VwGH 18.06.2021, Ra 2021/02/0057
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Eine auf Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG gestützte Berechtigung zur Revisionserhebung setzt die Möglichkeit der Rechtsverletzung voraus. Eine Verletzung seiner Rechte kann nur der behaupten, dessen Rechtsstellung eine verschiedene ist, je nachdem, ob die betreffende Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl. ; ). |
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RS 2 | Gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 25 VStG gelten im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit. Es kann daher die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hiezu auch für das Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten herangezogen werden. Betreffend die Ermittlung des Sachverhaltes bedeutet dies, dass die Verwaltungsgerichte verpflichtet sind, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Der Auftrag zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet die Verwaltungsgerichte, alles in ihrer Macht stehende zu unternehmen, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 E 3 zu § 25 VStG). In diesem Sinne sind alle sich bietenden Erkenntnisquellen sorgfältig auszuschöpfen und insbesondere diejenigen Beweise zu erheben, die sich nach den Umständen des jeweiligen Falles anbieten oder als sachdienlich erweisen können (aaO E 14). Die Sachverhaltsermittlungen sind ohne Einschränkungen eigenständig vorzunehmen (aaO E 16). Auch eine den Beschuldigten allenfalls treffende Mitwirkungspflicht enthebt das Verwaltungsgericht nicht ihrer aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit erfließenden Pflicht, zunächst selbst - soweit das möglich ist - für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen (aaO E 170). Die Mitwirkungspflicht der Partei hat insbesondere dort Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/21/0137). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/17/0121 E VwSlg 18994 A/2014 RS 14 |
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RS 3 | Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle einer auf § 37 Abs. 1 FM-GwG 2017 gestützten Veröffentlichung hat das VwG in seinem Erkenntnis zu begründen, ob die Verlautbarung zum Kreis der nach der genannten Vorschrift zu veröffentlichenden Daten zählt und insbesondere, weshalb die Veröffentlichung verhältnismäßig ist (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/02/0007 E RS 4 |
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RS 4 | Eine Veröffentlichung nach § 37 Abs. 1 FM-GwG 2017 soll nur dann erfolgen, wenn diese im Einzelfall unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - wie etwa dem Schutz der Allgemeinheit (etwa für Bankkunden) und der Finanzmarktstabilität - und der Interessen der betroffenen Partei insbesondere deren Reputation und Privatsphäre (Art. 8 Abs. 1 MRK) und auf Geheimhaltung personenbezogener Daten - geboten ist (vgl. ). Bei einer solchen Interessenabwägung handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung. |
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RS 5 | Eine Beeinträchtigung des Rufes desjenigen, dessen Namen veröffentlicht wird, wird bei einer Bekanntmachung iSd. § 37 Abs. 1 FM-GwG 2017 systemimmanent in Mitleidenschaft gezogen, sodass dieser Umstand alleine, ohne Hinzutreten weiterer Umstände, nicht geeignet ist, einen unverhältnismäßigen Nachteil zu begründen. |
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RS 6 | Aufgrund des engen Konnexes zu dem zugrunde liegenden Strafverfahren ist das Verfahren gemäß § 37 FM-GwG 2017, in dessen Rahmen nur die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung und nicht auch die Rechtmäßigkeit des im Vorfeld erlassenen Straferkenntnisses zu prüfen ist, als Entscheidung "in Verwaltungsstrafsachen" iSd. § 50 VwGVG 2014 zu qualifizieren (vgl. ; ), sodass die Beurteilung der Verhandlungspflicht anhand der Bestimmung des § 44 VwGVG 2014 zu erfolgen hat. |
Normen | VwGVG 2014 §44 Abs3 Z1 VwRallg |
RS 7 | Nach § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG 2014 kann das VwG von einer Verhandlung absehen, wenn in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat, wobei die normierten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der H AG in B, vertreten durch Dr. Bettina Hörtner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W276 2205163-1/21E, betreffend Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung gemäß § 37 FM-GwG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Mit Straferkenntnis vom legte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) der revisionswerbenden Partei als juristischer Person die Verletzung näher bezeichneter Sorgfaltspflichten nach dem Bankwesengesetz (BWG) bzw. dem Finanzmarkt-Geldwäschegesetz (FM-GwG) zur Last und verhängte über sie eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt € 414.000,--.
2 1.2. Dagegen erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit.
