Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.03.2024, RV/7100082/2022

Keine Entlastung gemäß § 48 Abs. 5 BAO bei bloß wirtschaftlicher Doppelbesteuerung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100082/2022-RS1
Die Zulässigkeit einer Entlastungsmaßnahme gemäß § 48 BAO unter dem Gesichtspunkt des „Erfordernisses der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" wird von Lehre und Rechtsprechung bejaht, wenn eine „echte internationale Doppelbesteuerung“ vorliegt; worunter die Erhebung gleicher oder gleichartiger Steuern von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum verstanden wird ( mwN).
RV/7100082/2022-RS2
Mit seinem Beschluss vom , Ra 2021/15/0042, stellt der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich klar, dass die Annahme, dass eine bei zwei verschiedenen Steuerpflichtigen eingetretene Doppelbesteuerung ebenfalls von einer Maßnahme gemäß § 48 (nunmehr § 48 Abs. 5) BAO erfasst sei, im Widerspruch zu seiner ständigen Rechtsprechung zur Anwendung von § 48 (nunmehr § 48 Abs. 5) BAO steht, wonach die Zulässigkeit einer Entlastungsmaßnahme nach dieser Bestimmung unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung nur dann zu bejahen ist, wenn eine echte (also eine juristische) internationale Doppelbesteuerung vorliegt. Damit steht fest, dass die langjährige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zu § 48 BAO auch im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 5 BAO idF EU-FinAnpG 2019 Geltung behält.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Renate Schohaj und die weiteren Beisitzer Dr. Hans Blasina, Thomas Albrecht, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich, Mag. Andrea Prozek, Wirtschaftskammer Niederösterreich, im Beisein der Schriftführerin Nadine Bernold, in der Beschwerdesache ***1***, vertreten durch ***2***, über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen, GZ. 2020-0.850.411, vom , betreffend Abweisung eines Antrages auf Beseitigung der Doppelbesteuerung gemäß § 48 Abs. 5 BAO für die Jahre 2000 bis 2019, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am , zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Freistellung der Besteuerung gemäß § 48 Abs. 5 BAO der im Anhang zu ihrem Antrag angeführten Einkünfte in den Jahren 2000 bis 2019 in Österreich, in eventu die Anrechnung der liechtensteinischen Steuer in der Höhe von 1,409.508,25 CHF auf die österreichische Einkommensteuer der Bf.

Die Gesamtsumme der liechtensteinischen Steuer in der Höhe von 1,409.508,25 CHF stelle sich laut Beilage zum Antrag gemäß § 48 BAO wie folgt dar:


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Liechtenstein (CHF)
Steuer Pensionseinkünfte Ö
47.941,50
Steuer Leistungen AHV Liechtenstein
9.488,70
Vermögensbesteuerung ***3***
174.529,80
Steuer ***4***
76.967,20
Ertragsbesteuerung ***4***
4.800,00
Steuer Zuwendungen ***4***
-
Steuer ***3***
1,073.865,05
Ertragssteuer ***3***
21.916,00
SUMME
1,409.508,25

Das Einkommen der Bf. setze sich einerseits aus Pensionseinkünften in Österreich und Leistungen aus der AHV Liechtenstein sowie andererseits aus Einkünften/Zuwendungen der ***3*** Stiftung und der ***4*** Anstalt zusammen.

Die Doppelbesteuerung resultiere zum einen daraus, dass sowohl Österreich als auch Liechtenstein die abkommensrechtliche Ansässigkeit der Bf. für sich beansprucht und somit das Welteinkommen der Bf. besteuert habe. Zum anderen resultiere die Doppelbesteuerung aus dem Umstand, dass beide Staaten die von der Bf. gegründeten liechtensteinischen Stifung "***3*** Stiftung" bzw. die von der Bf. gegründete Anstalt "***4*** Anstalt" diametral einordneten. Während in Liechtenstein die ***3*** Stiftung als intransparent und die ***4*** Anstalt als transparent gesehen würden, ordne das Bundesfinanzgericht die ***3*** Stiftung als transparent und die ***4*** Anstalt als intransparent ein ().

Da die beiden Staaten das wirtschaftliche Eigentum am Stiftungs- bzw. Anstaltsvermögen unterschiedlichen Rechtsträgern zurechneten (entweder der Bf. oder der Struktur selbst), habe sich daraus zwingend eine (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung ergeben müssen.

Ein Verständigungsverfahren zwischen den zuständigen Behörden in Österreich und in Liechtenstein sei gescheitert (Schreiben der Steuerverwaltung des Fürstentums Liechtenstein vom sowie Schreiben des Bundesministers für Finanzen vom ).

Mit Bescheid vom wies der Bundesminister für Finanzen den Antrag auf Beseitigung der Doppelbesteuerung gemäß § 48 Abs. 5 BAO ab.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde verweist die Bf. zunächst auf die Aussagen von HR Zorn bei der SWI Jahrestagung zum Thema "Voraussetzungen für die Beseitigung der Doppelbesteuerung gemäß § 48 BAO", wonach auch Fälle der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung in den Anwendungsbereich von § 48 BAO fallen sollen.

