VwGH 17.04.2023, Ra 2023/16/0016
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Handlungen und insbesondere ein Verschulden des Vertreters sind dem Vertretenen zuzurechnen (vgl. etwa die bei Ritz, BAO3, § 308 Tz 17, zitierte hg. Rechtsprechung). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/15/0149 E VwSlg 8612 F/2011 RS 1 |
Norm | |
RS 2 | Die Unkenntnis der Rechtslage oder ein Rechtsirrtum stellen nur in Ausnahmefällen ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom , Ra 2017/16/0021, vom , Ra 2016/05/0001, und vom , Ro 2014/05/0030). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/16/0094 B RS 3 |
Normen | |
RS 3 | Eine andere Einbringung als eine schriftliche Eingabe, die etwa persönlich oder durch einen Postdienst bei der Behörde abgegeben wird, ist abgesehen von den Fällen der FOnV 2006, BGBl. II Nr. 97/2006, nur gemäß § 1 der TelekopieV BMF 1991, BGBl. Nr. 494/1991, für im Wege eines Telefaxgerätes (unter Verwendung eines Telekopierers) eingebrachte Anbringen zugelassen. Einer E-Mail kommt die Eigenschaft eines Anbringens oder einer Eingabe nicht zu (vgl. in stRsp ; , Ra 2015/15/0007; , und ). Der Gesetzgeber hat nicht auf das Erscheinungsbild des letztlich vorliegenden Schriftstückes (etwa in Form eines einer E-Mail angehängten PDF-Dokuments) abgestellt, sondern auf den Weg der Einreichung (vgl. , , Ra 2017/16/0141). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision der S I in T, vertreten durch Dr. Michl Münzker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7300008/2023, betreffend Wiedereinsetzung in einer Angelegenheit der Abgabenhinterziehung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Amt für Betrugsbekämpfung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Strafverfügung vom wurde die Revisionswerberin des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG für schuldig befunden und zu einer Geld- und einer Ersatzfreiheitsstrafe sowie zum Ersatz der Kosten des Finanzstrafverfahrens verurteilt.
2 Am übermittelte die Revisionswerberin durch ihren Rechtsanwalt an das Amt für Betrugsbekämpfung ein als „Einspruch“ betiteltes Schreiben in Form einer an eine E-Mail angehängten Datei.
3 Mit E-Mail vom ersuchte der Rechtsanwalt der Revisionswerberin über den Einspruch der Revisionswerberin vom zu entscheiden. Das Amt für Betrugsbekämpfung teilte dem Rechtsanwalt der Revisionswerberin mit E-Mail vom gleichen Tag mit, dass aufgrund der Übermittlung des Einspruches per E-Mail von Seiten der Finanzstrafbehörde keine Veranlassungen zu treffen seien.
4 Mit Schriftsatz vom brachte die Revisionswerberin beim Amt für Betrugsbekämpfung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist ein und erhob unter einem Einspruch gegen die Strafverfügung vom . Begründend brachte die Revisionswerberin vor, sie und ihr Vertreter hätten sich hinsichtlich der Einbringung des Einspruches per E-Mail in einem entschuldbaren Irrtum befunden. Die Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung enthalte bloß den Hinweis auf die Schriftlichkeit des Einspruches. Im Kopf der Strafverfügung habe sich der Hinweis befunden: „Bei Rückfragen wenden Sie sich bitten an Herrn [Name, E-Mailadresse].“. Daraus habe sich ergeben, dass schriftliche Kommunikation in Form einer E-Mailübermittlung akzeptiert werde.
5 Mit Bescheid vom wies das Amt für Betrugsbekämpfung den Antrag der Revisionswerberin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Begründend führte das Amt für Betrugsbekämpfung aus, einer E-Mail komme im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu. Eine Verordnung, welche die Einbringung per E-Mail zulassen würde, sei bislang nicht ergangen.
6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesfinanzgericht (BFG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
7 Das BFG stellte fest, im Kopf der Strafverfügung habe folgende Passage aufgeschienen:
„Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
[Name, E-Mailadresse, Telefonnnummer]“
8 Die Rechtsbelehrung der Strafverfügung habe gelautet:
„Belehrung über das Einspruchsrecht:
Gegen die Strafverfügung kann binnen einem Monat nach der Zustellung bei der Finanzstrafbehörde, die die Strafverfügung erlassen hat, durch den Beschuldigten oder durch seinen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger gemäß § 48 Abs. 1 Z. 4 der Strafprozessordnung oder durch seinen schriftlich bevollmächtigten österreichischen Wirtschaftstreuhänder (§ 77 Abs. 1 FinStrG) sowie durch die Nebenbeteiligten oder deren schriftlich Bevollmächtigte (§ 77 Abs. 1 FinStrG) Einspruch erhoben werden. Als Vertreter sind auch Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder aus dem Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen, Wirtschaftstreuhänder jedoch nur nach Maßgabe der berufsrechtlichen Bestimmungen.
Die Einspruchsfrist beginnt mit der Zustellung dieser Strafverfügung und endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des nächsten Monats, der durch seine Zahl dem Zustellungstag entspricht.
Fehlt dieser Tag in dem betreffenden Monat, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Durch die rechtzeitige Einbringung des Einspruchs tritt die Strafverfügung außer Kraft; das Verfahren ist nach den Bestimmungen der §§ 115 bis 142 FinStrG fortzusetzen. Für dieses Verfahren kann der Beschuldigte oder ein Nebenbeteiligter gemäß § 58 Abs. 2 lit. b FinStrG die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses durch einen unabhängigen Spruchsenat beantragen; ein solcher Antrag ist im Einspruch zu stellen. Unterbleibt ein solcher Antrag, obliegt die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses einem Einzelbeamten. Auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung kann gemäß § 125 Abs. 3 FinStrG verzichtet werden.