3 1.3. Am veröffentlichte die FMA auf ihrer Homepage folgende Bekanntmachung (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„(...) Österreichs Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA teilt mit, dass gegen die H. AG wegen mangelhafter Überprüfung der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers von Hochrisikokunden, wegen systematischen Einsatzes von Dritten, welche eine gleichwerte Erfüllung eigener Pflichten bezweifeln lassen, und wegen Nichterstattung einer Verdachtsmeldung, eine einheitliche bemessene Geldstrafe in der Höhe von EUR 414.000,- verhängt wurde. Das Straferkenntnis ist nicht rechtskräftig.“
4 2.1. In der Folge beantragte die revisionswerbende Partei gemäß § 37 Abs. 4 FM-GwG die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Veröffentlichung. Aus diesem Grund gab die FMA am auf ihrer Homepage bekannt, dass sie ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung eingeleitet habe.
5 2.2. Mit Bescheid vom stellte die FMA fest, dass die Veröffentlichung rechtmäßig sei.
6 2.3. Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde.
7 2.4. Die zunächst vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss erfolgte Aussetzung dieses Beschwerdeverfahrens „gemäß § 38 AVG iVm § 17 und § 34 Abs. 2 VwGVG“ wurde vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund der von der FMA erhobenen außerordentlichen Revision mit Erkenntnis vom , Ra 2019/02/0017, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Straferkenntnisses der FMA vom sei im ausgesetzten Beschwerdefahren nicht präjudiziell, weil das Verwaltungsgericht in diesem Verfahren nur die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung der FMA vom zu überprüfen habe.
8 2.5. Das Erkenntnis des BVwG vom , mit dem der Beschwerde der revisionswerbenden Partei stattgegeben und festgestellt wurde, dass die Veröffentlichung vom samt ihren Aktualisierungen auf der Homepage der FMA rechtswidrig sei, sowie ausgesprochen wurde, dass die Veröffentlichung vom und ihre Aktualisierungen aus dem gesamten Internetauftritt der FMA zu entfernen seien, wurde vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Revision der FMA mit Erkenntnis vom , Ra 2019/02/0179, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Das Verfahren gemäß § 37 FM-GwG sei als Entscheidung „in Verwaltungsstrafsachen“ im Sinne des § 50 VwGVG zu qualifizieren. Das BVwG sei jedoch seiner gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG zukommenden Verpflichtung, in der Sache selbst zu entscheiden, mangels Durchführung einer selbstständigen Verhältnismäßigkeitsprüfung der Veröffentlichung nicht gerecht geworden.
9 2.6. Im fortgesetzten Verfahren wies das BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom die Beschwerde der revisionswerbenden Partei ab und stellte fest, dass die Veröffentlichung vom samt ihren Aktualisierungen auf der Homepage der FMA rechtskonform gewesen sei (Spruchpunkt A) I.). Weiters sprach das BVwG aus, dass im Fall einer neuerlichen Veröffentlichung durch die FMA ein den aktuellen Verfahrensstand in dem der Veröffentlichung zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren wiedergebender Zusatz aufzunehmen sei (Spruchpunkt A) II.) und erklärte mit Spruchpunkt B) die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
10 Begründend führte das BVwG nach Wiedergabe der maßgebenden rechtlichen Bestimmungen und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Veröffentlichung nach § 37 Abs. 1 FM-GwG aus, dass die der revisionswerbenden Partei im Straferkenntnis der FMA vom zur Last gelegten Pflichtverletzungen zum Kreis der nach § 37 Abs. 1 FM-GwG zu veröffentlichenden Daten zählen würden. Eine ernstliche Gefährdung der Stabilität der Finanzmärkte sei im Zeitpunkt der Veröffentlichung am nicht zu erwarten gewesen, weil die von der revisionswerbenden Partei durchgeführten Tätigkeiten, Dienstleistungen und Geschäfte substituierbar seien und erforderlichenfalls auch von anderen Kreditinstituten durchgeführt werden könnten. „Reaktionen am Markt“ und die Einforderung von Erklärungen und Rechtfertigungen durch Korrespondenzbanken lägen in der Natur der Sache einer solchen Veröffentlichung. Damit sei aber für sich betrachtet keine ernstliche Gefährdung der Stabilität der Finanzmärkte verbunden, die einer Veröffentlichung schon von vornherein entgegenstünden. Spekulative Äußerungen zur Gefahrenlage und rein theoretische Ausführungen zu negativen Konsequenzen eines Ausschlusses vom USD-Zahlungsverkehr würden an dieser Wertung nichts zu ändern vermögen. Zum Schadensbegriff des § 37 Abs. 1 FM-GwG