die Befreiung von der EUSt gewährt worden. In der Warenanmeldung sei als Versender bzw. Ausführer ein türkisches Unternehmen, als Empfängerin die S-GmbH in Deutschland mit ihrer deutschen UID-Nummer, als Versendungsland die Türkei und als Bestimmungsland Deutschland angegeben gewesen. Die Waren seien vom Frachtführer nach Deutschland verbracht, jedoch von der S-GmbH weder übernommen noch bezahlt worden. Vielmehr seien sie in ein Lager des Frachtführers eingelagert worden, in dem sie sich (zumindest) am noch befunden hätten. Nach langjähriger Lagerung seien die Waren in Deutschland vernichtet worden.

3 Die verfahrensgegenständlichen Poloshirts seien unstrittig in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr (Verfahrenscode 4200) übergeführt und somit in das Inland eingeführt worden. Damit sei der Tatbestand der Einfuhr gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 erfüllt. Jedoch lägen die Voraussetzungen für eine anschließende (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung gemäß Art. 7 UStG 1994 nicht vor. Eine solche setze neben der grenzüberschreitenden Warenbewegung voraus, dass der Abnehmer ein Unternehmer sei, der den Gegenstand für sein Unternehmen erwerbe und dass der Gegenstand beim Abnehmer im Empfangsmitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliege. Die Revisionswerberin habe in der Warenanmeldung, für deren Richtigkeit sie nach Art. 199 Abs. 1 ZK-DVO Gewähr zu leisten habe, ein innergemeinschaftliches Verbringen der Waren zur eigenen Verfügung durch die von ihr vertretene S-GmbH erklärt. Die S-GmbH habe die Waren jedoch nicht übernommen. Damit fehle es aber an der für die EUSt-Befreiung erforderlichen Voraussetzung einer anschließenden (steuerbefreiten) innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. eines gleichgestellten innergemeinschaftlichen Verbringens. Gemäß § 71a ZollR-DG schulde in den Fällen einer Befreiung von der EUSt nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 auch der Anmelder eine nach Art. 204 Abs. 1 ZK entstandene EUSt-Schuld.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete, worauf die Revisionswerberin replizierte.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revisionswerberin bringt zunächst vor, das Bundesfinanzgericht habe die Rechtslage grundlegend verkannt, weil auch die EUSt einen Umsatz im Inland voraussetze. Der EuGH habe im Urteil vom , C-226/14 und C-228/14, Eurogate Distribution GmbH und DHL Hub Leipzig GmbH, zum Ausdruck gebracht, dass ein Einfuhrumsatz nur dann vorliege, wenn eine Nicht-Unionsware in den Wirtschaftskreislauf des Mitgliedstaats gelange, der die EUSt erhebe. Dies sei hinsichtlich der streitgegenständlichen Poloshirts eindeutig nicht der Fall, seien diese doch nicht in Österreich, sondern erst in Deutschland auf den Markt gelangt und dort vernichtet worden.

9 Dem ist entgegenzuhalten, dass die in Rede stehenden Waren in Österreich in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind (Art. 60 MwStSystRL) und nicht mehr einem Verfahren im Sinne des Art. 61 MwStSystRL unterlagen (vgl. auch ). Darin unterscheidet sich der vorliegende Revisionsfall entscheidend von der Fallgestaltung des von der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang angeführten Verfahrens vor dem EuGH ( und C-228/14, Eurogate Distribution GmbH und DHL Hub Leipzig GmbH). Dass die Waren dann im freien Verkehr in einen anderen Mitgliedstaat befördert worden sind, ändert daran nichts. Andernfalls wäre die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung des Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (Art. 143 Abs. 1 Buchst. D MwStSystRL) inhaltsleer, weil sie die grundsätzliche Entstehung der EUSt im Einfuhrmitgliedstaat erfordert, um unter den dort genannten Voraussetzungen von dieser EUSt wieder zu befreien (vgl. ; dies offensichtlich voraussetzend , "Enteco Baltic" UAB, Rn. 44ff).

10 Damit ist aber auch dem Revisionsvorbringen nicht zu folgen, wonach aufgrund des C- 226/14 und C-228/14, Eurogate Distribution GmbH und DHL Hub Leipzig GmbH, die Nacherhebung der EUSt nicht (mehr) auf Art. 204 ZK - der zufolge des Verweises in § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG 1994 sinngemäß gilt - gestützt werden könne (vgl. nochmals ; ).

