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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.03.2024, RV/2100380/2023

Antrag auf Familienbeihilfe für denselben Zeitraum: res iudicata

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/2100380/2023-RS1
wie RV/7102544/2021-RS1
Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert.
RV/2100380/2023-RS2
wie RV/7102544/2021-RS2
Eine geänderte rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts bei unveränderten Rechtsvorschriften ändert nichts am Vorliegen einer entschiedenen Sache (res iudicata). Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Zurückweisung der Anträge auf Familienbeihilfe vom , , für den Sohn ***1***, geboren ***2***, betreffend die Zeiträume
06/2019 bis 03/2020 und 02/2021 bis 05/2021,
Steuernummer Bf ***BF1StNr1***, SVNR Bf ***3***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang wie laut Vorlagebericht:

Antrag vom :
Mit stellte die Beschwerdeführerin (Bf) mit dem Formular Beih 100 einen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ihren Sohn ***4*** ***1*** aufgrund seiner exekutivdienstliche Grundausbildung. Die Ausbildung erfolgte aufgrund eines Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 für den Zeitraum vom bis , der dem Antrag beigelegt war.
Am erging seitens des Finanzamtes der Abweisungsbescheid der Familienbeihilfe für den Sohn ***1*** ab 06/2019. Begründet wurde der Abweisungsbescheid damit, dass es sich bei der Polizeiausbildung um keine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) handelt. Die Abweisung erfolgte aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) vom , Ra 2018/16/0203, die besagt: Grundausbildungen im öffentlichen-rechtlichen Dienst stellen keine Berufsausbildungen im Sinne des FLAG 1967 dar.
Am (Eingang ) wurde Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom eingebracht. Am erfolgte die abweisende Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes aus denselben Gründen wie im Erstbescheid. Gegen diese Entscheidung wurde kein Rechtsmittel erhoben und wurde sie rechtskräftig.

Antrag vom , Eingang :
Am brachte die Beschwerdeführerin einen neuerlichen Antrag auf Zuerkennung der Familienbeihilfe für ***1*** ab 06/2019 mit der Angabe des Ausbildungsendes ein. Am erging seitens des Finanzamtes der Zurückweisungsbescheid wegen bereits entschiedener Sache. Gegen diesen Bescheid wurde keine Beschwerde erhoben und der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Judikaturwechsel des VwGH:
Nach dem Zurückweisungsbescheid vom kam es zu einem Judikaturwechsel des Verwaltungsgerichtshofes. In der Entscheidung des wurde in Bezug auf Polizeigrundausbildung festgestellt: diese bildet eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967. Gleichzeitig vertrat er in der Entscheidung vom (Ra 2020/16/0064) die Rechtsansicht, dass nach Absolvierung einer Grundausbildung, welche zur Ausübung des Berufes als (Grenz)polizist berechtigt, für eine weitere anschließende Ausbildung kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, da es sich hier um eine, im bereits ausgeübten Beruf vorgesehene Aus- und Weiterbildung handelt.
Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom (Ro 2021/16/0004) bestätigt, dass (nur) die ersten drei Ausbildungsblöcke der Polizeigrundausbildung (Basisausbildung, Berufspraktikum I und Vertiefung der Basisausbildung samt Dienstprüfung (daher im Ausmaß von 20 Monaten) als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen sind.
Bei dem letzten, nach der Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierenden, 4. Teil der Polizeigrundausbildung, dem viermonatigen Berufspraktikum II, handelt es sich hingegen um eine Einschulung des Polizisten an seinem Arbeitsplatz (Einführung in den Dienstbetrieb der Polizeidienststelle). Damit ist dieses Berufspraktikum II keine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG.

