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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.06.2024, RV/7102823/2016

Verzicht auf das Fruchtgenussrecht an einer Liegenschaft

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102823/2016-RS1
Wird vom Eigentümer einer Liegenschaft eine Ablösezahlung an den Fruchtgenussberechtigten an dieser Liegenschaft für den endgültigen Verzicht auf dessen Rechtsposition geleistet, so führt dies in Entsprechung der Judikatur des , nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 28 EStG 1988.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Martina Salzinger in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ***3*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2014 zu Recht erkannt:

I.Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In den Steuererklärungen für die Jahre 2012 und 2013 erklärte die Beschwerdeführerin (kurz Bf.) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend die Liegenschaft mit der Grundstücksadresse ***4***. Diesbezüglich wurde von der steuerlichen Vertretung der Bf. im Schreiben vom folgender Sachverhalt offengelegt:

"Im Jahr 2012 hat unsere Mandantin von ihrem verstorbenen Lebensgefährten, Herrn ***6***, das Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft ***5*** geerbt. Das zivilrechtliche Eigentum an dieser Liegenschaft ging dabei an die Tochter des Verstorbenen, Frau ***7***. Es wurden somit im Erbweg die Liegenschaft und der Fruchtgenuss an dieser getrennt. Die Liegenschaft wurde von der erblichen Tochter verkauft während das Fruchtgenussrecht bei unserer Mandantin verblieb. Sämtliche Mieterträge wurden auch unserer Mandantin steuerlich zugerechnet und In den Jahressteuererklärungen korrekt erklärt. Im Dezember 2013 verkaufte unsere Mandantin das Fruchtgenussrecht und erhielt dafür eine Ablöse in Hohe von € 428.000,00, wovon im Jahr 2013 ein Betrag von € 60.000 zugeflossen ist. Dieser Sachverhalt wurde in den Steuererklärungen 2013 wie folgt behandelt: …Die zugeflossenen € 60.000 wurden in der Einkommensteuererklärung nicht berücksichtigt, da es sich dabei um die Veräußerung einer nicht betrieblichen Einkunftsquelle außerhalb der Spekulationsfrist…handelt…".

Folgende Urkunden bzw. Schriftstücke wurden in Kopie dem Schreiben beigelegt:

1)Erklärung vom über die ausdrückliche Einwilligung der ***8*** zur Einverleibung des Fruchtgenussrechtes für die Bf. ob der Liegenschaft ***9***.

2) Auszug vom aus dem Hauptbuch des Grundbuches der Katastralgemeinde ***10***, Bezirksgericht ***11***, dem nachstehende Eintragungen zu entnehmen sind:


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A1-Blatt:
GST-NR: ***12***
BA (Nutzung) Bauf. (Gebäude)
Fläche : ***13***
GST-Adresse: ***14***
B-Blatt:
1 ANTEIL: 1/1***15***C ***16*** Kaufvertrag 2013-***17***
C-Blatt:
***18***
FRUCHTGENUSSRECHT für ***Bf1***

3)Einantwortungsbeschluss des BG ***19*** vom , in dem auszugsweise festgehalten ist:

"1.Die Verlassenschaft wird der erbl. Tochter ***20***, …die…die bedingte Erbserklärung abgegeben hat, zur Gänze eingeantwortet.

2.Es wird bestätigt, dass auf Grund des Ergebnisses der Verlassenschaftsabhandlung nachstehende Grundbucheintragungen vorgenommen werden können: Auf der dem ***6***…zur Gänze zugeschriebenen Liegenschaft ***21***,
die Einverleibung des Eigentumsrechtes für
***20***… zur Gänze
und
die Einverleibung des Fruchtgenußrechtes für
***Bf1***…"

4)Zwischen ***7*** als Verkäuferin und der ***8*** als Käuferin am abgeschlossener Kaufvertrag, in dem es unter anderem heißt:

