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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.02.2025, RV/7101153/2024

Zuzahlung für Reha Aufenthalt sowie Medikamente als agB

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , dieses vertreten durch ***AV***, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 (ergangen zu Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit der am im elektronischen Wege eingelangten Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2022 beantragte der Beschwerdeführer (Bf) neben der steuerlichen Berücksichtigung von Sonderausgaben die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen wegen Behinderung und Krankheit (Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988, Pauschbetrag nach § 2 Abs. 1 der Verordnung über agB lt Erklärung, BGBl Nr. 303/1996 idF BGBl II 430/2010, Aufwendungen für Reha- und Medikamente).

Im Einkommensteuerbescheid 2022 (ANV) berücksichtigte das Finanzamt den Freibetrag wegen eigener Behinderung gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 (€ 401), Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastung wegen eigener Behinderung (€ 840) sowie einen Teil der geltend gemachten Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 691, 05. Den beantragten Rehakosten (€ 685,76) blieb indessen die Anerkennung versagt; dies mit der Begründung, dass diese Aufwendungen niedriger seien als der anzusetzende Selbstbehalt von € 3.547,63.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde vom führte der Bf aus, dass er die beantragten Kurkosten unter einer falschen Kennzahl eingetragen habe. Die Kurkosten sollten ohne Ansatz eines Selbstbehaltes steuerlich zur Geltung kommen.

Der Beschwerde beigelegt wurden folgende Unterlagen:

a) Schreiben der PVA, Rehazentrum ***1***, betreffend Einladung zur Absolvierung eines seitens der PVA bewilligten Heilverfahrens in der Zeit vom bis ;

b) Aufenthaltsbestätigung derselben Anstalt;

c) Aufstellung betreffend absolvierte Fahrten zwischen Wohnort und Rehazentrum (Hin- und Rückfahrten), durchgeführt von der Gattin des Bf (Waltraud ***Z***) mit dem auf sie zugelassenen PKW mit dem amtliches Kennzeichen **X2***;

d) Vorschreibung der PVA vom betreffend Zuzahlungsbetrag gemäß § 302 Abs. 4 ASVG für den bewilligten Aufenthalt in ***1*** in Höhe von € 485,76.

Mit Vorhalt vom trug die Behörde nachstehende sachverhaltsrelevante Fragen an den Bf heran:

"1.) Grad der Behinderung

Aus den vom Sozialministeriumservice übermittelten Daten geht hervor, dass der Grad der Behinderung nicht mehr 50 %, sondern nur mehr 20 % beträgt. Auch die Voraussetzungenfür den Pauschbetrag für die Diät wegen Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids (§ 2 Abs 1 erster Teilstrich der Verordnung zu §§ 34 und 35 EStG) sind laut Aktenlage nicht mehr erfüllt. Im Sinne des Parteiengehörs werden Sie um Stellungnahme hierzu ersucht.

2.) Kurkosten

Erläutern Sie bitte, woraus der aktuelle Grad der Behinderung (siehe Punkt 1.) resultiert, legen Sie ggf das entsprechende Gutachten der Feststellung des Grades der Behinderung vor und erläutern Sie bitte, inwiefern die Fahrtkosten Ihrer Gattin zwangsläufig anfielen und bei Ihnen Ausgaben verursachten."

In seiner Vorhaltsbeantwortung vom führte der BVE aus, dass der Grad seiner Behinderung (GdB) 50 % betrage. Zum Nachweis seines Vorbringens übermittelte der Bf das Erkenntnis des BVwG vom ***222**.2019, GZ ***234***, in welchem seiner Beschwerde betreffend Einstufung seiner Behinderung stattgegeben und der Grad der Behinderung mit 50 v.H. festgestellt wurde.

Weiters brachte der Bf eine E-Mail des Sozialministeriumservice vom zur Vorlage, aus welcher hervorgeht, dass er (Bf) im Besitz eines Behindertenpasses (GdB 50 %) sei, in dem auch der Eintrag "D1" (Anm: Vorliegen von Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids) vermerkt sei.

