Vertreterhaftung für Glücksspielabgabe - Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/5100689/2023-RS1 | Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung, die (bloß) auf „Krankheit“ lautet, für sich genommen nicht geeignet, das Vorliegen eines triftigen Grundes für das Nichterscheinen an einer mündlichen Verhandlung darzutun (vgl. etwa ), zumal auch keine Bettruhe verordnet wurde (). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Johann Fischerlehner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Oliver Anton Lindermaier, Roman-Felleis-Gasse 10, 1210 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Vertreterhaftung gemäß §§ 9, 80 BAO zu Steuernummer: StNr für Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin (FN xxx) in Höhe von 557.330,44 Euro zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Beschluss des Landesgerichtes XY vom tt.10.2018, Az. AZ wurde der Konkurs über die PS (Primärschuldnerin) eröffnet. Im Verteilungsentwurf des Masseverwalters wurde eine Quote von 1,9% vorgelegt. Der Stand am Massekonto betrug laut Bericht des Masserverwalters vom 26.391,15 Euro.
Mit Beschluss des Landesgerichtes XY vom tt.07.2020 AZ s wurde der Konkurs über die Primärschuldnerin nach Schlussverteilung aufgehoben. Demzufolge wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.
Die beschwerdeführende Partei war laut Firmenbuch von bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin.
Verfahren vor dem Finanzamt:
Bereits mit erging ein Ersuchen um Ergänzung an die beschwerdeführende Partei betreffend Geltendmachung der Vertreterhaftung für die Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnern. Neben den ausständigen Glücksspielabgaben 09/2015 bis 12/2016 sowie 06/2018 wurden die Aussetzungszinsen 2018 sowie die Säumniszuschläge für 2016 und 2017 als aushaftende Abgaben der beschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht. Weiters wurde darum gebeten, die Gründe für die Nichtentrichtung der Abgaben, die allfällige Verwendung vorhandener Mittel und die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen.
Die Beantwortung langte am bei der Behörde ein.
Bezugnehmend auf die Glückspielabgabe 06/2018 wurde die vollständige Entrichtung mit Verweis auf eine Zahlung iHv 1.500 Euro am behauptet.
Betreffend Säumniszuschläge für 2016 und 2017, Fälligkeit brachte die steuerliche Vertretung vor, dass die beschwerdeführende Partei nicht mehr Geschäftsführer der Primärschuldnerin ist. Mit sei der Masseverwalter zuständig gewesen. Daher reduziere sich die Haftungssumme von 562.716,53 auf 555.858,32. Die durch das Finanzamt berechneten Abgaben würden die monatlichen Einnahmen bei weitem übersteigen und so für zB 2016 einen Verlust iHv 228.086,74 ergeben. Vorgelegt wurde die Zusammenfassung der Erlöskonten der Primärschuldnerin, auf deren Basis 16% der Erlöse als Glückspielabgabe für Pokerspiele monatlich entrichtet wurden. Im Zeitraum bis seien diese Abgaben laufend zeitnah bezahlt worden. Bei der Prüfung durch das Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glückspiel wurden die Einsätze geschätzt und dann als Bemessungsgrundlage für die Glückspielabgabe herangezogen. Aus diesen Gründen wurde eine Reduktion der Haftungssumme von 555.858,32 auf 1.953,56 beantragt.
Die beschwerdeführende Partei habe in der Zeit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Primärschuldnerin keine Benachteiligung der Finanz gegenüber anderen Gläubigern getätigt. Im Gegenteil, er habe immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.
Mit erging der Haftungsbescheid betreffend Glückspielabgabe an die beschwerdeführende Partei als Haftungspflichtiger gem § 9 iVm §§ 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin iHv 557.330,44 Euro.
Begründung des Bescheides:
"Gemäß § 80 Abs. 1 BAO sind die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen verpflichtet, alle abgabenrechtlichen Pflichten ihrer vertretenen Gesellschaften zu erfüllen, einschließlich der Abgabenentrichtung. Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften sie für diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung, der den Vertretern auferlegten Pflichten, nicht eingebracht werden können. Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme sind das Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung beim Vertretenen, eine Pflichtverletzung des Vertreters der juristischen Person, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Unbestritten ist, dass ***Bf1*** als Geschäftsführer der PS von bis selbständig die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Im Rahmen des Haftungsverfahrens obliegt es dem Geschäftsführer, die Gründe für die nicht rechtzeitige Entrichtung der Abgaben darzulegen und entsprechende Nachweise vorzulegen. Dies ist jedoch weder im Festsetzungsverfahren der Glücksspielabgabe betreffend der Primärschuldnerin ( GZ. RV/5100603/2018) noch im gegenständlichen Haftungsverfahren geschehen.