"…1. 1. Kaufgegenstand; Darstellung der Rechtsverhältnisse

Frau ***7***, … ist nach erfolgter Einantwortung in der Verlassenschaft nach dem am ***22*** verstorbenen ***6***, … außerbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft ***9***, bestehend aus dem Grundstück ***12*** Bauf. (Gebäude) ***23***, im unverbindlichen Gesamtflächenausmaß von ***13*** m2. Auf dieser Liegenschaft befindet sich ein Zinshaus mit der Liegenschaftsadresse ***24***. Diese Liegenschaft samt dem darauf errichteten Zinshaus bildet den Gegenstand des Kaufvertrages…

…2. Kauferklärung; Kaufpreis

2.1 Frau ***7***, … in der Folge kurz verkaufende Partei genannt, verkauft und übergibt die in ihrem Alleineigentum stehende und im Punkt 1.1 näher beschriebene Liegenschaft ***9*** samt dem darauf errichteten Zinshaus und mit allen Rechten und Pflichten, mit welchen die verkaufende Partei dieses Liegenschaftsvermögen bisher selbst besessen und benützt hat oder zu besitzen und zu benützen berechtigt war, an die ***25***, in der Folge kurz kaufende Partei genannt, und diese kauft und übernimmt von der verkaufenden Partei den oben bezeichneten Kaufgegenstand zum beiderseits vereinbarten Gesamtkaufpreis von € 880.000,00 (in Worten: Euro achthundertachtzigtausend) in ihr alleiniges Eigentum…

…5.2 Die verkaufende Partei leistet ausdrücklich Gewähr dafür, dass die kaufgegenständliche Liegenschaft - mit Ausnahme des grundbücherlich nicht sichergestellten höchstpersönlichen lebenslänglichen Fruchtgenussrechtes für Frau ***Bf1***, … deren Eintragung und der im Punkt 5.4 näher dargestellten Bestandsverhältnisse - frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten sowie frei von Bestands - und sonstigen Nutzungsrechten in das Eigentum der kaufenden Partei übergeht.

5.3 Auf der kaufgegenständlichen Liegenschaft ist ein Mietzinshaus errichtet. Dem Kaufvertrag wird die Zinsliste des Monats Februar 2013, Beilage. /I zu Grunde gelegt, aus welcher sich die eingehobenen Hauptmietzinse, die vermieteten Bestandobjekte, die Nutzflächen der einzelnen Wohnungen sowie die Wohnungskategorie ergibt. Diese Zinsliste bildet einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages. Die verkaufende Partei leistet Gewähr dafür, dass diese Zinsliste richtig ist und die bestehenden Bestandverhältnisse ob dem Kaufobjekt vollständig anführt. Die diesbezüglichen Mietverträge wurden an die kaufende Partei vor Die verkaufende Partei steht in diesem Sinne dafür ein, dass mit Ausnahme der in der Zinsliste angeführten keine Bestand- oder sonstigen dinglichen oder obligatorischen Nutzungsrechte der verkaufenden Partei oder Dritter bestehen…"

5)Zwischen der Bf. als Fruchtgenussberechtigte einerseits und der ***8*** als Liegenschaftseigentümerin und ablösende Partei andererseits am abgeschlossener Vertrag mit - partiell - folgendem Inhalt:

"Darstellung der Rechtsverhältnisse

1. Die ***8*** ist grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft ***26***, Bezirksgericht ***19*** mit dem Grundstück Nr. ***12*** Bauf. (Gebäude) und der Grundstücksadresse ***27***.

2.Frau ***Bf1*** ist Fruchtgenussberechtigte an dieser Liegenschaft. Ihr Fruchtgenussrecht ist zu C-LNr. 5a im Lastenblatt der genannten Liegenschaft intabuliert.

