VwGH 06.06.2024, Ra 2023/15/0053
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | BAO §26 Abs1 |
RS 1 | Eine Wohnung (§ 26 Abs. 1 BAO) können Untermietzimmer sowie im Falle einer Dauermiete sogar Hotelzimmer sein (vgl. ; , 89/13/0015). |
Norm | BAO §26 Abs1 |
RS 2 | Die Wohnung (§ 26 Abs. 1 BAO) muss nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden (vgl. , mwN). |
Norm | BAO §26 Abs1 |
RS 3 | Der Wohnsitzbegriff des § 26 Abs 1 BAO fordert nicht die ununterbrochene tatsächliche Benützung der Wohnung. Er ermöglicht, daß jemand auch mehrere Wohnsitze haben kann. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 86/15/0078 E RS 1 (hier nur der erste Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des K E in K, vertreten durch die Kanzlei Kleiner Eberl Brandstätter Steuerberatung GmbH in 8010 Graz, Burgring 22, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100212/2018, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2007 bis 2009, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber bezog in den Streitjahren aus seiner Tätigkeit als Musiker und Unterhaltungsdarbieter in Österreich Honorare, hinsichtlich derer von den Auftraggebern Abzugsteuer nach §§ 99 ff EStG 1988 einbehalten wurde.
2 Die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2009 ergingen zunächst auf Grundlage der eingereichten Einkommensteuererklärungen für beschränkt Steuerpflichtige, in welchen ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfasst wurden.
3 Im Anschluss an eine durchgeführte Außenprüfung nahm das Finanzamt - soweit für das Revisionsverfahren noch relevant - die Einkommensteuerverfahren der Jahre 2007 bis 2009 wieder auf und setzte die Einkommensteuer neu fest. Die Wiederaufnahme begründete das Finanzamt - gestützt auf den Außenprüfungsbericht - darauf, dass die Tatsache der Innehabung einer Wohnung in G zum Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide, ebenso wie der jeweils länger als sechs Monate in Österreich dauernde Aufenthalt, nicht bekannt gewesen sei.
4 Der Revisionswerber erhob dagegen Beschwerde. Darin brachte er im Wesentlichen vor, er sei in Kenia unbeschränkt steuerpflichtig und habe dort den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen. Die Wohnung in G werde während seiner Österreichaufenthalte gelegentlich von ihm benützt, unter anderem aus abwicklungstechnischen Gründen auch für die Postsendungen aus Österreich und Deutschland. Aus den vom Finanzamt herangezogenen Tatsachen könne kein inländischer Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt abgeleitet werden.
5 Mittels Beschwerdevorentscheidung gab das Finanzamt der Beschwerde - hinsichtlich nicht verfahrensrelevanter Fragen - teilweise Folge. Der daraufhin gestellte Vorlagenantrag bezog sich nur auf die Wiederaufnahmebescheide und nicht auf die Sachbescheide.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens stellte das Bundesfinanzgericht fest, der Revisionswerber habe in Österreich einen Wohnsitz, weil er über die Wohnung in G die Verfügungsgewalt habe, diese jederzeit für sein Wohnbedürfnis habe nutzen können und dies auch getan habe. Die Aufenthalte in den Streitjahren hätten jeweils länger als 6 Monate gedauert und seien in einer kontinuierlichen Beziehung zueinander gestanden. In Kenia sei der Revisionswerber lediglich einige Wochen in den Wintermonaten anwesend gewesen, weshalb in Österreich auch der gewöhnliche Aufenthalt liege.
8 Dagegen wendet sich die vorliegende Revision, die Aktenwidrigkeiten und eine fehlerhafte Beweiswürdigung moniert.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er diese Wohnung beibehalten und benutzen wird.
13 Eine Wohnung können Untermietzimmer sowie im Falle einer Dauermiete sogar Hotelzimmer sein (vgl. ; , 89/13/0015).
14 Innehaben bedeutet, über eine Wohnung tatsächlich oder rechtlich verfügen zu können, sie also jederzeit für den eigenen Wohnbedarf benutzen zu können (vgl. ; , 2002/15/0102).
15 Die Wohnung muss nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden (vgl. , mwN), und es bedarf auch keiner ununterbrochenen tatsächlichen Nutzung dieser (vgl. , mwN).
16 Die Revision bringt zunächst „aktenwidrige“ Sachverhaltsannahmen vor und rügt, dass die getroffenen Feststellungen dem Akteninhalt widersprächen, weil anderes im Verfahren aktenkundig geworden sei. Die Revision moniert mit ihren weiteren Ausführungen dazu allerdings im Ergebnis die Beweiswürdigung. Eine Aktenwidrigkeit liegt aber nur dann vor, wenn Akteninhalte in der Entscheidung unrichtig wiedergegeben wurden, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die - als Ergebnis der Beweiswürdigung - mit Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. etwa , mwN).
17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa , mwN).
