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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.02.2024, RV/4100250/2023

Neuerlicher Antrag auf Familienbeihilfe für einen Polizeischüler

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Walter Suppan, Alter Platz 24 Tür I, 9020 Klagenfurt/Wörthersee,

I.

den Beschluss gefasst:

Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs.4 lit.e iVm § 260 Abs.1 lit.a BAO als unzulässig eingebracht zurückgewiesen.

II.

über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens zu Recht erkannt:

1.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Zurückweisung des Antrages vom wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

2.

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs.1 BAO wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Zu den Spruchpunkten I. und II.:

Am beantragte die Beschwerdeführerin (Bf) mit dem Formular Beih 100 die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren am ***1*** 1998 geborenen Sohn ***2***. Beigefügt war ein Sonderdienstvertrag der Landespolizeidirektion Kärnten für die exekutivdienstliche Ausbildung von ***3*** bis ***4***.

Mit Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg vom wurde der Antrag der Bf auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für den Zeitraum ***3*** bis ***4*** abgewiesen. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Am beantragte die Bf mit dem Formular Beih 100 neuerlich die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren Sohn ***2*** von ***3*** bis ***4***.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag der Bf auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für den Zeitraum von ***3*** bis ***4*** zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei zurückzuweisen, da die Abgabenbehörde in ein und derselben Sache bereits rechtskräftig entschieden habe (Abweisungsbescheid vom ). Eine Aufhebung des Bescheides gemäß § 299 Abs.1 BAO sei infolge Fristablaufes nicht mehr möglich.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des VwGH der Grundausbildungslehrgang für die exekutivdienstliche Ausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs.1 lit.b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) darstelle. Die Bf beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Gleichzeitig stellte die Bf einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde trotz eines aufrechten Vertretungsverhältnisses mit Zustellvollmacht der Bf persönlich zugestellt.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs.1 BAO abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorliegen würden, es handle sich lediglich um eine Änderung der rechtlichen Beurteilung. Der Bescheid wurde trotz eines aufrechten Vertretungsverhältnisses mit Zustellvollmacht der Bf persönlich zugestellt.

Mit Eingaben vom teilte der Vertreter der Bf mit, dass die Beschwerdevorentscheidung und der Bescheid vom an die Bf persönlich zugestellt wurden und eine Nichtigkeit des Zustellvorganges vorliege. Aus Gründen der Vorsicht stellte der Vertreter einen Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom bzw. brachte eine Beschwerde gegen den Bescheid vom ein.

Auf Nachfrage des Finanzamtes Österreich vom ob ihm die Schriftstücke mittlerweile zugekommen sind, teilte der rechtsfreundliche Vertreter der Bf mit Schriftsatz vom mit, dass ihm weder die Beschwerdevorentscheidung noch der Bescheid zugestellt worden seien.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens auf Gewährung der Familienbeihilfe zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, die Entscheidung müsse wegen Nichtigkeit aufgehoben werden, ein Hinweis, der angefochtene Bescheid sei mangels Zustellung rechtlich nicht existent geworden, sei nicht ausreichend.

Zu Spruchpunkt II.1.:

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom als unbegründet abgewiesen. Die Zustellung erfolgte an den Rechtsvertreter der Bf. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab ***3*** wegen entschiedener Sache abzuweisen sei.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Zu Spruchpunkt II.2.:

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs.1 BAO abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine nachträglich ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung keinen Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 303 BAO darstellen würde.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde eine inhaltliche Überprüfung unterlassen hat, weil noch nicht die erforderlichen Bildungsrichtlinien und Lehrpläne vorgelegen hätten. Es gebe also neue Tatsachen und Beweismittel, die zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens führen. Die Bf beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Bereits am erließ das Finanzamt Österreich irrtümlicherweise neuerlich einen Bescheid, mit dem der Antrag vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs.1 BAO abgewiesen wurde. Auch gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde vom gegen die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung nicht nachträglich im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien höchstgerichtliche Erkenntnisse keine Tatsachen im Sinne dieser Gesetzesbestimmung.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Zu den Spruchpunkten I. und II.:

In der mündlichen Verhandlung vom verwies der Vertreter der Bf auf sein bisheriges Vorbringen, die Vertreterin des Finanzamtes Österreich verwies neuerlich darauf, dass in der Sache bereits "res iudicata" vorliegt und die Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keinen Wiederaufnahmegrund darstellt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Zu den Spruchpunkten I. und II.:

Der am ***1*** 1998 geborene Sohn der Bf, ***2***, absolvierte vom ***3*** bis ***4*** den Polizeigrundausbildungslehrgang.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf mit dem Formular Beih 100 die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren Sohn ***2*** ab ***3*** und legte den Sondervertrag für die exekutivdienstliche Ausbildung bei.