führte das BVwG aus, dass dieser weit zu verstehen sei und auch immaterielle Schäden wie ein Reputations- oder Vertrauensverlust am Markt zu berücksichtigen seien. Es müssten jedoch konkrete Anhaltspunkte vorliegen, aufgrund derer von einem unverhältnismäßig hohen Schaden für das von der Veröffentlichung betroffene Kreditinstitut auszugehen seien. Die revisionswerbende Partei habe es unterlassen, den ihr drohenden Schaden zu beziffern. In Bezug auf die weitgehend spekulativ gebliebenen Befürchtungen eines drohenden Ausschlusses vom USD-Zahlungsverkehr bzw. eines Verlustes der Börsenmitgliedschaft habe die revisionswerbende Partei nicht dargelegt, worauf sie ihre Sorge konkret stütze. Auch der beschriebene Eintrag in eine näher genannte Datenbank, der zwar gewisse Nachteile in der Wahrnehmung der revisionswerbenden Partei in der Branchenöffentlichkeit verdeutliche, führe nicht zur ausreichend konkreten Annahme eines mit der hier erfolgten Veröffentlichung verbundenen unverhältnismäßig hohen Schadens für diese. Zudem sei der Öffentlichkeit aufgrund der detaillierten und andauernden Berichterstattung, die bis in das Jahr 2016 zurückreiche, sowie der öffentlichen Diskussion bereits vor der Veröffentlichung am bekannt gewesen, dass die FMA Ermittlungen gegen die revisionswerbende Partei eingeleitet habe, die medial erhobenen Vorwürfe Gegenstand eines Untersuchungsausschusses gewesen seien und der damalige Vorstandsvorsitzende bereits vor der Veröffentlichung seinen Rücktritt aufgrund der veröffentlichten Informationen im Zusammenhang mit den „Panama-Papers“ erklärt habe, weshalb nicht davon auszugehen gewesen sei, dass der revisionswerbenden Partei durch die Veröffentlichung ein unverhältnismäßig hoher Schaden gedroht habe und keine Zweifel daran bestünden, dass die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse am Ergebnis des gegen die revisionswerbende Partei geführten aufsichtsrechtlichen Verfahrens gehabt habe. Das Interesse der Öffentlichkeit an einem transparenten und an den europäischen und innerstaatlichen Vorgaben orientierten Kapitalmarkt überwiege allfällige mit der Veröffentlichung verbundene Schäden der revisionswerbenden Partei.
11 Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung führte das BVwG zusammengefasst aus, dass im gesamten Beschwerdeverfahren weder von der anwaltlich vertretenen revisionswerbenden Partei noch der belangten Behörde ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder Beweisanträge gestellt worden seien, die der Annahme eines konkludenten Verzichts entgegenstünden. Dem Entfall der Verhandlung stehe auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen, weil der Sachverhalt bereits durch Vorlage der Beweismittel habe geklärt werden können und keine Rechtsfragen aufgeworfen worden seien, die eine mündliche Erörterung notwendig gemacht hätten. Der Sachverhalt beruhe vielmehr auf Umständen, die zwischen den Parteien außer Streit stünden und in unbedenklicher Weise durch Beweismittel im Verwaltungsakt belegt seien.
12 3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
13 3.2. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte den Zuspruch von Aufwandersatz.
14 Die Revision erweist sich als unzulässig:
15 4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 4.2.1. Die Revision wendet sich zunächst gegen Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses und bringt hierzu vor, das BVwG habe den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten, weil es nicht nur über die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung entschieden, sondern darüberhinausgehend ausgesprochen habe, dass im Fall einer neuerlichen Veröffentlichung der aktuelle Verfahrensstand in dem der Veröffentlichung zugrunde liegenden Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen sei, wodurch es zudem der belangten Behörde „eine Hilfestellung zur Vermeidung künftiger fehlerhafter Veröffentlichungen“ gegeben und dadurch in das Gleichgewicht zwischen den Parteien der Veröffentlichung eingegriffen habe.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat (in seiner auf die aktuelle Rechtslage übertragbaren Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle) bereits ausgesprochen, dass eine auf Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG gestützte Berechtigung zur Revisionserhebung die Möglichkeit der Rechtsverletzung voraussetzt. Eine Verletzung seiner Rechte kann nur der behaupten, dessen Rechtsstellung eine verschiedene ist, je nachdem, ob die betreffende Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl. ; ; jeweils mwN).