18 Eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung, wonach der Revisionswerber über die Wohnung in G die Verfügungsgewalt gehabt habe und diese jederzeit für sein Wohnbedürfnis habe nutzen können, zeigt die Revision nicht auf. Das Bundesfinanzgericht hat in seine Erwägungen miteinbezogen, dass der Revisionswerber die Adresse in G gegenüber österreichischen Behörden als Wohnadresse bekanntgegeben, eine Haushaltsversicherung abgeschlossen und die angefallenen Strom- und Heizkosten beglichen habe. Weiters hätten aktenkundige Verträge und Abrechnungsbelege auf den Namen des Revisionswerbers gelautet; er sei zudem als Rundfunkteilnehmer an dieser Adresse gemeldet gewesen. Die Wohnung in G habe überdies als Ort der Postzustellung gedient. Dies sei nicht nur durch ein Auskunftsschreiben der Österreichischen Post AG belegt, sondern auch durch die Angabe dieses Umstandes in der Beschwerde als auch in einem Antrag nach § 48 BAO. Obwohl der Mietvertrag zur Wohnung in G auf die ehemalige Partnerin des Revisionswerbers gelautet habe, sei diese trotz mietvertraglicher Verpflichtung zur Nutzung für eigene Wohnzwecke an einer anderen Adresse wohnhaft gewesen. Der Revisionswerber habe im Ergebnis auch das Mietentgelt bezahlt, indem er die Kosten der ehemaligen Partnerin ersetzt habe. Das Vorbringen des Revisionswerbers zur Untervermietung wurde vom Bundesfinanzgericht vertretbar für unglaubwürdig erachtet, weil kein Untermietvertrag vorhanden gewesen sei und es auch keine nachvollziehbaren Zahlungsflüsse betreffend das Mietentgelt gegeben habe. Zudem widerspreche es der Lebenserfahrung, dass eine rund 125 m2 Wohnung zu einem Hauptmietzins von 872,07 € angemietet werde, um diese einem Dritten um lediglich 700 € „all inclusive“ zu überlassen. In den Streitjahren habe sich der Revisionswerber im Wesentlichen laut eigenen Aufzeichnungen nur in den Wintermonaten in Kenia aufgehalten. Die gelegentliche Nutzung der Wohnung in G stehe außer Streit und sei auch die Eignung zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses nicht in Frage gestanden. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass diese Beweiswürdigung mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wäre.
19 Wenn die Revision rügt, es wären keine Feststellungen getroffen worden, ob die Wohnung in G - eine 125 m2 Wohnung - überhaupt zum Wohnen geeignet gewesen sei, behauptet sie nicht einmal, dass dies nicht der Fall gewesen sei und ist ihr auch entgegenzuhalten, dass der Revisionswerber selbst angegeben hat, dass er die Wohnung bei seinen Aufenthalten in Österreich gelegentlich benutzt habe. Dass das Bundesfinanzgericht angesichts dessen auch dem Vorbringen nicht gefolgt ist, der Revisionswerber habe nie über einen Schlüssel verfügt, begegnet keinen Bedenken.
20 Soweit die Revision weiters die fehlende (positive) Würdigung von diversen im Verfahren vorliegenden Zeugenaussagen moniert, zeigt sie damit ebenso wenig eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung auf, zumal sich das Bundesfinanzgericht - wie oben aufgezeigt - nicht ausschließlich auf Zeugenaussagen stützte.
21 Mit der Rüge der fehlenden nochmaligen Zeugeneinvernahme der Hauseigentümerin zeigt die Revision keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels auf, weil sie nicht darlegt, inwieweit die Aufnahme dieses Beweises zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. etwa , mwN). Das Bundesfinanzgericht hat sich nicht nur auf die Aussage der Hauseigentümerin vor der Betriebsprüfung gestützt, sondern eine Vielzahl von Umständen in seine Beweiswürdigung miteinbezogen, ohne dieser einen Aussage ein besonderes Gewicht einzuräumen.
22 Hinsichtlich der nicht erfolgten Einvernahme des Sohnes des Revisionswerbers wird darauf verwiesen, dass eine solche nicht beantragt wurde. Das Bundesfinanzgericht hat die Benutzung der Wohnung durch den Sohn in den Revisionsjahren als unglaubwürdig erachtet, weil diese Behauptung erstmalig im Zuge des Erörterungstermins am Bundesfinanzgericht vorgebracht worden sei, sich aus dem Zentralen Melderegister kein Wohnsitz ergeben habe und auch sonst im Akt keinerlei diesbezügliche Hinweise zu finden gewesen seien. Eine grob fehlerhafte Beurteilung der Frage der Wohnungsnutzung ist somit nicht erkennbar.
23 Das Bundesfinanzgericht ist daher vertretbar davon ausgegangen, dass der Revisionswerber im Revisionszeitraum einen Wohnsitz in Österreich hatte und damit eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich begründet wurde, weshalb sich das Eingehen auf die Alternativbegründung zum gewöhnlichen Aufenthalt erübrigt.
24 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | BAO §26 Abs1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023150053.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-46346