Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.03.2024, RV/4100344/2023

Polizeigrundausbildung ist kein "anerkanntes Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/16/0039.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Cornelia Pretis-Pösinger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für das Kind ***1***, geb. ***2***, für den Zeitraum Jänner und Feber 2023, Steuernummer ***3***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

In Beantwortung eines Auskunftsersuchens teilte die Beschwerdeführerin (Bf.) am im März 2023 mit, dass Tochter ***1*** im Sommersemester 2022 noch studiert habe. Seit absolviere sie die Grundausbildung bei der Polizei. Die Ausbildung dauere noch bis zum .
Beigelegt wurde eine
- Bescheinigung der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums Inneres, datiert mit . Darin wird bestätigt das "Aspin ***1***, geb. ***2***, vom bis als Teilnehmerin des Grundausbildungslehrganges ***4***, in Ausbildung steht, "
- Studienbestätigung der FH Joanneum, wonach ***1*** im Sommersemester 2022 als Studierende der Studienrichtung Gesundheitsinformatik (414) Vollzeit gemeldet war sowie
- Bestätigung des Studienerfolges der FH, mit Nachweis von Prüfungen bis zum .

Dem Auszug der Sozialversicherung (BVAEB) u.a. für den Zeitraum - , ist zu entnehmen, dass die sozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage € 22.427,32 betrug. Für die Monate Jänner und Feber 2023 betrug die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung jeweils € 2.103.40.

Das Finanzamt (FA) forderte im Bescheid vom die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für ***1*** für den Zeitraum Jänner - Feber 2023 zurück (€ 473,00). Verwiesen wurde auf die §§ 26 Abs. 1 und 5 Abs. 3 FLAG 1967, wonach die Familienbeihilfe gekürzt werde oder wegfalle, wenn ein Kind ab dem Kalenderjahr seines 20. Geburtstages ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als € 15.000 habe. Die Einkommensgrenze würde im Jahr 2023 überschritten werden.

Gegen den Rückforderungsbescheid erhob die Bf. am Beschwerde. Begründend führt die Bf. aus:

"Mit Schreiben vom habe ich dem Finanzamt eine Bestätigung des Bundesministeriums für Inneres - Sicherheitsakademie übermittelt, die einwandfrei nachweist, dass sich meine Tochter ***1*** seit bis im polizeilichen Grundausbildungslehrgang zu ***4*** befindet. Diese 24- monatige polizeiliche Grundausbildung wird in der Verordnung des Bundesministers für über die Grundausbildungen für den Inneres (Grundausbildungsverordnung), BGBl II Nr. 153/2017 geregelt. Meine Tochter absolviert diese Ausbildung in der Steiermark, gemeinsam mit vielen weiteren Auszubildenden.

Gemäß § 2 Abs 1 lit b) FLAG habe ich einen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden. In der polizeilichen Grundausbildung liegt ohne Zweifel eine Berufsausbildung, die meine Tochter im Bildungszentrum der Sicherheitsakademie ***5*** absolviert. Der Anspruch auf Familienbeihilfe besteht daher im Ergebnis zu Recht.

Die Begründung des Rückforderungsbescheids vom ist äußerst kurz gehalten und nimmt auf § 5 Abs. 1 FLAG Bezug. Laut Begründung des Finanzamts werde die Einkommensgrenze für das Jahr 2023 überschritten.

Das Finanzamt übersieht mit seiner Begründung aber, dass § 5 Abs 1 FLAG normiert, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes "Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis" außer Betracht bleiben. Beim Ausbildungsentgelt, das meine Tochter während ihrer Berufsausbildung bezieht, handelt es sich zweifelsfrei um "Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis". Die Grundausbildung meiner Tochter ist mit einer Lehre vergleichbar und ist auch dadurch anerkannt, dass sie in der oben zitierten Grundausbildungsverordnung detailliert geregelt wird. In der Grundausbildung erlernt meine Tochter die grundlegenden theoretischen Kenntnisse, die sie in ihrem späteren Beruf benötigt. Es ist kein vernünftiger und denkbarer Grund ersichtlich, warum die polizeiliche Grundausbildung nicht als "anerkanntes Lehrverhältnis" zu qualifizieren wäre. Demnach muss aber zusammengefasst das Einkommen, das meine Tochter aufgrund ihrer polizeilichen Grundausbildung lukriert, gemäß § 5 Abs 1 FLAG außer Betracht bleiben. Die Einkommensgrenze wird daher - entgegen der falschen Begründung des Finanzamts - gerade nicht überschritten.