20 Mit der bloßen Wiederholung der bereits in § 37 Abs. 5 FM-GwG normierten Verpflichtung, die sich nur an die FMA richtet, wird die Rechtsstellung der revisionswerbenden Partei jedoch nicht berührt, sodass diese durch Spruchpunkt A) II. der angefochtenen Entscheidung unabhängig von der Frage der Gesetzmäßigkeit nicht in ihren Rechten verletzt sein kann.
21 4.2.2. Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter Verweis auf die Beweislast des BVwG darüber hinaus ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines unzureichenden Ermittlungsverfahrens sowie unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen im Hinblick auf die bei einer Veröffentlichung im Sinne des § 37 Abs. 1 FM-GwG zu berücksichtigenden Interessen geltend. Das BVwG wäre verpflichtet gewesen, das „Nicht-Vorliegen eines unverhältnismäßigen Schadens“ zu ermitteln und festzustellen.
22 Dazu ist zunächst auszuführen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 38 VwGVG i.V.m. § 25 VStG im Verwaltungsstrafverfahren vor den Verwaltungsgerichten der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit gelten. Betreffend die Ermittlung des Sachverhaltes bedeutet dies, dass die Verwaltungsgerichte verpflichtet sind, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zugrunde zu legen. Der Auftrag zur Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichtet die Verwaltungsgerichte, alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen (vgl. , mwN). In diesem Sinne sind alle sich bietenden Erkenntnisquellen sorgfältig auszuschöpfen und insbesondere diejenigen Beweise zu erheben, die sich nach den Umständen des jeweiligen Falles anbieten oder als sachdienlich erweisen können; die Sachverhaltsermittlungen sind ohne Einschränkungen eigenständig vorzunehmen. Auch eine den Beschuldigten allenfalls treffende Mitwirkungspflicht enthebt das Verwaltungsgericht nicht ihrer aus dem Grundsatz der Amtswegigkeit erfließenden Pflicht, zunächst selbst - soweit das möglich ist - für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen.
23 Die Mitwirkungspflicht der Partei hat jedoch insbesondere dort Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann (vgl. z.B. ).
24 Anders als die revisionswerbende Partei vorbringt, hat sich das BVwG mit dem Vorliegen eines unverhältnismäßig hohen Schadens - auch unter Einbeziehung der Behauptungen der revisionswerbenden Partei in der Beschwerde - für die revisionswerbende Partei auseinandergesetzt (vgl. S 20 des angefochtenen Erkenntnisses).
25 Mit dem pauschalen Verweis auf fehlende Sachverhaltsermittlungen sowie auf den fehlenden Zusammenhang zwischen den angelasteten Pflichtverletzungen und den internationalen Ermittlungen bezüglich der „Panama Papers“ vermag die Revision, die offenkundig selbst davon ausgeht, dass die „Vorortprüfung“ der revisionswerbenden Partei, die der Erlassung des Straferkenntnisses vom vorausging, aus den Ermittlungen rund um die „Panama Papers“ resultierte, nicht darzulegen, weshalb das vom BVwG angenommene (überwiegende) Interesse der Öffentlichkeit an einem transparenten und an den europäischen und innerstaatlichen Vorgaben orientierten Kapitalmarkt fallgegenständlich zu verneinen gewesen wäre.
26 Werden Verfahrensmängel - wie Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. , mwN).
27 Diesen Anforderungen wird die Revision jedoch nicht gerecht, zumal sie verabsäumt, fallbezogen darzulegen, welche Ermittlungsschritte vom BVwG konkret zu setzen und welche Feststellungen infolgedessen zu treffen gewesen wären, die das BVwG im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung zur Annahme eines mit der Veröffentlichung einhergehenden, unverhältnismäßig hohen Schadens für die revisionswerbende Partei oder einer damit verbundenen Gefährdung der Finanzmarktstabilität berechtigt hätte.
28 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher in diesem Zusammenhang nicht.
29 4.2.3. Die Revision bringt in diesem Zusammenhang weiters vor, das BVwG wäre bei Einhaltung seiner amtswegigen Ermittlungspflicht zu dem Ergebnis gelangt, dass es keine andauernde Medienberichterstattung seit April 2016 bis März 2018 gegeben habe, die ein überwiegendes öffentliches Interesse hätte begründen können, sondern erst durch die Veröffentlichung das Interesse der Öffentlichkeit neuerlich geweckt worden sei.