4. Auf dieser Liegenschaft befindet sich ein Mietzinshaus, das in den Vollanwendungsbe- reich des Mietrechtsgesetzes fällt. Gegenstand dieses Vertrages - im Folgenden auch kurz Vertragsgegenstand genannt - bildet das zugunsten von Frau ***Bf1*** bestehende Fruchtgenussrecht ob der genannten Liegenschaft.

II. Willenseinigung

Frau ***Bf1*** verzichtet mit Wirksamkeit zum Ablauf des bzw. bei späterem Eintritt der aufschiebenden Bedingung gern. Punkt III. dieses Vertrages mit Wirksamkeit des Bedingungseintrittes gegen Zahlung der einvernehmlich vereinbarten Ablöse in Höhe von EUR 428.000,00 (in Worten: vierhundertachtundzwanzigtausend) zugunsten der ***8*** als Liegenschaftseigentümerin auf das ihr zustehende und im Grundbuch einverleibte Fruchtgenussrecht an der in Punkt I. näher bezeichneten Liegenschaft ***26***, Bezirksgericht ***19***, sodass die ***28***, per 0.00 Uhr bzw. bei späterem Bedingungseintritt mit diesem nicht mehr durch das Fruchtgenussrecht beschränkt ist.

Frau ***Bf1***, … behält sich jedoch für sich hinsichtlich der von ihr bislang bewohnten Wohnung Top ***30*** samt Abstellkammer und des bisher von ihr gemieteten Hofbereichs das lebenslange, höchstpersönliche Nutzungsrecht vor. Dieses Wohnungsgebrauchsrecht ist als Dienstbarkeit grundbücherlich sicher zu stellen.

Weiters behält sich Frau ***Bf1***, … für ihre Schwester …hiermit hinsichtlich der von dieser bislang aufgrund des Mietvertrages vom bewohnten Wohnung Top ***29*** das lebenslange, höchstpersönliche Nutzungsrecht vor. Auch dieses Wohnungsgebrauchsrecht ist als Dienstbarkeit grundbücherlich sicher zu stellen.

Einvernehmlich festgehalten wird, dass es sich bei diesen Nutzungsrechten um Wohnungsgebrauchsrechte und nicht um Wohnungsfruchtgenussrechte handelt, sodass eine Vermietung jedenfalls unzulässig ist…

IV. Ablösebetrag

1. Der einvernehmlich als angemessen zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Gelöstablösepreis beträgt EUR 428.000,00 (EURO vierhundertachtundzwanzigtausend).

2. Ein Teil des Ablösepreises in Höhe von EUR 60.000,00 ist vor Unterfertigung dieses Vertrages in bar an Frau ***31*** zu bezahlen. Frau ***31*** quittiert durch Ihre Unterschrift den Erhalt dieses Betrages in Höhe von EUR 60.000,00. Der Restbetrag in Höhe von EUR 368.000,00 ist von der ***8*** bis spätestens auf das für diesen Vertrag beim eingesetzten Treuhänder … treuhändig zu erlegen…"

6) Kontoauszug vom über die Überweisung eines Betrages von € 368.000,00 auf das Konto des angeführten Treuhänders unter dem Titel "Ablöse Fruchtgenussrecht EZ ***32***".

7)Auszug aus dem Verzeichnis der gelöschten Eintragungen im Grundbuch betreffend die Liegenschaft in der Katastralgemeinde ***33***, vom , aus dem hervorgeht, dass die Eintragung des unter "5 a ***16***" erfassten Fruchtgenussrechtes zugunsten der Bf. gelöscht worden ist.

Mit Bescheid vom wurde die Bf. zur Einkommensteuer für das Jahr 2014 veranlagt und die Einkommensteuer unter Ansatz der im Betrag von € 428.000,00 angenommenen Einkünfte aus der Vermietung der Liegenschaft in der ***34***, somit im Betrag von € 206.590,00 festgesetzt. Das Finanzamt begründete die Entscheidung damit, dass ab eine entgeltlich an einen Dritten erfolgte Übertragung eines Fruchtgenussrechtes oder Ablösung eines solchen vom Eigentümer - vergleichbar der Untervermietung durch einen Hauptmieter - zu Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung führe.