Der Bf führte ferner aus, dass ihn seine Gattin Waltraud mit ihrem Pkw zur Kur nach ***1*** gefahren habe, zumal er selbst kein Auto besitze.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab das Finanzamt der Beschwerde im Ergebnis teilweise Folge und anerkannte die begehrten Kur- bzw. Rehakosten (Zuzahlung € 485,76 abzüglich Haushaltsersparnis von € 115,06 (€ 5,23 pro Kalendertag). Sohin brachte die Behörde einen Betrag von € 370,70 an nachgewiesenen Kosten aus der Behinderung in Ansatz.

Die begehrten Fahrtkosten wurden nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt; dies mit der Begründung, dass es sich bei dem für die Beförderung verwendeten Fahrzeug um jenes der Gattin gehandelt habe.

Mit Datum beantragte der Bf im elektronischen Wege die Vorlage seines Rechtsmittels an das Verwaltungsgericht, wobei er seine Eingabe wie folgt begründete:

"Im Bescheid vom scheinen auch die Medikamentenaufwendungen in Höhe von Euro 691,5 auf. Im Bescheid vom sind diese nicht mehr drinn. Diese Kosten sind mit den anerkannten Kurkosten in Höhe von Euro 370,70 dann insgesamt Euro 1.061,75. Und dieser Betrag gehört anerkannt. Weiters steht in ihrer Steuerbroschüre, dass Fahrtkosten zum und vom Kurort absetzbar sind. Wie begründen Sie diese Ablehnung. Meine Frau war ja nicht auf Kur sondern ich. Und der Transport hängt ja direkt mit dem Kuraufenthalt zusammen. Also sollten diese Euro 210 auch berücksichtigt werden."

Mit Vorhalt vom ersuchte die Behörde den Bf um Vorlage einer detaillierten Aufstellung über die Medikamentenkosten sowie um Vorlage der bezughabenden Rechnungen bzw. einer allenfalls dazu bestehenden ärztlichen Verordnung. Weiters wurde dem Bf aufgetragen eine detaillierte Aufstellung über die Kurkosten vorzulegen.

In seiner Vorhaltsbeantwortung vom führte der Bf wörtlich aus:

"Aufgrund Ihres Schreibens vom , erlaube ich mir folgende Unterlagen und Nachweise nachzureichen.

Die Schilddrüsenerkrankung liegt jetzt schon über 30 Jahre vor, scheint zwar nicht in der BVwG Aufstellung auf, aber hier lege ich die entsprechenden Befunde vor. Da geht auch hervor welches Medikament verwendet werden soll. Ebenso scheint das Carpaltunnelsyndrom nicht auf dieser Aufstellung auf. Hier wurde mir aber 2023 eine Schiene verordnet.

Kurkosten mache ich geltend (Beilage 5), auch mit dem Fahrtenbuch. In unserem Haushalt besitzen wir nur ein KFZ. Daher hat mich meine Frau nach ***1*** gebracht und dann auch wieder abgeholt. Im Rahmen des Familienverbundes ist das sicher geltend zu machen. Eine Alternative mit öffentlichen Verkehrsmittel habe ich nicht gefunden. Vor allem auch weil das Gepäck und die Fußwege sich nicht mit meiner Polyneuropathie vertragen.

Kosten € 370,92 + Fahrtkosten € 210,- bzw € 235,- also gesamt € 625,92

Medikamentenkosten € 458,40, sämtliche Medikamente wurden durch meinen Hausarzt verschrieben. Als Beilage auch eine Aufstellung welche Medikamente ich pro Rechnung erhalten habe und deren Verwendung.

Aufgrund meiner Diabeteserkrankung ist eine regelmäßige Blutdruckkontrolle notwendig. Um hier nicht jedesmal den Hausarzt aufsuchen zu müssen, hat mir dieser die Anschaffung eines derartigen Gerätes empfohlen, € 85,10.

