Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.04.2024, RV/7101143/2022

Rückzahlung von KESt ohne bescheidmäßigen Abspruch über zu Grunde liegenden Rückerstattungsantrag

Beachte

Revision eingebracht (Amtsrevision).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Judith Daniela Herdin-Winter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ALTHUBER SPORNBERGER & PARTNER Rechtsanwälte GmbH, Doblhoffgasse 9 Tür Top 14, 1010 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart (nunmehr Finanzamtes für Großbetriebe ) vom betreffend Rückforderung gem. § 241a BAO von Kapitalertragsteuer 2011 und 2012, (Evidenznummern: ***, ***, ***, ***) und vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart (nunmehr Finanzamtes für Großbetriebe) vom betreffend Rückforderung gem. § 241a BAO von Kapitalertragsteuer 2012 (Evidenznummer ***), Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheiden vom und vom forderte das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe) gem. § 241a BAO die Beschwerdeführerin zur Zurückzahlung von gem. § 205 BAO erstatteter Kapitalertragsteuer auf, mit der Begründung, dass diese nicht wirtschaftliche Eigentümerin der gegenständlichen Wertpapiere zum letzten cum-Tag vor dem ex-Tag gewesen sei.

Mit (nach Verlängerung der Beschwerdefrist fristgerecht erfolgten) Beschwerden vom sowie vom erhob die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin dagegen Beschwerde. In dieser führte sie zusammengefasst u.a. aus, dass § 241a BAO keine Rückwirkung zukomme, bereits Verjährung eingetreten sei, sowie ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführerin nach antragsgemäßer Auszahlung bestehe.

Mit BVEs vom wies das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart die Beschwerden als unbegründet ab. Zur Begründung führte diese u.a. an, dass § 241a BAO eine zwingende Norm darstelle, die keine vorangehende bescheidmäßige Festsetzung einer Abgabe als Rechtstitel benötige, sondern nur eine unrechtmäßige Auszahlung eines Abgabenbetrages voraussetze.

Mit (nach beantragter Fristverlängerung eingebrachtem) Schreiben vom ersuchte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin um Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht.

Mit Schreiben vom verständigte das nunmehr zuständige FAG gem. § 265 Abs. 6 iVm § 270 BAO das BFG von der nachträglichen Erlassung der Abweisungsbescheide betreffend die bislang unerledigten KESt-Erstattungsanträge und führte dazu Folgendes aus:

"Nach dem jüngst ergangenen Erkenntnis des RO 2023/13/0012, ist unabdingbare Voraussetzung für die Rückforderung gemäß § 241a BAO, dass zunächst mit (rechtsmittelfähigem) Bescheid über den Erstattungsantrag abgesprochen wird (solange dieser vom Antragsteller nicht zurückgezogen wurde).

Die belangte Behörde hat daher die dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Anträge auf KESt-Rückerstattung mittels der angeschlossenen Bescheide vom abgewiesen. Das Bundesfinanzgericht wird darüber gemäß § 265 Abs. 6 BAO unter Hinweis auf § 270 BAO verständigt. Sollten die Abweisungsbescheide mit Beschwerde(n) bekämpft werden, wird auch darüber unverzüglich berichtet werden; ebenso über den Eintritt der Rechtskraft."

Mit Schreiben vom ergänzte das FAG seine Stellungnahme wie folgt:

"Nach der (insoweit) klaren Aussage unter Rn 43 im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2023/13/0012, kann die Bestimmung des § 241a BAO die Abgabenbehörde nicht von der Notwendigkeit, eine Abgabenfestsetzung vorzunehmen, entbinden. In einem Fall, in dem die Festsetzung der Abgabe (iSd § 2 lit. a Z 2 BAO, siehe dazu Rn 37 im VwGH-Erkenntnis) erforderlich ist, kann demnach eine Rückforderung nicht nach § 241a BAO geltend gemacht werden. Weiters weist der Verwaltungsgerichtshof unter Rn 43 darauf hin, dass in diesem Verfahren nicht zu klären war, ob und unter welchen - allenfalls analog anzuwendenden - Voraussetzungen (vgl. etwa zur gesetzlich geregelten Gutschrift von Forschungsprämien ohne Festsetzung § 108c Abs. 4 EStG 1988) im vorliegenden Fall eine Abgabenfestsetzung noch rechtmäßig ist.