Im zitierten BFG-Erkenntnis wurden die Ergebnisse der Prüfung und die Festsetzung der Glücksspielabgaben der Höhe nach nicht bekämpft.
Auch können dem Schreiben der steuerlichen Vertretung vom keine Gründe entnommen werden, welche dem Geschäftsführer ***Bf1*** die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten verunmöglicht hätten.
Die Ausführungen im Schreiben vom zur Höhe der bezahlten Abgaben sind unbeachtlich, da das Bundesfinanzgericht bereits festgestellt hat, dass die Bemessungsgrundlagen der PS in den Glücksspielabgabenanmeldungen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Da jedenfalls verabsäumt wurde, für eine gleichmäßige Befriedigung aller Verbindlichkeiten Sorge zu tragen, wurden die Pflichten gegenüber der Abgabenbehörde verletzt. Die Abgabenfestsetzungen für die Glücksspielabgaben der Zeiträume 09/2015 bis 12/2015 sowie 01/2016 bis 12/2016 erfolgten gegenüber der PS jeweils mit Glücksspielabgabenbescheide (Festsetzung gemäß § 201 BAO) vom , StNr.: StNr- StNr. Für 06/2018 erfolgte seitens der PS eine Selbstberechnung. Die Glücksspielabgaben für die in diesen Glücksspielabgabenbescheiden ausgewiesenen Zeiträume sowie der Selbstberechnung für 06/2018 sind bei der PS uneinbringlich, da das Konkursverfahren nach Schlussverteilung aufgehoben wurde (14 S AZ des Landesgerichts XY).
Die PS wurde wegen Vermögenslosigkeit gelöscht (§ 40 FBG). Die Abgaben wurden nicht entrichtet, und die Insolvenzquote wurde bei der Haftung berücksichtigt. Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO erfolgte unter Berücksichtigung der Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Die Haftung ist idR ermessenkonform, da die Abgaben beim Primärschuldner uneinbringlich sind."
Gegen diesen Bescheid brachte die beschwerdeführende Partei mit Anbringen vom rechtzeitig eine Bescheidbeschwerde ein. Zur Begründung führte die steuerliche Vertretung im Wesentlichen aus:
Das Verschulden an der Pflichtverletzung ist aus mehreren Gründen nicht gegeben:
1) Der damalige steuerliche Vertreter hätte bereits bei der Bilanzerstellung für das Jahr 2016 - spätestens jedoch im Jahr 2017 nach Erhalt der entsprechenden Bescheide - eine Rückstellung bilden und den Konkursantrag stellen müssen, da die Ertragssteuern die Einnahmen überstiegen und die GmbH diese nicht begleichen konnte. Stattdessen war er zuversichtlich, dass das Verfahren gewonnen wird, weshalb er eine Rückstellung für nicht erforderlich hielt.
2) Die Entrichtung aller offenen Rückstände zum Zeitpunkt der Geschäftsführertätigkeit von der beschwerdeführenden Partei wurden allesamt fristgerecht entrichtet.
3) Zum Zeitpunkt der Ablehnung der Berufung gegen die Glückspielbescheide war der Masseverwalter für die dann später in Konkurs gegangene Gesellschaft zuständig.
4) Infolge der Zuständigkeit des Masseverwalters sowie des Konkurses der GmbH war der beschwerdeführenden Partei eine Berichtigung nicht möglich.
5) Wie im Bericht des Masseverwalters vom auf Seite 4 Punkt 4) Conclusio ersichtlich, wurde vom Masseverwalter ein unabhängiger Steuerberater mit der Prüfung der Unterlagen beauftragt. Diese Überprüfung ergab, dass durch die beschwerdeführende Partei keine Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen bzw steuerliche Implikationen getätigt wurden.
6) Die im Absatz 4 angegebene schuldhafte Pflichtverletzung liege nicht vor. Der Abgabenausfall resultiere aus einer höheren Abgabenschuld als den Einnahmen und einer Glücksspielabgabenüberprüfung. Die Ablehnung der Berufung gegen die Glücksspielbescheide ging an den Masseverwalter, nicht an den Klienten, da dieser zum Zeitpunkt der Ablehnung nicht mehr Geschäftsführer war und keine Handlungen mehr setzen konnte. Daher hätte es keine schuldhaften Handlungen seinerseits gegeben.