Die Bf. erhob Beschwerde gegen den angeführten Bescheid mit Schreiben vom , beantragte deren Direktvorlage an das Bundesfinanzgericht gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO sowie die Entscheidung über das Rechtsmittel im Rahmen einer mündlichen Senatsverhandlung gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 BAO und § 274 Abs. 1 Z 1 BAO. Inhaltlich führte die Bf. unter Beilage einer Kopie des Fachartikels von Leitner und Urtz in der ÖStZ 2013 (Die Ablösezahlung für ein Fruchtgenussrecht im außerbetrieblichen Bereich) ins Treffen:

"…Ende 2011 hat unsere Mandantin von ihrem verstorbenen Lebensgefährten, Herrn ***35***, das Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft ***5*** geerbt. Das zivilrechtliche Eigentum an der Liegenschaft ging dabei an die Tochter des Verstorbenen, Frau ***7***. Es wurden somit im Erbweg die Liegenschaft und der Fruchtgenuss an dieser getrennt. Die Liegenschaft wurde von der erblichen Tochter verkauft, während das Fruchtgenussrecht weiterhin bei unserer Mandantin verblieb. Sämtliche Mieterträge wurden steuerlich unserer Mandantin zugerechnet und in den Jahressteuererklärungen korrekt erklärt. Im Dezember 2013 veräußerte unsere Mandantin das Fruchtgenussrecht um einen Kaufpreis iHv. € 428.000,00. Davon flossen ihr € 60.000,00 bereits im Jahr 2013 zu, die restlichen € 368.000,- wurden im Jahr 2014 ausbezahlt. Da es sich bei diesem Verkauf unserer Rechtsauffassung nach um einen nicht steuerpflichtigen Vorgang handelt, wurde dieser auch nicht in den Steuererklärungen 2013 und 2014 aufgenommen. Jedoch legten wir den Sachverhalt sowohl bei der Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2013 als auch bei der Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2014 mittels Begleitschreiben offen. Während es im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 vom zuständigen Finanzamt hinsichtlich unserer Offenlegung keine Reaktionen gab, wurde im Rahmen der Veranlagung für das Jahr 2014 der gesamte Veräußerungserlös - somit auch der bereits 2013 zugeflossene Anteil - iHv. € 428.000,00 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der (progressiven) Einkommensteuer unterworfen.

b. Steuerliche Einstufung von Ablösezahlungen für Fruchtgenussrechte

Mit dem oben genannten Bescheid wurden die Ablösezahlungen für das Fruchtgenussrecht - mit höchster Wahrscheinlichkeit In Anlehnung an Rz 115a und Rz 6409 der EStR 2000 - als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gern § 28 EStG eingestuft. Entgegen dieser Auffassung der Abgabenbehörde führt die entgeltliche Ablöse Fruchtgenussrechtes jedoch nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 28 EStG, sondern ist ggf, nach § 31 EStG steuerbar ..."

Wie die Bf. weiters ausführte, würden die EStR in ihren Ausführungen zwar auf die Rechtsprechung des VwGH im Erkenntnis vom , 2009/15/0046, verweisen, jedoch seien der Auffassung der Finanzverwaltung (und somit jener im oben genannten Bescheid) folgende Punkte entgegenzuhalten:

