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VwGH vom 28.06.2012, 2010/16/0275

VwGH vom 28.06.2012, 2010/16/0275

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der H in P, vertreten durch die Arnold Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. FSRV/0094-W/10, betreffend Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom verständigte das Finanzamt die Beschwerdeführerin, dass gegen sie das Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG hinsichtlich Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für bestimmte Monate der Jahre 2001 und 2002 eingeleitet werde. Dieses Schreiben wurde der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt.

Mit Schriftsatz vom wandte sich W.S., der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin, namens der Beschwerdeführerin an das Finanzamt und bekämpfte darin vorwiegend den vom Finanzamt angenommenen Vorsatz.

Mit Erkenntnis vom erkannte der Spruchsenat die Beschwerdeführerin der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG hinsichtlich der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die genannten Monate der Jahre 2001 und 2002 schuldig und verhängte über sie eine Geldstrafe. Das Erkenntnis wurde (auch) dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin zugestellt.

Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt das Finanzstrafverfahren gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich der Vorauszahlung an Umsatzsteuer für Juni 2006 ein. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin persönlich zugestellt.

Mit Strafverfügung vom erkannte das Finanzamt die Beschwerdeführerin der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG hinsichtlich der Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Juni 2006 schuldig und verhängte eine Geldstrafe von 9.000 EUR über sie.

Die Strafverfügung wurde der Beschwerdeführerin persönlich (durch Hinterlegung beim Postamt) zugestellt. Als Beginn der Abholfrist war der am Rückschein vermerkt.

Mit einem mit datierten, am zur Post gegebenen Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin durch die B. GmbH, ihre nunmehrige steuerliche Vertreterin, Einspruch gegen die Strafverfügung. Diese Strafverfügung sei am wirksam zugestellt worden. Vorweg werde festgehalten, dass die Strafverfügung "falsch an unsere Klientin zugestellt" worden sei. Auf Grund des Vorliegens einer aufrechten Zustellvollmacht könnten Zustellungen wirksam nur "an unsere Kanzlei" erfolgen. Dabei werde auf die im "Zustellvollmacht im Finanz-Online und weiters die im Akt der Abgabenbehörde befindliche Vollmacht vom " verwiesen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Einspruch als verspätet zurück. Die Strafverfügung sei am Donnerstag, dem , hinterlegt worden. Der Einspruch sei zwar mit datiert, jedoch erst am Dienstag, dem , zur Post gebracht worden und daher verspätet. Der Einwand der falschen Zustellung der Strafverfügung an die Beschwerdeführerin selbst gehe ins Leere, weil die im Abgabenverfahren erteilte Vollmacht nicht für Strafverfahren gelte.

Mit Schriftsatz vom brachte die Beschwerdeführerin durch ihre steuerliche Vertreterin eine (Administrativ )Beschwerde dagegen ein und brachte darin vor, gegen sie sei bereits im Jahr 2004 im Finanzstrafverfahren das Erkenntnis des Spruchsenates am "unserer Kanzlei" zugestellt worden. Damals habe die Finanzstrafbehörde die schon vorliegende Vollmacht einschließlich Zustellbevollmächtigung zur Kenntnis genommen und richtig zugestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die (Administrativ )Beschwerde als unbegründet ab. Die Bestellung eines Vertreters (auch zum Zustellungsbevollmächtigten) werde erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der ausdrücklichen Berufung auf die erteilte Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam. Die Bevollmächtigung müsse im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden. Mangels entsprechender Erklärung der Beschwerdeführerin in diesem konkreten Finanzstrafverfahren habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht davon ausgehen können, dass eine Zustellungsvollmacht für dieses Finanzstrafverfahren vorgelegen sei. Die eigenhändige Zustellung der Strafverfügung an die Beschwerdeführerin selbst sei daher rechtmäßig gewesen und habe den Fristenlauf in Gang gesetzt. Erst mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung sei dem Finanzamt bekannt gegeben worden, dass das Vertretungsverhältnis auch in dieser Finanzstrafsache bestehe. Der Einspruch sei daher von der Finanzstrafbehörde erster Instanz als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin ersichtlich im Recht auf Außerkrafttreten der Strafverfügung durch einen fristgerechten wirksamen Einspruch verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 143 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Stammfassung kann die Finanzstrafbehörde erster Instanz ein Strafverfahren in bestimmten näher angeführten Fällen ohne mündliche Verhandlung und ohne Fällung eines Erkenntnisses durch Strafverfügung beenden.