30 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass sich das BVwG bei seiner Entscheidung nicht bloß auf die Dauer der medialen Berichterstattung stützte, sondern zudem darauf verwies, dass bereits die Einleitung von Ermittlungen durch die FMA gegen die revisionswerbende Partei infolge der Veröffentlichung der „Panama Papers“ von großem öffentlichen Interesse gewesen sei, woraus es schloss, dass die Öffentlichkeit auch ein erhebliches Interesse am Ergebnis des gegen die revisionswerbende Partei geführten aufsichtsrechtlichen Verfahrens der FMA gehabt habe.
31 Insofern gelingt es der Revision mit ihrem Vorbringen weder darzulegen, dass kein öffentliches Interesse an der gegenständlichen Veröffentlichung bestanden hätte, noch aufzuzeigen, weshalb diesem - selbst bei einer zwischenzeitlichen Abnahme der Berichterstattung - nicht das vom BVwG beigemessene Gewicht zugekommen wäre.
32 Soweit die Revision im Zusammenhang mit der Dauer der Medienberichterstattung auch eine Aktenwidrigkeit rügt, weil die vom BVwG herangezogenen Medienberichte großteils aus dem Jahr 2016 und von März 2017 stammen würden, sodass nicht von einer andauernden, bis zur Veröffentlichung am reichenden Berichterstattung gesprochen werden könne, ist auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach eine Aktenwidrigkeit dann anzunehmen ist, wenn die Entscheidung in ihrer Begründung von Sachverhalten ausgeht, die sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergeben, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. , mwN).
33 Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen ist dies jedoch gerade nicht ersichtlich, sodass sich auch in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt.
34 4.2.4. In Bezug auf die vom BVwG im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung vorgenommene Interessenabwägung beanstandet die Revision, es habe keine tatsächliche Abwägung der maßgeblichen Interessen stattgefunden, die Abwägung beziehe sich ausschließlich auf die Verhältnismäßigkeit des Schadens gegenüber der Pflichtverletzung; auf die Reputation und Privatsphäre der revisionswerbenden Partei sei nicht ausreichend Bedacht genommen worden.
35 Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle einer auf § 37 Abs. 1 FM-GwG gestützten Veröffentlichung hat die FMA in ihrem Bescheid und das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis zu begründen, ob die Verlautbarung zum Kreis der nach der genannten Vorschrift zu veröffentlichenden Daten zählt und insbesondere weshalb die Veröffentlichung verhältnismäßig ist.
36 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll eine Veröffentlichung nach § 37 Abs. 1 FM-GwG nur dann erfolgen, wenn diese im Einzelfall unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - wie etwa dem Schutz der Allgemeinheit (etwa für Bankkunden) und der Finanzmarktstabilität - und der Interessen der betroffenen Partei insbesondere deren Reputation und Privatsphäre (Art. 8 Abs. 1 EMRK) und auf Geheimhaltung personenbezogener Daten - geboten ist (vgl. zum Ganzen , mwN).
37 Bei einer solchen Interessenabwägung handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, die grundsätzlich nicht revisibel ist, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (vgl. zum Prüfungsmaßstab einzelfallbezogener Beurteilungen etwa , ; jeweils mwN). Ob eine einzelfallbezogene Interessenabwägung, welche zu einem zumindest vertretbaren Ergebnis gelangt ist, in jeder Hinsicht zutrifft, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. , mwN).
38 Entsprechend der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes setzte sich das BVwG im Rahmen seiner Interessenabwägung mit der Frage einer durch die Veröffentlichung bedingten Gefahr für die Stabilität der Finanzmärkte auseinander, berücksichtigte bei seiner Entscheidung unter Verweis auf die massiven Pflichtverletzungen der revisionswerbenden Partei sowohl das Interesse der Öffentlichkeit an einem transparenten und an den europäischen und innerstaatlichen Vorgaben orientierten Kapitalmarkt als auch die einer Veröffentlichung entgegenstehenden Interessen der revisionswerbenden Partei, wobei es ausdrücklich auch immaterielle Schäden wie einen Reputations- und Vertrauensverlust am Markt in seine Überlegungen miteinbezog, und begründete nach einer Auseinandersetzung mit den der revisionswerbenden Partei drohenden nachteiligen Folgen einer solchen Veröffentlichung, weshalb nicht von einem ihr drohenden unverhältnismäßigen Schaden sowie vom Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Veröffentlichung der der revisionswerbenden Partei zur Last gelegten Pflichtverletzungen auszugehen gewesen sei.