"Im Beschwerdefall sei die Veräußerung nicht - wie im VwGH-Fall - an die Mieter des Bestandsobjektes, sondern an einen Dritten erfolgt. Die Bf. habe keine Mietvorauszahlung erhalten, sondern die Einkunftsquelle per se veräußert. Außerdem sei - anders als im VwGH-Fall - das zuvor im Grundbuch eingetragene Fruchtgenussrecht zugunsten er Bf. mit der Übertragung an den zivilrechtlichen Eigentümer aus dem Grundbuch gelöscht worden (eine Eintragung des Fruchtgenussrechtes zugunsten des zivilrechtlichen Eigentümers sei hierbei nicht mehr notwendig, da durch die Ablöse das zivilrechtliche Eigentum an der Liegenschaft und die Einkunftsquelle in der Hand des zivilrechtlichen Eigentümers vereinigt worden seien). Nach dem Wortlaut des VwGH zum erwähnten Anlassfall führe die entgeltliche Übertragung eines solchen Rechtes "der Ausübung nach" zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Dies widerspreche jedoch der zivilrechtlichen Beurteilung, da zivilrechtlich nicht zwischen einer Übertragung "der Substanz" nach und einer "der Ausübung nach" unterschieden wird. Somit könne im Umkehrschluss auch eine Übertragung des Fruchtgenussrechtes "der Ausübung nach" nur dann zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen, wenn mangels Eintragung in das Grundbuch oder mangels Löschung aus dem Grundbuch kein Fruchtgenussrecht per se sondern nur ein Gebrauchsrecht übertragen werde. Aus all dem ergebe sich, dass im Beschwerdefall weder eine Einstufung der Ablösezahlungen unter § 28 EStG 1988, noch unter § 30 EStG 1988 in Betracht komme. Weil das gegenständliche Fruchtgenussrecht mehr als ein Jahr gehalten worden sei, sei weiters auch die Spekulationsfrist nach § 31 Abs. 1 EStG 1988 zum Zeitpunkt der Ablöse bereits abgelaufen…"

Die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid für 2014 wurde ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung mit Vorlagebericht am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und der Sachverhalt wie folgt zusammengefasst:

"Im Jahr 2011 ist Herr ***6*** verstorben und hat der Bf. das Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft ***5*** vererbt. Das zivilrechtliche Eigentum der Liegenschaft ging an die Tochter des Verstorbenen ***7***. Die Liegenschaft wurde von der erblichen Tochter im Jahr 2013 verkauft, während das Fruchtgenussrecht (verbüchert) weiterhin bei der Bf. verblieb. Sämtliche Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung wurden der Beschwerdeführerin zugerechnet. Im Dezember 2013 veräußerte die Beschwerdeführerin das Fruchtgenussrecht um einen Kaufpreis iHv. € 428.000. Laut Kaufvertrag waren € 60.000 sofort bar bei Unterzeichnung an die Bf. auszuhändigen und die restlichen € 368.000 bis spätestens . Die Löschung der Verbücherung des Fruchtgenusses erfolgte ebenfalls…"

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

I.Gesetzeslage

Gemäß § 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400/1988, (hier und im Folgenden sind die Gesetzestexte jeweils in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung angeführt), unterliegen der Einkommensteuer nur:

1.Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 21),
2.Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 22),
3.Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23),
4.Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25),
5.Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 27),
6.Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 28),
7.sonstige Einkünfte im Sinne des § 29.

Zufolge § 28 Abs. 1 EStG 1988 sind folgende Einkünfte, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 5 gehören, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:

1.Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und von Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen.
2.Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Sachinbegriffen, insbesondere von beweglichem Betriebsvermögen.
3.Einkünfte aus der Überlassung von Rechten auf bestimmte oder unbestimmte Zeit oder aus der Gestattung der Verwertung von Rechten, insbesondere aus

-der Einräumung der Werknutzung (Werknutzungsbewilligung, Werknutzungsrecht) im Sinne des Urheberrechtsgesetzes

-der Überlassung von gewerblichen Schutzrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von Berechtigungen.
4.Einkünfte aus der Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen, und zwar auch dann, wenn diese Forderungen im Veräußerungserlös des Grundstückes mit abgegolten werden.