Mit Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg vom wurde der Antrag der Bf auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren Sohn für den Zeitraum ***3*** bis ***4*** abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Polizeigrundausbildung stelle eine Berufsausübung und keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG dar. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/16/0039, wurde bei Polizeischülern das Vorliegen einer Berufsausbildung und keiner Berufsausübung grundsätzlich bejaht.

Zu Spruchpunkt I.:

Am beantragte die Bf mit dem Formular Beih 100 neuerlich die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren am ***1*** 1998 geborenen Sohn ***2*** von ***3*** bis ***4***.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag der Bf auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren Sohn ***2*** für den Zeitraum von ***3*** bis ***4*** zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom Beschwerde erhoben.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Österreich vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdevorentscheidung wurde trotz eines aufrechten Vertretungsverhältnisses der Bf persönlich zugestellt und ist dem Vertreter nicht zugekommen.

Mit Eingabe vom teilte der Vertreter der Bf mit, dass die Beschwerdevorentscheidung vom an die Bf persönlich zugestellt wurde und eine Nichtigkeit des Zustellvorganges vorliege. Aus Gründen der Vorsicht stellte beantragte der Vertreter dennoch die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Zu Spruchpunkt II.1.:

Am beantragte die Bf mit dem Formular Beih 100 neuerlich die Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren am ***1*** 1998 geborenen Sohn ***2*** von ***3*** bis ***4***.

Mit Bescheid des Finanzamtes Österreich vom wurde der Antrag der Bf auf Zuerkennung von Familienbeihilfe für ihren Sohn ***2*** für den Zeitraum von ***3*** bis ***4*** zurückgewiesen.

Zu Spruchpunkt II.2.:

Mit Eingabe vom stellte die Bf einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 303 Abs.1 BAO. Begründend wurde im Antrag und in der Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des -6, ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des VwGH der Grundausbildungslehrgang für die exekutivdienstliche Ausbildung eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs.1 lit.b FLAG darstelle. Die Basisausbildung sei durch einen Lehrplan mit Stundentafel geregelt und bestehe aus theoretischen Unterweisungen, Übungen und Arbeiten. Wenn Behörden in österreichischen Bundesländern zu verschiedenen Auffassungen gekommen seien, liege dies daran, dass man zum Teil eine inhaltliche Überprüfung unterlassen hat, weil eben noch nicht die erforderlichen Bildungsrichtlinien und Lehrpläne vorgelegen hätten. Dies sei jedoch nun der Fall. Es gebe also dazu neue Tatsachen und Beweismittel.

Die Grundausbildung für den Exekutivdienst ist in der Grundausbildungsverordnung-Exekutivdienst BMI des Bundesministers für Inneres, BGBl.II vom , geregelt. Der Lehrplan und die Mindeststundenanzahl für die Polizeigrundausbildung sind in der Anlage 1 festgelegt.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs.1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Österreich vorgelegten Verwaltungsakten. Dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/16/0039-6, liegt die Grundausbildungsverordnung-Exekutivdienst BMI des Bundesministers für Inneres, BGBl.II vom , zu Grunde. Der Sachverhalt ist unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs.1 lit.b FLAG haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 10 Abs.1 FLAG wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

Gemäß § 13 FLAG hat über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe das Finanzamt Österreich zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 260 Abs.1 lit.a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Gemäß § 264 Abs.4 lit.e BAO ist für Vorlageanträge § 260 Abs.1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 9 Abs.3 Zustellgesetz (ZustellG) hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten zugekommen ist.

