Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 03.05.2024, RS/7100056/2024

Einstellung des Verfahrens nach Klaglosstellung nach einer Säumnisbeschwerde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke in der Beschwerdesache betreffend Säumnisbeschwerde des ***1*** ***2***, ***3*** ***4***, ***5***, Rumänien, Sozialversicherungsnummer ***6***, vertreten durch Felicitas Niedermann, Rechtsanwältin, Union TAX & LAW, 8590 Romanshorn/TG, Obere Zelgstrasse 7, Schweiz, Korrespondenzbüro 1220 Wien, Donau-City-Straße 7/DC-Tower/30th Floor, vom , wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich betreffend Antrag vom auf "Ausgleichs-und/oder Differenzzahlung /Familienbeihilfe" beschlossen:

I. Das Säumnisbeschwerdeverfahren wird gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO eingestellt.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.

Begründung

I. Beschluss vom

Am fasste das Bundesfinanzgericht den Beschluss:

Dem Finanzamt Österreich wird gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufgetragen, bis zu entscheiden und entweder mitzuteilen, dass für den Zeitraum November 2019 bis März 2020 und Mai 2020 bis Juni 2020 der Unterschiedsbetrag zu Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt wurde, und dies durch Vorlage einer Abschrift der Mitteilung gemäß § 12 Abs. 1 FLAG 1967 oder eines Zahlungsbelegs glaubhaft zu machen, oder, wenn gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid erlassen wurde, eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen, oder schließlich (unter Vorlage entsprechender Beweismittel) anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Zur Begründung wurde ausgeführt:

Säumnisbeschwerde

Mit Telefax vom erhob der Beschwerdeführer (Bf) ***1*** ***2*** durch seine rechtsfreundliche Vertreterin Säumnisbeschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte dazu aus:

Mit Antrag vom wurde Ausgleichs-und/oder Differenzzahlung /Familienbeihilfe unter Vorlage sämtlicher Vollmachten und erforderlichen Unterlagen beim Finanzamt Österreich gestellt.

Anlage: Antragschrift vorm

Nachdem die Behörde innerhalb von sechs Monaten ihrer Entscheidungspflicht nicht nachgekommen ist, liegt eine der Entscheidungspflicht vor, die gem. § 284 Abs. 1 BAO zur Einlegung der Säumnisbeschwerde berechtigt.

Aufgrund der dadurch eingetretenen Säumnis des Finanzamtes Österreich wird vorsorglich der Antrag gestellt, das Bundesfinanzgericht möge über den Antrag auf Familienbeihilfe vom entscheiden. Sollten für diese Entscheidung die eingereichten Unterlagen nochmals zu übermitteln sein, bitten wir um entsprechenden Hinweis.

Beigefügt war ein Schreiben vom an das Finanzamt Österreich, 1000 Wien, Postfach 260, wonach der Bf durch seine rechtsfreundliche Vertretung "Ausgleichs-, und/oder Differenzzahlung, Familienbeihilfe für 2019-2020" beantragt. Der Bf sei wie folgt in Österreich beschäftigt gewesen: bis , bis , bis .

FABIAN

Aus dem elektronischen Beihilfeprogramm FABIAN ergibt sich, dass beim Finanzamt Österreich am ein Formular Beih 38 eingelangt ist. Laut diesem Formular ist der Bf ***1*** ***2*** rumänischer Staatsbürger, wohnhaft ***3*** ***4***, ***5***, Rumänien. Er sei von bis und von bis bei näher angegebenen österreichischen Arbeitgebern beschäftigt gewesen. Die Ehegattin ***7*** ***2*** hat eine Verzichtserklärung nach § 2a FLAG 1967 abgegeben. Von bis habe der Bf rumänische Familienleistungen von RON 150,00 erhalten, von bis von RON 156,00 und von bis von RON 156,00. Beantragt werde Differenzzahlung für den im Februar 2011 geborenen ***8*** ***2*** und für den im Oktober 2015 geborenen ***9*** ***2***, die beim Bf haushaltszugehörig seien und eine Schule in Rumänien besuchten.

