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VwGH 14.05.2024, Ro 2024/16/0004

VwGH 14.05.2024, Ro 2024/16/0004

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
RS 1
Aus der alleinigen Geltung des schriftlich niedergelegten Inhaltes nach § 17 GebG ergibt sich die Belanglosigkeit der Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäftes, zu einer bestimmten Art oder Formulierung geführt haben ("Urkundenprinzip"; Hinweis auf die in Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren9 (2011) unter E 11 zu § 17 zitierte Judikatur).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2016/16/0011 E RS 1
Normen
GebG 1957 §17 Abs1
GebG 1957 §33 TP5 Abs4
RS 2
Es ist ausschließlich anhand des Urkundeninhaltes zu prüfen, über welchen Gegenstand der Vertrag geschlossen wird. Der Gegenstand des Vertrages laut dem Urkundeninhalt ist auch ausschließlich relevant für die Frage, ob eine Befreiung nach § 33 TP 5 Abs. 4 GebG 1957 zur Anwendung kommt.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2021/16/0005 E RS 4
Normen
GebG 1957 §33 TP5 Abs3
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1 idF 2017/I/147
VwRallg
RS 3
Für die Auslegung des Begriffes "Wohnräume" kann auf die Begriffe "Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen" in § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG 1957 in der Fassung vor BGBl. I Nr. 147/2017 zurückgegriffen werden. Mit der Änderung der Gebührenbefreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG 1957 entfiel gleichzeitig die Regelung des § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG 1957 (vgl. , mwN). § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG 1957 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 147/2017 spricht von "Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen". Die Syntax legt nahe, dass sich der Halbsatz "die überwiegend Wohnzwecken dienen" auf "Gebäude oder Gebäudeteile" bezieht, d.h., dass die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes maßgeblich ist. Dass allein der zu vergebührende Bestandvertrag einer Vertragspartei (Bestandnehmer) schon unmittelbar (überwiegend) der Befriedigung eines persönlichen Wohnbedürfnisses des Bestandnehmers dienen müsste, ist damit nicht vorausgesetzt (vgl. ). Maßgeblich für die Anwendbarkeit der Gebührenbefreiung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG 1957 ist sohin die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes. Diese ist losgelöst von der durch den Mieter beabsichtigten Verwendung des Bestandobjektes zu verstehen. Relevant ist, ob das Bestandobjekt überwiegend für Wohnzwecke genutzt werden kann (vgl. , mwN). Die bloß theoretische Nutzbarkeit eines Bestandobjekts (auch) als Wohnraum allein bestimmt dabei jedoch noch nicht dessen sachliche Bestimmung.
Normen
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1 idF 2017/I/147
VwRallg
RS 4
Dass der Gesetzgeber mit § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG 1957 idF BGBl. I Nr. 147/2017 auch die bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht begünstigten langfristigen Pachtverträge über ganze Hotelbetriebsgebäude gebührenfrei habe stellen wollen, ist aus den Erwägungen des Gesetzgebers (2299/A XXV. GP - Initiativantrag) nicht ableitbar.
Normen
ABGB §1090
ABGB §1091
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1
VwRallg
RS 5
§ 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG 1957 nimmt - wie sich aus dessen Wortlaut ergibt - nicht Bestandverträge - also auch Pachtverträge - im Generellen, sondern explizit (nur) "Verträge über die Miete von Wohnraum" von der Gebührenpflicht aus.
Normen
ABGB §1090
BAO §21 Abs1
GebG 1957 §33 TP5
RS 6
Im Bereich der Gebühren und Verkehrsteuern ist zwar die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht schlechthin ausgeschlossen, soferne nämlich der Gesetzgeber selbst an wirtschaftliche Merkmale anknüpft (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. V 14/80). In § 33 TP 5 GebG hat der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich auf "Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB)", somit auf einen Gegenstand des Zivilrechts Bezug genommen. § 33 TP 5 GebG unterliegt somit der (zivil-)rechtlichen Betrachtungsweise (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 83/15/0181, 0182).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2004/16/0165 E RS 4 (hier ohne den ersten Satz)
Normen
ABGB §1090
ABGB §1091
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1
RS 7
Nicht nur bereits bestehende Unternehmen, sondern auch erst zu errichtende Unternehmen können tauglicher Gegenstand einer Unternehmensverpachtung sein, wenn die wesentlichen Grundlagen für den Unternehmensbeginn vom Bestandgeber beigestellt werden. Die besondere Bedeutung der Betriebspflicht als Abgrenzungskriterium wird dann gesehen, wenn sie den Zweck hat, dass der Bestandnehmer durch ordnungsgemäße Fortsetzung des Betriebes die Bestandsache als solche erhält und sie damit in ordnungsgemäßem Zustand zurückgeben kann. Schließlich wird es als ein Indiz für die Abgrenzung von Verpachtung und Vermietung auch noch angesehen, ob der vereinbarte Zins in einem Verhältnis zur Höhe des Umsatzes steht (vgl. , mwN). Als wirtschaftlicher Zweck der Betriebspflicht kann auch der aus dem Betrieb eines lebenden Unternehmens resultierende Mehrwert der Liegenschaft angestrebt werden (vgl. idS ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch sowie den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7104160/2019, betreffend Rechtsgeschäftsgebühren (mitbeteiligte Partei: A GmbH & Co KG in W, vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde die Gebühr für ein Rechtsgeschäft („Pachtvertrag“) vom - gemäß § 200 BAO vorläufig - mit € 405.605,69 fest. Der dagegen erhobenen Beschwerde - die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung unterbliebt gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO - gab das Bundesfinanzgericht Folge und behob den Bescheid ersatzlos. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