Zu den sonstigen Einkünften gehören gemäß § 29 EStG 1988 nur:

1.Wiederkehrende Bezüge, …
2.Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen (§ 30) und aus Spekulationsgeschäften (§ 31).
3.Einkünfte aus Leistungen, wie insbesondere Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 3 Z 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Z 1, 2 oder 4 gehören…
4.Funktionsgebühren der Funktionäre von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, soweit sie nicht unter § 25 fallen.

Nach § 30 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind private Grundstücksveräußerungen Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (grundstücksgleiche Rechte).

Gemäß § 31 Abs. 1 EStG 1988 sind Spekulationsgeschäfte Veräußerungsgeschäfte von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens, wenn die Einkünfte nicht gemäß § 27 oder § 30 steuerlich zu erfassen sind und der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Bei unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

II.Entscheidungswesentlicher Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung

Strittig ist die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der an die Bf. geleisteten Ablösezahlung für die Aufgabe des mit letztwilliger Verfügung eingeräumten Fruchtgenussrechtes an der Liegenschaft in der ***24***.

Nach Durchsicht der vorgelegten Unterlagen sowie der Finanzamtsdatenbanken zeigt sich folgendes Sachverhaltsbild:

***6*** war Alleineigentümer der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abwerfenden streitgegenständlichen Liegenschaft. Mit letztwilliger Verfügung des am ***22*** verstorbenen ***6*** wurde die vorgenannte Liegenschaft an dessen Tochter und Alleinerbin ***7*** vermacht und gleichzeitig der Bf. das alleinige Fruchtgenussrecht an dieser Liegenschaft eingeräumt. Im Einantwortungsbeschluss des BG ***19*** vom wurde die bedingt erbserklärte Erbin in den Nachlass eingeantwortet und zudem bestätigt, dass das Fruchtgenussrecht für die Bf. einverleibt werden kann. Dementsprechend erfolgte die grundbücherliche Eintragung des der Bf. letztwillig eingeräumten Fruchtgenussrechtes an der gegenständlichen Liegenschaft. In den Abgabenerklärungen für die Jahre 2012 und 2013 brachte die Bf. die aus der Vermietung des auf der Liegenschaft errichteten und im Eigentum der Tochter des Erblassers stehenden Zinshauses als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zum Ansatz. Mit Kaufvertrag vom ***36*** verkaufte ***7*** die ihr von ihrem Vater vererbte Liegenschaft zu einem Gesamtkaufpreis von € 880.000,00 an die ***8***. Ende 2013 verzichtete die Bf. auf das ihr aufgrund letztwilliger Verfügung eingeräumte Fruchtgenussrecht ob der beschwerdegegenständlichen Liegenschaft zugunsten der ***8*** als deren Alleineigentümerin gegen die Zahlung eines Ablösebetrages von € 428.000,00 sowie unter Vorbehalt eines Wohnungsgebrauchsrechtes für sie und ihre Schwester. Die Eintragung der Löschung des gegenständlichen Fruchtgenussrechtes im Grundbuch sowie die Zahlung des vereinbarten Ablösebetrages im anteiligen Ausmaß von € 368.000,00 erfolgten im Beschwerdejahr 2014.

Auf Basis des oben dargestellten und von den Verfahrensparteien unbestritten gebliebenen Sachverhaltes gelangte das Finanzamt unter Verweis auf das Erkenntnis des , zu der Ansicht, dass die Zahlung für die Ablöse des Fruchtgenussrechtes im Ausmaß von € 428.000,00 unter den Anwendungsbereich des § 28 Abs. 1 EStG 1988 falle.

Dieser Rechtsauffassung vermag sich aber das Bundesfinanzgericht aus den folgenden Gründen nicht anzuschließen:

Nach der für die rechtliche Beurteilung der in Rede stehenden Ablösezahlungen in Frage kommenden Ziffern 1 und 3 der Bestimmung des § 28 Abs. 1 EStG 1988 sind folgende Einkünfte, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 5 EStG 1988 gehören, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:

-Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und von Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (Z 1) sowie

-Einkünfte aus der Überlassung von Rechten auf bestimmte oder unbestimmte Zeit oder aus der Gestattung der Verwertung von Rechten (Z 3).

