Zurückweisungsbeschluss - Nichtbescheid - keine Heilung des Zustellmangels
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Diana Sammer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***2***, ***Adr2***, betreffend Beschwerde vom gegen den vorläufigen Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Österreich Dienststelle Sonderzuständigkeiten (vormals Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel) vom , ErfNr. ***1***, Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Rechtsgebühr, beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
1. Verfahrensgang:
Mit Schreiben vom wurde dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel (in der Folge kurz: belangte Behörde) ein zwischen der ***Bf1*** am als Bestandgeberin (in der Folge kurz: Bf) und der ***2*** als Bestandnehmerin am unterfertigter Bestandvertrag über ein näher bezeichnetes Bestandsobjekt angezeigt.
Mit Gebührenbescheid vom wurde eine Gebühr für den gegenständlichen Bestandvertrag in Höhe von € 234.919,68 gegenüber der Bestandgeberin (Bf.) gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festgesetzt.
Der Bescheid war adressiert an die Bf. "z.H. ***3***, ***Adr3***".
Mit Schreiben vom erhob die Bf., vertreten durch die ***2***, Beschwerde gegen den Gebührenbescheid der belangten Behörde vom . Eine entsprechende Vertretungs- und Zustellvollmacht wurde mit der Beschwerde vorgelegt.
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde erging am . Diese war adressiert an die Bf."z.H. ***3***, ***Adr3***". Die gesonderteBescheidbegründung zur Beschwerdevorentscheidung trägt das Datum und wies als Bescheidadressatin die Bf. "z.***2*** GesmbH, ***4***" auf.
Der Vorlageantrag vom wurde durch die Bf., vertreten durch die ***2***, gestellt und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat beantragt.
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die belangte Behörde um Auskunft ersucht, ob und ab welchem Zeitpunkt die ***3*** dem Finanzamt als steuerliche Vertretung/ Zustellbevollmächtigte der Bf. für das gegenständliche Verfahren bekannt war.
Die belangte Behörde teilte mit Schreiben vom mit, dass die ***3*** im Abgabenverfahren zu ErfNr. ***1*** nicht als steuerlicher Vertreter der ***Bf1*** aufgetreten sei. Die ***3*** sei weder gewillkürte Vertreterin der Beschwerdeführerin gewesen noch sei für diese eine Zustellvollmacht bekannt gegeben worden. Die Zustellung zu Handen der ***3*** sei ohne rechtliche Grundlage erfolgt.
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Bf. ersucht bekanntzugeben, wie und in welcher Form (Original/Kopie per Post; FAX; E-Mail) die Bf. vom Gebührenbescheid vom sowie von der Beschwerdevorentscheidung vom Kenntnis erlangte. Zudem ersuchte das BFG um Bekanntgabe, wie und in welcher Form die Vertreterin und Zustellbevollmächtigte der Bf. von der Beschwerdevorentscheidung vom Kenntnis erlangte.
Mit Antwortschreiben der Bf. vom teilte diese mit, dass der Bf. der Gebührenbescheid vom per E-Mail vom und die Beschwerdevorentscheidung vom per E-Mail vom durch die ***3*** übersendet worden sei. Die Übersendung der Beschwerdevorentscheidung an die Vertreterin der Bf. sei durch die ***3*** ebenfalls per E-Mail vom erfolgt.
2. Beweisaufnahme und Sachverhalt
Vom BFG wurde zunächst Einsicht genommen in die durch die belangte Behörde elektronisch vorgelegten Aktenteile, den elektronischen Steuerakt der Bf. sowie die aufgrund der Vorhalte an die Verfahrensparteien von diesen dem BFG übermittelten Stellungnahmen. Daraus ergibt sich der oben dargestellte Verfahrensablauf bzw. der folgende, dem Beschluss zugrunde zu legende Sachverhalt:
Der beschwerdegegenständliche Bescheid, ErfNr. ***1***, vom war adressiert an die Bf. "zHd. ***3***" und wurde der ***3*** zugestellt.
Die dagegen erhobene Beschwerde vom erfolgte durch die (Bestandnehmerin) ***2*** als Vertreterin der Bf; die diesbezügliche von der Bf. erteilte Vollmacht ist aktenkundig.
Die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom war an die Bf. "z.Hd. ***3***" adressiert und der ***3*** zugestellt.