2 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts habe die Mitbeteiligte am von einer näher genannten Gesellschaft (Verpächterin) ein auf einer näher genannten Liegenschaft zu errichtendes Hotelgebäude, bestehend u.a. aus 134 Gästezimmern, Restaurant, Bar, Cafeteria, Lobby und 26 Kfz-Stellplätzen in der Tiefgarage, gepachtet. Die 134 Apartments seien mit Wohn- und Schlafbereich, Parkettboden, voll ausgestatteter Küche mit Kühlschrank, Herd, Mikrowelle mit Ofenfunktion, Geschirrspüler, Waschtrockner, Kaffeemaschine, TV, individuell verstellbarer Klimaanlage, Bügeleisen und -brett sowie Zimmersafe ausgestattet gewesen. Von der Gesamtfläche des gepachteten Objekts betrage die „reine Wohnfläche“ 68 Prozent. Es gebe auch Verkehrsflächen (Flure, Treppenhäuser, Aufzüge usw.) und Erdgeschoßflächen (Lobby, Gastro, Wellness, Küche, Lagerräume).

3 Laut dem im angefochtenen Erkenntnis - auszugsweise - wiedergegebenen Pachtvertrag sei dieser auf die Dauer von 17 Jahren und sechs Monaten abgeschlossen und könne einseitig von der Pächterin zweimalig um jeweils fünf Jahre verlängert werden. Die Pächterin sei verpflichtet, den Pachtgegenstand während der gesamten Laufzeit des Pachtvertrags im eigenen Namen als Hotel mit einer Klassifizierung von vier Sternen gemäß der österreichischen Hotelklassifizierung ganzjährig zu betreiben (Betriebspflicht).

4 Der Pachtzins bestehe aus einer näher dargestellten „Fixpacht“ und einer „Ergebnispacht“, welche 28,5 Prozent des im Pachtgegenstand erzielten Gesamtumsatzes der Pächterin pro Wirtschaftsjahr betrage, sowie einer „Stellplatzpacht“. Näher spezifizierte Betriebs- und Nebenkosten seien nach dem Pachtvertrag von der Pächterin zu tragen, die auch eine Versicherung für das Pachtobjekt abzuschließen habe.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 GebG betrage die Rechtsgeschäftsgebühr für Bestandverträge und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhalte, nach dem Wert im allgemeinen 1 v.H.. Gebührenfrei seien gemäß § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG die Verträge über die Miete von Wohnräumen.

6 Es sei unzweifelhaft, dass bereits nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 147/2017 die „Vermietung von Hotel-, Pensions-, Appartement- oder ähnlichen Nächtigungsmöglichkeiten“ gebührenrechtlich als Vermietung von Wohnraum und somit als gebührenbefreit zu betrachten gewesen seien. Der Gesetzgeber habe die bis zum bestehende Unterscheidung zwischen kurzfristigen (bis zu drei Monaten, § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 147/2017) und darüber hinaus gehenden Wohnraummietverträgen aufgegeben. Die Befreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG gelange daher gegenständlich zur Anwendung.