Die Anspielung auf das Verfahren zur Geltendmachung und Rückforderung einer Forschungsprämie rückt zwei diesbezügliche Grundsatzentscheidungen des

Verwaltungsgerichtshofes in den Blickpunkt:

1) Im Erkenntnis vom , Ra 2019/13/0108, legte das Höchstgericht dar, dass die Forschungsprämie mit Null festzusetzen ist, wenn das Finanzamt im Zuge einer nachträglichen Prüfung der Prämienanspruchsvoraussetzungen zur Auffassung gelangt, dass die Prämie nicht zusteht. Durch die im konkreten Fall vorgenommene Zurückweisung des Antrages würden nämlich die Vorschriften gemäß § 201 BAO zur berichtigenden Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe, die nach dem Willen des Gesetzgebers gleich ausgestaltet wurden wie jene zur Abänderung einer bescheidmäßigen Festsetzung, in einer systemwidrigen Art und Weise unterlaufen.

Umgelegt auf den vorliegenden Fall handelt es sich bei der KESt-Erstattung zwar nicht um eine Selbstberechnungsabgabe im Sinn des § 201 BAO, jedoch kommt sie dem Charakter etwa der Forschungsprämie sehr nahe, weil auch die KESt-Erstattung nur auf Antrag erfolgt und im Antrag der durch den Antragsteller selbst errechnete Erstattungsbetrag angegeben wird/wurde. Die Konsequenz der Vergleichbarkeit derVerfahren führt in teleologischer und rechtssystematischer Ableitung zum Ergebnis, dass bezüglich der durchgeführten Erstattung(en) sinngemäß ein Titel zur Durchbrechung der Rechtskraft vorliegen muss, der ebenso erforderlich wäre, wäre die Erstattung ursprünglich - verfahrensrechtlich korrekt - mit Bescheid durchgeführt worden. Einen solchen Titel stellt im vorliegenden Fall die (sinngemäße) Wiederaufnahme des Erstattungsverfahrens gemäß § 303 BAO bzw. § 201 Abs. 2 Z 3 zweiter Fall BAO dar.

2) In einer weiteren Grundsatzentscheidung zur Forschungsprämie hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Verjährung des Rechts zur Rückforderung beschäftigt und dazu im Erkenntnis vom , Ro 2020/15/0009, ausgesprochen, dass die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Forschungsprämie geltend gemacht wurde. Umgelegt auf die vorliegende Streitfrage kann das nur bedeuten, dass auch hier, bezüglich Rückforderung, auf einen Verjährungsbeginn mit Ablauf des Jahres der Auszahlung (KESt-Erstattung) abzustellen ist, was im Übrigen der in der Literatur zu § 241a BAO vertretenen hA entspricht (Verjährung des Rechts zur Rückforderung gemäß § 207 Abs. 4 iVm § 208 Abs. 1 lit. c BAO).

Gleiss/Hubmann, werfen in ihrem Aufsatz "Erste Entscheidung des VwGH zur Rückforderung von KESt-Rückerstattungen gemäß § 241a BAO" im AVR-Heft 6/2023, 239, unter Punkt 3.1.1. die vordergründig berechtigte, unbeantwortet gebliebene Frage auf, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die - im gegenständlichen Verfahren vorbehaltlich Rechtskraft nunmehr nachgeholte - mit Bescheid zu lösende Frage der materiellrechtlichen Berechtigung der Erstattung nicht als Vorfrage im Sinn des § 116 BAO ansah. Die von den Autoren aufgeworfene Frage nach dem Vorfragencharakter erscheint nach Ansicht der belangten Behörde grundsätzlich zwar berechtigt. Vergleichsweise vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass die Frage, ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, eine Vorfrage im Haftungsverfahren darstellt (vgl. z.B. , mwN). Auch § 241a BAO ist schließlich (so wie Haftungsverfahren nach § 7 BAO) eine einhebungsrechtliche, im 6. Abschnitt der BAO (Einhebung der Abgaben) angesiedelte Vorschrift, die im konkreten Zusammenhang nur dazu dient, die Rechtslücke aufzufüllen, um einen Titelbescheid für die Ausfertigung eines Rückstandsausweises (§ 229 BAO) als Grundlage für die Einhebung/Einbringung einer zu Unrecht erstatteten KESt zu erhalten. Der verfahrensrechtliche Unterschied zum Haftungsverfahren liegt nun allerdings darin, dass hier beide Bescheide (Festsetzungsbescheid und Rückforderungsbescheid) an die gleiche Person ergehen. Wäre die ursprüngliche Erstattung mit Bescheid vorgenommen worden, wäre der Rückforderungsbescheid einhebungsrechtlich überhaupt nicht erforderlich, weil dann bereits die abweichende Festsetzung (Verfahrenstitel vorausgesetzt) der KESt-Erstattung die Nachforderung mit den Rechtsfolgen ihrer Fälligkeit nach § 210 Abs. 2 BAO, Vollstreckbarkeit nach § 226 BAO bis hin zur Ausfertigung eines Rückstandsausweises nach § 229 BAO als Grundlage für die Einbringung im finanzbehördlichen oder gerichtlichen Vollstreckungsverfahren beinhalten würde. § 241a BAO gleicht somit praktisch und rechtlich bloß den Formalfehler der bescheidlosen KESt-Erstattung aus, ohne dass damit - im Vergleich zu einer bescheidmäßigen und später nach einschlägigen, hier analog anzuwendenden BAO-Bestimmungen aufgehobenen KESt-Erstattung - eine Beeinträchtigung von Parteirechten (Rechtsschutzinteressen) verbunden sein könnte.

