Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 17.04.2024, RV/3300004/2020

Beschwerde eines belangten Verbandes, der zwischen Erkenntnis des Spruchsenates und Entscheidung des BFG im Firmenbuch gelöscht wurde. Ein Rechtsnachfolger ist nicht vorhanden. Einstellung des Verfahrens.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3300004/2020-RS1
Wird ein belangter Verband im Firmenbuch gelöscht und ist ein Rechtsnachfolger im Sinne des § 10 VbVG nicht ersichtlich, ist das Finanzstrafverfahren gegen den belangten Verband in Anlehnung an § 173 FinStrG gemäß §§ 136, 157 FinStrG einzustellen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Der Finanzstrafsenat Innsbruck 6 des Bundesfinanzgerichtes hat in der Finanzstrafsache der ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Treuhand-Union Innsbruck Wirtschaftstreuhand- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, Anton-Melzer-Straße 7, 6020 Innsbruck, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehungen des damaligen Geschäftsführers A. ***Bf*** gemäß §§ 33 Abs. 1 und 28a Abs. 2 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des belangten Verbandes vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim damaligen Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahlen *VF1*, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des A. ***Bf*** als Vertreter des belangten Verbandes, des Verteidigers, des Amtsbeauftragten sowie der Schriftführerin beschlossen:

Aus Anlass der Beschwerde des belangten Verbandes wird das Finanzstrafverfahren gegen den belangten Verband ***Bf2***. gemäß §§ 136, 157 und 173 FinStrG eingestellt.

Zur Frage, ob das Finanzstrafverfahren mangels expliziter Regelung gegen nicht mehr existente belangte Verbände in Anlehnung an § 173 FinStrG einzustellen ist, wird die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zugelassen.

Darüber hinaus ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Begründung

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim damaligen Finanzamt Innsbruck als Finanzstrafbehörde als Organ des damaligen Finanzamtes Innsbruck als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahlen *VF1*, wurden (in Abwesenheit)

1. "A. ***Bf***, geboren am 1975 in Innsbruck, Geschäftsführer, österreichischer Staatsangehöriger, ***Bf1-Adr***

2. ***Bf2***., ***Bf1-Adr*** Entscheidungsträger: A. ***Bf***,

schuldig erkannt, es haben im Bereich des damaligen Finanzamtes Innsbruck

I. A. ***Bf***
als Geschäftsführer und Entscheidungsträger des Zweitbeschuldigten Verbandes ***Bf2***. vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten (§ 119, 123 BAO iVm § 42 EStG 1988 iVm § 24 Abs. 3 Ziffer 1 KStG 1988, § 21 UStG und § 96 Abs. 1 Ziffer 1 und Abs. 3 EStG 1988) betreffend das Veranlagungsjahr 2017 bzw. den Monat Dezember 2017 durch verdeckte Ausschüttung von Gewinn Abgabenverkürzungen an Umsatzsteuer in der Höhe von € 7.600,00, an Körperschaftsteuer in der Höhe von € 10.450,00 und Abgabenverkürzungen an Kapitalertragsteuer (12/2017) in der Höhe von € 17.296,58, somit in einem Gesamtbetrag von € 35.346,58 bewirkt, indem Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen sind, zu niedrig festgesetzt wurden.

II. Der zweitbeschuIdigte Verband ***Bf2***.
als belangter Verband die Verantwortung gem. § 3 Abs. 2 VbVG iVm § 28a FinStrG dafür zu tragen, dass der Erstbeschuldigte A. ***Bf*** als deren Entscheidungsträger im Sinne des § 2 Abs. 1 VbVG iVm § 28a FinStrG das unter Punkt I. beschriebene Finanzvergehen begangen hat.

Es haben hiedurch begangen:

Zu I. A. ***Bf*** das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG;

Zu II. die ***Bf2***. als belangter Verband das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG (ergänzt: in Verbindung mit § 28a Abs. 2 FinStrG.

Es werden hiefür

I. der Erstbeschuldigte A. ***Bf*** nach § 33 Abs. 5 FinStrG zu einer Geldstrafe in der Höhe von € 7.200,00, (in Worten EURO siebentausendzweihundert), sowie gem. § 20 FinStrG im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen verurteilt, sowie gem. § 185 FinStrG zum Kostenersatz, wobei der Pauschalbetrag mit € 500,00, bestimmt wird.

II. die Zweitbeschuldigte ***Bf2***. nach § 33 Abs. 5 FinStrG iVm § 28a FinStrG zu einer Geldbuße in der Höhe von € 7.200,00, (in Worten EURO siebentausendzweihundert) verurteilt, sowie gem. § 185 FinStrG zum Kostenersatz, wobei der Pauschalbetrag mit € 500,00, bestimmt wird."