Juristische Doppelbesteuerung liege vor, wenn "dieselben Einkünfte oder dasselbe Vermögen bei derselben Person durch mehr als einen Staat besteuert werden". Demgegenüber kann Doppelbesteuerung bereits im Fall der "Erhebung von Steuern […] durch zwei oder mehrere Mitgliedstaaten, in Bezug auf dasselbe steuerpflichtige Einkommen oder Vermögen" vorliegen. Mangels Bezugnahme auf dieselbe steuerpflichtige Person in der gesetzlichen Regelung des § 48 BAO (stattdessen: "Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen") sei jedenfalls davon auszugehen, dass die Entlastung gemäß § 48 Abs. 5 BAO auch Fälle der wirtschaftlichen Besteuerung umfassen müsse.

Betreffend das Argument des Bundesministers für Finanzen, wonach Voraussetzung für eine Entlastung gemäß § 48 Abs. 5 BAO eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Beziehungen zum anderen Staat sei, was das Vorliegen aktiver wirtschaftlicher Betätigungen voraussetze, wendet die Bf. ein, dass weder dem Gesetz noch den Bemerkungen zur Regierungsvorlage des § 48 BAO das Vorliegen einer aktiven wirtschaftlichen Betätigung als Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 48 BAO explizit oder implizit zu entnehmen sei.

Zu den im Rahmen des Ermessens gemachten Ausführungen des Bundesministers für Finanzen betreffend das steuerliche Wohlverhalten der Bf. weise die Bf. darauf hin, dass ihr abermals vorgeworfen werde, den Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG in Kauf genommen zu haben.

Die seitens des Bundesministers für Finanzen vorgetragenen Argumente betreffend die nicht erfolgte Offenlegung in Österreich könnten für den Selbstanzeigezeitraum 2000-2007 Berechtigung haben, nicht jedoch für die Zeiträume 2008-2019, da sowohl in Österreich als auch in Liechtenstein eine Offenlegung stattgefunden und der Bundesminister für Finanzen keine Differenzierung vorgenommen habe. Bei näherer Betrachtung wäre aber auch für die Jahre 2000-2007 im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen gewesen, dass die Nicht-Offenlegung der Einkünfte aus der ***3*** Stiftung bzw. der ***4*** Anstalt in Österreich dadurch erklärbar gewesen sei, dass die Bf. bei einer Ansässigkeit in Liechtenstein nach dem damaligen beschränkt steuerpflichtigen Steuerstatus in Österreich über das DBA Österreich Liechtenstein in Österreich keine Besteuerungshoheit für die Einkünfte aus den Strukturen gegeben gewesen wäre, weil keine grenzüberschreitenden Einkünfte Richtung Österreich vorgelegen seien.

Zur mangelnden Mitwirkung und beharrlicher Verweigerung von Auskünften zur Ansässigkeit wurde festgehalten, dass die Bf. im Verständigungsverfahren keinerlei Parteistellung, nicht einmal das Recht auf Akteneinsicht, und somit auch keinerlei Möglichkeit der Mitwirkung gehabt habe. Dass die Zuordnung der Belegenheit des Mittelpunktes der Lebensinteressen der Bf. nicht so einfach sei, sei dadurch bewiesen, als es im Verständigungsverfahren zwischen Österreich und Liechtenstein zwei Anläufe gegeben habe und der Standpunkt der Bf. jedenfalls vertretbar gewesen sei. Offenbar sei auch keiner der beiden Standpunkte der beiden Staaten so offenkundig unrichtig, da es im Verständigungsverfahren zu keiner Einigung gekommen sei. Der Umstand, dass sich die Bf. letztlich dem österreichischen Standpunkt habe beugen müssen, sei auf das Erkenntnis des , zurückzuführen. Der Bf. könne daher weder mangelnde Mitwirkung im Verfahren noch das Inkaufnehmen von Abgabenhinterziehung vorgeworfen werden.

Abschließend beantragte die Bf. die Entscheidung durch den Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am legte der Bundesminister für Finanzen die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Mit Eingabe vom replizierte die Bf. auf den Vorlagebericht des Bundesministers für Finanzen und bringt ergänzend vor, dass aufgrund der "Tie Breaker"-Regelung des Artikel 4 Abs. 2 DBA Österreich Liechtenstein eine Doppelbesteuerung vermieden werden sollte. Es liege somit nicht bloß ein "Zurechnungskonflikt", sondern zusätzlich ein "Ansässigkeitskonflikt" vor. Da die Bf. demnach - wie es § 48 Abs. 5 BAO fordere - der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterlegen sei, könne sogar von einer juristischen Doppelbesteuerung gesprochen werden.