Der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem in manchen Punkten leider unklar gebliebenen Erkenntnis vom , Ro 2023/13/0012, ein Vorfragen(ähnliches)verhältnis zumindest implizit verneinte, lässt weiters den Rückschluss zu, dass über die Festsetzung und Rückforderung gegenüber der gleichen Partei in nur einem Verfahren abzusprechen gewesen wäre. Auch dieser Rückschluss, den die belangte Behörde anstellt (daher Aktennachreichung), findet spiegelbildlich betrachtet seine Rechtfertigung darin, dass im Fall einer bescheidmäßigen Erstattung der Rückforderungstitel bereits durch die Bescheidaufhebung im Festsetzungsverfahren bewirkt worden wäre (siehe oben).

Zusammengefasst hat die belangte Behörde die durch den Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zu § 241a BAO als unabdingbar angesehene Erlassung des Bescheides über die Erledigung des KESt-Erstattungsantrages inzwischen als eine nach dem vorbeschriebenen Zusammenhang notwendige Ergänzung im anhängigen Beschwerdeverfahren nachgeholt und ersucht das Bundesfinanzgericht um entsprechende Berücksichtigung dieser keinem Neuerungsverbot unterliegenden Ergänzung. Die einzelfallbezogene Untersuchung des sinngemäßen Vorliegens von Wiederaufnahmsgründen sowie jene der Rückforderung (Erlassung des angefochtenen Bescheides) innerhalb der analog anzuwendenden Verjährungsbestimmungen gemäß § 207 Abs. 4 iVm § 208 Abs. 1 lit. c BAO bleiben davon ebenso unberührt wie die Frage der materiellrechtlichen Richtigkeit des nachgereichten Festsetzungsbescheides. Klarstellend darf noch hinzugefügt werden, dass der Erlassung des ergänzend vorgelegten Festsetzungsbescheides der Eintritt der Verjährung im Hinblick auf § 209a Abs. 2 BAO nicht entgegenstehen konnte (Antragserledigung; siehe dazu auch Gleiss/Hubmann im AVR-Heft 6/2023 unter Punkt 3.2.1.)."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Anträgen vom (Ev. Nr. ***), vom (Ev. Nr. ***), vom (Ev. Nr. ***, *** und ***) beantragte die Beschwerdeführerin die Erstattung von Quellensteuern gem. DBA Österreich-VAE.

Die beantragte Rückerstattung wurde in Folge dessen formlos am (***), (***), (***), (***) sowie am (***), ausbezahlt.

Mit Bescheiden vom (Evidenznummern ***, ***, ***, ***) und vom (Evidenznummer ***) wurde die Beschwerdeführerin gem. § 241a BAO zur Rückzahlung von aufgrund ihrer Anträge zu Unrecht erstatteten KESt aufgefordert.

Mit Bescheiden vom wies die belangte Behörde die dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Anträge auf KESt-Rückerstattung ab und verständigte das Bundesfinanzgericht darüber gemäß § 265 Abs. 6 BAO unter Hinweis auf § 270 BAO.

Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin zog mit Schreiben vom die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Entscheidung durch den Senat zurück.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind insoweit unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 241a BAO idF BGBl I 108/2022 lautet:

"Wer Rückzahlungen oder Erstattungen ohne Rechtsgrund erlangt hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen."

In einem gleichgelagerten Parallelfall - Rückforderung von im Jahr 2012 antragsgemäß ausbezahlten Abzugssteuern gemäß § 241a BAO ohne vorher über den betreffenden Rückzahlungsantrag mit Bescheid abzusprechen - hat das BFG entschieden, dass die Rückforderungsbescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes ersatzlos aufzuheben sind.