Die gesondert ergangene Bescheidbegründung vom war an die Bf. z.Hd. ***2*** adressiert und erging an letztere.
Der Vorlageantrag vom wurde durch die Bf., vertreten durch die ***2***, gestellt.
Zur StNr. ***BF1StNr1*** bzw. im Abgabenverfahren zu ErfNr. ***1*** war im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom , keine Vollmacht/Zustellvollmacht der ***3*** beim Finanzamt angemerkt. Ebensowenig im Zeitpunkt der Beschwerdevorentscheidung vom .
Die ***3*** übermittelte den an sie durch die belangte Behörde übersendeten Gebührenbescheid vom bzw. die Beschwerdevorentscheidung vom per E-Mail vom bzw. an die Bf. Der Vertreterin der Bf. wurde die Beschwerdevorentscheidung vom ebenfalls per E-Mail vom durch die ***3*** übersendet.
3. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung(§ 97 Abs 1 BAO).
Die Zustellungder von Gerichten und Verwaltungsbehörden in Vollziehung der Gesetze zu übermittelnden Dokumente wird im Zustellgesetz geregelt (§ 1 ZustG).
Wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Gemäß § 9 Abs 1 ZustG können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).
In diesem Fall hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, den Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger zu bezeichnen. Bei nicht aufrechter Bevollmächtigung ist der Bescheid der Partei als Bescheidadressat direkt zuzustellen.
Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden (vgl zB ; ; ; ; ; Walter/ Mayer, Zustellrecht, 49; Ritz/Koran, BAO7, § 9 ZustG, Rz19)
Die Wirksamkeit von Erledigungen (somit deren rechtliche Existenz) setzt grundsätzlich voraus, dass sie dem Adressaten bekannt gegeben werden. Vor Bekanntgabe entfaltet ein Bescheid keinerlei Rechtswirkungen (Ritz/Koran, BAO7, § 97 Rz 1).
Die durchgeführten Abfragen bzw. die Stellungnahme der belangten Behörde vom ergaben, dass im Abgabenverfahren zu ErfNr. ***1*** die ***3*** weder steuerliche Vertreterin noch Zustellbevollmächtigte der Bf. war. Daraus folgt, dass weder im Zeitpunkt der Bescheiderlassung am noch im Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung am eine Zustellvollmacht der ***3*** bestanden hat und somit bereits die Zustellung des Bescheides vom (ebenso wie jene der Beschwerdevorentscheidung vom ) mit einem Zustellmangel behaftet war.
Grundsätzlich ist eine Heilung eines Zustellmangels nach § 7 ZustG nicht möglich, wenn die Zustellverfügung auf einen falschen Empfänger lautete.
Die Heilung eines derartigen Zustellmangels ist nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung aber in den Fällen möglich, in denen die Partei selbst in der Zustellverfügung als Empfänger angeführt wird. Nur diesen Fall der Heilung einer fehlerhaften Zustellungsverfügung wollte der Gesetzgeber mit der restriktiv zu interpretierenden Ausnahmebestimmung des § 9 Abs 1 [jetzt Abs 3] zweiter Satz ZustG regeln ().
§ 7 ZustG ist sohin anwendbar, wenn die Zustellverfügung an X zu Handen Y lautet, dem Y zugestellt wurde und der nicht Zustellungsbevollmächtigte Y das Schriftstück an X weiterleitet, weil es nach der Zustellverfügung auch für X bestimmt sei (siehe Ritz/Koran, BAO7, § 7 ZustG, Rz4 mit Judikaturnachweisen)
Gemäß § 7 ZustG gilt die Zustellung, wenn im Zustellungsverfahren Mängel unterlaufen, als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Dies setzt voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes gelangt.
Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes z.B. durch Übermittlung einer Ablichtung etwa per Fax oder durch Weiterleitung des eingescannten Schriftstücks mit E-Mail. Wenn die Kenntnisnahme (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert ebenso wenig der Umstand, dass der Empfänger ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück einbringt die fehlende Zustellung (vgl. Ritz/Koran, BAO7, ZustG § 7, Tz 7, und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Auch der Verfassungsgerichtshof hat im 793/95 unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgesprochen, dass für eine rechtswirksame Zustellung es nicht hinreichend ist, dass der Empfänger vom Schriftstück - etwa durch Akteneinsicht - lediglich Kenntnis erlangt (vgl. Zl.04/0903/80 zum inhaltlich entsprechenden § 31 AVG). Eine Sendungist nur dann tatsächlich zugekommen, wenn sie (dh. die für den Empfänger bestimmte Ausfertigung) den Adressaten selbst wirklich erreicht, wenn ihm also das Schriftstück (im Original) ausgehändigt wurde. Weder die vorherige Akteneinsicht des Rechtsvertreters des Einschreiters noch die Herstellung von Ablichtungen aus dem Akt ersetzt sohin die Zustellung des Bescheides (vgl. ). Das Vorliegen eines Bescheides ist eine Prozessvoraussetzung, die im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (vgl. VfSlg.7925/1976) und darüber hinaus während der ganzen Dauer des Verfahrens gegeben sein muss (vgl. VfSlg. 8824/1980).
Da der gegenständliche Bescheid an die ***3*** zugestellt wurde, welche in diesem Verfahren keine Zustellvollmacht hatte und dieser Bescheid der Bf. per E-Mail (wie von ihr in der Anfragebeantwortung vom selbst ausgeführt) übersendet wurde, - ihr somit also nicht im Original zugekommen ist - folgt daraus, dass der Bescheid gegenüber der Bf. nicht rechtswirksam erlassen wurde.
Auch durch die Einbringung eines Rechtsmittels durch die Bf. wird der Zustellmangel nicht saniert (keine "Heilung durch Einlassung").
Angemerkt wird, dass die Beschwerdevorentscheidung ebenso mit einem Zustellmangel behaftet war. Auch hier erfolgte durch die belangte Behörde eine Zustellung an die Bf. z.Hd. der nichtzustellbevollmächtigten ***3*** und wurde von dieser eine Übersendung der BVE sowohl an die Bf. als auch die Vertreterin der Bf. lediglich per E-Mail vorgenommen. Allerdings war dieser Zustellmangel bzw. dessen Folgen hier insofern nicht weiter beachtlich als bereits der Gebührenbescheid vom einen Nichtbescheid mangels Zustellung darstellt.
Im Bereich des Abgabenrechtes gilt das Prinzip der Amtswegigkeit und kommt es nicht darauf an, ob sich eine Partei erst "nachträglich" (oder gar nicht) auf einen Zustellmangel beruft. Die Wirksamkeit des Bescheides ist als Prozessvoraussetzung vom Verwaltungsgericht auch dann zu prüfen, wenn die Parteien kein entsprechendes Vorbringen erstatten, besteht doch im Verfahren vor der Abgabenbehörde und im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht keine Bindung an Beschwerdepunkte (vgl. dazu ).
Nach § 260 Abs. 1 lit.a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.
Das Verwaltungsgericht hat die Bescheidbeschwerde bzw den Vorlageantrag zuerst auf ihre Zulässigkeit zu prüfen hat, widrigenfalls das Rechtsmittel mit Beschluss zurückzuweisen ist (vgl. dazu ).
Eine Bescheidbeschwerde ist vor allem unzulässig bei mangelnder Bescheidqualität. Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellungrechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (siehe dazu Ritz/Koran, BAO7, § 260, Tz 8 unter Hinweis auf ; , ).
Gemäß § 274 Abs. 3 Z. 1 BAO kann ungeachtet eines Antrages iSd § 274 Abs. 1 Z. 1 BAO von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, wenn die Beschwerde als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260).
Obliegt gemäß § 272 Abs. 4 BAO die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Dazu zählen u.a. Zurückweisungen (§ 260).
Da sich aus der Aktenlage und der geltenden Rechtslage eindeutig ergibt, dass keine rechtswirksame Zustellung des beschwerdegegenständlichen Bescheides an die Bf. erfolgte und auch keine Heilung des Zustellmangels eingetreten ist, - der Gebührenbescheid vom sohin rechtlich nicht existent wurde - konnte der Zurückweisungsbeschluss ohneDurchführung einer mündlichen Verhandlung von der Berichterstatterin erlassen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entschieden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu verneinen, weil sich die die maßgebliche Rechtslage unmittelbar und klar aus dem Gesetz ergibt bzw. die zu lösenden Rechtsfragen bereits durch die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 274 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 272 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2024:RV.7105972.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at