Doch selbst bei gegenteiliger Ansicht sei auch die sogenannte wirtschaftliche Doppelbesteuerung von § 48 Abs. 5 BAO erfasst, da der Gesetzeswortlaut dahingehend keinerlei Einschränkungen enthalte. Der Gesetzgeber habe beim Wortlaut des § 48 Abs. 5 BAO mit "Abgabepflichtigen" bewusst die Mehrzahl verwendet und schließe damit bei einem Sachverhalt, welcher mehr als eine Person betrifft, eine unilaterale Entlastung von der Doppelbesteuerung nicht aus. Zudem orientiere sich die Auslegung des § 48 Abs. 5 BAO teleologisch an der international gängigen DBA-Praxis, die sich insbesondere im OECD Musterabkommen widerspiegle. Dieses sehe, genau wie das DBA Österreich Liechtenstein, Regelungen vor, die bloß auf die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung abzielten (vgl. Artikel 9 OECD-MA).

Vor diesem Hintergrund sei es im Schrifttum herrschende Ansicht, dass § 48 Abs. 5 BAO auch eine Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung bezwecke.

Stoll halte im Zusammenhang mit dem Erfordernis der internationalen Doppelbesteuerung ausdrücklich fest, eine Maßnahme nach § 48 Abs. 5 BAO könne auch bei bloß objektiver (unechter, wirtschaftlicher) Doppelbesteuerung (Besteuerung desselben Steuerobjekts bei verschiedenen Abgabepflichtigen) "erforderlich" sein, wenn in solchen Fällen des Fehlens der Subjektidentität der Belasteten ein DBA international üblicherweise für einen Besteuerungsausgleich (eine Entlastung) sorgen würde (Stoll, BAO I 510 zu § 48 = Stoll/Bramerdorfer, FJ-Sonderbeilage zu FJ 7-8/2009, § 48 Tz 35, jeweils mit Hinweis auf Loukota in FS Stoll 411).

In der Neukommentierung von § 48 BAO würden Stoll/Bramerdorfer weiter ausführen, dass auch Fälle unechter (wirtschaftlicher) Doppelbesteuerung unter den Wortlaut des § 48 Abs. 5 BAO zu subsumieren seien. Dies gelte in jenen Fällen, in denen der ausländische Staat Einkünfte zwar formal auf einer anderen Ebene (zB. auf Ebene der ausschüttenden Gesellschaft und nicht auf der Ebene der Anteilseigner) besteuere oder diese Einkünfte rechtstechnisch in anderer Weise erfasse. Letztlich werde damit die Frage nach dem "Steuergut" ausländischer Steuern angesprochen, somit die Frage, wer mit einer bestimmten ausländischen Steuer belastet werden soll. Diese Frage setze jedoch nicht nur ein exaktes, sondern auch ein teleologisches Verständnis des ausländischen Steuerrechts voraus. Bei einem derartig weiten (materiellen) Verständnis des Doppelbesteuerungsbegriffes würde ein Vorteil, der sonst für das Anknüpfen an die echte (juristische) Doppelbesteuerung mit seinen formalen Merkmalen postuliert wird, aufgegeben. Dahinter stehe die allgemeine Frage, welche Bedeutung dem Begriff der "Steuerobjektidentität" im Rahmen des allgemeinen Doppelbesteuerungsbegriffs zukommt. Als Steuerobjekt sei nicht die sachliche Seite des Steuertatbestandes (Steuerobjekt im juristischen Sinn), sondern die Quelle wirtschaftlicher Leistungskraft (Steuerobjekt im finanzwirtschaftlichen Sinn) zu verstehen.

Diese Ansicht überzeuge, weil es für eine Entlastung des Steuerpflichtigen von der Doppelbesteuerung nach § 48 Abs. 5 BAO ansonsten lediglich auf die zufällige, formale Ausgestaltung des ausländischen Rechts ankäme; darauf wie die Steuersubjekteigenschaft und die Zurechnung von Einkünften nach aus ausländischem Recht beurteilt werde und inwieweit dies mit dem österreichischem Recht übereinstimme, habe der Steuerpflichtige jedoch keinen Einfluss. Treffend halte in diesem Sinne auch Kofler fest, dass eine solche, letztlich auf die Rechtstechnik der Besteuerung abstellende Einschränkung, dem Wortlaut und dem Telos des § 48 Abs. 5 BAO nicht zu entnehmen sei.

Nichts Gegenteiliges könne der Literaturmeinung von HR Zorn und dem dort behandelten Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes entnommen werden. Die entscheidenden Unterschiede der beiden Fälle würden darin liegen, dass in dem Sachverhalt, der dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde gelegen sei, im Zeitpunkt der Beantragung des Verständigungsverfahrens sowie der Stellung des Antrages nach § 48 BAO gar kein Steuersubjekt mehr vorhanden gewesen sei, während im streitgegenständlichen Fall sich die Bf. der von den beiden Staaten angenommenen Ansässigkeit letztlich nicht mehr habe entziehen können.