7 In Zusammenschau der historischen Entwicklung der Befreiungsbestimmung einerseits und näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes andererseits komme das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss, dass auch die kurzfristige Vermietung zu Beherbergungszwecken als gebührenbefreite Vermietung von Wohnraum zu betrachten sei und sich diese Befreiung auch auf den revisionsgegenständlichen Bestandvertrag erstrecke, da beim Abschluss dieses Vertrags bereits festgestanden sei, dass das Gebäude oder Gebäudeteile letztlich überwiegend Wohnzwecken dienen sollten.

8 Zu der Rechtsfrage, ob unter die in § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG in der Fassung des BGBl. I Nr. 147/2017 genannten „Wohnräume“ auch die Beherbergungsräumlichkeiten fielen, bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb die ordentliche Revision zugelassen werde.

9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die das Bundesfinanzgericht dem Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens vorgelegt hat. Zur Zulässigkeit der Revision wird ergänzend vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob die Verpachtung eines Unternehmens in Form eines Hotels (oder ähnlichen Beherbergungsunternehmens) an einen Unternehmer zwecks Führung des Hotel- bzw. Beherbergungsbetriebs einen „Vertrag über die Miete von Wohnraum“ darstelle, der nach § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG von der Gebührenpflicht befreit sei. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

12 Gemäß § 15 Abs. 1 Gebührengesetz 1957 (GebG) sind Rechtsgeschäfte grundsätzlich dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird.

13 Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus der alleinigen Geltung des schriftlich niedergelegten Inhaltes nach § 17 GebG die Belanglosigkeit der Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäftes, zu einer bestimmten Art oder Formulierung gefügt haben („Urkundenprinzip“; vgl. , mwN).

14 Es ist ausschließlich anhand des Urkundeninhaltes zu prüfen, über welchen Gegenstand der Vertrag geschlossen wird. Der Gegenstand des Vertrags laut dem Urkundeninhalt ist auch ausschließlich für die Frage relevant, ob eine Befreiung nach § 33 TP 5 Abs. 4 GebG zur Anwendung kommt (vgl. ).

15 § 33 TP 5 GebG in der auf den Revisionsfall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 147/2017 lautet auszugsweise:

„(1) Bestandverträge (§§ 1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert

1.im allgemeinen 1 v.H.;

2.beim Jagdpachtvertrag 2 v.H.

[...]

(4) Gebührenfrei sind

1.Verträge über die Miete von Wohnräumen;

[...]“

16 Bei dem revisionsgegenständlichen Vertrag, den die Mitbeteiligte mit der Verpächterin geschlossen hat, handelt es sich um einen Bestandvertrag über ein auf einer näher genannten Liegenschaft zu errichtendes Hotelgebäude. Demnach sind die Voraussetzungen der Gebührenpflicht, welche nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG zu bemessen ist, dem Grunde nach erfüllt. Das Bundesfinanzgericht ging im angefochtenen Erkenntnis jedoch davon aus, dass die Gebührenbefreiung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG zur Anwendung komme.

17 Gebührenfrei sind nach der genannten Bestimmung die Verträge über die Miete von Wohnräumen.

18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann für die Auslegung des Begriffes „Wohnräume“ auf die Begriffe „Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen“ in § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 147/2017 zurückgegriffen werden. Mit der Änderung der Gebührenbefreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG entfiel gleichzeitig die Regelung des § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG (vgl. erneut , mwN).

19 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Auslegung des § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 147/2017 festgehalten, dass dieser von „Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen“ spricht. Die Syntax legt nahe, dass sich der Halbsatz „die überwiegend Wohnzwecken dienen“ auf „Gebäude oder Gebäudeteile“ bezieht, d.h., dass die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes maßgeblich ist. Dass allein der zu vergebührende Bestandvertrag einer Vertragspartei (Bestandnehmer) schon unmittelbar (überwiegend) der Befriedigung eines persönlichen Wohnbedürfnisses des Bestandnehmers dienen müsste, ist damit nicht vorausgesetzt (vgl. ).

20 Maßgeblich für die Anwendbarkeit der Gebührenbefreiung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG ist sohin die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes. Diese ist losgelöst von der durch den Mieter beabsichtigten Verwendung des Bestandobjektes zu verstehen. Relevant ist, ob das Bestandobjekt überwiegend für Wohnzwecke genutzt werden kann (vgl. erneut , mwN). Die bloß theoretische Nutzbarkeit eines Bestandobjekts (auch) als Wohnraum allein bestimmt dabei jedoch noch nicht dessen sachliche Bestimmung.

