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VwGH 29.06.2022, Ro 2021/16/0005

VwGH 29.06.2022, Ro 2021/16/0005

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
GebG 1957 §33 TP5 Abs3 idF 1999/I/028
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1 idF BGBl 1976/668
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1 idF BGBl 2017/I/147
VwRallg
RS 1
Die Gebührenbefreiung für die Miete von "Wohnräumen" galt schon vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2017 für die Miete bis zu einer Dauer von drei Monaten (§ 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG 1957 idF BGBl 1976/668). Die Materialien zu § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG 1957 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2017 geben keinen Hinweis zur Auslegung des Begriffes "Wohnräume". Für die Auslegung kann auf die Begriffe "Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen" in § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG 1957 in der Fassung vor BGBl. I Nr. 147/2017 zurückgegriffen werden. Nach dieser Bestimmung waren bei solchen Verträgen die wiederkehrenden Leistungen höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen. Mit der Änderung der Gebührenbefreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG 1957 entfiel gleichzeitig die Regelung des § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG 1957.
Normen
AbgÄG 1998
GebG 1957 §33 TP5 Abs3 idF 1999/I/028
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1 idF BGBl 2017/I/147
VwRallg
RS 2
Der VwGH hat zur Auslegung des § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG 1957 in der Fassung vor BGBl. I Nr. 147/2017 festgehalten, dass § 33 TP 5 Abs. 3 dritter Satz GebG 1957 von "Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen" spricht. Die Syntax legt nahe, dass sich der Halbsatz "die überwiegend Wohnzwecken dienen" auf "Gebäude oder Gebäudeteile" bezieht, d.h., dass die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes maßgeblich ist. Dass allein der zu vergebührende Bestandvertrag einer Vertragspartei (Bestandnehmer) schon unmittelbar (überwiegend) der Befriedigung eines persönlichen Wohnbedürfnisses des Bestandnehmers dienen müsste, wäre damit nicht vorausgesetzt (vgl. ). Die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes ist demnach losgelöst von der durch den Mieter beabsichtigten Verwendung des Bestandobjektes zu verstehen. Relevant ist, ob das Bestandobjekt überwiegend für Wohnzwecke genutzt werden kann. Für die Auslegung des Begriffes "Wohnzwecke" kann auf die Materialien zum AbgÄG 1998, BGBl. I Nr. 28/1999, zu § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG 1957, zurückgegriffen werden (vgl. 1471 der Beilagen XX GP, 27). Aus den Materialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber ein Bestandobjekt für "Wohnzwecke" als Gebäude oder Räumlichkeit in Gebäuden, jedenfalls aber als abgeschlossenen Raum, der zumindest auch eine Nächtigung ermöglicht, versteht. Ein unbebautes Grundstück erfüllt diese Kriterien nicht und ist daher weder von seinem Wortlaut, noch sachlich als ein "zu Wohnzwecken" bestimmtes Bestandobjekt und damit auch nicht als "Wohnraum" im Sinne des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG 1957 anzusehen.
Norm
RS 3
Aus der alleinigen Geltung des schriftlich niedergelegten Inhaltes nach § 17 GebG ergibt sich die Belanglosigkeit der Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäftes, zu einer bestimmten Art oder Formulierung geführt haben ("Urkundenprinzip"; Hinweis auf die in Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren9 (2011) unter E 11 zu § 17 zitierte Judikatur).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2016/16/0011 E RS 1
Normen
GebG 1957 §17 Abs1
GebG 1957 §33 TP5 Abs4
RS 4
Es ist ausschließlich anhand des Urkundeninhaltes zu prüfen, über welchen Gegenstand der Vertrag geschlossen wird. Der Gegenstand des Vertrages laut dem Urkundeninhalt ist auch ausschließlich relevant für die Frage, ob eine Befreiung nach § 33 TP 5 Abs. 4 GebG 1957 zur Anwendung kommt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7101260/2020, betreffend Rechtsgeschäftsgebühr (mitbeteiligte Partei: P GmbH in E, vertreten durch Beck + Partner Rechtsanwälte in 7000 Eisenstadt, Colmarplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Unbestritten ist, dass die Mitbeteiligte als Vermieterin mit MM als Mieter am einen Mietvertrag mit folgendem Inhalt abschloss:

„Präambel

Die Vermieterin ist Eigentümerin der Liegenschaft ... mit dem unter anderen darin vorgetragenen Grundstück ...