In dem zur Thematik der Ablösezahlungen für ein Fruchtgenussrecht zuletzt ergangenen Erkenntnis des , liegen Einkünfte iSd § 28 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 EStG 1988 dann nicht vor, wenn es sich um keine - zeitlich beschränkte - Gebrauchsüberlassung handelt, sondern das Recht endgültig "überlassen" wird. Nach Ansicht des VwGH ist von einem Veräußerungsvorgang auszugehen, wenn ein Fruchtgenussrecht endgültig aufgegeben wird. Bereits laut der bisherigen Judikatur des VwGH handelt es sich bei der Aufgabe einer Einkunftsquelle eines Fruchtgenussberechtigten, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, um eine Vermögensumschichtung (vgl. dazu ).

Anders als in dem von der Behörde zur Untermauerung ihrer Rechtsansicht herangezogenen Erkenntnis, dem der Sachverhalt zu Grunde lag, dass die im Grundbuch eingetragene Fruchtgenussberechtigte ihr Fruchtgenussrecht an die Mieterin des Objektes - vergleichbar einer Untervermietung - "abgetreten" hat, hatte sich der VwGH im Erkenntnis vom , Ra 2016/13/0029, mit der einkommensteuerlichen Beurteilung des Verzichts auf ein Fruchtgenussrecht und damit dem endgültigen Erlöschen des Fruchtgenussrechts als Einkunftsquelle zu befassen und diesbezüglich die Ansicht vertreten, dass insoweit keine zeitlich beschränkte Überlassung dieses Rechtes an einen Dritten vorliegt und damit ein endgültiger Verzicht auf das Recht gegeben ist, der in diesem Fall als Veräußerung eines Rechts zu beurteilen (siehe Fuchs, ÖStZ 2018/13) ist.

Nach Ansicht des BFG hat der VwGH damit ausdrücklich klargestellt, dass die entgeltliche Ablöse eines Fruchtgenussrechtes durch den Eigentümer bei einer endgültigen Aufgabe dieses Rechts nicht zu Einkünften nach § 28 Abs. 1 EStG 1988 führt.

Auch im gegenständlichen Beschwerdefall verzichtete die Bf. gegen Zahlung des Ablösebetrages auf das ihr letztwillig eingeräumte und im Grundbuch einverleibte Fruchtgenussrecht zugunsten des Eigentümers der Liegenschaft. Das der Bf. bis dahin zustehende Fruchtgenussrecht hörte mit der Übertragung an die ***8*** als zivilrechtliche Eigentümerin der Liegenschaft zu existieren auf und wurde in weiterer Folge im Grundbuch gelöscht.

Es wurde daher im Beschwerdefall nicht etwa - wie dem vom Finanzamt angeführten Erkenntnis zugrundeliegend - ein Gebrauchsrecht überlassen, sondern - gleichgelagert mit dem zuletzt ins Treffen geführten VwGH-Erkenntnis vom , Ra 2016/13/0029 - das Fruchtgenussrecht per se übertragen und somit die Rechtsposition der Bf. endgültig aufgegeben.

Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass in Entsprechung der Rechtsauffassung des VwGH die Ablöse für den endgültigen und damit als Veräußerung zu betrachtenden Verzicht auf das Fruchtgenussrecht keinesfalls den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach § 28 EStG 1988 zuzurechnen ist.