Des Weiteren habe der Verwaltungsgerichtshof lediglich festgehalten, dass die Zulässigkeit einer Entlastungsmaßnahme nach § 48 Abs. 5 BAO unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung zu bejahen sei, wenn eine juristische Doppelbesteuerung vorliege; damit werde aber eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vom Anwendungsbereich des § 48 Abs. 5 BAO nicht gleichzeitig ausgeschlossen. Im Gegenteil habe der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Frage nicht Gegenstand der Entscheidung sei und damit völlig offengelassen.

Zur Ermessensübung wurde ausgeführt, dass die Nicht-Entlastung der Bf. von der Doppelbesteuerung höchst unbillig wäre, da sich bei den Pensionseinkünften sowie den Leistungen der AHV eine effektive Steuerbelastung von nahezu 60% ergäbe.

Das steuerliche Wohlverhalten eines Steuerpflichtigen dürfe im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 48 Abs. 5 BAO nicht gewürdigt werden. Vielmehr handle es sich dabei um typische Gesichtspunkte, die im Rahmen einer Nachsicht zu würdigen seien. Zudem diene die Offenlegung ja gerade der Bereinigung der Vergangenheit und sei die Nicht-Offenlegung dadurch erklärbar, weil damals von einer Ansässigkeit in Liechtenstein (Mittelpunkt der Lebensinteressen) ausgegangen worden sei und etwaige Besteuerungsansprüche Österreichs nach der damaligen Einschätzung ausgeschlossen gewesen wären.

Die Zweckmäßigkeit müsse im Rahmen der Ermessensentscheidung betreffend § 48 Abs. 5 BAO zwangsläufig in den Hintergrund treten, weil dessen Ziel und Zweck es ja gerade sei, eine Doppelbelastung zu beseitigen.

Abschließend wurde darauf hingewiesen, dass durch den Zurückweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom die Schlussfolgerungen des BFG bezüglich der Behandlung der ***4*** Anstalt als steuerlich intransparent nicht - so wie im Vorlagerbericht dargestellt - inhaltlich "Bestätigung gefunden" hätten. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich inhaltlich überhaupt nicht mit der Frage der Transparenz/Intransparenz der ***4*** Anstalt befasst; vielmehr habe der VwGH die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zurückgewiesen.

In der am vor dem Bundesfinanzgericht abgehaltenen mündlichen Verhandlung legte der steuerliche Vertreter der Bf. eine Zusammenfassung vor, welche dem ergänzenden Vorbringen zum Vorlageantrag vom entspricht.

Seitens der belangten Behörde wird eine Stellungnahme vorgelegt, welche ebenfalls die im Abweisungsbescheid bzw. im Vorlagebericht vorgetragenen Argumente zusammenfasst.

Beide Schriftstücke werden zum Akt genommen.

Der steuerliche Vertreter repliziert auf die Stellungnahme der Behördenvertreterin dahingehend, als er vorbringt, dass es nach dem OECD Musterabkommen nur einen einzigen Mittelpunkt der Lebensinteressen geben könne.

Zum Wohlverhalten der Bf. wurde des Weiteren ausgeführt, dass die Bf. lediglich eine in eventu Selbstanzeige verfasst habe und von ihrer Ansässigkeit in Liechtenstein ausgegangen sei. Des Weiteren betreffe die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Wohlverhalten die Nachsicht gemäß § 236 BAO.

Betreffend die Mitwirkungsverpflichtung der Bf. sei alles vorgelegt worden, was dem Verfahren hilfreich gewesen sei.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Das Einkommen der Bf. in den Streitjahren setzt sich jeweils aus Pensionseinkünften in Österreich und Leistungen aus der der DHV Liechtenstein sowie aus Einkünften aus der ***3*** Stifung bzw. ***4*** Anstalt zusammen.

Die Bf. hat bezüglich Einkommensteuer 1999 bis 2006 und Schenkungssteuer 1999, 2000, 2004 und 2006 betreffend die von der Bf. gegründete liechtensteinische Stiftung "***3*** Stiftung" bzw. bezüglich Einkommensteuer 1994 bis 2006 und Schenkungssteuer 1994 betreffend die von der Bf. gegründete "***4*** Anstalt" Selbstanzeigen eingebracht. Damit wurde die Abgabenbehörde erstmals von der Gründung der Stiftung bzw. Anstalt in Liechtenstein, ohne die Erträge aus der Anstalt bzw. Stiftung in ihren Abgabenerklärungen gegenüber der Abgabenbehörde offengelegt zu haben, in Kenntnis gesetzt. In seinem Erkenntnis vom , RV/1100089/2012, führte das Bundesfinanzgericht aus, dass die Abgabenbehörde "vorsätzlich im Dunkeln gelassen wurde" und "der Tatbestand einer Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG in Kauf genommen wurde".