Beigefügt waren eine Familienstandsbescheinigung für die Gewährung von Kindergeld der Gemeinde ***4*** vom , eine Erklärung über erhaltene Familienleistungen vom , ein Formular E 411 (Seite 1), Schulbesuchsbestätigungen, Heiratsurkunde, Geburtsurkunden, Personalausweiskopien, eine Vollmacht für die einschreitende Rechtsanwältin, Kontoerklärungen, Lohnzettel.

Laut FABIAN wurde der Antrag im August 2023 vom Finanzamt Österreich, Dienststelle FA53, in Bearbeitung genommen, aktenführendes Team sei FA72.FA66/AV01. Weitere Bearbeitungsschritte sind nicht ersichtlich.

Rechtsgrundlagen

§§ 284, 285 BAO lauten:

21. Säumnisbeschwerde

§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.

(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

(7) Sinngemäß sind anzuwenden:

a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),

b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),

c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),

d) § 266 (Vorlage der Akten),

e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),

f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),

g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),

h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).

§ 285. (1) Die Säumnisbeschwerde hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung der säumigen Abgabenbehörde;

b) die Darstellung des Inhaltes des unerledigten Antrages bzw. der Angelegenheit, in der eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides besteht;

c) die Angaben, die zur Beurteilung des Ablaufes der Frist des § 284 Abs. 1 notwendig sind.

(2) Die Frist des § 284 Abs. 2 wird durch einen Mängelbehebungsauftrag (§ 85 Abs. 2) gehemmt. Die Hemmung beginnt mit dem Tag der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages und endet mit Ablauf der Mängelbehebungsfrist oder mit dem früheren Tag des Einlangens der Mängelbehebung beim Verwaltungsgericht.

Säumnisbeschwerde

Die Säumnisbeschwerde wurde nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des § 284 Abs. 1 BAO, die mit der Einbringung des Antrags am begonnen hat, am beim Bundesfinanzgericht eingebracht.

Auftrag an die belangte Behörde

Dem Finanzamt Österreich ist daher gemäß § 284 Abs. 2 BAO aufzutragen, bis zu entscheiden und entweder mitzuteilen, dass für den Zeitraum November 2019 bis März 2020 und Mai 2020 bis Juni 2020 der Unterschiedsbetrag zu Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag ausbezahlt wurde, und dies durch Vorlage einer Abschrift der Mitteilung gemäß § 12 Abs. 1 FLAG 1967 oder eines Zahlungsbelegs glaubhaft zu machen, oder, wenn gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid erlassen wurde, eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen, oder schließlich (unter Vorlage entsprechender Beweismittel) anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

Die gesetzte Frist ist dem voraussichtlichen Aufwand und der bisher verstrichenen Zeit angemessen.

Zur Nachricht
(Belehrung gemäß
§ 280 Abs. 4 BAO)

Gegen diesen verfahrensleitenden Beschluss ist eine abgesonderte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (§ 88a Abs. 3 Verfassungsgerichtshofsgesetz 1953 - VfGG) oder eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof (§ 25a Abs. 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG) nicht zulässig.

Die vom Gericht festgesetzte Frist kann gemäß § 2a BAO i.V.m. § 110 Abs. 2 BAO über rechtzeitigen begründeten Antrag verlängert werden.