Antrag vom :
Am brachte die Beschwerdeführerin wieder einen Familienbeihilfenantrag für ***1*** ab 06/2019 ein, ebenso folgte am und am ein wiederholter Familienbeihilfenantrag für ***1***. Der Antrag vom erfolgte ohne Angabe des beantragten Zuerkennungszeitraumes, denn das Zeitraum Feld "ab" war nicht befüllt, jedoch war als Ausbildungsende das Datum 05/2021 ausgefüllt und dem Antrag war auch der Sondervertrag über den Zeitraum bis beigelegt, sowie die Bescheinigung über den Besuch des (Polizei)Grundausbildungskurses.
Am erging ein Zurückweisungsbescheid ab 06/2019 dieser drei Anträge vom , und . Dies mit der Begründung, dass in der Rechtssache (Anspruch auf Familienbeihilfe für den Sohn ***1*** - Polizeiausbildung ab ) bereits zwei rechtskräftige Entscheidungen ergangen sind, nämlich:
1. Bescheid über die Abweisung des Familienbeihilfenanspruchs vom , dazu Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom .
2. Zurückweisungsbescheid vom (zur Antragstellung vom ).

Beschwerde:
Gegen den Zurückweisungsbescheid vom brachte die Beschwerdeführerin, vertreten durch **RA**, Beschwerde ein. Diese langte am beim Finanzamt ein und wurde somit rechtzeitig eingebracht. Begründet wurde die Beschwerde damit, dass der erlassene Zurückweisungsbescheid unter Verfahrensmängeln, Begründungsmängeln leide und einen rechtswidrigen Inhalt habe. Richtig sei, dass mit Bescheid vom der Antrag auf Familienbeihilfe abgewiesen wurde. Die neuerlichen Anträge haben sich aber auf die Zeiträume danach bezogen, weshalb keine entschiedene Rechtssache vorliege. Die Begründung im ersten abweisenden Bescheid sei rechtlich unrichtig, weshalb für die daran anschließenden Zeiträume jedenfalls keine entschiedene Rechtssache vorliege. Es wäre somit über den Antrag der Beschwerdeführerin zu entscheiden gewesen.

BVE mit teilweiser Stattgabe:
Am erging die Beschwerdevorentscheidung (BVE) betreffend der Beschwerde der Bf vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom . Der Beschwerde wurde teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Für den Zeitraum von 04/2020 bis 01/2021 wird der Beschwerde stattgegeben.
Für den Zeitraum von 06/2019 bis 03/2020 wird die Beschwerde abgewiesen.
Für den Zeitraum von 02/2021 bis 05/2021 wird die Beschwerde abgewiesen.

In der BVE wurde die teilweise Stattgabe der Beschwerde folgendermaßen begründet:
Am erging der Abweisungsbescheid ab 06/2019 mit der Begründung, die Polizeiausbildung stelle keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar. Die Abweisung erfolgte aufgrund der Rechtsprechung des . Diese besagt, dass Grundausbildungen im öffentlich-rechtlichen Dienst keine Berufsausbildungen im Sinne des FLAG 1967 darstellen.

Vorlageantrag:
Die Beschwerdeführerin stellte innerhalb offener Frist den Antrag, die Beschwerde hinsichtlich der Zeiträume von 06/2019 bis 03/2020, sowie 02/2021 bis 05/2021 dem Bundesfinanzgericht vorzulegen. Es wurde vollinhaltlich auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen und wie dort beantragt.
Ergänzend wurde vorgebracht, dass auch die Ausbildungsphase 2 Berufsbildung im Sinne der oberstgerichtlichen Rechtsprechung sei.
Ergänzende Ausführungen zur Polizeigrundausbildung:
Laut Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des BMI zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in die - Basisausbildung (12 Monate Theorie) - das Berufspraktikum I (3 Monate) - die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung) - das Berufspraktikum II (4 Monate)
Während der Dauer dieser Ausbildung steht der/die Polizeischüler/in in einem Sondervertragsverhältnis zum Bund (Sondervertrag gemäß § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung). Dieses Dienstverhältnis ist auf die Dauer der Ausbildung, somit auf 24 Monate befristet.
Die Polizeigrundausbildung gliedert sich in folgende Ausbildungsteile:
- Basisausbildung (Dauer 12 Monate): dient dem Erwerb von rechtstheoretischem Basiswissen und einsatztaktischem und einsatztechnischen Grundfertigkeiten.
- Berufspraktikum I (Dauer 3 Monate): dient der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst.
- Vertiefung (Dauer 5 Monate): die Polizeischüler sollen die Ausbildungsinhalte, Erlebnisse und Erfahrungen des Berufspraktikums reflektieren. Ziel ist die Vertiefung des Wissens aus der Basisausbildung und Vernetzung mit den Ausbildungsinhalten des Berufspraktikums.
- Berufspraktikum II (Dauer 4 Monate): erfolgt nach Ablegung der erfolgreichen Dienstprüfung. Es dient der Einführung in den Dienstbetrieb der jeweiligen Polizeidienststelle.