21 In den für die Auslegung des Begriffes „Wohnzwecke“ heranzuziehenden Materialien zum Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 28/1999, zu § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG heißt es auszugsweise (vgl. wiederum , mVa 1471 der Beilagen XX GP, 27):

„Wohnzwecken dienen Gebäude oder Räumlichkeiten in Gebäuden dann, wenn sie dazu bestimmt sind, in abgeschlossenen Räumen privates Leben, speziell auch Nächtigung, zu ermöglichen. Unter die Höchstgrenze fällt nicht nur die Vermietung oder Nutzungsüberlassung der eigentlichen Wohnräume, sondern auch der mitvermieteten Nebenräume wie Keller- und Dachbodenräume. Auch ein gemeinsam mit dem Wohnraum in Bestand gegebener Abstellplatz oder Garten ist, wenn nicht eine andere Nutzung dominiert, als zu Wohnzwecken vermietet anzusehen. Übersteigt das zu Wohnzwecken jenes zu anderen Zwecken benützte Ausmaß, ist überwiegende Nutzung zu Wohnzwecken gegeben.“

22 Die sachliche Bestimmung des revisionsgegenständlichen, als Einheit zu betrachtenden, Bestandobjekts - ein zu errichtendes Hotelgebäude bestehend aus u.a. 134 Gästezimmern, Restaurant, Bar, Cafeteria, Lobby und 26 Kfz-Stellplätzen - ist, wie dem angefochtenen Erkenntnis entnommen werden kann, die Hotellerie bzw. Beherbergung, mithin eine gewerbliche Dienstleistung, nicht jedoch „Wohnzwecke“, also die Ermöglichung privaten Lebens in abgeschlossenen Räumen im oben dargestellten Sinn. Dies wird auch dadurch deutlich, dass es sich bei den mitvermieteten Räumlichkeiten gerade nicht um - wie in 1471 der Beilagen XX GP, 27 genannte - Nebenräume zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses handelt, sondern diese Räumlichkeiten - gemeinsam mit den Gästezimmern - erst den Charakter und damit die sachliche Bestimmung des Bestandobjekts ausmachen. Bereits aus diesem Grund scheidet die Anwendung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG im Revisionsfall aus.

23 Dieses Ergebnis wird durch den Zweck der gegenständlichen Gebührenbefreiung unterstrichen. § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG erhielt seine im Revisionsfall anzuwendende Fassung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 147/2017. Die Materialien (2299/A XXV. GP - Initiativantrag) führen dazu aus:

„Derzeit hat der Vermieter einer Wohnung gemäß § 33 TP 5 Gebührengesetz 1957 bei Abschluss eines Mietvertrages eine von der vertraglich vereinbarten Leistung und der vertraglich vereinbarten Dauer abhängige Mietvertragsgebühr in Höhe von 1% zu entrichten. Diese Mietvertragsgebühr wird üblicherweise auf den Mieter überwälzt. Wenn beispielsweise für eine 60 m² große Mietwohnung eine monatliche Miete von 600,- Euro vereinbart wurde, so entsteht bei einer dreijährigen Mietdauer eine Mietvertragsgebühr in Höhe von 216,- Euro. Dieser nicht zu rechtfertigenden Belastung der Mieter muss rasch ein Riegel vorgeschoben werden. Die Mietvertragsgebühr bei Verträgen über die Miete von Wohnräumen ist abzuschaffen. Dadurch sollen neue Wohnungsmieter, die sich ohnedies oft in einer finanziell angespannten Situation befinden, entlastet werden. Letztlich reduziert sich durch den Entfall der Mietvertragsgebühr auch der Verwaltungsaufwand beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel.“

24 Dass der Gesetzgeber auch die bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht begünstigten langfristigen Pachtverträge über ganze Hotelbetriebsgebäude gebührenfrei habe stellen wollen, ist aus den dargestellten Erwägungen des Gesetzgebers nicht ableitbar.

25 Darüber hinaus misst - wie in der Revision zutreffend vorgebracht wird - das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis dem Umstand, dass - was im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht unbestritten blieb - gegenständlich ein Pachtvertrag abgeschlossen worden ist, für die Anwendung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG keine Bedeutung zu.