7) In Absatz 2 Seite 3 wird ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei gegenüber der Abgabenbehörde verletzt habe. Wie bereits mehrfach erläutert, hätte die beschwerdeführende Partei als Geschäftsführer alle Verbindlichkeiten beglichen; danach sei die Zuständigkeit beim Masseverwalter gelegen.
8) Zu Absatz 5, Seite 3: Die Ermessensentscheidung ist nach Zweckmäßigkeit und Billigkeit unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu treffen, einschließlich der fehlenden schuldhaften Pflichtverletzung, des Konkurses der Gesellschaft und der Zuständigkeit des Masseverwalters, der eine Bekämpfung des Grundlagenbescheides verhinderte. Zudem hat der damalige steuerliche Vertreter den Insolvenztatbestand in den Jahresabschlüssen 2016 und 2017 schuldhaft nicht berücksichtigt.
In der Beschwerde wurde der Antrag gestellt den Haftungsbescheid für die Glückspielabgabe für den Zeitraum 09/2015 bis inklusive 12/2016 sowie die Aussetzungszinsen ersatzlos aufzuheben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , adressiert an die steuerliche Vertretung wurde die Bescheidbeschwerde vom als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde dies mit der Auffassung des Finanzamtes, dass die steuerliche Vertretung selbst als Einschreiter gegen den an die beschwerdeführende Partei erlassenen Haftungsbescheid vom auftritt.
Mit Anbringen vom wurde rechtzeitig der Vorlageantrag eingebracht. Mit Vorlagebericht vom wurde die Bescheidbeschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt (RV/5100793/2022).
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/15/0038, vertrat die belangte Behörde die geänderte Rechtsansicht, dass die Beschwerde vom noch unerledigt ist, da sich die Beschwerdevorentscheidung vom an den Einschreiter (steuerlichen Vertreter) richtet und nicht an die beschwerdeführende Partei.
Aus diesem Grund wurde mit eine Beschwerdevorentscheidung, adressiert an die beschwerdeführende Partei erlassen. Darin wurde ausgeführt:
Zu 1) in der Beschwerde, die beschwerdeführende Partei habe auf den ehemaligen Steuerberater vertraut, entgegnet die belangte Behörde mit Verweis auf die Rsp des VwGH, dass sich die steuerliche Vertretung bzw die beschwerdeführende Partei nicht entsprechende Auskünfte beim Finanzamt geholt hätten.
Zu 2) entgegnet die belangte Behörde mit Verweis auf die Rsp des VwGH, dass der maßgebliche Zeitraum aufgrund der Fälligkeitstage der Glücksspielabgabe verfahrensgegenständlich zwischen dem und dem lagen und sohin den Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit der beschwerdeführenden Partei, bis umfasst.
Zu 3) entgegnet die belangte Behörde mit Verweis auf die Rsp des VwGH, dass alleinig mit der Vorlage des Berichtes vom Masseverwalter vom nicht anhand schlüssiger Gründe dargelegt wurde warum die rechtzeitige Abgabenentrichtung der Glückspielabgaben zu den Fälligkeitstagen durch die beschwerdeführende Partei als Geschäftsführer nicht möglich war.
Gegen die Beschwerdevorentscheidung vom wurde mit der Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht gestellt.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Ladung zur mündlichen Verhandlung am wurde der belangten Behörde am elektronisch und dem steuerlichen Vertreter der beschwerdeführenden Partei am postalisch nachweislich zugestellt.
In der Ladung wurde das bisherige Verfahrensgeschehen zusammengefasst dargestellt und ausgeführt, dass am eine Zahlung in Höhe von 1.500 Euro, jedoch ohne Verrechnungsweisung gemäß § 214 Abs. 4 BAO erfolgte, sodass gemäß § 214 Abs. 1 BAO die Verrechnung auf die älteste verbuchten Abgabenschuldigkeiten erfolgte. Die Glücksspielabgabe 06/2018 iHv 1.472,12 Euro wurde somit von der Primärschuldnerin nicht entrichtet.