Die vorerwähnte Liegenschaft ist in einzelne Parzellen aufgeteilt, die allesamt der Erholung und einer der Umgebung sinnvoll angepassten Freizeitaktivität am ... dienen sollen. Für die Ferienanlage als Ganzes stehen insbesondere ein im Einklang mit der Natur stehendes Erholungserlebnis und eine Steigerung des Erholungs- und Erlebniswertes seiner Mieter im Vordergrund.

Gegenstand dieses Mietvertrages ist der in § 1 dargestellte Mietgegenstand.

§ 1

Mietgegenstand

1. Die Vermieterin vermietet und der Mieter mietet die in der ... gelegene Parzelle des ... mit der laufenden Orientierungsnummer ... im Ausmaß von rd. 400m2.

2. Soweit der Mietgegenstand direkt am See liegt, ist der Mieter nicht berechtigt, andere Personen von der Benützung dieser Wasserfläche auszuschließen. Die wasserrechtliche Nutzung ist in keinem Fall Gegenstand dieses Vertrages.

3. Der Mietgegenstand wurde vom Mieter besichtigt.

§ 2

Mietzweck

1. Die Vermietung erfolgt zu privaten Zwecken, und zwar zur Errichtung bzw. Belassung eines Superädifikates in Form eines Ferienhauses zur Nutzung als Zweitwohnung zum Zwecke der Erholung und Freizeitgestaltung.

Der Mieter erklärt in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass er neben dem Mietgegenstand über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 66 JN verfügt, und der Mietgegenstand daher nicht zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient, sondern er diesen ausschließlich zum Zweck der Erholung und Freizeitgestaltung benötigt.

2. Jede Änderung des Mietzwecks bedarf der vorherigen Zustimmung der Vermieterin. Insbesondere darf der Mietgegenstand nicht für Geschäftszwecke oder sonstige gewerbliche oder gewinnbringende Tätigkeiten oder Unterlassungen verwendet werden.

3. Der Mieter nimmt zur Kenntnis, dass dieses Mietverhältnis nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes (MRG) unterliegt.

[...]

§ 7

Bauführung, Veränderungen

1. Für jede Mietparzelle besteht ein Bauzwang dahingehend, dass darauf innerhalb von drei Jahren nach Abschluss des Mietvertrages ein Ferienwohnhaus in einer den Bebauungsvorschriften entsprechenden Weise zu errichten ist. Bei diesen errichteten bzw. zu errichtenden Bauwerken handelt es sich um Superädifikate im Sinne des § 435 ABGB, welche für die Dauer dieses Vertrages auf dem Mietgegenstand belassen werden dürfen.

Festgehalten wird, dass durch die Gestattung der Errichtung bzw. Belassung von Bauwerken dem Mieter kein Recht auf Übertragung der bebauten Grundfläche in sein Eigentum erwächst.

2. Für die Errichtung bzw. alle vom Mieter gewünschten Änderungen der Bauwerke ist die Zustimmung der Vermieterin erforderlich. Der Mieter hat sämtliche baubehördlichen Genehmigungen zu erwirken und die diesbezüglich ihm erteilten Auflagen einzuhalten. Der Mieter hat weiters die Bestimmungen des Bebauungsplanes, den Flächenwidmungsplan und die Bestimmungen des Wasser- und Naturschutzrechtes einzuhalten.

3. Sämtliche Bauführungen, Investitionen, Erhaltungsmaßnahmen das Superädifikat betreffend, Aufwendungen und sonstige Herstellungen aller Art erfolgen ausschließlich auf Kosten und Gefahr des Mieters.