Stellungnahme des Finanzamtes im Vorlagebericht:
"Gemäß § 2 FLAG besteht für volljährige Kinder nur Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden.
Aufgrund des Judikaturwechsels des VwGH durch seine Entscheidung vom , Ra 2020/16/0039-6 stellt die Polizeigrundausbildung im Ausmaß von 20 Monaten eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 dar.
Die Rechtsansicht aufgrund der Judikatur des
Ra 2020/16/0039-6 gilt für alle neuen und noch nicht rechtskräftig entschiedenen Sachverhalte.
Für Anträge die seit Jänner 2019 unter Hinweis der höchstgerichtlichen Judikatur vom , Ra 2018/16/0203 mit Bescheid des Finanzamtes oder Erkenntnis des BFG rechtskräftig abgewiesen wurden, besteht nach herrschender Lehre und Rechtsprechung keine Möglichkeit einer Bescheidberichtigung z.B. im Sinne des § 299 BAO.
Ab dem Zeitraum, über den noch nicht rechtwirksam abgesprochen wurde, nämlich nach Bescheiderlassung, ab , ist der neuerliche Antrag zulässig und kann daher die Familienbeihilfe nach § 10 FLAG ab dem Monat 04/2020 zuerkannt werden (maximal für 20 Monate, das ist bis zum Jänner 2021 - VwGH-Entscheidung vom , Ra 2020/16/0039-6 in Verbindung mit der Entscheidung des GZ. RV/5101011/2020).
Im Zuge der Stellungnahme wird vollinhaltlich ua. auf die ausführliche Begründung der bisherigen Bescheide und insbesondere der Beschwerdevorentscheidung vom betreffend die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid vom verwiesen.
Zum Vorbringen, dass keine entschiedene Sache vorliegt, da die Bescheide unterschiedliche Zeiträume betreffen würden, wird angemerkt, dass in allen Anträgen (, , , ) die Familienbeihilfe ab 06/2019 beantragt wurde. Beim Antrag vom (bei dem kein Datum im Feld der Dauer bei "ab" eingetragen wurde, sondern nur das Enddatum 05/2021) ist aus den dem Familienbeihilfen-Antrag beigelegten Unterlagen, nämlich dem Sondervertrag und der Bescheinigung über den Besuch des Grundausbildungskurses ersichtlich, dass die Familienbeihilfe ab 06/2019 mit dem Ende 05/2021 beantragt wird.
Es wird beantragt die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom in den noch offenen Punkten (bereits rechtskräftig entschiedener Zeitraum von 06/2019 bis 03/2020 sowie der Zeitraum von 02/2021 bis 05/2021 wegen Überschreitung der maximal zuzuerkennenden zwanzig Monate für die Polizeiausbildung) abzuweisen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn ***1*** der Bf absolvierte von 06/2019 bis 05/2021 die exekutivdienstliche Grundausbildung bei der Landespolizeidirektion (LPD) ***5***.
Die Ausbildung erfolgte aufgrund eines Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 für den Zeitraum vom bis .
Der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Sohn vom ab 6/2019 wurde mit BVE vom rechtskräftig abgewiesen.

Mit wurde ein neuerlicher Familienbeihilfenantrag ab 06/2019 für den Sohn eingebracht. Dieser wurde mit Zurückweisungsbescheid vom wegen entschiedener Sache abgelehnt und erwuchs in Rechtskraft.

Weitere Familienbeihilfenanträge folgten, die mit Zurückweisungsbescheid vom unter Hinweis auf die bereits erfolgten rechtskräftigen Erledigungen und wegen entschiedener Sache ablehnend erledigt wurden.
Mit BVE vom erfolgte eine teilweise Stattgabe für den Zeitraum 04/2020 bis 01/2021, da der rechtskräftige Zurückweisungsbescheid vom keine über den Zeitpunkt seiner Erlassung hinausgehende Wirkung entfalten würde.
Für die übrigen Zeiträume 06/2019 bis 03/2020 und 02/2020 bis 05/2021 wurde der Beschwerde vom nicht entsprochen.
Nur für diese beiden Zeiträume wurde ein Vorlageantrag gestellt, daher sind nur diese entscheidungsgegenständlich.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und dem dargestellten Verfahrensgang.