Die Bevollmächtigung des Rechtsvertreters der Bf erfolgte durch die Berufung auf die Vollmacht (§ 8 Abs.1 Rechtsanwaltsordnung). Die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom erfolgte an die Bf und nicht an deren Rechtsvertreter. Die Beschwerdevorentscheidung ist dem Zustellungsbevollmächtigten nicht zugekommen, die bloße Kenntnis des Inhaltes des Schriftstückes durch den Bevollmächtigten reicht nicht aus (Ritz, Bundesabgabenordnung § 7 Rz.7 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es erfolgte daher keine Heilung des Zustellmangels nach § 7 ZustellG.

Mangels wirksamer Zustellung konnte keine Rechtsmittelfrist ausgelöst werden. Der eingebrachte Vorlageantrag ist somit als unzulässig eingebracht zurückzuweisen.

Zu Spruchpunkt II.1.:

Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. , 0275). Unter Rechtskraft im materiellen Sinn ist die Unwiderrufbarkeit und die Unwiederholbarkeit des Bescheides zu verstehen (vgl. ).

Grundsätzlich darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 26 Rz 3). Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 13 Rz 25; ).

Liegt ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor, ist auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (vgl. ; ; ; u.v.a.).

In seinem Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt:

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich , und ). Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), liegt durch den ersten Bescheid res iudicata vor. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird.

Mit Bescheid des Finanzamtes St. Veit Wolfsberg vom wurde der Antrag der Bf auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ***2*** für den Zeitraum ***3*** bis ***4*** abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die Polizeigrundausbildung stelle eine Berufsausübung und keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) dar.

Der Bescheid stellt eine endgültige Entscheidung dar. Eine Entscheidung ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. ).

Gegenüber dem Bescheid vom hat sich die Sachlage nicht geändert. Der Sohn der Bf hat die Polizeigrundausbildung absolviert. Es hat sich seither auch nicht die maßgebende Rechtsvorschrift, nämlich § 2 Abs. 1 lit. b Satz 1 FLAG 1967, geändert. Diese Norm ist unverändert geblieben.

Geändert oder aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs präzisiert wurde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Polizeischülern mit Erkenntnis . Demnach wird das Vorliegen einer Berufsausbildung und keiner Berufsausübung bei Polizeischülern grundsätzlich bejaht.

Eine geänderte rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts bei unveränderten Rechtsvorschriften ändert nichts am Vorliegen einer entschiedenen Sache. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (vgl. ).

Wie ausgeführt, erstreckt sich die Wirkung eines Bescheides über den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, hinaus solange, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher nicht als rechtswidrig, die gegen ihn gerichtete Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Beschwerden in ähnlich gelagerten Fällen wurden vom Bundesfinanzgericht ebenfalls abgewiesen (siehe ; , RV/4100398/2022; , RV/7103210/2021).

Zu Spruchpunkt II.2.:

Gemäß § 303 Abs.1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des § 303 Abs.1 lit.b leg.cit. Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungskriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen (vgl. , , 2008/16/0148 mwN).

Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich demnach bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen (vgl. und , 2006/13/0107).

Das Vorbringen der Bf, der Rechtsrichtigkeit ist der Vorzug gegenüber der Rechtsbeständigkeit einzuräumen, mag bei der Ermessensentscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens zu berücksichtigen sein, doch liegen die inhaltlichen Voraussetzungen dafür nicht vor.

Nach dem Erkenntnis des , muss die als Wiederaufnahmegrund herangezogene Tatsache bei einer beantragten Wiederaufnahme für den Antragsteller neu hervorgekommen sein. Tatsachen, die diesem schon immer bekannt waren, reichen nicht aus (vgl. dazu Zorn, RdW 2016, 857).

Der Lehrplan und die Stundentafel der Grundausbildung laut Anlage 1 der Grundausbildungsverordnung-Exekutivdienst BMI lagen zum Zeitpunkt der Erlassung des durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens bereits vor, der Sohn der Bf absolvierte bereits seine Ausbildung. Es sind daher keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2020/16/0039. wurde die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Polizeischülern geändert oder aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs präzisiert. Demnach wird das Vorliegen einer Berufsausbildung und keiner Berufsausübung bei Polizeischülern grundsätzlich bejaht.

Eine geänderte rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen durch Höchstgerichte stellt keinen Wiederaufnahmegrund (keine Tatsache) dar (Ritz Bundesabgabenordnung § 303 Rz. 23 und die dort angeführte Judikatur).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher nicht als rechtswidrig, die gegen ihn gerichtete Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt III.:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt in seiner Entscheidung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.4100250.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at