11 Weiters vermeint die Revisionswerberin, eine Nacherhebung der EUSt setze jedenfalls voraus, dass die zollamtliche Entscheidung über die Gewährung der Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 gemäß § 8 ZK zurückgenommen werde.

12 Dazu genügt es, die Revisionswerberin auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Mitteilung eines (nachträglich) buchmäßig erfassten Abgabenbetrags nach Art. 220 und 221 ZK einen ursprünglich buchmäßig erfassten Abgabenbetrag und einen darüber ergangenen Abgabenbescheid unberührt lässt und weder ändert noch ersetzt, sondern dazu mit einer eigenen Mitteilung, einem eigenen Bescheid, ergänzend hinzutritt (vgl. ). Durch die bloße Mitteilung, dass von den Eingangsabgaben die EUSt mit Null "festgesetzt" wird, sohin buchmäßig erfasst wird, wird nicht in Form einer gesonderten Entscheidung iSd § 87 Abs. 1 Z 1 ZollR-DG (Grundlagenbescheid) über eine Eingangsabgabenfreiheit abgesprochen (vgl. ).

13 Die Revisionswerberin bringt unter Verweis auf eine Reihe von Entscheidungen des EuGH weiters vor, ein gutgläubiger indirekter Vertreter, der seine steuerlichen Pflichten erfüllt habe, genieße Vertrauensschutz und dürfe nicht zur Zahlung der EUSt herangezogen werden. Diese Rechtsfrage ist durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits hinreichend geklärt (vgl. ; ; ).

14 In der Revision wird weiters die Rechtsfrage aufgeworfen, ob das Zollamt bei Anwendung des Verfahrenscodes 4200 ausschließlich den indirekten Vertreter in Anspruch nehmen dürfe oder nicht vielmehr verpflichtet sei, auch dem in der Union ansässigen Vertretenen die Abgaben vorzuschreiben. Dazu ist die Revisionswerberin auf das C- 154/16, Latvijas Dzelzcels, Rn. 85 und 89, zu verweisen, wonach es dem Wesen der Gesamtschuld entspricht, dass es dem Gläubiger grundsätzlich freisteht, die Erfüllung einer Verbindlichkeit von einem oder mehreren Schuldnern seiner Wahl zu verlangen. Daher ist die Zollverwaltung nicht verpflichtet, mehrere Zollschuldner gesamtschuldnerisch in Anspruch zu nehmen. Mit dem erstmals in der Revision erstatteten, allgemein gehaltenen Vorbringen zum Ermessen, wird ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Ermessensfehlgebrauch nicht aufgezeigt.

15 In der Revision wird weiters gerügt, die Vorschreibung der Abgabenerhöhung sei aufgrund des Außerkrafttretens des § 108 Abs. 1 ZollR-DG zum zu Unrecht erfolgt. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom , Ra 2017/16/0098, ausgesprochen, dass die Aufhebung des § 108 Abs. 1 ZollR-DG durch das AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, mit nur für Sachverhalte gilt, die ab diesem Zeitpunkt verwirklicht werden. Auf vor dem verwirklichte Sachverhalte ist § 108 Abs. 1 ZollR-DG weiterhin anzuwenden.

16 Soweit die Revisionswerberin abschließend die Zuständigkeit des erkennenden Zollsenats des Bundesfinanzgerichts in Zweifel zieht, ist auf die Veröffentlichung der Geschäftsverteilung auf der Homepage des Bundesfinanzgerichts zu verweisen. Dieser ist explizit die Zuständigkeit des erkennenden Senats ("GA 3011-5") in vom Unabhängigen Finanzsenat auf das Bundesfinanzgericht übergegangenen Rechtsangelegenheiten, in denen das Zollamt Salzburg als belangte Behörde auftritt, zu entnehmen.

17 Die Revision wirft in ihren Zulässigkeitsgründen somit insgesamt keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf und war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Normen
31992R2913 ZK 1992 Art213;
31992R2913 ZK 1992 Art220;
31992R2913 ZK 1992 Art221;
62016CJ0154 Latvijas Dzelzcels VORAB;
ZollRDG 1994 §87 Abs1 Z1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016160096.L00
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Fundstelle(n):
FAAAF-47051