II. Information durch das Finanzamt vom

Am übermittelte das Finanzamt Österreich dem Bundesfinanzgericht eine Mitteilung über den Bezug der Ausgleichszahlung vom selben Tag zum Ordnungsbegriff ***10***:

Mitteilung über den Bezug der Ausgleichszahlung

Wir haben Ihren Anspruch auf Ausgleichszahlung überprüft und können Ihnen diesen im folgenden Umfang gewähren (Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009):


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Name des Kindes
Geb.dat.
Zeitraum
Wohnstaat
***2*** ***9***
***11***
Nov. 2019 - März 2021
Rumänien
***2*** ***8***
***12***
Nov. 2019 - März 2021
Rumänien

Die Höhe der Ausgleichszahlung ist die Differenz der österreichischen Familienbeihilfe inkl. Kinderabsetzbetrag zur ausländischen Familienleistung.

Informationen zu den derzeit gültigen Familienbeihilfenbeträgen finden Sie auf der Homepage des Bundeskanzleramtes unter bka.gv.at.

Erhalten Sie die ausländische Familienleistung nicht in Euro, kann es bei der Umrechnung auf Grund von monatlichen Kursschwankungen zu geringfügig unterschiedlichen Monatsbeträgen bei der Ausgleichszahlung kommen.

Wir haben festgestellt, dass Sie nur bis März 2021 Anspruch auf Familienbeihilfe haben und stellen daher die Auszahlung ein.

Wir werden Ihre noch nicht ausbezahlten Ansprüche auf folgendes Konto überweisen:

IBAN: DE***13***

Eine eventuell zustehende Nachzahlung erhalten Sie bereits in den nächsten Tagen.

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass Sie Familienbeihilfe erneut beantragen können, wenn in späterer Folge der Anspruch auf Familienbeihilfe wieder entstehen sollte (z. B. bei Berufsausbildung oder Fortsetzung der Berufsausbildung nach Beendigung des Präsenz- oder Zivildienstes).

Bitte kontaktieren Sie wegen der Mitversicherung in der Krankenversicherung Ihren Krankenversicherungsträger.

Bitte teilen Sie uns Tatsachen, die bewirken können, dass Ihre Ansprüche erlöschen und Änderungen der in Ihrem Antrag angeführten Daten auch im eigenen Interesse umgehend mit.

Sie vermeiden so Rückforderungen, wenn Ihr Kind z. B. die Berufsausbildung beendet oder eigene Einkünfte hat.

FABIAN

Aus dem elektronischen Familienbeihilfeprogramm FABIAN ergibt sich, dass dem Bf am ein Betrag von € 6.005,70 angewiesen wurde:

Für beide Kinder wurden jeweils folgende Ansprüche ermittelt:

III. Klaglosstellung

Wird der Bescheid, dessen Erlassung mit Säumnisbeschwerde begehrt wird, erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren über die Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 einzustellen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 13 Rz 236). Gleiches gilt sinngemäß, wenn wie hier im Familienbeihilfenverfahren bei Stattgabe eines Antrags gemäß § 11 FLAG 1967 die Familienbeihilfe formlos auszuzahlen und eine Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967 zuzusenden, aber gemäß § 13 FLAG 1967 kein Bescheid zu erlassen ist. Auch in diesem Fall ist der Antragsteller i.S.d. § 284 Abs. 2 letzter Satz BAO i.d.F. 2. AbgÄG 2014 klaglos gestellt. Auch ein Abweisungsbescheid (§ 13 FLAG 1967) oder ein Zurückweisungsbescheid beendet die Säumnis der Behörde.

Das Finanzamt hat den Antrag vom auf "Ausgleichs-und/oder Differenzzahlung /Familienbeihilfe" durch Auszahlung eines Betrags von € 6.005,70 am unter Zugrundelegung der Angaben des Bf in diesem Antrag innerhalb der mit Beschluss vom gesetzten Frist erledigt.

Damit liegt eine Säumnis des Finanzamts nicht mehr vor.

Das Verfahren betreffend die Säumnisbeschwerde vom ist daher gemäß § 284 Abs. 2 BAO letzter Satz einzustellen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Beschluss vom verwiesen.

IV. Nichtzulassung der Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i. V. m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die Rechtsfolge ergibt sich aus dem Gesetz.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 284 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 285 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RS.7100056.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at