11.2. Begriff der Urkunde ( § 15 Abs. 2 GebG und § 18 Abs. 2 bis 5 GebG)
11.2.1. Urkunden im Sinn des § 15 Abs. 2 GebG
1025Als Urkunde ist jede Schrift zu verstehen, in der, wenn auch formlos, das Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes festgehalten ist. Sie ist durch ihren Inhalt geeignet, über ein gültig zustande gekommenes Rechtsgeschäft als Beweis zu dienen. Eine Schrift ohne Unterfertigung stellt keine Urkunde dar (siehe Rz 1101 ff).
1026Ein nicht als Schrift zu qualifizierendes Beweismittel, wie zB eine Videoaufzeichnung über den mündlichen Abschluss eines Rechtsgeschäftes, stellt keine Urkunde im Sinn des Gebührengesetzes 1957 dar.
1027Die Gebührenpflicht lösen nicht nur rechtserzeugende, sondern auch rechtsbezeugende Urkunden aus (siehe Rz 1017 ff).
1028Soweit die Urkundenerrichtung nicht bereits Voraussetzung für das Zustandekommen des Rechtsgeschäftes ist (rechtserzeugende Urkunde), kann die Urkunde nur dann eine Gebührenpflicht auslösen, wenn sie geeignet ist, das Rechtsgeschäft zu bezeugen. Dabei muss eine Schrift, um als Urkunde zu gelten, nicht sämtliche Erfordernisse beurkunden, die zur Gültigkeit oder Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes erforderlich sind, sondern genügt es, dass ihr die Art des Rechtsgeschäftes und die beteiligten Parteien zu entnehmen sind.
1029Wird ein schriftliches oder mündliches Vertragsanbot schriftlich angenommen, gilt das Annahmeschreiben, das für sich allein den maßgeblichen Inhalt des Rechtsgeschäftes wiedergibt oder auf ein schriftliches Anbotschreiben Bezug nimmt, als Urkunde. Ein schriftliches Vertragsanbot, das durch schlüssige Handlungen angenommen wird, ist keine Urkunde über das zustande gekommene Rechtsgeschäft und löst daher keine Gebührenpflicht aus (siehe Rz 1075 f).
1030Wird ein mündliches oder schriftliches Vertragsanbot mündlich angenommen und die Annahmeerklärung nachträglich beurkundet, dann gilt diese Schrift als Annahmeschreiben.
1031Die Anwaltskorrespondenz, das ist der schriftliche Bericht des Anwaltes an seinen eigenen Klienten über den erfolgten mündlichen Abschluss eines Rechtsgeschäftes, löst keine Gebührenpflicht aus ().
11.2.2. Urkundenersatz ( § 18 Abs. 2 bis 5 GebG)
11.2.2.1. Gedenkprotokoll
1032Bei einem Gedenkprotokoll liegt ein Fall eines Urkundenersatzes vor, wodurch die Gebühr ausgelöst wird. Gedenkprotokolle sind Niederschriften, in denen von einer oder mehreren Personen durch Beisetzung ihrer Unterschrift beurkundet wird, dass andere Personen in ihrer Gegenwart ein Rechtsgeschäft geschlossen oder ihnen über den erfolgten Abschluss eines Rechtsgeschäftes Mitteilung gemacht haben.
1033Ein vom Rechtsanwalt unterfertigtes Begleitschreiben, welchem die Durchschrift eines nicht unterfertigten Protokolls des in seiner Kanzlei zwischen den im Protokoll genannten Parteien mündlich abgeschlossenen Pachtvertrages angeschlossen ist, stellt ein gebührenpflichtiges Gedenkprotokoll dar ().
11.2.2.2. Erklärung oder Eingabe
1034Als die Gebührenpflicht auslösender Urkundenersatz gelten auch Erklärungen und Eingaben an Gerichte oder andere Behörden, in denen in beweismachender Weise ein Rechtsgeschäft festgehalten wird, wenn über dieses Rechtsgeschäft keine Urkunde in einer für das Entstehen der Gebührenschuld maßgeblichen Weise errichtet wurde.
Beispiel:
Über einen außergerichtlichen Vergleich wird eine Urkunde im Ausland errichtet. Die Gebührenschuld entsteht mangels Inlandsbezogenheit des Rechtsgeschäftes nicht. Im Inland wird die Forderungsbestreitung darauf hin mittels Erklärung bei Gericht zurückgezogen.
Wird der Vergleich in der Erklärung umschrieben (Vertragsdatum, Gegenstand des Vergleiches, Parteien), stellt diese Erklärung eine rechtsbezeugende Urkunde dar, deren Gebührenschuld mit der Aushändigung an das Gericht (siehe Rz 1053) entsteht.
1035Bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, die wechselseitige Verpflichtungen der Vertragspartner zum Gegenstand haben, erfüllt eine einseitige Erklärung eines Vertragsteiles über das Rechtsgeschäft regelmäßig nicht das Tatbestandsmerkmal der Beurkundung, da nur ein am Rechtsgeschäft beteiligter Partner die wechselseitigen Verpflichtungen allein nicht in beweismachender Art und Weise feststellen kann (vgl. ).
1036Als eine solche Erklärung ist auch ein von einer Partei mitunterfertigter Aktenvermerk zu verstehen. Ein vom Behördenorgan allein unterfertigter Aktenvermerk stellt keinen Urkundenersatz dar.
11.2.2.3. Punktation
1037Punktationen unterliegen entsprechend ihrem Inhalt wie Urkunden über das Rechtsgeschäft der Gebühr. Die Punktation ist ein Entwurf über die Hauptpunkte eines Rechtsgeschäftes, aus dem sich ein unmittelbarer Anspruch auf die Leistung ableiten lässt. Aufgrund einer Punktation kann sowohl auf die Errichtung und Fertigung einer förmlichen Vertragsurkunde als auch direkt auf Erfüllung geklagt werden.
Zum Vorvertrag siehe Rz 1022.
1038Die Abgrenzung, ob ein Vorvertrag oder eine Punktation vorliegt und gegebenenfalls, welcher Tarifpost sie zu unterstellen ist, ist unabhängig von der Bezeichnung des Vertrages ausschließlich nach dem schriftlich festgehaltenen Inhalt der Urkunde zu ermitteln. Daher ist eine als Vorvertrag bezeichnete Vereinbarung als gebührenpflichtige Punktation zu werten, wenn die wesentlichen Vertragspunkte bereits enthalten sind (Einklagbarkeit der Leistungen aus dem Vertrag und nicht bloß auf Abschluss des Hauptvertrages).
1039Wird über den in Form einer Punktation festgehaltenen Vertrag später eine förmliche Urkunde errichtet und enthält diese Zusätze oder Nachträge, so gilt § 21 GebG (siehe Rz 1131 ff).
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Zusatzinformationen | |
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Gültig ab: | |
Materie: | Steuer |
Betroffene Normen: | GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 15 Abs. 2 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 18 Abs. 2 bis 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 21 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Verweise: | |
Schlagworte: | Gebühren - Gebührengesetz |
Stammfassung: | 2025-0.125.283 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
QAAAF-46995