4. Der Mieter haftet für alle wie immer gearteten vom Mieter sowie von ihm zurechenbaren Gehilfen verschuldeten Schäden aus Anlass der Durchführung von Arbeiten, insbesondere im Zusammenhang mit der Errichtung der Bauwerke, aber auch für allfällige verschuldete Schäden, welche durch vorschriftswidrige Durchführung dieser Arbeiten entstehen, und hält die Vermieterin diesbezüglich vollkommen schad- und klaglos.

5. Der Mieter ist verpflichtet, binnen 3 Monate nach Vertragsabschluss auf seine Kosten und auf eigene Gefahr die von ihm gemietete Fläche mit einem ordnungsgemäßen ortsüblichen Zaun abzuschließen. Kommt der Mieter seiner diesbezüglichen Verpflichtung trotz schriftlicher Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist nicht nach, ist die Vermieterin berechtigt, dies auf Kosten des Mieters vorzunehmen

[...]

§ 10

Rechte und Pflichten

1. Teil dieses Vertrages ist eine Siedlungsordnung (Beilage ./2). Diese dient zur Bewahrung und Förderung des Erholungswertes sowie des gedeihlichen Zusammenlebens aller Mieter der Feriensiedlung. Der Mieter ist verpflichtet, diese Siedlungsordnung einzuhalten, und hat dafür zu sorgen, dass die sonstigen Mitbenützer ebenfalls die erlassene Sieldungsordnung befolgen.

2. Der Mieter hat sein Verhalten so einzurichten, dass andere Mieter oder Nachbarn der Feriensiedlung nicht gestört oder belästigt werden.

3. Der Mieter ist berechtigt, das Gewässer des ... Sees auf eigene Gefahr zu benützen. Dabei ist jede Verunreinigung des Sees durch Abfälle udgl zu unterlassen. Dem Mieter ist es untersagt, auf Grund dieses Vertrages Fischfang zu betreiben.

4. Der Mieter des Mietgegenstandes und der Eigentümer der sich darauf befindlichen Bauwerke müssen identisch sein. Während der Mietvertragsdauer ist eine Übertragung der Bauwerke an Dritte nur mit Zustimmung der Vermieterin erlaubt.

Die Vermieterin ist zu Erteilung der Zustimmung verpflichtet, wenn

a) der Kaufpreis der Bauwerke nicht höher als deren Bauwert (im Sinne des § 6 Abs 3 des Liegenschaftsbewertungsgesetzes) ist und

b) mit dem Erwerber der Bauwerke ein Mietvertrag hinsichtlich des Mietgegenstandes geschlossen wird. Für den Abschluss eines solchen Mietvertrages gelten die Bestimmungen des § 11 dieses Vertrages.

5. Im Falle von Streitigkeiten über die Höhe des vorerwähnten Bauwertes hat ein gerichtlich beeideter Sachverständiger für das Immobilienwesen diese Höhe verbindlich für beide Vertragsteile festzulegen. Bei Festlegung des Bauwertes sind die besondere Lage und die Einzigartigkeit des Mietgegenstandes nicht zu berücksichtigen. Können sich die Vertragsteile binnen 14 Tagen nicht auf die Person eines geeigneten Sachverständigen einigen, so ernennt ihn über Antrag jedes Vertragteiles der jeweilige Präsident des Landesgerichtes Eisenstadt. Sollte die Ernennung nicht binnen vier Wochen nach dem Ersuchen erfolgen, ist der Antrag um Bestimmung des Sachverständigen an die Kammer der Architekten und Ingenierukonsulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland zu richten.

6. Im Falle der Zwangsversteigerung des Bauwerkes ist die Vermieterin zur sofortigen Auflösung des Mietvertrages berechtigt. Ein Ersteher des Bauwerkes tritt durch die Zuschlagserteilung nicht in den Mietvertrag ein. Es liegt im ausschließlichen Ermessen der Vermieterin, in diesem Fall mit dem Ersteher des Bauwerkes ein Mietverhältnis einzugehen oder die Entfernung des Bauwerkes zu begehren.