2.1. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Dem Gesetzestext kann entnommen werden, dass zwischen Berufsausbildung und Berufsausübung zu unterscheiden ist.

2.2. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

An die Bf erging mit ein Bescheid, der den Familienbeihilfenantrag für den Sohn ***1*** ab 06/2019 abwies, welcher aufgrund der Gesetzeslage und ergangener VwGH-Rechtsprechung nach Würdigung der Sachlage vom Nichtvorliegen einer Berufsausbildung ausging. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.
Der neuerliche Antrag auf Familienbeihilfe vom ab 06/2019 wurde unter Hinweis auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung mit zurückgewiesen. Auch dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Es ist ständige Rechtsprechung des VwGH, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. zu § 68 AVG; ).

Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die bereits entschiedene Sache ident mit jener ist, deren Entscheidung im Wege des neuerlichen Antrages begehrt wird. Abgesehen von der Identität des Begehrens und der Partei (Parteien) muss Identität des anspruchserzeugenden Sachverhaltes gegeben sein, damit das Verfahrenshindernis der res iudicata vorliegt (, unter Hinweis auf Stoll, Bundesabgabenordnung, 944, Rz 1514 und 1515). Dies liegt im beschwerdegegenständlichen Fall vor.
An der Sache - der Sohn befindet sich in Polizeigrundausbildung und dem § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 betreffend Berufsausbildung - hat sich keine Änderung ergeben.
Sowohl Sachverhalt als auch Rechtslage blieben unverändert.

Ein Bescheid über die Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab" einem bestimmten Anspruchszeitraum, ohne im Spruch einen Endpunkt festzusetzen, gilt nach der ständigen Rechtsprechung jedenfalls für den Zeitraum bis einschließlich jenes Kalendermonats, in welchem der Bescheid erlassen wird, ungeachtet dessen, ob sich zwischen dem Anfangszeitpunkt und diesem Zeitpunkt die Sach- oder Rechtslage geändert hat. Ein solcher Bescheid gilt jedoch über diesen Zeitpunkt der Bescheiderlassung hinaus solange weiter, als sich die der Bescheiderlassung zugrunde liegende Sach- und Rechtslage nicht ändert (vgl. ausdrücklich , und ). Wird somit nach Erlassung eines solchen Bescheides neuerlich ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe gestellt, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob oder zu welchem Zeitpunkt sich die Sach- und Rechtslage geändert hat.

Für den Zeitraum vom Zeitpunkt, ab dem die Familienbeihilfe neuerlich beantragt wurde, bis zu einem späteren Zeitpunkt, in dem sich die Sach- und Rechtslage gegenüber dem ersten Bescheid geändert hat (auch wenn dieser Zeitpunkt nach dem Zeitpunkt der Erlassung des ersten Bescheides liegt), ist durch den ersten Bescheid res iudicata gegeben. Für diesen Zeitraum ist der neuerliche Antrag zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung über den neuerlichen Antrag hat nur insoweit zu erfolgen, als sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des Bescheides über den seinerzeitigen Antrag geändert hat und dem neuerlichen Antrag auch nach Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht vollinhaltlich entsprochen wird (vgl. ).

Formelle Rechtskraft bedeutet, dass ein Bescheid durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl. , 0275). Materielle Rechtskraft bedeutet Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit (vgl. ). Die materielle Rechtskraft tritt mit der wirksamen Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides ein. Die BAO (zB § 302 Abs 2 lit a) verwendet den Begriff der Rechtskraft im formellen Sinn (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 92 Rz 5).
Der Bescheid stellt eine endgültige Entscheidung dar. Eine Entscheidung ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, dh wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. ; ).