Mit Anbringen vom , eingelangt bei Gericht mittels eFax am , 10:53 stellte der steuerliche Vertreter ein Vertagungsansuchen zur mündlichen Verhandlung mit Termin Donnerstag, 10:00-11:00 Uhr und begründete dieses wie folgt:
"Infolge plötzlicher Erkrankung meiner Person als Beschwerdevertreter kann ich diesen Termin leider nicht wahrnehmen und ersuche höflich um Vertagung der mündlichen Verhandlung. Zum Nachweis meiner Erkrankung darf ich Ihnen in der Beilage meine Krankmeldung entsprechend beilegen."
Dazu legte der steuerliche Vertreter folgende Arbeitsunfähigkeitsmeldung vor:
[...]
Das Gericht folgte dem Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung, die (bloß) auf "Krankheit" lautet, für sich genommen nicht geeignet ist, das Vorliegen eines triftigen Grundes für das Nichterscheinen an einer mündlichen Verhandlung darzutun (vgl. etwa ), zumal auch keine Bettruhe verordnet wurde ().
Das Bundesfinanzgericht durfte daher die Verhandlung (§ 274 BAO) am in Abwesenheit der beschwerdeführenden Partei und dessen steuerlichen Vertreters durchführen (vgl. ).
In der mündlichen Verhandlung erfolgte kein weiteres Vorbringen. Die Entscheidung wurde vom Richter verkündet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die beschwerdeführende Partei war laut Firmenbuch im Zeitraum bis Geschäftsführer der Primärschuldnerin. Mit Beschluss des Landesgerichtes XY vom , Az. AZ wurde der Konkurs über die Primärschuldnerin eröffnet. Mit Beschluss des Landesgerichtes XY vom tt.07.2020 AZ s wurde der Konkurs über die Primärschuldnerin nach Schlussverteilung einer Quote von 1,9% aufgehoben. In weiterer Folge wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.
Mit Haftungsbescheid vom wurde die beschwerdeführende Partei für folgende nach Abschluss des Konkursverfahrens aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin (FN xxx) als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9 iVm § 80 BAO in Anspruch genommen:
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Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeitstag | Betrag [Euro] |
Glückspielabgabe | 09/2015 | 2.426,11 | |
Glückspielabgabe | 10/2015 | 4.203,05 | |
Glückspielabgabe | 11/2015 | 4.709,54 | |
Glückspielabgabe | 12/2015 | 4.854,67 | |
Glückspielabgabe | 01/2016 | 15.523,36 | |
Glückspielabgabe | 02/2016 | 13.875,75 | |
Glückspielabgabe | 03/2016 | 14.834,67 | |
Glückspielabgabe | 04/2016 | 15.542,93 | |
Glückspielabgabe | 05/2016 | 43.377,22 | |
Glückspielabgabe | 06/2016 | 66.155,18 | |
Glückspielabgabe | 07/2016 | 57.504,49 | |
Glückspielabgabe | 08/2016 | 51.255,01 | |
Glückspielabgabe | 09/2016 | 45.509,91 | |
Glückspielabgabe | 10/2016 | 44.070,03 | |
Glückspielabgabe | 11/2016 | 79.873,16 | |
Glückspielabgabe | 12/2016 | 91.087,12 | |
Glückspielabgabe | 06/2018 | 1.472,12 | |
Aussetzungszinsen | 2018 | 1.056,12 | |
Summe | 557.330,44 |
Die Glücksspielabgaben der Zeiträume 09/2015 bis 12/2015 sowie 01/2016 bis 12/2016 wurden gegenüber der PS jeweils mit den dem Haftungsbescheid beigelegten Bescheiden (Festsetzung gemäß § 201 BAO) vom , StNr.: StNr festgesetzt. Für 06/2018 erfolgte seitens der PS eine Selbstberechnung. Mit dem dem Haftungsbescheid beigelegten Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom wurden die Aussetzungszinsen in Höhe von 1.076,12 Euro vorgeschrieben, im angefochtenen Haftungsbescheid wurden jedoch die Aussetzungszinsen lediglich mit 1.056,12 € angeführt. Die dem Haftungsbescheid beigelegten Abgabenbescheide wurden nicht gemäß § 248 BAO angefochten. Zu den Glückspielabgaben 01/2016-12/2016 erging an die Primärschuldnerin ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100603/2018, welches weder mit Revision an den Verwaltungsgerichtshof noch mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof angefochten wurde. Am erfolgte eine Zahlung in Höhe von 1.500 Euro, jedoch ohne Verrechnungsweisung gemäß § 214 Abs. 4 BAO, sodass gemäß § 214 Abs. 1 BAO die Verrechnung auf die älteste verbuchten Abgabenschuldigkeit erfolgte. Die Glückspielabgabe 06/2018 iHv 1.472,12 Euro wurde somit von der Primärschuldnerin nicht entrichtet. Die im Vorlageantrag erwähnten Säumniszuschläge 2 waren nicht Gegenstand des Haftungsverfahrens.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt elektronisch vorgelegten Aktenteilen sowie dem Firmenbuch. Beweisanträge wurden keine eingebracht.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
"(1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
(2) Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder haften wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, gemäß Abs. 1 nur dann, wenn diese Handlungen eine Verletzung ihrer Berufspflichten enthalten. Ob eine solche Verletzung der Berufspflichten vorliegt, ist auf Anzeige der Abgabenbehörde im Disziplinarverfahren zu entscheiden."
