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„Mitbezweckte“ Freiheitsbeschränkung durch Medikation: Minderung von Bewegungsdrang und Agitiertheit
iFamZ 2024/137
LG Linz , 15 R 116/24w
Ziel der medikamentösen Behandlung der Bewohnerin eines Pflegeheims war die Behandlung der fortgeschrittenen Form der Demenzerkrankung und der daraus resultierenden psychopathologischen Verhaltensauffälligkeiten im Rahmen der Grunderkrankung wie Unruhe, vermehrter Bewegungsdrang oder auch die falsche Einschätzung der tatsächlich vorhandenen physischen und psychischen Ressourcen, Auffälligkeiten wie Tag-Nacht-Umkehr etc.
Die Medikation sollte auch die Agitiertheit und den Bewegungsdrang der Bewohnerin hintanhalten, insb jenen, immer wieder aufzustehen. Mit diesen Medikamenten (Anm: Dauermedikation Psychopax, Quetiapin, Risperdal) wurde also auch versucht, das Aufstehen zu minimieren bzw zu unterbinden. Eine gewisse Sedierung bzw Verminderung des Bewegungsdrangs und der Agitiertheit war also zumindest ein „Mitzweck“ der medikamentösen Behandlung, weshalb von einer medikamentösen Freiheitsbeschränkung auszugehen ist, wobei es an dieser Qualifikation nichts ändert, dass die Verabreichung des Medikaments lege artis war. Die Freiheitsbeschränkung durch Medikation war wegen unterlassener Meldung an die Bewohnervertretung für unzulässig zu erklären.
Freiheitsbeschränkungen in Pflegeeinrichtungen sind Grundrechtseingriffe, die gerichtlich überprüfbar sein müssen. Das gilt auch für Freiheitsbeschränkungen durch (sedierende) Medikamente. Eine Freiheitsbeschränkung liegt schon dann vor, wenn die Medikation (Sedierung) den Bewegungsdrang oder die Bewegungsfähigkeit einschränkt. Es kommt für die Qualifikation als Freiheitsbeschränkung nicht darauf an, ob die Medikation weitere Behandlungsziele verfolgt. Freilich ist das zusätzliche Vorliegen eines medizinisch-therapeutischen Behandlungsziels der Regelfall, zumal eine ärztliche Behandlung ohne Indikation (sowie