Im fortgesetzten Verfahren hat die Finanzstrafbehörde auf den Inhalt der außer Kraft getretenen Strafverfügung keine Rücksicht zu nehmen und kann auch eine andere Strafe aussprechen.
Erheben nur Nebenbeteiligte rechtzeitig Einspruch, so wird in einem abgesonderten Verfahren (§ 149 FinStrG) über ihre Rechte entschieden.
Wird auf Erhebung eines Einspruchs schriftlich oder zu Protokoll verzichtet oder ein Einspruch nicht rechtzeitig erhoben, so hat die Strafverfügung die Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses. Ein Einspruchsverzicht, der nicht von einem berufsmäßigen Parteienvertreter oder im Beisein eines solchen abgegeben wurde, kann jedoch binnen drei Tagen schriftlich oder zur Niederschrift widerrufen werden.“
9 In der rechtlichen Begründung führte das BFG aus, bei einem steuerlichen Vertreter seien die grundsätzlichen Kenntnisse der finanzstrafrechtlichen Verfahrensvorschriften vorauszusetzen. Ein durch einen Blick in das Finanzstrafgesetz oder in die Datenbank des BFG - es gebe dort zahlreiche Erkenntnisse zur nicht zulässigen Einbringung von Rechtsmitteln per E-Mail - leicht zu vermeidender Rechtsirrtum erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung nicht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Irrtum von der Finanzstrafbehörde veranlasst worden wäre. Auf der Strafverfügung sei [Name] als Ansprechpartner für Rückfragen genannt gewesen, dieser Name scheine nicht in der Rechtsbelehrung auf. Ungeprüft davon auszugehen, dass in Finanzstrafsachen eine Rechtsmittelerhebung per E-Mail zulässig sei, stelle keinen minderen Grad des Versehens dar, weswegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen worden sei.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die das BFG unter Anschluss der verwaltungsgerichtlichen Akten dem Verwaltungsgerichtshof vorlegte.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, in der Rechtsbelehrung der Strafverfügung habe ein Hinweis auf die BAO gefehlt. Hätte die Revisionswerberin den Einspruch ohne anwaltliche Vertretung eingebracht, hätte ihr die Unkenntnis von BAO-Bestimmungen nicht zur Last gelegt werden können. Es sei die Frage zu prüfen, ob eine Eingabe, die unbestritten bei der Behörde eingelangt sei, im Fall der Verwendung eines Telefaxgerätes rechtlich erheblich, jedoch im Fall der Verwendung einer technisch verfeinerten Übermittlungsmethode ein „rechtliches Nichts“ bedeuten dürfe. Das Festhalten an technikbezogenen Meinungen vergangener Jahre könne nicht aufrechterhalten werden, weshalb die E-Mail vom eine rechtlich zu beachtende Eingabe sei.
15 Gemäß § 167 Abs. 1 FinStrG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag des Beschuldigten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass dem Beschuldigten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
16 Ein dem Rechtsvertreter widerfahrenes Ereignis stellt nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens gehandelt hat (vgl. etwa ). Handlungen und das Verschulden des Vertreters einer Partei sind dem Vertretenen zuzurechnen (; , 2010/15/0149, jeweils mwN). Die Unkenntnis der Rechtslage oder ein Rechtsirrtum stellen nur in Ausnahmefällen ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte (vgl. ; , Ra 2017/16/0021, jeweils mwN).
17 Eine andere Einbringung als eine schriftliche Eingabe, die etwa persönlich oder durch einen Postdienst bei der Behörde abgegeben wird, ist abgesehen von den im Revisionsfall unstrittig nicht gegebenen Fällen der FinanzOnline-Verordnung 2006, BGBl. II Nr. 97/2006 (FOnV 2006) somit nur gemäß § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 494/1991 für im Wege eines Telefaxgerätes (unter Verwendung eines Telekopierers) eingebrachte Anbringen zugelassen. Einer E-Mail kommt die Eigenschaft eines Anbringens oder einer Eingabe nicht zu (vgl. in stRsp ; , Ra 2015/15/0007; , und ). Der Verwaltungsgerichtshof hat im erwähnten Erkenntnis vom , 2012/16/0082, ausgesprochen, dass der Gesetzgeber nicht auf das Erscheinungsbild des letztlich vorliegenden Schriftstückes (etwa in Form eines einer E-Mail angehängten PDF-Dokuments) abgestellt hat, sondern auf den Weg der Einreichung (vgl. erneut ).
18 Das BFG hat festgestellt, dass der Einspruch vom der Revisionswerberin von ihrem Rechtsvertreter per E-Mail an die Finanzstrafbehörde übermittelt wurde. Ausgehend von diesem festgestellten Sachverhalt zeigt die Revisionswerberin nicht auf, dass das Bundesfinanzgericht von der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere zu § 167 Abs. 1 FinStrG abgewichen wäre.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
20 Von der Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages gemäß § 34 Abs. 2 VwGG wegen der fehlenden Darstellung des Sachverhaltes (§ 28 Abs. 1 Z 3 VwGG), der fehlenden Bezeichnung der Revisionspunkte (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG) und des Fehlens der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit der Revision stützt (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG), konnte im Hinblick auf die Zurückweisung abgesehen werden.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023160016.L00 |
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Fundstelle(n):
QAAAF-46379