Der VwGH hat diese Entscheidung des BFG, RV/7101097/2022, vom , gegen die Amtsrevision erhoben worden ist, mit Erkenntnis vom , Ro 2023/13/0012, im Ergebnis bestätigt. In diesem Erkenntnis (in Rz 40-43) legt der VwGH seine Rechtsanschauung wie folgt dar:

"Wird hingegen - wie hier - die "Erstattung" oder "Rückzahlung" ("Rückerstattung" gemäß Art. 23 DBA-GB) der einbehaltenen Kapitalertragsteuer begehrt, so ist darüber unbestritten mittels Bescheid zu entscheiden. Liegt ein derartiger Bescheid vor, so steht dieser einer Rückforderung des entsprechenden Betrages nach § 241a BAO schon deswegen entgegen, weil diese Rückzahlung oder Erstattung nicht ohne Rechtsgrund erfolgte.

Wenn in der Literatur dazu darauf verwiesen wird, § 241a BAO "dürfte [...] eine Reaktion auf jahrelange Gesetzesverletzungen des Finanzamts [... betreffend] Kapitalertragsteuererstattungen" (vgl. Ritz/Koran, aaO, § 241a Tz 8, mwN), gewesen sein, so wird dies aber in den Gesetzesmaterialien nicht angeführt. Es kann daher daraus nicht abgeleitet werden, dass diese Regelung auf einen Fall anwendbar wäre, in dem eine gebotene Festsetzung der (negativen) Abgabe unterlassen wurde.

Soweit in den Gesetzesmaterialien aber auf die Bestimmung des § 37 Abs. 2 deutsche Abgabenordnung verwiesen wird, so ist zunächst nicht ohne Weiteres erkennbar, wie eine konkrete Bestimmung einer in vielen Einzelheiten abweichenden Verfahrensordnung in die BAO eingeordnet werden kann. Es wird aber auch zu jener Bestimmung (u.a., im Einzelnen ist vieles strittig) vertreten, dass die Frage, ob ein Steueranspruch materiell nicht bestanden hat und ob deshalb die Leistung ohne rechtlichen Grund erbracht worden ist, nur im Verfahren über dieFestsetzung des Steueranspruchs geklärt werden kann (vgl. z.B. Ratschow in Klein/Orlopp, Ababenordnung16, § 37 Rz 58).

Es kann daher nicht abgeleitet werden, dass die Bestimmung des § 241a BAO von der Notwendigkeit, eine Abgabenfestsetzung vorzunehmen, entbinden könnte. In einem Fall, in dem die Festsetzung der Abgabe erforderlich ist, kann demnach eine Rückforderung nicht nach § 241a BAO geltend gemacht werden. Da über den Rückerstattungsanspruch - unbestritten - durch Bescheid zu entscheiden ist, ist (solange der Antrag von der mitbeteiligten Partei nicht zurückgezogen wird, sodass eine Festsetzung nicht mehr erfolgen könnte) die Bestimmung des § 241a BAO nicht anwendbar."

Mit dem zitierten Erkenntnis (, Ro 2023/13/0012,) hat der VwGH in einem völlig gleichgelagerten Sachverhalt unmissverständlich ausgesprochen, dass bei antragsgemäßer Rückzahlung von Abzugssteuern, ohne vorher mit Bescheid über den zu Grunde liegenden Rückerstattungsantrag abzusprechen, die Bestimmung des § 241a BAO jedenfalls solange nicht zur Anwendung gelangen kann, als der Antrag nicht rechtsförmlich abschlägig erledigt worden ist. Erst wenn die Rückerstattungsanträge zurückgenommen oder mit Bescheid abgewiesen worden sind, steht rechtswirksam fest, dass die von der Abgabenbehörde im Zusammenhang mit diesem Antragsverfahren getätigten Auszahlungen ohne einen Rechtsgrund erfolgt sind (vgl. dazu ausführlich und lösungsorientiert, Gleiss/Hubmann, Erste Entscheidung des VwGH zur Rückforderung von KESt-Erstattungen gemäß § 241a BAO, AVR 2023, 239, Pkt. 3.2.2. und Pkt. 3.2.3).

Die Streitsache ist durch die zitierte Entscheidung des VwGH in einem Parallelfall bereits eindeutig geklärt. Offen ist lediglich die Rechtsfrage, ob die vom VwGH judizierte Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO durch eine nachträgliche Erlassung der Abweisungsbescheide betreffend die KESt-Rückzahlungsanträge, geheilt werden kann.