§ 11

Vorschlagsrecht

1. Der Mieter ist berechtigt, der Vermieterin innerhalb der Vertragsdauer für den Fall der beabsichtigten Veräußerung des Bauwerkes eine Person zum Mietvertragsabschluss vorzuschlagen.

2. In diesem Fall ist zunächst die Vermieterin berechtigt, das Bauwerk zum Bauwert gemäß § 10 Abs 4 lit a) zu erwerben. Im Streitfall über dessen Höhe ist die Bestimmung des § 10 Abs. 5 analog anzuwenden.

Übt die Vermieterin dieses Recht aus, steht dem Mieter kein wie immer gearteter Anspruch gegen die Vermieterin aus der Tatsache zu, dass die vorgeschlagene Person einen höheren Preis als den Bauwert zu zahlen bereit war.

3. Wenn die Vermieterin dieses Recht nicht ausübt, ist sie unter folgenden Voraussetzungen verpflichtet, mit dem vorgeschlagenen Nachmieter einen neuen Mietvertrag abzuschließen:

a) die Dauer des neuen Mietvertrags beträgt zehn Jahre, mieterseitige Option auf weitere 10 Jahre (analog § 4)

b) es liegen keine schwer wiegenden Gründe gegen die Person des Nachmieters vor, wobei das Vorliegen dieser Gründe von der Vermieterin im Einzelnen darzulegen ist.

c) wenn der Nachmieter für das Bauwerk keinen höheren als den der Vermieterin anzubietenden Kaufpreis bezahlt.

Liegt auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist die Vermieterin zum Vertragsabschluss mit dem vorgeschlagenen Nachmieter nicht verpflichtet. Dem Mieter entstehen daraus keine wie immer gearteten Ansprüche gegen die Vermieterin.

§ 12

Untervermietung/Weitergabe

1. Dem Mieter ist es nicht gestattet, den Mietgegenstand oder die darauf errichteten Baulichkeiten zur Gänze unterzuvermieten.

[...].“

2 Mit Schreiben vom zeigte die Mitbeteiligte den Abschluss des Mietvertrages vom gemäß § 31 Gebührengesetz 1957 (GebG) dem damaligen Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel an und stellte den Antrag auf Festsetzung der Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 5 GebG mit 0,00 € sowie auf Übermittlung des Abgabenbescheides an die ausgewiesene Rechtsvertreterin.

3 Mit Gebührenbescheid vom setzte das Finanzamt die Gebühr für den Abschluss des Mietvertrages mit MM vom mit € 786,42 fest.

4 Die Mitbeteiligte erhob gegen den Gebührenbescheid vom mit Schriftsatz vom Beschwerde.

5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom als unbegründet ab und setzte die Gebühr für das Rechtsgeschäft mit € 873,30 fest. Begründend führte das Finanzamt aus, es sei bereits dem Gesetzestext zu entnehmen, dass die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG die Überlassung eines Wohnraumes im Rahmen eines Bestandvertrages voraussetze. Gegenstand des Mietvertrages sei die Liegenschaft ... nicht das auf dem Grundstück zu errichtende bzw. errichtete Superädifikat. Auch wenn das Superädifikat Wohnzwecken diene, sei dieses nicht Gegenstand des Bestandvertrages, sodass kein Vertrag über die Miete eines Wohnraumes vorliege.

6 Mit dem aufgrund des Vorlageantrages der Mitbeteiligten ergangenen angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht (BFG) der Beschwerde gemäß § 279 BAO Folge, hob den Bescheid des Finanzamtes vom ersatzlos auf und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.

7 Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und Feststellung des Inhaltes des Mietvertrages stellte das BFG fest, auf dem Mietgegenstand habe sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein als Ferienwohnhaus ausgestaltetes Gebäude, das nicht Gegenstand des Mietvertrages und somit nicht mitvermietet sei, befunden. Mit Notariatsakt vom sei das Eigentum an diesem Superädifikat mit einer Schenkung auf den Todesfall von den Eltern auf die Mieter der Liegenschaft übertragen worden.