Dass die geleistete Ablösezahlung unter einen anderen Einkünftetatbestand des EStG 1988 zu subsumieren wäre, wurde vom Finanzamt nicht behauptet und ergibt sich auch für das Bundesfinanzgericht nicht. So kann die Ablöse nicht den Einkünften aus der der privaten Grundstücksveräußerung gem. § 30 EStG 1988 untergeordnet werden, da es sich bei Fruchtgenussrechten um keine grundstücksgleichen Rechte handelt (siehe Kanduth-Kristen in Jakom, EStG, 14. Auflage, Rz 14 zu § 30). Ebenso liegt bei der gegebenen Sachlage (Liegenschaft und Fruchtgenussrecht wurden von zwei verschiedenen Personen übertragen; sowohl das zivilrechtliche als auch das wirtschaftliche Eigentum an der Liegenschaft lagen bei der Tochter) kein unmittelbarer Konnex zwischen der Übertragung der Liegenschaft und des Verzichtes auf das Fruchtgenussrecht im Sinne eines aus wirtschaftlicher Sicht einheitlichen Rechtsgeschäftes vor. Die Liegenschaftsübertragung durch die Erbin hatte keinerlei Einfluss auf den nachfolgenden Verzicht der Bf. auf das ihr zustehende Fruchtgenussrecht. Nach der Aktenlage lag außerdem kein Spekulationsgeschäft im Sinne § 31 EStG 1988 vor, weil die Ablöse des Fruchtgenussrechtes außerhalb der Spekulationsfrist erfolgt ist. Ebensowenig ist der gegenständlich an die Bf. gezahlte Ablösebetrag aufgrund des Wirtschaftsgutcharakters eines Fruchtgenussrechtes nicht unter die Leistungseinkünfte nach § 29 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 einzustufen. Die Veräußerung von Wirtschaftsgütern bzw. eine veräußerungsähnliche Vermögensumschichtung fällt nämlich nach der Gesetzessystematik und dem Willen des Gesetzgebers nicht unter den Begriff der Leistung im Sinne des § 29 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 (so ).

Damit unterliegt die gegenständliche Ablösezahlung für den Verzicht des Fruchtgenussrechtes in Höhe von € 428.000,00 nicht der Einkommensteuer. Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 war Folge zu geben und der angefochtene Bescheid insoweit abzuändern, als die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit € 0,00 anzusetzen sind.

III.Ermittlung der Einkommensteuer für das Jahr 2014

Einkommensteuer für das Jahr 2014

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Übermittelte Lohnzettel
Bezugsauszahlende Stelle …………………………………stpfl. Bezüge (245)
***37***…………………….…………………9.539,76 €….…..9.539,76 €
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung…………………………………....……….…0,00 €

Gesamtbetrag der Einkünfte .................................................................9.539,76 €

Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben …………………............................................. -60,00 €
Steuerberatungskosten…………………………………………………………………..…….. -3.969,00 €
Einkommen ............................................................................................ 5.510,76 €

Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:
Bei einem Einkommen von 11.000 und darunter…………………............................. 0,00 €

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge ..............................................................0,00 €
Pensionistenabsetzbetrag ...................................................................................0,00 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge ........................................................... 0,00 €

Einkommensteuer ......................................................................................... 0,00 €

(Zum Wegfall des Pensionistenabsetzbetrages wird angemerkt:

§ 33 Abs. 8 erster Satz EStG 1988 lautet: "Ist die nach Abs. 1 und 2 berechnete Einkommensteuer negativ, so ist insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag gutzuschreiben."

Daraus ergibt sich, dass bei einer festgesetzten Einkommensteuer von Null kein Anspruch auf eine Gutschrift in Höhe des Pensionistenabsetzbetrages besteht. Da das Einkommen im Beschwerdefall unter 11.000 Euro lag, wurde die Einkommensteuer in Höhe von 0,00 Euro festgesetzt. Dabei kam der Pensionistenabsetzbetrag nicht zum Abzug und wurde daher in Höhe von 0,00 € ausgewiesen.)

IV.Nichtzulassung einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenständlich gründet sich die Nichtzulassung einer ordentlichen Revision darauf, dass die Entscheidung nicht von der zur Thematik des Verzichts auf ein Fruchtgenussrecht ergangenen und auch zitierten Rechtsprechung des VwGH abweicht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7102823.2016

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