"(1)Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
(2)Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.
(3)Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder Flexiblen Kapitalgesellschaft nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war."
Die beschwerdeführende Partei war vom bis alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und war daher für diesen Zeitraum allein verantwortlich, die Abgabenschuldigkeiten aus den vorhandenen Mitteln der Primärschuldnerin zu entrichten.
Die Primärschuldnerin wurde am gem. § 40 FBG infolge von Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht wurde. Somit steht die Uneinbringlichkeit der bei der Primärschuldnerin unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten fest.
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (vgl zB ; , 2000/13/0220; , 99/14/0278; , 2004/13/0146; , 2013/16/0208). Bei Selbstbemessungsabgaben (hier Glücksspielabgabe) ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären; maßgebend ist daher der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird ().
Die Zahlungstermine (Fälligkeiten) der Abgabenforderungen fielen alle in die Zeit der Vertretertätigkeit der beschwerdeführenden Partei bis zur Eröffnung des Konkurses am tt.10.2018. Daher ist nicht entscheidend, dass zum Zeitpunkt der Abweisung der Beschwerde gegen die Glückspielbescheide mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100603/2018 der Masseverwalter für die Primärschuldnerin zuständig war.
Auch die Beauftragung eines Wirtschaftstreuhänders mit der Wahrnehmung der Abgabenangelegenheiten vermag die beschwerdeführende Partei nicht zu exkulpieren, wenn er seinen zumutbaren Informations- und Überwachungspflichten nicht nachkommt. Der Vertreter hat beauftragte Personen nämlich zumindest in solchen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben (zB ; , 2001/14/0099; vgl zur Betrauung eines Prokuristen, ; , 2002/15/0152). Die Beauftragung eines Steuerberaters, der in seiner Funktion beratend tätig wird, entbindet den Geschäftsführer einer GmbH nicht von seiner Verantwortlichkeit, für eine ordnungsgemäße Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH zu sorgen. Die unterbliebene Berücksichtigung aushaftender Abgaben durch Rückstellungen ändert nichts an der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers, für die rechtzeitige Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Primärschuldnerin zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgaben zu sorgen. Der Einwand der beschwerdeführenden Partei, der damalige Steuerberater hätte bereits bei der Bilanzerstellung 2016 bzw. 2017 Rückstellungen bilden müssen, geht somit ins Leere.
Einem Geschäftsführer einer GmbH obliegt es als Vertreter nach § 80 BAO, die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Feststellung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstberechnung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekannt zu geben. Wurden wie im gegenständlichen Fall im Zuge einer Betriebsprüfung nachträglich zusätzliche Abgabenverbindlichkeiten festgestellt, dann kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei zuvor den abgabenrechtlichen Pflichten gesetzmäßig nachgekommen ist (vgl. ).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe der beschwerdeführenden Partei gewesen, darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (zB ). Reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen, hat der Vertreter für eine gleichmäßige (anteilige) Befriedigung der Gläubiger zu sorgen. Hierbei trifft ihn eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast. Er hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich war (; , 2013/16/0208; , 2013/16/0016). Behauptet der Vertreter, dass die Mittel unzureichend waren, um sämtliche Gläubiger zur Gänze zu befriedigen, obliegt ihm der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (; die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht hierzu nicht aus: ). Er hat insbesondere die Quote und den Betrag zu errechnen, der bei anteilsmäßige Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (). Eine Betrachtung der Gläubigergleichbehandlung hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen ().