Zur Eigenbehandlung zu Hause habe ich im Jahre 2021 ein Hi Top Gerät zur Behandlung der Polyneuropathie angeschafft (habe ich auch im Rahmen des Lohnsteuerausgleiches geltend gemacht, und wurde Ihrerseits auch anerkannt), für dieses Gerät habe ich wieder eine Kontakflüssigkeit benötigt (zur besseren Leitfähigheit zwischen Pad und Fußflächen),

Insgesamt mache ich diese Summen ohne Abzug irgendeines Selbstbehaltes geltend:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Beilage 8
€ 26,80
Beilage 7
€ 85,10
Beilage 6a
€ 458,40
Beilage 5
€ 625,92
Gesamtsumme
€ 1.196,22

(..)"

Der Bf übermittelte nachstehende Beilagen (Bezeichnungen laut Bf):

1. Entscheid des BVwG (dieser liegt aber auch schon beim FA auf) über die 50%ige Invalidität und die Krankheiten

2. Landesklinikum **Kli1** aus 2022 wegen Nachweis Polyneuropathie und Carpaltunnelsyndrom

3.
A. Radiologie
***Kli2** über aktuelle Schilddrüsenuntersuchung, 2022
B. Landesklinikum
**Kli3*** über Schilddrüsenuntersuchung, 2010
C. Uniklink
**Kli4*** über Befund Schilddrüse, 2018

4. Dr. **Arzt1***, Untersuchung Carpaltunnelsyndrom

5. Kurkostennachweis

6. Jahresaufstellung
A. die vom Hausarzt verschriebenen Medikamente.
B.
Medikamentenaufstellung und deren Verwendungszweck

7. Rechnung über Blutdruckmessgerät

8. Rechnung über Kontakflüssigkeit

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vor.

Im seinem Vorlagebericht führte das Finanzamt zum Punkt "Stellungnahme" aus:

"1.) Es wird beantragt die Kosten für die Kur als Kosten ohne Selbstbehalt in Höhe von 370,70 Euro, sowie die Fahrtkosten 122km*2 (hin und retour) *0,42 Euro anzuerkennen.

2.) Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen: 1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). 2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). 3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Es wird beantragt die Kosten für die Medikamente Metformin, Pregablin und Phys. Kochs., Thioctacid, sowie die Kosten für den Elektroden-Kontaktspray als Kosten im Zusammenhang mit der Behinderung zu gewähren. Alle weiteren Kosten sind ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen (Euthyrox, Candesartan, Norvasc, Tamsulosin, Amplodin, Blutdruckmessgerät)."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Außer Streit steht das Ausmaß des Grades der Behinderung (GdB) beim Bf. Der GdB wurde durch das Erkenntnis des BVwG vom ***222**.2019, ergangen zur Gz ***235***, mit 50% festgestellt. Für den festgestellten Gesamtgrad lagen laut Feststellungsteil des besagten Erkenntnisses folgende Funktionseinschränkungen des Bf zugrunde:

  • Posttraumatische und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

  • Diabetische Polyneuropathie

  • Diabetes mellitus Typ 2

  • Chronische Lungenerkrankung

  • Amblyopie links (Augenerkrankung)

  • Facialisparese rechts (Lähmung des Gesichtsnervs)

  • Hörminderung links

  • Tinnitus links

  • Zustand nach Schlüsselbeinbruch, operativ saniert

  • Beinverkürzung links

Der Bf absolvierte in der Zeit vom bis am Rehabilitationszentrum ***1*** (Anstalt der PVA mit Schwerpunkt Diabetes melitus) einen Rehabilitationsaufenthalt, dessen Kosten von der PVA übernommen wurden.