Im Übrigen entspricht diese rechtliche Beurteilung auch der Verwaltungspraxis der Finanzämter, haben doch die Eltern sämtlicher junger Erwachsener, die gemeinsam mit meiner Tochter die polizeiliche Grundausbildung in der Steiermark absolvieren, einen aufrechten Familienbeihilfeanspruch und bekommen monatlich die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag überwiesen. Eine derartige Ungleichbehandlung in der Praxis des Finanzamts empfinde ich als unbillige Härte, sind doch von der Abgabenbehörde alle Abgabenpflichtigen in gleicher Weise zu behandeln und zu beurteilen.

Ich beantrage daher, den rechtswidrigen Rückforderungsbescheid vom ersatzlos aufzuheben und aufgrund eines aufrechten Familienbeihilfeanspruchs für mein Kind ***1***, geb. ***2***, die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag bis einschließlich Mai 2024 auszuzahlen und darüber eine Mitteilung gemäß § 12 FLAG auszustellen."

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. Begründend wurden die §§ 2 Abs. 1 lit. b und 5 Abs. 1 FLAG 1967 zitiert und ausgeführt, dass die Polizeigrundausbildung - mit Ausnahme des Berufspraktikums II - eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG darstelle. Unter Verweis auf das Erkenntnis des -3 falle der Ausbildungsbeitrag eines Polizeischülers unter die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 und sei bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes zu berücksichtigen.
Tochter ***1*** habe bis zum Sommersemester 2022 das Bachelorstudium Gesundheitsinformatik betrieben. Mit habe sie den Grundausbildungslehrgang für Polizeischüler begonnen. Da ihr Einkommen 2023 die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 1 FLAG 1967 übersteigen werde, bestehe im Jahr 2023 kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Rückforderung für die Monate Jänner - Februar 2023 sei zu Recht ergangen.

Mit beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Zur Begründung führte die Bf. aus:

"Aus der Beschwerdevorentscheidung geht grundsätzlich hervor, dass das Finanzamt die Polizeigrundausbildung als Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 anerkennt. Aus welchem rechtlichen Grund das "Berufspraktikum II" von dem Begriff der Berufsausbildung ausgenommen sein dürfte, ist für mich nicht erklärlich, handelt es sich doch auch bei diesem Abschnitt ohne Zweifel um ein Praktikum zu Ausbildungszwecken, das somit ebenfalls unter den Begriff Berufsausbildung zu subsumieren ist.

Hinsichtlich der Anwendung von § 5 Abs. 1 FLAG halte ich meinen Einwand aufrecht, dass es sich beim Ausbildungsentgelt, das meine Tochter erhält, um "Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis" handelt. Es ist rechtlich nicht einzusehen, warum die polizeiliche Berufsausbildung gegenüber jenen Berufen, die im Berufsausbildungsgesetz aufgelistet sind, derart schlechter gestellt wird. Dies ist schon aufgrund der großen Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit von Ausbildungen gemäß BAG mit der Polizeigrundausbildung bedenklich. Dadurch wird nämlich vom Finanzamt unterstellt, dass die Ausbildung zu einer Polizistin keine "anerkannte" Lehre ist und diese daher rechtlich zu benachteiligen ist. Richtigerweise hat gemäß § 5 Abs. 1 FLAG das Einkommen, das meine Tochter aufgrund ihrer polizeilichen Grundausbildung lukriert, bei der Familienbeihilfe außer Betracht zu bleiben.

Diese Rechtsansicht, wonach das Entgelt für die Polizeigrundausbildung bei der Familienbeihilfe außer Betracht zu bleiben hat, ist die seit vielen Jahren gelegte Verwaltungspraxis. Ich gehe daher davon aus, dass zurzeit tausende Polizeischüler die Familienbeihilfe aufgrund dieser stets praktizierten Rechtsansicht des Finanzamtes beziehen. Insofern empfinde ich mich aufgrund dieser Tatsache durch den Rückforderungsbescheid massiv ungerecht behandelt, zumal für jeden Abgabenpflichtigen dieselben Rechtsansichten heranzuziehen sind. Gerade das geschieht aber derzeit offensichtlich nicht. Es liegt daher offenbar eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung mit dem gegenständlichen Rückforderungsbescheid vor.