Gemäß § 145 Abs. 1 FinStrG können der Beschuldigte und die Nebenbeteiligten gegen die Strafverfügung binnen einem Monat nach der Zustellung bei der Finanzstrafbehörde erster Instanz, die die Strafverfügung erlassen hat, Einspruch erheben. Durch die rechtzeitige Einbringung eines Einspruches tritt gemäß § 145 Abs. 2 leg. cit. die Strafverfügung außer Kraft und ist das Verfahren nach den Bestimmungen der §§ 115 bis 142 durchzuführen.

Die Finanzstrafbehörde erster Instanz hat den Einspruch gemäß § 145 Abs. 4 FinStrG durch Bescheid zurückzuweisen, wenn er unzulässig ist oder nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 77 Abs. 1 FinStrG haben Beschuldigte das Recht, sich selbst zu verteidigen und in jeder Lage des Verfahrens den Beistand eines Verteidigers in Anspruch zu nehmen. Sie können sich durch Verteidiger auch vertreten lassen, soweit nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird. Die Vorschriften der Bundesabgabenordnung über die Bevollmächtigung mit Ausnahme von § 83 Abs. 4 BAO gelten gemäß § 77 Abs. 2 FinStrG sinngemäß.

Gemäß § 56 Abs. 3 FinStrG gelten für die Zustellungen das Zustellgesetz und sinngemäß die Bestimmungen des dritten Abschnittes der BAO.

§ 9 Abs. 3 des Zustellgesetzes - ZustG - lautet:

"(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

Die Beschwerdeführerin bestreitet die Wirksamkeit der Zustellung der Strafverfügung des Finanzamtes vom an die Beschwerdeführerin selbst durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am . Für die Beschwerdeführerin sei zu diesem Zeitpunkt ein Zustellungsbevollmächtigter im Finanzstrafverfahren bestellt gewesen, dem gemäß § 9 Abs. 3 ZustG zuzustellen gewesen wäre.

Dass die Beschwerdeführerin im konkreten Finanzstrafverfahren vor dem Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz bis zum Einspruch gegen die erwähnte Strafverfügung durch einen Verteidiger vertreten gewesen wäre und dem Finanzamt für dieses Verfahren einen Zustellungsbevollmächtigten oder überhaupt einen Bevollmächtigten namhaft gemacht hätte, behauptet weder die Beschwerdeführerin noch ist dies den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen.

Die Bestellung eines Vertreters (auch zum Zustellungsbevollmächtigten) wird erst mit der Vorlage der Vollmachtsurkunde oder mit der mündlichen Erteilung der Vollmacht der Behörde gegenüber oder mit der ausdrücklichen Berufung auf die erteilte Vollmacht gegenüber der Behörde wirksam. Die Bevollmächtigung muss im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , 2009/16/0214, mit Verweis auf das auch von der belangten Behörde erwähnte Erkenntnis vom , 2000/13/0135).

Dem Umstand, dass eine Vollmacht dem Finanzamt als Abgabenbehörde gegenüber bekannt gegeben worden ist, kommt für das Finanzstrafverfahren insoweit keine Bedeutung zu. Auch der von der Beschwerdeführerin hervorgehobene Umstand, dass in einem früheren Finanzstrafverfahren das Erkenntnis des Spruchsenates (nach Berufung auf die erteilte Vollmacht im Schriftsatz vom ) an den Verteidiger (Vertreter) der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die Bevollmächtigung im jeweiligen Verfahren ausgewiesen werden muss.

Der Verweis der Beschwerdeführerin auf das hg. Erkenntnis vom , 2007/13/0022, geht deshalb ins Leere, weil jenem Erkenntnis die Rechtsfrage zugrunde lag, ob die allgemein erteilte Vollmacht auch eine Zustellvollmacht einschließe. Dass in dem jenem Erkenntnis zugrunde liegenden Verfahren diese (allgemeine) Vollmacht und die dazugehörige Bevollmächtigung im konkreten Verfahren geltend gemacht wurde, war nicht strittig.

Für das Finanzamt bestand somit keine Veranlassung, vom Vorliegen einer im hier zugrunde liegenden Finanzstrafverfahren geltend gemachten (die Zustellungsbevollmächtigung einschließenden) Vollmacht auszugehen. Deshalb durfte die belangte Behörde von einer wirksamen Zustellung der Strafverfügung an die Beschwerdeführerin selbst durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist für die hinterlegte Strafverfügung am Donnerstag, dem , ausgehen. Dergestalt erweist sich der am Dienstag, dem , zur Post gegebene Einspruch als verspätet. Die belangte Behörde hat daher den gegen die erwähnte Strafverfügung eingebrachten Einspruch zu Recht im Instanzenzug zurückgewiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am