Die von Seiten der Kostenträgerin geforderte Zuzahlung gemäß § 302 Abs. 4 ASVG betrug € 485,76. Der Bf wurde von seiner Gattin mit deren PKW vom Wohnort der Eheleute (*Ort1*) nach ***1*** und nach Beendigung der Reha von dort wieder abgeholt und nach Hause gefahren. In einer Tabelle (als "Fahrtenbuch" bezeichnet) bestätigte die Ehefrau des Bf unter Angabe der jeweiligen Kilometerstände, dass sie am sowie am für die Hin- und Retourfahrten je 250 km zurückgelegt habe.

Der Bf machte für Fahrten, die aus Anlass des Transportes zur Reha und zurück entstanden sind, einen Betrag von insgesamt € 210 bzw. € 235 (Erhöhung des Kilometergeldes um 0,05€ wegen Mitfahrer) geltend.

Die Behörde ermittelte anhand eines Routenplaners (google maps) die kürzeste Wegstrecke zwischen Wohnort *Ort1* und ***1*** mit 122 km.

Aus der dem Finanzamt vorgelegten Medikamentenbestätigung der ÖGK **X** für 2022, ausgedruckt durch den behandelnden Arzt Dr. ***Arzt1***, gehen die dem Bf im Streitjahr ärztlich verordneten Medikamente hervor.

In einer gesonderten Tabelle ordnete der Bf die bezogenen Medikamente (für den Bf fielen hierfür Kosten bzw. Rezeptgebühren von insgesamt € 458,95 an) seinen Krankheitsbildern wie folgt zu:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Medikament:
Erkrankung:
Eeutyrox
Schilddrüse
Pregablin
Polyneuropathie
Candesartan
Blutdruck
Atorvastatin
Cholesterin
Norvasc
Blutdruck
Tamsulosin
Prostata
Metformin
Diabetes
Clavamox
Physik Kochsalz
Polyneurop.
Thioctacid
Polyneurop.
Amplodin
Prostata

2. Beweiswürdigung

Das Gericht legte seiner Entscheidung das Vorbringen der Verfahrensparteien sowie die aktenkundigen Urkunden zugrunde. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt. Das Gericht sah aufgrund der gegebenen Sachlage keinen Grund eine solche von Amts wegen anzuberaumen.

3. Rechtliche Beurteilung

A.Allgemeines:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2)

  • Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3)

  • Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4)

Die Belastung darf weder Betriebsausgabe, Werbungskosten noch Sonderausgabe sein.

Außergewöhnlich ist nach § 34 Abs. 2 EStG 1988 die Belastung dann, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Zwangsläufig erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 3 EStG dann, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 iVm Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

(..)
von mehr als 14.400 Euro bis 36.400 Euro 10%;
(…)

Gemäß § 34 Abs. 6 EStG können u.a.

  • Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen, ohne Ansatz eines Selbstbehaltes geltend gemacht werden.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind (§ 34 Abs. 6 letzter Satz EStG)

Die auf Grundlage der §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl Nr. 303/1996 idF des BGBl II Nr. 430/2010, ordnet an:

"§ 1 (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

  • durch eigene körperliche oder geistige Behinderung,

  • (…)

so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 2 (1) als Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten bei

- Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids ……….70 Euro
(…)
pro Kalendermonat zu berücksichtigen. Bei Zusammentreffen mehrerer Krankheiten ist der höhere Pauschbetrag zu berücksichtigen.

(2) Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 25 % sind der angeführten Beträge ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Selbstbehaltes gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 zu berücksichtigen.

§ 3 (…)

§ 4 Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind dem nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen."

Kur- und Rehakosten sowie Kosten für Medikamente, die im Zusammenhang mit der Behinderung stehen, sind als Kosten der Heilbehandlung zu qualifizieren. Im Falle einer festgestellten Behinderung, also einer solchen, die auch bei der Ermittlung des GdB berücksichtigt worden ist, können die Kosten einer Heilbehandlung im Zusammenhang mit dieser Behinderung zusätzlich zum Pauschalbetrag und ohne Ansatz eines Selbstbehaltes berücksichtigt werden.

