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VwGH 27.09.2023, Ra 2022/15/0037

VwGH 27.09.2023, Ra 2022/15/0037

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
KFG 1967 §82 Abs8
RS 1
§ 82 Abs. 8 KFG 1967 enthält eine widerlegliche Rechtsvermutung, die der Person, die das Kraftfahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat oder in diesem verwendet, die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2019/16/0012 E RS 1
Norm
KFG 1967 §82 Abs8
RS 2
Die Widerlegung der Standortvermutung und damit der Gegenbeweis nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 ist (jedenfalls) als erbracht anzusehen, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird (vgl. ; , Ra 2018/16/0171; , 2008/15/0276). Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Kraftfahrzeug überwiegend betrieblich oder privat genutzt wird (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2019/16/0012 E RS 3
Normen
BAO §115 Abs1
KFG 1967 §82 Abs8
RS 3
Für die Widerlegung der Standortvermutung nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 bedarf es entsprechender Feststellungen über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des Kraftfahrzeugs.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2019/16/0012 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des K H in A, vertreten durch die Dr. Obermoser Wirtschaftstreuhand GmbH in 6370 Kitzbühel, St. Johannerstrasse 49a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100745/2021, betreffend Normverbrauchsabgabe für April 2014, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - seit an einer österreichischen Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet und hat seine engsten persönlichen Beziehungen in Österreich. Er ist Geschäftsführer der H KG mit Sitz in Deutschland, welche seit Zulassungsbesitzerin des revisionsgegenständlichen Fahrzeuges Audi Q5 mit deutschem amtlichen Kennzeichen ist, das sie dem Revisionswerber zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung stellte. Das Fahrzeug hatte einen Listenpreis von 72.275,01 € (darin enthalten 11.539,71 € an deutscher Umsatzsteuer) und wurde am erstmals zum Verkehr zugelassen. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor, hat einen Kraftstoffverbrauch von 6,4 Litern und einen CO2-Ausstoß von 169 Gramm. Der Revisionswerber verbrachte es am erstmals nach Österreich. Er hat es - jeweils nach zwischenzeitlicher Verbringung nach Deutschland - am , am , am und am nach Österreich verbracht und seit diesem Zeitpunkt im In- und Ausland verwendet.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt worden ist, setzte das BFG im Instanzenzug - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - gegenüber dem Revisionswerber Normverbrauchsabgabe (NoVA) für den Zeitraum April 2014 fest. Begründend führte es aus, aus dem Vorbringen des Revisionswerbers und der bei den Vorlageakten befindlichen „Aufstellung Fahrten“ ließen sich keine Feststellungen über den regelmäßigen Ort und die Art und Weise der Verwendung des Fahrzeuges ableiten. Zunächst würden in der „Aufstellung Fahrten“ jeweils mehrere Tage zusammengefasst und angeblich in diesen Zeitspannen gefahrene Kilometer im In- und Ausland als Summe ausgewiesen. Die tatsächlich zurückgelegten Strecken seien nicht ausgewiesen, Anfangs- und Endpunkte der einzelnen Fahrten nicht genannt. Es sei nicht erkennbar, ob die dargestellten Fahrten beruflichen bzw. privaten Zwecken gedient haben. Die Angabe der Zwecke „Sommerferien“ (28.6.-) bzw. „Ferienhaus Z“ (9.9.-) lege eine private Veranlassung nahe. Die Nennung des Zwecks „Airp. MUC“ bei 19 von 23 Zeitblöcken bzw. Fahrten lasse Fahrtstrecke und tatsächlichen Zweck der Fahrtbewegungen völlig offen. Die in der „Aufstellung Fahrten“ ausgewiesenen Prozentangaben („Inland 30,12 % - Ausland 69,88 %“ bzw. „Tage Ausl. 53,17 % - Tage Österr. 46,83 %“) seien nicht schlüssig nachvollziehbar.