Darüber hinaus stellte das Bundesfinanzgericht die abkommensrechtliche Ansässigkeit der Bf. in Österreich fest, qualifizierte die ***3*** Stiftung als steuerlich transparent und rechnete die Einkünfte daraus der Bf. zu. Die ***4*** Anstalt wurde seitens des Bundesfinanzgerichts Feldkirch als steuerlich intransparent und daher als Zuwendung behandelt. In Liechtenstein hingegen wurde die ***3*** Stiftung als steuerlich intransparent und die ***4*** Anstalt als steuerlich transparent behandelt, was zu einer Besteuerung der Anstalt in Liechtenstein führte.

Die Revision zur Frage der Qualifikation der ***4*** Anstalt als steuerlich intransparent wurde vom Verwaltungsgerichtshof mangels Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom , Ra 2016/15/0062) zurückgewiesen.

Da sowohl Österreich als auch Liechtenstein die DBA-rechtliche Ansässigkeit der Bf. für sich beanspruchten, ergab sich eine Doppelbesteuerung.

Ein Verständigungsverfahren zwischen den zuständigen Behörden in Österreich und in Liechtenstein scheiterte.

Die Doppelbesteuerung resultiert aus drei Problembereichen: 1) Frage der Ansässigkeit der Bf. 2) Qualifikation der ***3*** Stiftung als transparent oder intransparent 3) Qualifikation der ***4*** Anstalt als transparent oder intransparent.

Die Bf. beantragte die Freistellung der liechtensteinischen Steuer in der Höhe von 1,409.508,25 CHF gemäß § 48 Abs. 5 BAO.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 48 Abs. 5 BAO kann der Bundesminister für Finanzen bei Abgabepflichtigen, die der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegen, soweit dies zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist, anordnen, bestimmte Gegenstände der Abgabenerhebung ganz oder teilweise aus der Abgabepflicht auszuscheiden oder ausländische, auf solche Gegenstände entfallende Abgaben ganz oder teilweise auf die inländischen Abgaben anzurechnen.

Die Notwendigkeit einer derartigen unilateralen Maßnahme ist auch im Geltungsbereich internationaler Doppelbesteuerungsabkommen nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. ).

Die Bestimmung des § 48 Abs. 5 BAO gestattet unter der Voraussetzung, dass der Abgabepflichtige der Abgabenhoheit mehrerer Staaten unterliegt, die Anordnung bestimmter steuerlicher Entlastungsmaßnahmen, soweit dies

- zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung oder

- zur Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung erforderlich ist.

Diese Kriterien stellen die Rechtsvoraussetzungen der Entsteuerung nach § 48 Abs. 5 BAO dar; daneben vermitteln sie durch die Formulierung der mit der Regelung verfolgten Ziele die Leitlinien für die Ausübung des durch die Vorschrift eingeräumten Ermessens.

Die Zulässigkeit einer Entlastungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt des "Erfordernisses der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" wird von Lehre und Rechtsprechung bejaht, wenn eine "echte internationale Doppelbesteuerung" vorliegt; worunter die Erhebung gleicher oder gleichartiger Steuern von demselben Steuerpflichtigen für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum verstanden wird (vgl. das schon angeführte Erkenntnis des mwN).

Eine derartige "echte internationale Doppelbesteuerung" liegt im Beschwerdefall nicht vor.

Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Erhebung gleicher oder gleichartiger Steuern von ein- und demselben Steuerpflichtigen Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 48 Abs. 5 BAO ist, implizieren eine Identität des Abgabepflichtigen gemäß § 77 BAO. Im Hinblick darauf, dass es im Beschwerdefall aufgrund der unterschiedlichen Qualifikation der Rechtsträger ***3*** Stiftung (welche in Österreich als steuerlich transparent behandelt wurde und daher eine Zurechnung der Einkünfte an die Bf. erfolgte, während sie in Liechtenstein als steuerlich intransparent behandelt wurde) und der ***4*** Anstalt (welche in Österreich als steuerlich intransparent behandelt und daher als Zuwendung behandelt wurde, während sie in Liechtenstein als steuerlich transparent behandelt wurde und eine Besteuerung der Anstalt erfolgte) als transparent bzw. intransparent durch die Behörden in Österreich und in Liechtenstein zur Besteuerung auf unterschiedlichen Ebenen (auf Ebene der Gesellschafter bzw. auf Ebene der Gesellschaft) kam, mangelt es hier bereits an der vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Subjektidentität.

Dadurch, dass beide Staaten das wirtschaftliche Eigentum am Stiftungs- bzw. Anstaltsvermögen unterschiedlichen Rechtsträgern zurechneten, kam es - wie die Bf. in ihrem Antrag gemäß § 48 BAO zutreffend ausführt - bei den Einkünften/Zuwendungen der ***3*** Stiftung und der ***4*** Anstalt zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung.