Kommt der Vertreter - wie im gegenständlichen Fall - der mehrmaligen Aufforderung zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens nicht nach und erbringt der Vertreter diesen Nachweis nicht, darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass eine schuldhafte Verletzung iSd. § 9 BAO vorliegt und diese Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war, sodass der Vertreter für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze haftet (; , 98/14/0082; , 2011/16/0187; , Ra 2020/13/0027). Um dieser Nachweispflicht nachkommen zu können, hätte die beschwerdeführende Partei entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - treffen müssen (). Solche Unterlagen wären bereits bei Entstehung der Zahlungspflicht und nicht vollständiger Entrichtung zu sichern gewesen wären (vgl. ). Eine Vorlage derartiger Beweise ist unterblieben. Im Rahmen des Haftungsverfahrens hätte die beschwerdeführende Partei die Gründe für die nicht rechtzeitige Entrichtung der Abgaben darlegen und entsprechende Nachweise vorlegen müssen. Dies ist jedoch weder im Festsetzungsverfahren der Glücksspielabgabe betreffend der Primärschuldnerin ( GZ. RV/5100603/2018) noch im gegenständlichen Haftungsverfahren geschehen.
Von der beschwerdeführenden Partei wurde lediglich behauptet, dass eine fristgerechte Entrichtung der Rückstände zum Zeitpunkt der Geschäftsführertätigkeit durch die beschwerdeführende Partei stattgefunden habe, was jedoch nicht den Tatsachen entspricht, zumal die Betriebsprüfung, bestätigt durch das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/5100603/2018, Unregelmäßigkeiten bei der Selbstberechnung festgestellt hat. Den Nachweis der Gleichbehandlung der Gläubiger der Primärschuldnerin durch Darstellung der zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten tatsächlich vorhandenen Mittel und der aliquoten Mittelverwendung hat die beschwerdeführende Partei auch nicht erbracht. Hierfür wäre eine Auflistung sämtlicher Gläubiger zum Zeitpunkt der Abgabefälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen zu übermitteln gewesen. In dieser Aufstellung hätten alle damaligen Gläubiger der Primärschuldnerin (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen enthalten sein müssen.
Die beschwerdeführende Partei wurde sowohl im Haftungsvorhalt als auch in der Begründung des Haftungsbescheides und in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung auf die Erforderlichkeit dieses Nachweises hingewiesen. Weder in der Beantwortung des Haftungsvorhalts noch in der Beschwerde oder im Vorlageantrag wurde eine anteilsmäßige Befriedigung der Forderungen der Gläubiger behauptet oder dargelegt. Die bloße Vorlage des Berichtes des Masserverwalters reicht nicht aus, um darzulegen, warum der Abgabenentrichtung betreffend Glückspielabgabe zu den Fälligkeitszeitpunkten durch den die beschwerdeführende Partei nicht nachgekommen wurde. In Punkt 4 Conclusio des Berichtes wird lediglich beschrieben, dass ein unabhängiger Steuerberater mit der Prüfung beauftragt wurde und zum Schluss kommt, dass durch die beschwerdeführende Partei keine Gläubigerinteressen beeinträchtigt wurden. Dies sagt jedoch nichts über die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch die beschwerdeführende Partei aus, zumal für eine diesbezügliche Beurteilung nicht Aufgabe des Masseverwalters ist.
Der mündlichen Verhandlung, die eine Möglichkeit zur entsprechenden Darlegung im Sinne der obigen Ausführungen geboten hätte, blieb die beschwerdeführende Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung fern.
Von der Abgabenbehörde durfte zu Recht eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten angenommen werden. Infolge dieser schuldhaften Pflichtverletzung ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass diese Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war ().
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können Einwendungen gegen den Abgabenanspruch nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden, sondern ausschließlich im Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend Bescheide über den Abgabenanspruch (). Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten (). Auf Einwendungen gegen die Abgabenfestsetzung ist daher im Haftungsverfahren nicht einzugehen.
Die Inanspruchnahme zur Haftung liegt im Ermessen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (). Die Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin steht fest und beschwerdeführende Partei ist als alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin die einzige Person, bei der die Vertreterhaftung geltend gemacht werden kann. Gegen die Heranziehung zur Haftung sprechende Billigkeitsgründe wurden nicht vorgebracht.
Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als rechtmäßig.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme zur Haftung sind durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung hinreichend geklärt. Es liegt hier keine zu klärende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100689.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
ECLI Nummer:
ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100689.2023
Fundstelle(n):
RAAAF-44202