3 Gemäß § 1 Z 3 NoVAG 1991 in der für den Kalendermonat April 2014 geltenden Fassung BGBl I 34/2010 unterliege der NoVA u.a. die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland. Als erstmalige Zulassung gelte auch die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre. Der Revisionswerber habe seinen Hauptwohnsitz im Inland; er sei angesichts der ihm eingeräumten uneingeschränkten Nutzungsberechtigung über das gegenständliche Fahrzeug als dessen Verwender (Halter im Sinn des EKHG) anzusehen (Hinweis auf ). Daran würde auch die behauptete, aber nicht weiter belegte Kostentragung der H KG nichts ändern. Der Revisionswerber habe das Fahrzeug am nach Österreich gebracht und seit dem Folgetag in Österreich verwendet. Damit gelte die gesetzliche Vermutung des § 82 Abs. 8 KFG, dass das gegenständliche Fahrzeug als eines mit dauerndem Standort im Inland anzusehen sei. Diese Standortvermutung könne durch einen Gegenbeweis widerlegt werden. Die Beweislast treffe den Revisionswerber. Die Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein Fahrzeug seinen dauernden Standort nicht im Bundesgebiet habe, setze Feststellungen über den regelmäßigen Ort und die Art und Weise der Verwendung des Fahrzeugs voraus, aus denen sich hinreichende Anhaltspunkte ergäben, ob das Fahrzeug bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung für Zwecke der Vollziehung des KFG einem bestimmten Ort außerhalb des Bundesgebietes zugeordnet werden müsse oder nicht (Hinweis auf ). Angesichts des bestehenden Auslandsbezuges träfen den Revisionswerber erhöhte Beweisvorsorge- und Mitwirkungspflichten. Er habe kein Vorbringen dazu erstattet, an welchem konkreten Ort außerhalb des österreichischen Bundesgebietes der dauernde Standort des Fahrzeuges gelegen sein sollte, und habe auch keine überwiegende Verwendung des Fahrzeuges außerhalb von Österreich nachgewiesen. Der Gegenbeweis zur Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG sei nicht erbracht worden. Damit komme die vom Revisionswerber begehrte Anwendung des § 79 KFG nicht in Betracht. Der Tatbestand des § 1 Z 3 NoVAG 1991 sei dem Grunde nach verwirklicht. Mit der Verwendung des Fahrzeuges in Österreich ab dem sei die Steuerschuld gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG 1991 für den Kalendermonat April 2014 entstanden. Da der Revisionswerber der Verwender des Fahrzeuges sei, sei er gemäß § 4 Z 3 NoVAG 1991 auch Abgabenschuldner. Er habe entgegen § 11 Abs. 1 NoVAG 1991 keine Normverbrauchsabgabe selbst berechnet und entrichtet, sodass deren Festsetzung in Anwendung des § 201 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 3 BAO habe erfolgen können.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit und in der Sache vorbringt, das Erkenntnis des BFG weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die Widerlegung der Standortvermutung und damit der Gegenbeweis nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 als erbracht anzusehen sei, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet werde. Dabei mache es keinen Unterschied, ob das Kraftfahrzeug überwiegend betrieblich oder privat benutzt werde. Auch der Umstand, dass der Revisionswerber regelmäßig an seinen österreichischen Wohnsitz zurückkehre, das Kraftfahrzeug dort parke oder garagiere und dort über dessen Verwendung entscheide, vermöge an einer erfolgreichen Widerlegung der Standortvermutung auf Grund einer überwiegenden Verwendung im Ausland nichts zu ändern (Hinweis auf ).

5 Zu den dargelegten Fahrten sei auszuführen, dass der Revisionswerber in der Aufstellung, wie das BFG auch festgestellt habe, den Zweck „Airp. MUC“ bei 19 von 23 Zeitblöcken bzw. Fahrten angeführt habe. Der Revisionswerber verwende das Fahrzeug für die Fahrten vom österreichischen Hauptwohnsitz zum Flughafen in München (Abkürzung MUC). Die einfache Strecke zum Flughafen nach München betrage ca. 177 km, der österreichische Anteil bis zur Grenze ca. 46 km bzw. 26 % des Streckenanteiles. Der Revisionswerber verbringe die Wochenenden am österreichischen Hauptwohnsitz und die Arbeitswoche in Deutschland, während des Aufenthaltes am Betriebsstandort der H KG verweile das Auto am Parkplatz Flughafen München. Aus diesem Grunde seien die Zeiten in Zeitblöcken (ganze Woche zB 10.4. - ) zusammengefasst worden. Warum eine schlüssige Nachvollziehbarkeit bzw. der tatsächliche Zweck der Fahrt bei der Angabe „Airp. MUC“ nicht gegeben sein solle bzw. warum sich der Anfangs- und Endpunkt nicht ergeben sollten, sei nicht ergründlich. Es könne nicht nachvollzogen werden, welche weitere Angabe als „Airp. MUC“ für Abflug- und Ankunftsflughafen München die Nachvollziehbarkeit erhöht hätte.