Dagegen haben sowohl der Beschuldigte als auch der belangte Verband mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde eingebracht.

Nach der Verhandlung vor dem Spruchsenat am hat beim belangten Verband am eine außerordentliche Generalversammlung stattgefunden, in der beschlossen wurde,

1. die Gesellschaft aufzulösen, sodass sie in das Stadium in Liquidation tritt und den Zusatz "in Liqu." erhält.

2. den Beschuldigten als Geschäftsführer abzuberufen und ihm für die bisherige Tätigkeit die Entlastung erteilt wurde.

3. Den Beschuldigten zum selbständig vertretungsbefugten Liquidator ab zu bestellen.

Mit Gesellschafterbeschluss des belangten Verbandes vom wurde beschlossen:

1. "Der Bericht des Liquidators über die Beendigung der Liquidation wird genehmigend zur Kenntnis genommen.

2. Dem Liquidator (dem Beschuldigten) wird die Entlastung erteilt.

3. Zum Verwahrer der Bücher und Schriften der Gesellschaft wird für die gesetzliche vorgeschriebene Dauer der Beschuldigte bestellt."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 173 FinStrG: Stirbt der Beschuldigte vor Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses (der Strafverfügung), so ist das Strafverfahren einzustellen. Stirbt der Bestrafte nach Rechtskraft des Erkenntnisses (der Strafverfügung), so geht die Verbindlichkeit zur Entrichtung von Geldstrafen, Wertersätzen und Kosten nicht auf die Erben über.

§ 10 Abs. 1 VbVG: Werden die Rechte und Verbindlichkeiten des Verbandes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen anderen Verband übertragen, so treffen die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Rechtsfolgen den Rechtsnachfolger. Über den Rechtsvorgänger verhängte Rechtsfolgen wirken auch für den Rechtsnachfolger.

§ 10 Abs. 2 VbVG: Der Gesamtrechtsnachfolge ist Einzelrechtsnachfolge gleichzuhalten, wenn im Wesentlichen die selben Eigentumsverhältnisse am Verband bestehen und der Betrieb oder die Tätigkeit im Wesentlichen fortgeführt wird.

Festzuhalten ist, dass der Gesetzgeber für den Fall der Löschung einer Gesellschaft als belangter Verband im Firmenbuch (wenn kein Rechtsnachfolger eruiert werden kann) keine vergleichbare Regelung wie beim Tod natürlicher Personen gemäß § 173 FinStrG normiert hat.

Laut ständiger Judikatur des VwGH ist durch die Auflösung bzw. die Löschung einer Gesellschaft aus dem Firmenbuch jedenfalls so lange deren (weitere) Parteisubjektivität nicht beeinträchtigt, als bzw. so lange deren Rechtsverhältnisse zu Dritten (hier der Bund als Träger eines Anspruches auf Bestrafung der Gesellschaft nach dem FinStrG bzw. dem VbVG) noch nicht endgültig "abgewickelt" sind (vgl. etwa ), weshalb eine, eine Einstellung des Verfahrens iSd § 173 FinStrG nach sich ziehende "Vollbeendigung" des belangten Verbandes eben (noch) nicht vorliegt.

Da jedoch die Gesellschaft nicht mehr existiert, somit ein Rechtsnachfolger im Sinne des § 10 VbVG nicht ersichtlich ist, wird das Finanzstrafverfahren gegen den belangten Verband in Anlehnung an § 173 FinStrG gemäß §§ 136, 157 FinStrG eingestellt (vgl. ).

[...]

Zur Unzulässigkeit der Revision

Zur Frage der Einstellung eines Finanzstrafverfahrens für den Fall, dass der belangte Verband zwischen Entscheidung des Spruchsenates und der Entscheidung im Rechtsmittelweg durch das Bundesfinanzgericht (ohne vorausgehendes Insolvenzverfahren) aus eigenem Antrieb beschließt, die Gesellschaft (nach Liquidation) zu beenden und sich im Firmenbuch löschen zu lassen, gibt es noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass insoweit die ordentliche Revision zugelassen wird, ob hier in Anlehnung an § 173 FinStrG das Finanzstrafverfahren einzustellen ist oder hier die Gesellschaft so lange nicht endgültig "abgewickelt" ist, als der Bund noch einen Anspruch auf Bestrafung der Gesellschaft nach dem FinStrG bzw. dem VbVG hat (vgl. etwa zur Auflösung einer KG oder OG), weshalb eine, eine Einstellung des Verfahrens iSd § 173 FinStrG nach sich ziehende "Vollbeendigung" des belangten Verbandes eben (noch) nicht vorliegt.

Darüber hinaus ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 173 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
Schlagworte
Löschung im Firmenbuch
Kein Rechtsnachfolger
Belangter Verband
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.3300004.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at