Soweit die Bf. ihr Begehren auf die Überlegung stützt, dass mangels Bezugnahme auf dieselbe steuerpflichtige Person in der gesetzlichen Regelung des § 48 BAO jedenfalls davon auszugehen sei, dass die Entlastung gemäß § 48 Abs. 5 BAO auch Fälle bloß "wirtschaftlicher" Doppelbesteuerung (Besteuerung bei unterschiedlichen Steuersubjekten) umfassen müsse und daher unter den Wortlaut des § 48 Abs. 5 BAO zu subsumieren sei, zeigt sie damit keine echte internationale Doppelbesteuerung im Sinne der langjährigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf (vg. zB. ; ).

Vielmehr stellt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom , Ra 2021/15/0042, abermals ausdrücklich klar, dass die Annahme, dass eine bei zwei verschiedenen Steuerpflichtigen eingetretene Doppelbesteuerung ebenfalls von einer Maßnahme gemäß § 48 (nunmehr § 48 Abs. 5) BAO erfasst sei, im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendung von § 48 (nunmehr § 48 Abs. 5) BAO steht, wonach die Zulässigkeit einer Entlastungsmaßnahme nach dieser Bestimmung unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung nur dann zu bejahen ist, wenn eine echte (also eine juristische) internationale Doppelbesteuerung vorliegt (vgl. Kanduth-Kristen in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht2 (2019), 173, unter Hinweis auf ; , 95/15/0043).

Auch wenn die Frage juristischer oder wirtschaftlicher Doppelbesteuerung aufgrund der eingeschränkten Zulässigkeitsbegründung nicht eigentlicher Revisionsgegenstand gewesen ist, fand es das Höchstgericht im Hinblick darauf, dass das Bundesfinanzgericht vermeintlich eine Änderung der Rechtsprechung entdeckt zu haben glaubte, dennoch wesentlich, darauf hinzuweisen, dass die langjährige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 48 BAO auch im Anwendungsbereich des § 48 Abs. 5 BAO idF EU-FinAnpG 2019 Geltung behält.

Diese Ansicht kann ganz klar auch dem Fachartikel von Univ. Prof. Dr. Nikolaus Zorn mit dem Titel "VwGH: § 48 Abs. 5 BAO nur bei juristischer Doppelbesteuerung" (Zorn, RdW 2021, 592f) entnommen werden. Wenn die Bf. auf entscheidende Unterschiede im Sachverhalt zwischen den beiden Fällen hinweist, ist dem entgegenzuhalten, dass Sachverhaltsunterschiede gerade deshalb keinerlei Rolle spielen, weil die seitens des Verwaltungsgerichtshofes ganz allgemein gehaltene Aussage zur Erforderlichkeit einer juristischen Doppelbesteuerung nicht in Zusammenhang mit den seitens des Revisionswerbers vorgetragenen Rechtsfragen iSd. Artikel 133 Abs. 4 B-VG gestanden ist.

Neben den Einkünften/Zuwendungen der ***3*** Stiftung und der ***4*** Anstalt bezieht die Bf. Pensionseinkünfte in Österreich und Leistungen aus der AHV Liechtenstein. Für diese Einkünfte ist das Vorliegen einer echten juristischen Doppelbesteuerung zu prüfen.

Der Gesetzeswortlaut des § 48 Abs. 5 BAO setzt eindeutig voraus, dass die unilaterale Entlastungmaßnahme erforderlich ist. Der Begriff ist restriktiv; nicht erfasst sind demnach Fälle, in denen Maßnahmen gemäß § 48 Abs. 5 BAO einer "Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung" lediglich dienlich sind. Übereinstimmend mit dem Wortlaut soll entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers § 48 Abs. 5 BAO nur subsidiär (bei Fehlen anderer Möglichkeiten) zur Anwendung kommen.

Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ro 2018/15/0025, bestätigt, dass das Verfahren nach § 48 Abs. 5 BAO nicht dazu dient, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Berufungen bzw. Bescheidbeschwerden) nachzuholen.

In diesem Zusammenhang ist für den vorliegenden Beschwerdefall festzuhalten, dass im Hinblick auf die Zurechnung der Pensionseinkünfte der Bf. weder ein Verständigungsverfahren geführt noch die Beantwortung dieser Frage gerichtlich im Rahmen einer Bescheidbeschwerde geltend gemacht wurde. Des Weiteren wurden auch nicht für alle vom Verständigungsverfahren gedeckten Jahre 2000 bis 2013 Rechtsmittel gegen die seitens der Abgabenbehörde erlassenen Einkommensteuerbescheide (sondern lediglich 2000 bis 2007) erhoben.

Im Übrigen hat die Bf. weder nachgewiesen, in Liechtenstein Rechtsmittel gegen die (aus österreichischer Sicht) unrechtmäßige liechtensteinische Besteuerung erhoben noch eine unilaterale Entlastungsmaßnahme in Liechtenstein angestrebt zu haben. In Ermangelung des Versuches, eine Lösung des Besteuerungskonfliktes herbeizuführen, ist somit der in § 48 Abs. 5 BAO geforderten Erforderlichkeit einer unilateralen Entlastung nicht entsprochen worden.

Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, wenn sie davon ausgeht, dass eine Entlastungsmaßnahme nach § 48 Abs. 5 BAO nicht als erforderlich gilt, soweit die Entlastung im Festsetzungsverfahren (insbesondere im Beschwerdeverfahren) hätte erfolgen können.

Die Erlassung von auf § 48 Abs. 5 BAO gestützten Begünstigungsbescheiden stellt es darüber hinaus in das Ermessen des Bundesministers für Finanzen, die dort vorgesehene Entsteuerung anzuordnen (vgl. ).

Selbst für den Fall, dass man im vorliegenden Beschwerdefall die Rechtsvoraussetzungen des § 48 Abs. 5 BAO für gegeben erachten würde, und zwar sowohl das Erfordernis der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung als auch jenes der Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung, fällt die Ermessensentscheidung negativ aus.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 95/15/0043, zum Ausdruck gebracht hat, sind die Kriterien der Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung einerseits und der Erzielung einer den Grundsätzen der Gegenseitigkeit entsprechenden Behandlung andererseits Leitlinien für die Ausübung des durch § 48 Abs. 5 BAO eingeräumten Ermessens.

Die Ermessensentscheidung muss sich nach § 20 BAO in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei wird dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beigemessen (vgl. ).

Das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben kann nicht nur im Interesse an der Erlangung finanzieller Mittel bestehen. Das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben kann vielmehr auch zu bejahen sein, wenn öffentliche Rücksichten den Verzicht auf die Einbringung nicht rechtfertigen lassen ().

Dem § 48 BAO liegt erkennbar (auch) die Zielsetzung zugrunde, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und anderen Staaten dadurch zu erleichtern, dass die inländische steuerliche Belastung in Fällen von Auslandsbeziehungen gemildert (oder beseitigt) wird.

Das berechtigte Interesse der Partei im Sinne des aufgezeigten Billigkeitsmomentes (§ 20 BAO) ist im Interesse der Steuerpflichtigen an der Entsteuerung zu sehen. Dieses berechtigte Interesse der Partei schlägt aber dann nicht durch, wenn das öffentliche Anliegen einer Einbringung der Abgabe im Sinne des Zweckmäßigkeitsmomentes überwiegt ( mwN).

Im vorliegenden Fall stützt sich das Begehren der Bf. auf einen Ausgleich der in- und ausländischen Besteuerung. Begründend wird dazu ausgeführt, dass der Sinn und Zweck der Bestimmung des § 48 Abs. 5 BAO darin zu sehen sei, auf rein unilateraler nationaler Ebene die Doppelbesteuerung, in welcher eine unbillige Härte zu sehen sei, zu beseitigen. Die Zweckmäßigkeit müsse im Rahmen der Ermessensentscheidung daher zwangsläufig in den Hintergrund treten.

Dazu ist festzustellen, dass die wirtschaftliche Doppelbesteuerung zweifellos einen gewissen Grad an Unbilligkeit in sich birgt. Dennoch kann die Auslegung der Ermessensgrenzen nicht dahingehend erfolgen, dass aufgrund der Unbilligkeit jeglicher Doppelbesteuerung das Ermessen nur stattgehend ausgeübt werden darf, ohne auf die konkreten Umstände der Doppelbesteuerung einzugehen.

Selbst wenn die Erlassung eines auf § 48 Abs. 5 BAO gestützten Begünstigungsbescheides im vorliegenden Fall zwar billig sein möge, widerspräche sie doch dem Zweckmäßigkeitsmoment. Dies deshalb, weil die Bf. durch Konstruktionen zur Steuerumgehung selbst maßgeblich zu den, den vorliegenden Antrag gemäß § 48 Abs. 5 BAO auslösenden, Abgabennachforderungen und somit zur Entstehung einer Doppelbesteuerung beigetragen hat. Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, wenn sie ausführt, dass es nicht im öffentlichen Interesse liegt, einen Anreiz dafür zu schaffen, komplizierte Steuerplanungs- und Umgehungsstrukturen mit dem Ziel der Verschleierung von Kapitaleinkünften aufzusetzen, um diese Einkünfte in der Folge über den Weg von Selbstanzeigen kombiniert mit der Entlastung gemäß § 48 Abs. 5 BAO in Österreich von der Besteuerung freizustellen. Vielmehr kann ein Abgabepflichtiger in einem solchen Fall nicht mit einer auf § 48 Abs. 5 BAO gestützten einseitigen Entlastungsmaßnahme rechnen.