6 Das Finanzamt erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens keine Revisionsbeantwortung.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und begründet.

9 Gemäß § 1 Z 3 des Normverbrauchsabgabegesetzes (NoVAG 1991), BGBl. 695/1991 in der im Revisionsfall noch anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 34/2010, unterliegt der Normverbrauchsabgabe die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach § 1 Z 1 oder Z 2 leg. cit. eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a leg. cit. erfolgt ist. Als erstmalige Zulassung gilt ua. auch die Verwendung eines Fahrzeugs im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.

11 Bei Verwendung eines Fahrzeugs im Inland, das nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, entsteht die Steuerschuld gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG 1991, BGBl. 695/1991 idF BGBl. I Nr. 34/2010, mit dem Zeitpunkt der Einbringung in das Inland.

12 Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 (KfzStG 1992) unterliegen der Kraftfahrzeugsteuer Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung).

13 Bei widerrechtlicher Verwendung eines Kraftfahrzeugs gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 KfzStG 1992 dauert die Steuerpflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 leg. cit. vom Beginn des Kalendermonats, in dem die Verwendung einsetzt, bis zum Ablauf des Kalendermonats, in dem die Verwendung endet.

14 Gemäß § 79 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden und wenn die Vorschriften der §§ 62, 82 und 86 leg. cit. eingehalten werden.

15 Gemäß 82 Abs. 8 KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967 idF BGBl. I Nr. 26/2014, sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 leg. cit. ist nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.

16 § 82 Abs. 8 KFG 1967 enthält eine widerlegliche Rechtsvermutung, die der Person, die das Kraftfahrzeug in das Bundesgebiet eingebracht hat oder in diesem verwendet, die Möglichkeit einräumt, den Gegenbeweis zu erbringen, dass das Fahrzeug seinen dauernden Standort tatsächlich nicht im Inland hat (vgl. ; vgl. Haller, NoVAG2 § 1 Rz 127 ff).

17 Die Widerlegung der Standortvermutung und damit der Gegenbeweis nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 ist dabei nach der ständigen Rechtsprechung (jedenfalls) als erbracht anzusehen, wenn das Fahrzeug weitaus überwiegend nicht in Österreich verwendet wird, wobei es keinen Unterschied macht, ob das Kraftfahrzeug überwiegend betrieblich oder privat genutzt wird (vgl. , mwN).

18 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , 2008/15/0276, ausgeführt hat, bedarf es für die Widerlegung der Standortvermutung nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 entsprechender Feststellungen über den regelmäßigen Ort sowie die Art und Weise der Verwendung des Kraftfahrzeugs.

19 Diese Feststellungen hat das BFG - wie die Revision zu Recht aufzeigt - unterlassen, indem es sich mit der vom Revisionswerber vorgelegten „Aufstellung Fahrten“ nicht näher (etwa unter Vorhalt von Unklarheiten und Zweifeln gegenüber dem Revisionswerber und näherer Erörterung der vorgelegten Liste in der mündlichen Verhandlung) auseinander gesetzt hat und ohne für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbare Beweiswürdigung von einem gänzlich fehlenden Beweiswert der Aufstellung ausgegangen ist. Auf die vom BFG vermutete private Veranlassung einzelner Fahrten kommt es im gegebenen Zusammenhang nicht an.

20 Das angefochtene Erkenntnis war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §115 Abs1
KFG 1967 §82 Abs8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022150037.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-46074