Sollte daher das Bundesfinanzgericht wider Erwarten zu der Ansicht gelangen, dass die Familienbeihilfe zu Recht rückgefordert wurde, so wende ich ein, dass ich diese bereits gutgläubig und aufgrund der jahrelang praktizierten Rechtsansicht des Finanzamtes verbraucht habe. Gemäß § 236 BAO können Abgabenschuldigkeiten zur Gänze nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Im gegenständlichen Fall liegt eine derartige Unbilligkeit vor, zumal ich auf eine jahrelange gelebte Praxis vertraut habe und auch darauf vertraut habe, dass ich rechtlich so wie tausend andere Elternteile von Polizeischülern, die zurzeit die Familienbeihilfe monatlich ausbezahlt bekommen, behandelt werde.
Im Übrigen halte ich meine Ausführungen in der Bescheidbeschwerde vom vollinhaltlich aufrecht…."

Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. In seiner Stellungnahme verwies es auf das Erkenntnis des und auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung sowie darauf, dass die Frage, ob das Berufspraktikum II eine Ausbildung iSd FLAG sei, nicht relevant für das Beschwerdeverfahren sei. Unter Bezugnahme auf § 26 Abs. 1 FLAG 1967 wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Tochter der Bf., ***1***, geb. ***2***, absolviert seit die exekutivdienstliche Ausbildung (Polizeigrundausbildung), den Grundausbildungslehrgang ***4***, an der Sicherheitsakademie ***5***.

Die Bf. hat für ihre Tochter im Zeitraum Jänner bis Februar 2023 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 473,00 bezogen.

Mit Rückforderungsbescheid vom forderte das FA von der Bf. die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Jänner 2023 und Februar 2023, mit dem Hinweis zurück, dass die Einkommensgrenze im Jahr 2023 überschritten werden wird.

Für die Monate Jänner und Feber 2023 bezog ***1*** Einkünfte in Höhe von je € 2.103,40. Insgesamt bezog die Tochter der Bf. im Kalenderjahr 2023 ein Einkommen in Höhe von € 22.069,71 (lt. Einkommensteuerbescheid vom ).

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den elektronisch vorgelegten Unterlagen sowie den Abfragen in den Datenbanken der Finanzverwaltung durch das Bundesfinanzgericht (Datenbanken: FABIAN und DB2).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 bestimmt (auszugsweise):
Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Nach § 5 Abs. 1 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 109/2020 führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes bis zu einem Betrag von 15.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) eines Kindes in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 15.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 15.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,
b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,
c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse,
d) Ausgleichszulagen und Ergänzungszulagen, die aufgrund sozialversicherungs- oder pensionsrechtlicher Vorschriften gewährt werden
e) Pauschalentschädigungen gemäß § 36 Abs. 1 des Heeresgebührengesetzes 2001, die für den außerordentlichen Zivildienst gemäß § 34b in Verbindung mit § 21 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 oder den Einsatzpräsenzdienst gemäß § 19 Abs. 1 Z 5 des Wehrgesetzes 2001 gewährt werden.
(2) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, denen Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist.
(3) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
(4) Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichszahlung (§ 4 Abs. 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Bei der Bestimmung des § 5 FLAG 1967 handelt es sich um einen Ausschlussgrund für den Bezug der Familienbeihilfe, wenn der Grenzbetrag von 15.000 € in einem Kalenderjahr überschritten wird. Dieser Grenzbetrag stellt einen Jahresbetrag dar. Wird dieser Grenzbetrag überschritten, verringert sich die Familienbeihilfe, die für dieses Kind gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 15.000 € übersteigenden Betrag. Im Übrigen bleibt der Anspruch auf Familienbeihilfe jedoch bestehen.

Anders als bei der Frage nach dem Abschluss einer Berufsausbildung ist für die Antwort auf die Frage, ob die Einkommensgrenze des § 5 Abs. 1 überschritten wurde, zufolge der gesetzlichen Anordnung, dass § 10 Abs. 2 dabei nicht anzuwenden ist, hier eine Ex-post-Betrachtung zum Ende des Kalenderjahres anzustellen (vgl. Lenneis/Wanke, FLAG, Familienlastenausgleichsgesetz Kommentar, 2. Auflage, § 5 TZ 1). § 5 Abs. 1 FLAG 1967 regelt ausdrücklich, dass eine ex-post-Betrachtung zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres anzustellen () ist. Dabei sind alle in dieses Kalenderjahr fallende Zeiten zu berücksichtigen, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. Diese kann dazu führen, dass, sofern im Zeitpunkt der Auszahlung entsprechende Einkommensdaten bereits vorliegen, die Auszahlung für das betreffende Kalenderjahr unter Umständen bis auf Null zu kürzen ist.