39 Entgegen den Ausführungen der revisionswerbenden Partei stellte das BVwG dem ihr drohenden Schaden somit nicht bloß das Ausmaß ihrer Pflichtverletzungen gegenüber. Auch mit der bloßen Behauptung der unzureichenden Bedachtnahme auf relevante Grundrechte der revisionswerbenden Partei wie etwa Art. 8 EMRK, ohne jene Umstände konkret zu nennen, die Eingang in die Interessenabwägung hätten finden müssen, sowie dem kursorischen Verweis auf ihre - ohnehin vom BVwG berücksichtigte - Reputation, vermag die Revision keine revisible Fehleinschätzung aufzuzeigen.
40 Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass eine Beeinträchtigung des Rufes desjenigen, dessen Namen veröffentlicht wird, bei einer Bekanntmachung systemimmanent in Mitleidenschaft gezogen wird, sodass dieser Umstand alleine, ohne Hinzutreten weiterer Umstände, nicht geeignet ist, einen unverhältnismäßigen Nachteil zu begründen (vgl. zur Interessenabwägung von Veröffentlichungen von Maßnahmen und Sanktionen nach dem WAG, R. Wolfbauer in Brandl/Saria, WAG², § 100 Rn. 45).
41 4.2.5. Zuletzt rügt die revisionswerbende Partei die Verletzung der Verhandlungspflicht durch das BVwG.
42 Aufgrund des engen Konnexes zu dem zugrunde liegenden Strafverfahren ist das Verfahren gemäß § 37 FM-GwG, in dessen Rahmen nur die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung und nicht auch die Rechtmäßigkeit des im Vorfeld erlassenen Straferkenntnisses zu prüfen ist, als Entscheidung „in Verwaltungsstrafsachen“ im Sinne des § 50 VwGVG zu qualifizieren (vgl. ; ), sodass die Beurteilung der Verhandlungspflicht anhand der Bestimmung des § 44 VwGVG zu erfolgen hat.
43 Gemäß § 44 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in Verwaltungsstrafsachen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In den Abs. 2 bis 5 leg. cit. finden sich zulässige Ausnahmen von der Verhandlungspflicht. Ein Absehen von der Verhandlung ist vom Verwaltungsgericht nach dieser Bestimmung zu beurteilen und zu begründen (vgl. , mwN).
44 Die revisionswerbende Partei macht zwar zu Recht geltend, dass sich das BVwG hierbei nicht auf den Tatbestand des § 44 Abs. 4 VwGVG, der eine Beschlussfassung durch das Verwaltungsgericht voraussetzt, hätte stützen dürfen, weil es die Beschwerde der revisionswerbenden Partei mit Erkenntnis abgewiesen hat, übersieht hierbei jedoch, dass das BVwG nach § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen durfte.
45 Nach § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG kann das Verwaltungsgericht nämlich von einer Verhandlung absehen, wenn in der Beschwerde nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat, wobei die normierten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen (vgl. hierzu , mwN).
46 Dass die FMA einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hätte, wird nicht behauptet und ist ein solcher auch nicht ersichtlich. Auch der Beschwerde (oder einem anderen Schriftsatz) der im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertretenen Partei können weder ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung noch Beweisanträge, die der Annahme eines schlüssigen Verzichts entgegenstünden, entnommen werden (vgl. hierzu , und erneut ; jeweils mwN). Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision, die sich im Hinblick auf die Behauptung des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 VwGVG auf den bloßen Verweis auf in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler beschränkt, nicht darzulegen, dass das BVwG nicht nach § 44 Abs. 3 Z 1 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung hätte absehen dürfen.
47 5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
48 6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | AVG §58 Abs2 AVG §60 B-VG Art133 Abs4 B-VG Art133 Abs6 Z1 FM-GwG 2017 §37 FM-GwG 2017 §37 Abs1 MRK Art8 Abs1 VStG §24 VStG §25 Abs1 VStG §25 Abs2 VwGG §28 Abs3 VwGG §34 Abs1 VwGVG 2014 §38 VwGVG 2014 §44 VwGVG 2014 §44 Abs3 Z1 VwGVG 2014 §50 VwRallg |
Schlagworte | Begründung von Ermessensentscheidungen Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020057.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-45418