8 Rechtlich folgerte das BFG - soweit hier relevant -, es sei unzweifelhaft, dass es sich bei dem Mietgegenstand um kein Gebäude oder eine Räumlichkeit, sondern um ein bloßes Grundstück bzw. einen parzellierten Teil desselben handle. Nach Ansicht des BFG komme die Befreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG im Beschwerdefall zur Anwendung. Es komme bei der für den Beschwerdefall strittigen Frage, ob die Gebührenbefreiung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG auch in jenen Fällen, in denen Mietgegenstand eine vertraglich ausschließlich zur Wohnzwecken nutzbare Liegenschaft sei, Anwendung finde, der Auslegung des in dieser Bestimmung verwendeten Terminus „Wohnräume“ entscheidende Bedeutung zu. Es bestehe nach Ansicht des BFG kein Zweifel, dass bei der Auslegung des Begriffes „Wohnräume“ auf die Nutzung des Mietgegenstandes abzustellen sei. Ob ein „Wohnraum“ oder beispielsweise ein „Geschäftsraum“ vorliege, ergebe sich einerseits aus den tatsächlichen Gegebenheiten und andererseits aus der vertraglichen Vereinbarung. Wie sich aus dem Mietvertrag vom ergebe, sei die Vermietung ausschließlich „zu privaten Zwecken, und zwar zur Errichtung bzw. Belassung eines Superädifikates in Form eines Ferienhauses zur Nutzung als Zweitwohnung zum Zwecke der Erholung und Freizeitgestaltung“ (§ 2 Abs. 1 des Mietvertrages) erfolgt. Weiters obliege dem Mieter gemäß § 7 Abs. 1 des Mietvertrages ein „Bauzwang dahingehend, dass darauf innerhalb von drei Jahren nach Abschluss des Mietvertrages ein Ferienwohnhaus [...] zu errichten ist“.

9 Nach Ansicht des BFG habe aus verfassungsrechtlicher Sicht die Gebührenbefreiung jedenfalls auch für den gesonderten Abschluss eines Mietvertrages über eine mit einem zu Wohnzwecken zu nutzenden Superädifikat bebaute Liegenschaft zur Anwendung zu gelangen. Ausgehend von dem Umstand, dass es durchaus üblich sei, Wohnraum bereits vor der Fertigstellung zu vermieten und derartige Mietverträge, mit dem Argument, dass die zukünftige Wohnung Wohnzwecken diente, unstrittig unter die Befreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG fielen, könne aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts anderes für den Fall der Vermietung einer unbebauten Liegenschaft mit der Auflage, auf dieser ein zu Wohnzwecken zu nutzendes Gebäude zu errichten, gelten. Im Ergebnis komme das BFG zu dem Schluss, dass auch ein Mietvertrag über eine unbebaute Liegenschaft, der dem Mieter vertraglich die Nutzung der Liegenschaft ausschließlich zur Errichtung eines zu Wohnzwecken zu nutzenden Gebäudes erlaube und nachdem den Mieter diesbezüglich ein Bauzwang treffe, unter die genannte Befreiungsbestimmung falle.

10 Die Zulässigkeit der Revision begründete das BFG damit, dass die Rechtsfrage, ob auch ein Mietvertrag über ein unbebautes Grundstück, der mit der Auflage, auf diesem Grundstück ein zu Wohnzwecken zu nutzendes Gebäude zu errichten, versehen sei, der Gebührenbefreiung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG unterliege, bislang durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geklärt sei.

11 Die dagegen erhobene Revision des Finanzamtes Österreich legte das BFG unter Anschluss der Akten des Verfahrens und einer mit Schriftsatz vom eingereichten Revisionsbeantwortung der Mitbeteiligten, mit der die Mitbeteiligte die Zurück- in eventu die Abweisung der Revision sowie Aufwandersatz im gesetzlichen Ausmaß beantragte, dem Verwaltungsgerichtshof vor.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

13 Im Revisionsfall ist strittig, ob ein Mietvertrag über eine unbebaute Liegenschaft zu privaten Zwecken und zur Errichtung bzw. Belassung eines Superädifikates in Form eines Ferienhauses zu Wohnzwecken mit Bauzwang für den Mieter der Befreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG unterliegt.