Als Sache des Beschwerdeverfahrens, somit Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ist jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. für viele etwa ).

Im maßgebenden Zeitraum (Jänner und Feber 2023) absolvierte die Tochter der Bf. die "Polizeigrundausbildung." Dabei handelt es sich - wie der VwGH im Erkenntnis vom , Ro 2022/16/0004-3 ausführt - um eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967. Der VwGH bringt aber in dem Erkenntnis unmissverständlich zum Ausdruck, dass eine absolvierte Polizeigrundausbildung nicht als "anerkanntes Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen ist."

Auszug aus dem Erkenntnis -3:
"Tz 37: Das Bundesfinanzgericht ist im angefochtenen Erkenntnis mit näherer Begründung zum Ergebnis gelangt, die Polizeigrundausbildung - die zwar durch generelle Normen, und zwar durch die Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI, BGBl. II Nr. 153/2017, geregelt ist - sei, nicht zuletzt im Hinblick auf das Gehalt der Auszubildenden mit einer Lehre - in einem Lehrberuf - nicht vergleichbar. Dieser Beurteilung - gegen die sich die Revision nicht wendet, sondern dazu lediglich vorbringt, bei der Polizeigrundausbildung handle es sich nicht um eine Berufsausübung - ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten.

Tz 38 Wird somit die vom Sohn der Revisionswerberin absolvierte Polizeigrundausbildung nicht als "anerkanntes Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs. 1 lit. B FLAG angesehen, sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte gemäß § 5 Abs. 1 FLAG bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen und verringern mit dem im Kalenderjahr 2019 noch 10.000 € und danach 15.000 € übersteigenden Betrag den Anspruch auf Familienbeihilfe."

Im streitgegenständlichen Zeitraum Jänner und Feber 2023 bezog die Tochter der Bf. lt. Versicherungsdatenauszug Einkünfte in Höhe von jeweils € 2.103,40. Ungeachtet des Umstandes, dass der im § 5 Abs. 1 FLAG genannten Grenzbetrag von 15.000 € (noch) nicht erreicht wurde, forderte das FA aber die Familienbeihilfe (bzw. den Kinderabsetzbetrag) für diesen Zeitraum mit Bescheid vom rechtswidrig zurück.

Im Beschwerdefall wären aufgrund der gesetzlich angeordneten ex-post Betrachtung alle im Kalenderjahr 2023 fallenden Zeiten zu berücksichtigen gewesen. Erst dann wenn der Grenzbetrag von € 15.000 überschritten wird, verringert sich die Familienbeihilfe, die für ein Kind zu bezahlen ist, im betreffenden Kalenderjahr um den den Grenzbetrag übersteigenden Betrag.

Was das Vorbringen der Bf. betrifft, dass es sich beim Ausbildungsentgelt der Tochter um "Entschädigung aus einem anerkannten Lehrverhältnis" handelt, ist auf die obige höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, der zufolge dies nicht (mehr) der Fall ist. Die von der Bf. behauptete Verwaltungspraxis, wonach Eltern sämtlicher Mitaspiranten der Tochter die Familienbeihilfe bekämen, widerspricht der angeführten Judikatur. Es obliegt den jeweiligen Abgabenbehörden allfällige Verfahrensschritte zu setzen, um einen rechtmäßigen Rechtszustand herbeizuführen. Von einer Ungleichbehandlung kann daher keine Rede sein.

Der Verweis der Bf. auf § 236 BAO ("Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten") ist im Beschwerdefall obsolet bzw. ist generell darauf zu verweisen, dass für derartige Anträge die Abgabenbehörden zuständig sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenständlich war keine Rechtrage mehr zu beurteilen, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Ob eine Polizeischülerin ein Lehrling ist, ist nach nunmehr mehreren Erkenntnissen des VwGH (u.a. -3) geklärt.

Das Gehalt einer Polizeischülerin gilt daher nicht als Lehrlingsentschädigung. Es ist somit ex-post zu prüfen, ob das im Kalenderjahr zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des Kindes den Grenzbetrag von 15.000 € übersteigt.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 19 Abs. 1 Z 5 WG 2001, Wehrgesetz 2001, BGBl. I Nr. 146/2001
§ 10 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Grundausbildungsverordnung-BMF, BGBl. II Nr. 234/2023
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
§ 33 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 36 Abs. 1 HGG 2001, Heeresgebührengesetz 2001, BGBl. I Nr. 31/2001
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 21 Abs. 1 ZDG, Zivildienstgesetz 1986, BGBl. Nr. 679/1986
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
§ 5 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100344.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at