Wesentlich bei Beurteilung der Frage, ob ein Aufwand im Zusammenhang mit einer Krankheit als agB ohne Selbstbehalt oder unter Anrechnung eines solchen absetzbar ist, bleibt der Umstand, ob die Krankheit bzw. die daraus folgende Heilbehandlung mit der festgestellten Behinderung in unmittelbarem Zusammenhang steht. Nur bei Vorliegen eines derartigen Konnexes zählen die Kosten einer Heilbehandlung zu den steuerlich begünstigten Kosten der Behinderung, die als agB ohne Selbstbehalt in Abzug gebracht werden können.

B. Kosten im Zusammenhang mit dem Rehabilitationsaufenthalt

Unstrittig ist, dass der Reha Aufenthalt des Bf im direkten Zusammenhang mit seiner Behinderung (Diabetes mellitus) steht und aus medizinischen Gründen geboten war. Die PVA übernahm als Kostenträgerin auch die diesbezüglich anerlaufenen Kosten.

Außer Streit steht auch, dass die gesetzlich geregelte Zuzahlung (abhängig von der Höhe des Einkommens des Reha-Patienten) durch den Rehabilitationsaufenthalt veranlasst war. Die diesbezüglichen Aufwendungen stellen unter Anrechnung der sogenannten "Haushaltsersparnis" (unstrittig) eine agB dar (€ 370,92).

Wenn die Gattin den Bf mit ihrem PKW bei Antritt der Reha zum Rehazentrum bringt, dann wieder nach Hause fährt und am Tag der Beendigung der Reha wiederum das Rehazentrum aufsucht um ihren Gatten abzuholen und nach Hause zu bringen, so stehen die daraus erwachsenen Aufwendung ebenso im Zusammenhang mit dem Reha-Aufenthalt und sind steuerlich als agB zu subsumieren. Dass dem Bf die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels in Ansehung des mitgenommenen Gepäcks für den dreiwöchigen Aufenthalt schon aufgrund seiner diabetischen Polyneuropathie unzumutbar war, ist für das Gericht durchaus nachvollziehbar.

Der Bf gibt als Entfernung für eine einfache Fahrt zwischen Wohnort und ***1*** (Ort des Rehazentrums) 125 km an; diese Distanz deckt sich in Wesentlichen mit jener, welche die Behörde im Zuge der Abfrage eines Routenplaners (google maps: 122 km) festgestellt hat.

Die vom Bf diesbezüglich geltend gemachten Fahrtkosten werden zuerkannt und ermitteln sich wie folgt:

125 km x 2 (Hin- und Rückfahrt) am sowie 125 km x 2 (Hin- und Rückfahrt) am : 500 km a 0,42 €: 210 €.

In Summe ergibt dies einen aus der absolvierten Reha resultierenden Betrag an agB von € 580,92, welcher ohne Ansatz eines Selbstbehaltes steuerlich anzuerkennen ist.

C. Kosten für Medikamente und sonstigen medizinischen Bedarf

Wie bereits ausgeführt, ist für die Frage, ob Medikamente, Heilmittel, medizinische Bedarfsmittel etc., als agB ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes Anerkennung finden oder unter Anrechnung eines solchen, letztlich entscheidungswesentlich, ob diese Aufwendungen mit einer festgestellten Behinderung im Zusammenhang stehen, die auch bei der Ermittlung des GdB (Gesamtgrad) Eingang gefunden hat bzw. berücksichtigt wurde.

Was die dem Bf verordneten Medikamente anbelangt, so stehen nur jene Arzneimittel, die der Behandlung von Diabetes melitus bzw. diab. Polyneuropathie dienen, in unmittelbarem Zusammenhang mit der festgestellten Behinderung, nicht aber jene, die der Behandlung einer Erkrankung von Schilddrüse, Prostata bzw. der Regulierung des Blutdrucks und der Cholesterinwerte dienen. Diese sind lediglich unter Ansatz eines Selbstbehaltes anzuerkennen.