14 § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG lautet:

§ 33. Tarif der Gebühren für Rechtsgeschäfte.

Tarifpost 5

[...]

Bestandverträge

(4) Gebührenfrei sind

1. Verträge über die Miete von Wohnräumen;

[...]“

15 § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG erhielt seine im Revisionsfall anzuwendende Fassung durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 147/2017. Die Materialien (2299/A XXV. GP - Initiativantrag) führen dazu aus:

„Derzeit hat der Vermieter einer Wohnung gemäß § 33 TP 5 Gebührengesetz 1957 bei Abschluss eines Mietvertrages eine von der vertraglich vereinbarten Leistung und der vertraglich vereinbarten Dauer abhängige Mietvertragsgebühr in Höhe von 1% zu entrichten. Diese Mietvertragsgebühr wird üblicherweise auf den Mieter überwälzt. Wenn beispielsweise für eine 60 m² große Mietwohnung eine monatliche Miete von 600,- Euro vereinbart wurde, so entsteht bei einer dreijährigen Mietdauer eine Mietvertragsgebühr in Höhe von 216,- Euro. Dieser nicht zu rechtfertigenden Belastung der Mieter muss rasch ein Riegel vorgeschoben werden. Die Mietvertragsgebühr bei Verträgen über die Miete von Wohnräumen ist abzuschaffen. Dadurch sollen neue Wohnungsmieter, die sich ohnedies oft in einer finanziell angespannten Situation befinden, entlastet werden. Letztlich reduziert sich durch den Entfall der Mietvertragsgebühr auch der Verwaltungsaufwand beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel.“

16 Die Gebührenbefreiung für die Miete von „Wohnräumen“ galt schon vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2017 für die Miete bis zu einer Dauer von drei Monaten (§ 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG idF BGBl 1976/668). Die Materialien zu § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung geben keinen Hinweis zur Auslegung des Begriffes „Wohnräume“. Für die Auslegung kann auf die Begriffe „Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen“ in § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 147/2017 zurückgegriffen werden. Nach dieser Bestimmung waren bei solchen Verträgen die wiederkehrenden Leistungen höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen (vgl. in diesem Sinne Twardosz, Kommentar zum Gebührengesetz7 (2021) § 33 TP 5 Rz 73/1). Mit der Änderung der Gebührenbefreiungsbestimmung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG entfiel gleichzeitig die Regelung des § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Auslegung des § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 147/2017 festgehalten, dass § 33 TP 5 Abs. 3 dritter Satz GebG von „Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen“ spricht. Die Syntax legt nahe, dass sich der Halbsatz „die überwiegend Wohnzwecken dienen“ auf „Gebäude oder Gebäudeteile“ bezieht, d.h., dass die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes maßgeblich ist. Dass allein der zu vergebührende Bestandvertrag einer Vertragspartei (Bestandnehmer) schon unmittelbar (überwiegend) der Befriedigung eines persönlichen Wohnbedürfnisses des Bestandnehmers dienen müsste, wäre damit nicht vorausgesetzt (vgl. ).

18 Die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes ist demnach losgelöst von der durch den Mieter beabsichtigten Verwendung des Bestandobjektes zu verstehen. Relevant ist, ob das Bestandobjekt überwiegend für Wohnzwecke genutzt werden kann. Für die Auslegung des Begriffes „Wohnzwecke“ kann auf die Materialien zum Abgabenänderungsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 28/1999, zu § 33 TP 5 Abs. 3 letzterSatz GebG, zurückgegriffen werden (vgl. 1471 der Beilagen XX GP, 27):