26 § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG nimmt aber - wie sich aus dessen Wortlaut ergibt - nicht Bestandverträge - also auch Pachtverträge - im Generellen, sondern explizit (nur) „Verträge über die Miete von Wohnraum“ von der Gebührenpflicht aus.

27 In § 33 TP 5 GebG hat der Gesetzgeber ausdrücklich auf „Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB)“, somit auf einen Gegenstand des Zivilrechts Bezug genommen. § 33 TP 5 GebG unterliegt somit der (zivil-)rechtlichen Betrachtungsweise (vgl. , mwN).

28 Gemäß § 1091 ABGB ist ein Bestandvertrag, wenn sich die in Bestand gegebene Sache ohne weitere Bearbeitung gebrauchen lässt, ein Mietvertrag. Wenn sie aber nur durch Fleiß und Mühe benützt werden kann, ein Pachtvertrag. Im gesamten Verfahren wurde - soweit aus den vorgelegten Akten ersichtlich - übereinstimmend vom Abschluss eines Pachtvertrags ausgegangen.

29 Wenn erstmalig in der Revisionsbeantwortung vorgebracht wird, bei dem revisionsgegenständlichen Vertrag handle es sich - entgegen der in der Präambel des Vertrags ausdrücklich festgehaltenen Ansicht der Vertragsparteien, wonach sämtliche wesentlichen Tatbestandselemente eines echten Pachtvertrags vorlägen - um einen Mietvertrag, so ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes nicht nur bereits bestehende Unternehmen, sondern auch erst zu errichtende Unternehmen tauglicher Gegenstand einer Unternehmensverpachtung sein können, wenn die wesentlichen Grundlagen für den Unternehmensbeginn vom Bestandgeber beigestellt werden. Die besondere Bedeutung der Betriebspflicht als Abgrenzungskriterium wird dann gesehen, wenn sie den Zweck hat, dass der Bestandnehmer durch ordnungsgemäße Fortsetzung des Betriebes die Bestandsache als solche erhält und sie damit in ordnungsgemäßem Zustand zurückgeben kann. Schließlich wird es als ein Indiz für die Abgrenzung von Verpachtung und Vermietung auch noch angesehen, ob der vereinbarte Zins in einem Verhältnis zur Höhe des Umsatzes steht (vgl. , mwN).

30 In der Revisionsbeantwortung wird dazu ausgeführt, die vorliegende Betriebspflicht habe nicht - wie bei Unternehmenspachtverträgen üblich - den Zweck, bei Beendigung des Bestandverhältnisses eine Rückstellung eines lebenden und ertragsfähigen Unternehmens an den Bestandgeber zu gewährleisten, sondern diene lediglich dazu, die reine Werterhaltung der Immobilie sicherzustellen. Dem ist zunächst entgegen zu halten, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes als wirtschaftlicher Zweck der Betriebspflicht auch der aus dem Betrieb eines lebenden Unternehmens resultierende Mehrwert der Liegenschaft angestrebt werden kann (vgl. idS ). Darüber hinaus ergibt sich aus Punkt 10.1. des revisionsgegenständlichen Vertrags - entgegen den Ausführungen der Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung -, dass der Verpächterin bei Beendigung des Pachtverhältnisses der Pachtgegenstand „in sauberem, betriebsbereitem, zur unmittelbaren Fortführung des Betriebes eines Hotels geeignetem Zustand (als lebendes Unternehmen)“ zurückzustellen ist.

31 Insbesondere angesichts der vereinbarten Betriebspflicht sowie einer erfolgsabhängigen „Ergebnispacht“ gelangt der Verwaltungsgerichtshof im Lichte der dargestellten zivilgerichtlichen Rechtsprechung zum Ergebnis, dass im Revisionsfall von einem Pachtvertrag auszugehen ist. Auch aus diesem Grund - indem das Bundesfinanzgericht § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG entgegen dessen Wortlaut auf einen Pachtvertrag angewandt hat - ist das gegenständliche Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

32 Nach dem Gesagten war das Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ABGB §1090
ABGB §1091
BAO §21 Abs1
GebG 1957 §17
GebG 1957 §17 Abs1
GebG 1957 §33 TP5
GebG 1957 §33 TP5 Abs3
GebG 1957 §33 TP5 Abs4
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1 idF 2017/I/147
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2024160004.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-46792