Ausgehend von der aktenkundigen Aufstellung stehen nachstehende Aufwendungen an Medikamenten iZm dem diagnostizierten Diabetes bzw. der diab. Polyneuropathie:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Medikament
Kaufdatum
Kosten insg.
(Rezeptg., etc) in €
Metformin (Diab)
4.3., 20.4., 24.6., 24.6., 29.8., 26.9., 4.11.
37,50
Thioctacid (Polyn)
19.4.
6,65
Pregabalin (Polyn)
23.2.
6,65
Physik. Kochsalz (Polyn)
19.4.
6,65
Summe
57,45

Die restlichen in der Auflistung angeführten Medikamente dienen der Behandlung von Erkrankungen der Schilddrüse und Prostata bzw. stellen blutdruck- und cholesterinsenkende Arzneimittel dar. Einen unmittelbaren Zusammenhang mit der festgestellten Behinderung bzw. der zugrundeliegenden Erkrankung (Diabetes m. und diab. Polyneuropathie) vermag das Gericht diesbezüglich nicht zu erkennen. Gleiches gilt für die Anschaffung des Blutdruckmessgerätes. Ein zu hoher Blutdruck bzw. zu hohe Cholesterinwerte müssen ihre Ursache nicht im Diabetes melitus bzw. der diab. Polyneuropathie haben, sondern können aufgrund verschiedenartiger Umstände (Übergewicht, mangelnde Bewegung etc.) entstehen. Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen den der Behinderung zugrundeliegenden Erkrankungen und einem allfällig erhöhten Blutdruck bzw. den (offenbar) überhöhten Cholesterinwerten ist für das Gericht nicht zu ersehen und wurde dieser vom Bf auch nicht dargelegt.

Daher stellen jene Aufwendungen für Medikamente, die nicht direkt der Behandlung des Diabetes bzw. der diab. Polyneuropathie dienen, agB dar, die unter Ansatz eines Selbstbehaltes anzuerkennen sind. In Ansehung der Höhe des Selbstbehaltes werden diese nicht steuerwirksam. Gleiches gilt für die Anschaffung eines Blutdruckmessgerätes. Anzumerken bleibt, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Blutdruckmessgerät sich wohl in den meisten Haushalten findet, weshalb die Außergewöhnlichkeit dieser Anschaffung bereits aus diesem Grunde fraglich ist.

Sehr wohl im Zusammenhang mit der festgestellten diabetischen Polyneuropathie steht die Anschaffung des Elektroden-Kontaktsprays (€ 26,80)

Zusammenfassend ergeben sich nachstehend angeführte als agB ohne Selbstbehalt anzuerkennende Beträge (in Euro):


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Zuzahlung Reha
370,92
Fahrtkosten
210,00
Medikamente
57,45
Kontaktspray
26,80
Summe
665,17

Aus dem Erkenntnis ergibt sich somit folgende Steuerbemessungsgrundlage bzw. nachstehender Betrag an Einkommensteuer (Beträge in Euro):


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Gesamtbetrag der Einkünfte laut FA
32.355,42
Sonderausgaben lt FA
-294,00
AgB:
FB nach § 35 (3) EStG lt FA
-401,00
Pauschbetrag lt V über agB lt FA
-840,00
Nachgewiesene Kosten aus eig. Beh. lt BFG
-665,17
Einkommen § 2 (2) EStG
30.155,25
Tarifsteuer § 33 (1) EStG
5.350,46
VAB lt FA
-400,00
Steuer nach AbsetzB
4.950,46
Steuer sonst. Bezüge
283,62
Einkommensteuer
5.234,07
Anrechenb. Lohnsteuer
-5.856,78
Festges. Einkommensteuer (ger.)
-623,00

Begründung nach § 25a Abs. 1 VwGG

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die genannten Voraussetzungen treffen im vorliegenden Fall allesamt nicht zu.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7101153.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
AAAAF-44935