Das FAG hat diese nachträglichen Bescheiderlassungen dem BFG als ein für das Beschwerdeverfahren bedeutsames Ereignis gemäß § 265 Abs. 6 iVm § 270 BAO mitgeteilt, ohne aber einen Grund zu nennen, weshalb durch dieses mehr als vier Jahre nach Ergehen der Rückforderungsbescheide eingetretene Geschehen, die inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide geheilt worden sein könnte.

In der Literatur wurde zu dem Leiterkenntnis des VwGH zur Rückforderung mit Bescheid gemäß § 241a BAO (E , Ro 2023/13/0012) mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung eine sachlogische Reihenfolge vorgibt: Zunächst muss über den noch offenen Rückerstattungsantrag rechtskräftig abweisend abgesprochen oder dieser Antrag rechtswirksam zurückgenommen worden sein. Erst danach kann - wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sein sollten - eine Rückforderung einer in dieser Angelegenheit rechtsgrundlos erfolgten Auszahlung der Abgabenbehörde mit Bescheid gemäß § 241a BAO vorgenommen werden (im Sinne dieser Erledigungsabfolge, Gleiss/Hubmann, in AVR 2023, 239, Pkt. 3.2.2. und 3.2.3; ebenso AVR 2023, 258 sowie Schimidjell-Dommes, SWI, 658).

Die Rechtskraft eines Bescheides erfasst nicht einen Sachverhalt, der sich nach der Erlassung des Bescheides ereignet hat (VwGH, , 92/05/0063). Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides hat der VwGH im Bescheidbeschwerdeverfahren auf Grund der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Sachlage und Rechtslage zu beurteilen; eine nach Erlassung des Enteignungsbescheides eingeholte Bewilligung einer anderen Behörde vermag die Heilung der ursprünglich gegebenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit nicht zu bewirken (vgl. VwGH, , 83/05/0212).

Die vom VwGH (Ro 2023/13/0012) dargestellte materielle Rechtswidrigkeit der angefochtenen Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO vom sowie vom kann durch die nachträgliche Erlassung von Abweisungsbescheiden mit betreffend die zu Grunde liegenden KESt-Erstattungsanträge vom (Ev. Nr. ***), vom (Ev. Nr. ***), vom (Ev. Nr. ***, *** und ***) nicht geheilt werden, weil die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf Grund der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung verwirklichten Sachlage und geltenden Rechtslage zu beurteilen ist.

Sachverhalte, die sich erst nach Ergehen eines Bescheides ereignet haben, gehören nicht zum Prozessgegenstand und sind somit auch nicht von dessen Bescheidwirkungen erfasst (z.B. Wiederholungsverbot). Dementsprechend können nach der ständigen Rsp des VwGH inhaltliche Rechtswidrigkeiten eines Bescheides nicht durch nachträgliche Geschehnisse saniert werden. Ein nachträglicher Sachverhalt kann jedoch Grund für die Erlassung eines neuen Bescheides sein.

Ob durch den Eintritt der formellen Rechtskraft der Abweisungsbescheide vom betreffend die KESt-Erstattungsanträge (Evidenznummern ***, ***, ***, *** und ***) die Bestimmung des § 241a BAO anwendbar wird, weil ab diesem Zeitpunkt rechtswirksam feststeht, dass den vorgenommenen Auszahlungen des FA ein Rechtsgrund fehlt, ist für das gegenständliche Beschwerdeverfahren nicht maßgebend. Auf diese Themenbereiche (rückwirkende Anwendung des § 241a BAO, Verjährung des Rückforderungsanspruches, Wahrung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes) war daher nicht weiter einzugehen.

Eine Heilung der materiellen Rechtswidrigkeit der Rückforderungsbescheide vom sowie vom durch das nachträgliche Sachverhaltsereignis der rechtsförmlichen Erledigung der KESt Rückzahlungsanträge mittels Abweisungsbescheide vom ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts nicht denkmöglich, zumal für eine solche heilende Rechtswirkung eine gesetzliche Grundlage erforderlich wäre.

Zusammenfassend waren daher die Rückforderungsbescheide gemäß § 241a BAO entsprechend der dargestellten Rechtsprechung des VwGH spruchgemäß aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung folgt der einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, weshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen und die Revision für nicht zulässig zu erklären war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 241a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7101143.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at