„Wohnzwecken dienen Gebäude oder Räumlichkeiten in Gebäuden dann, wenn sie dazu bestimmt sind, in abgeschlossenen Räumen privates Leben, speziell auch Nächtigung, zu ermöglichen. Unter die Höchstgrenze fällt nicht nur die Vermietung oder Nutzungsüberlassung der eigentlichen Wohnräume, sondern auch der mitvermieteten Nebenräume wie Keller- und Dachbodenräume. Auch ein gemeinsam mit dem Wohnraum in Bestand gegebener Abstellplatz oder Garten ist, wenn nicht eine andere Nutzung dominiert, als zu Wohnzwecken vermietet anzusehen. Übersteigt das zu Wohnzwecken jenes zu anderen Zwecken benützte Ausmaß, ist überwiegende Nutzung zu Wohnzwecken gegeben.“

19 Aus den Materialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber ein Bestandobjekt für „Wohnzwecke“ als Gebäude oder Räumlichkeit in Gebäuden, jedenfalls aber als abgeschlossenen Raum, der zumindest auch eine Nächtigung ermöglicht, versteht. Ein unbebautes Grundstück erfüllt diese Kriterien nicht und ist daher weder von seinem Wortlaut, noch sachlich als ein „zu Wohnzwecken“ bestimmtes Bestandobjekt und damit auch nicht als „Wohnraum“ im Sinne des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG anzusehen. Für eine Interpretation des Begriffes „Wohnraum“ im Sinne der Argumentation des BFG bleibt somit kein Raum. Eine Interpretation findet ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (vgl. etwa , mwN).

20 Gemäß § 17 Abs. 1 erster Satz GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus der alleinigen Geltung des schriftlich niedergelegten Inhaltes nach § 17 GebG die Belanglosigkeit der Beweggründe, die zur Errichtung der Schrift, zum Abschluss des Rechtsgeschäftes, zu einer bestimmten Art oder Formulierung gefügt haben („Urkundenprinzip“; vgl. , mit Hinweis auf die in Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren9 [2011] unter E 11 zu § 17 zitierte Judikatur).

21 Es ist demnach ausschließlich anhand des Urkundeninhaltes zu prüfen, über welchen Gegenstand der Vertrag geschlossen wird. Der Gegenstand des Vertrages laut dem Urkundeninhalt ist auch ausschließlich relevant für die Frage, ob eine Befreiung nach § 33 TP 5 Abs. 4 GebG zur Anwendung kommt (vgl. Twardosz, Kommentar zum Gebührengesetz7; [2021] § 17 Rz 1 mit den dort angeführten Beispielen).

22 Gemäß § 1 Abs. 1 des Mietvertrages vom ist Mietgegenstand die in der KG T gelegene Parzelle der näher bezeichneten Liegenschaft im Ausmaß von rund 400m². Es ist unbestritten, dass es sich beim Bestandobjekt um ein unbebautes Grundstück handelt. Gegenstand des Mietvertrages vom ist somit die Miete einer Fläche. Bei einer Fläche handelt es sich aber nicht um „Wohnraum“ im Sinne des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG. Die Festlegung des Vertragszweckes in § 2 Abs. 1 des Mietvertrages vom (Errichtung bzw. Belassung eines Superädifikates in Form eines Ferienhauses) und der zusätzlich vereinbarte Bauzwang für den Mieter in § 7 Abs. 1 des Mietvertrages vom bewirken keine Änderung des vereinbarten Mietgegenstandes laut dem für die Gebührenbemessung relevanten Inhalt des Mietvertrages.

23 Indem das BFG das Vorliegen der Voraussetzungen der Gebührenbefreiung des § 33 TP 5 Abs. 4 Z 1 GebG verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtwidrigkeit seines Inhaltes.

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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Normen
AbgÄG 1998
GebG 1957 §17
GebG 1957 §17 Abs1
GebG 1957 §33 TP5 Abs3 idF 1999/I/028
GebG 1957 §33 TP5 Abs4
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1 idF BGBl 1976/668
GebG 1957 §33 TP5 Abs4 Z1 idF BGBl 2017/I/147
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021160005.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-46662