Darüber hinaus hat es die Bf. im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht zu RV/1100089/2012 verabsäumt, Beweismittel zum Nachweis und zur Begründung ihrer Ansässigkeit in Liechtenstein zu präsentieren (Zeugen, Mietvertrag oder Kaufvertrag hinsichtlich eines Wohnsitzes in Liechtenstein) und auch dadurch - unter Verletzung ihrer im Hinblick auf den Auslandssachverhalt erhöhten Mitwirkungsverpflichtung - letztlich zur Entstehung der Doppelbesteuerung beigetragen. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht, wonach alle Unterlagen vorgelegt worden seien, die für das Verfahren hilfreich waren. Wäre dies tatsächlich der Fall gewesen, hätte es zu einer eindeutigen Klärung der strittigen Frage der Ansässigkeit der Bf. kommen müssen.

Auch wenn die Bf. im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vorbringt, im Verständigungsverfahren keinerlei Parteistellung gehabt zu haben, so wäre es doch möglich gewesen, die bereits im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht zu RV/1100089/2012 nicht vorgelegten Nachweise zur Untermauerung ihrer Ansässigkeit (entweder in Österreich oder in Liechtenstein) zumindest im Verständigungsverfahren beizubringen.

Wenn die Bf. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht vorbringt, von einer Ansässigkeit in Liechtenstein ausgegangen zu sein und etwaige Besteuerungsansprüche Österreichs gänzlich ausgeschlossen zu haben, erscheint es dem Bundesfinanzgericht unverständlich, warum seitens der Bf. nicht gegen alle vom Verständigungsverfahren betroffenen Jahre 2000 bis 2013 Rechtsmittel gegen die seitens der Abgabenbehörde erlassenen Einkommensteuerbescheide erhoben wurden. Im Rahmen dieser Rechtsmittelverfahren hätte die Bf. ausreichend Gelegenheit gehabt, entsprechende Nachweise für eine Ansässigkeit in Liechtenstein oder eine Ansässigkeit in Österreich vorzulegen und damit einen Ansässigkeitskonflikt zu vermeiden.

Die Nichtvorlage von Beweismitteln zum Nachweis der Ansässigkeit der Bf. in Liechtenstein, die mangelnde Mitwirkung der Bf. im Verständigungsverfahren sowie die mangelnde Erhebung von Rechtsmitteln müssen jedenfalls in die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände im Rahmen der Ermessenentscheidung einfließen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall ausgeführt hat, dient das Verfahren nach § 48 Abs. 5 BAO nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Berufungen bzw. Bescheidbeschwerden) nachzuholen (). Die Bf. hat ihren Antrag nach § 48 Abs. 5 BAO aber gar nicht mit der Rechtswidrigkeit der Feststellung ihrer Ansässigkeit in Österreich begründet. Vielmehr hat sie ihren Antrag darauf gestützt, dass die Doppelbesteuerung nicht lediglich aus der unterschiedlichen Zurechnung von Einkünften ("Zurechnungskonflikt"), sondern insbesondere daraus rühre, dass beide involvierten Staaten die abkommensrechtliche Ansässigkeit der Bf. für sich beanspruchten ("Ansässigkeitskonflikt").

Geht man daher - wie die Bf. in ihrer Beschwerde - von einem Ansässigkeitskonflikt aus, wäre es Aufgabe der Bf. gewesen, im Verfahren dazulegen, aus welchen - im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigenden - Gründen nicht von vornherein am Verfahren mitgewirkt und zur Aufklärung des strittigen Sachverhaltes, insbesondere der für die Doppelbesteuerung kausalen Frage der Ansässigkeit der Bf. durch Vorlage entsprechender Nachweise beigetragen wurde. Soweit die Bf. diesbezüglich ihren physischen und psychischen Gesundheitszustand ins Treffen führt ist dieses Argument im Hinblick darauf, dass die Bf. während aller Verfahren steuerlich vertreten war, nicht zur Rechtfertigung ihrer fehlenden Mitwirkungsbereitschaft geeignet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes tritt bei Begünstigungstatbeständen - dazu gehören auch Maßnahmen nach § 48 Abs. 5 BAO - die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabepflichtige hat also selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (, mwN).

Dies hat die Bf. unterlassen, obwohl der Bundesminister für Finanzen seinen Abweisungsbescheid auch darauf gestützt hat, dass der Sachverhalt das Vorliegen außergewöhnlicher - im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigender - Umstände nicht erkennen lasse.

Aus den dargelegten Gründen ist auch im Rahmen des Ermessens keine unilaterale Entlastung gemäß § 48 Abs. 5 BAO zu gewähren.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da es zur Frage, ob neben echter internationaler Doppelbesteuerung auch bloß wirtschaftliche Doppelbesteuerung die Voraussetzungen für Maßnahmen gemäß § 48 Abs. 5 BAO erfüllt, keine ausdrückliche höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt, ist die Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 4 DBA FL (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 24/1971
§ 48 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
Orzechowski-Zölzer in BFGjournal 2024, 177
Lang in SWI 2024, 228
Rosenberger/Bendlinger in SWK 13-14/2024, 602
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100082.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at