Prinzipiell darf über eine bereits entschiedene Sache nicht nochmals ein Bescheid ergehen. Ist ein Bescheid in Rechtskraft erwachsen, bedeutet dies grundsätzlich Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 3).
Wird für denselben Zeitraum, über den bereits ein Abweisungsbescheid ergangen ist, neuerlich Familienbeihilfe beantragt, liegt durch diesen Bescheid res iudicata vor und ist der neuerliche Antrag für diesen Zeitraum zurückzuweisen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 13 Rz 25; vgl. ).
Liegt ein bereits rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren vor wie im gegenständlichen Fall, ist damit auf Grund des Wiederholungsverbots bzw. des Prozesshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) eine neuerliche Entscheidung nicht zulässig (vgl. ; ; ; u.v.a.).

Im gegenständlichen Fall hat es weder hinsichtlich des Sachverhaltes noch hinsichtlich der Rechtslage eine Änderung nach Erlassung der rechtskräftigen Bescheide vom und gegeben.
Der Sohn der Bf hat die Polizeigrundausbildung absolviert. Es hat sich seither auch nicht die maßgebende Rechtsvorschrift, nämlich § 2 Abs. 1 lit. b Satz 1 FLAG 1967, geändert. Diese Norm ist unverändert geblieben.
Geändert oder aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs präzisiert wurde lediglich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu Polizeischülern mit Erkenntnis . Demnach wird das Vorliegen einer Berufsausbildung und das Nichtvorliegen einer Berufsausübung bei Polizeischülern grundsätzlich bejaht, zumindest was den theoretischen Teil der Ausbildung betrifft.
Eine geänderte rechtliche Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts bei unveränderten Rechtsvorschriften ändert nichts am Vorliegen einer entschiedenen Sache. Eine andere rechtliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (vgl. ).

Der Ausbildung liegt der Ausbildungsplan für die Polizeigrundausbildung (Grundausbildung für den Exekutivdienst) zugrunde. Der Ausbildungsplan beinhaltet eine Stundentafel samt Lehrplan. Grundlage für den Ausbildungsplan ist die Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Grundausbildungen für den Exekutivdienst (Grundausbildungsverordnung - Exekutivdienst BMI, BGBl. II Nr. 153/2017) in der geltenden Fassung.
Nach dem Ausbildungsplan der Sicherheitsakademie des Bundesministeriums für Inneres zur Grundausbildung für den Exekutivdienst gliedert sich die zweijährige Grundausbildung in die
Basisausbildung (12 Monate Theorie),
das Berufspraktikum I - Kennenlernen des Dienstbetriebes - (3 Monate),
die Vertiefung der Ausbildung (5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung)
und das viermonatige Berufspraktikum II (nach der Dienstprüfung).
In diesem werden "während der Einführung in den Dienstbetrieb die Auszubildenden von Exekutivbediensteten kontinuierlich in den Dienstbetrieb ihrer Polizeidienststelle eingeführt". Dieses nach Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Praktikum ist damit vergleichbar mit dem von einer Absolventin eines Lehramtsstudiums geleisteten Unterrichtspraktikum am Arbeitsplatz. Insofern liegt keine Berufsausbildung mehr vor, sondern bereits eine Einschulung im Beruf des Polizisten am Arbeitsplatz (vgl. ; , uvam; ). Hier wird der Ausgebildete schon als Polizist tätig.

Der Praktikumsteil ist als Berufsausübung zu werten, was jedenfalls den angefochtenen Zeitraum 02/2021 bis 05/2021 noch zusätzlich als nicht familienbeihilfenbegründende Berufsausübung qualifiziert - neben dem Vorliegen von res iudicata.

Über den vom Vorlageantrag nicht umfassten Zeitraum 04/2020 bis 01/2021 ist vom BFG nicht abzusprechen, daher kann das Vorliegen von res iudicata für diesen Zeitraum dahingestellt bleiben, ebenso wie die Prüfung, ob nicht ohnehin aufgrund des Überschreitens der Einkommensgrenzen des § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 Familienbeihilfe für den gesamten Zeitraum nicht zu gewähren ist bzw. zu gewähren gewesen wäre.
Nach der Judikatur des VwGH entspricht die Polizeigrundausbildung nämlich keinem anerkannten Lehrverhältnis iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967. Diese in , vertretene Rechtsansicht wurde durch , vollinhaltlich bestätigt.
Auch in der Entscheidung des , wurde klargestellt, dass es sich bei der Polizeigrundausbildung nicht um ein "anerkanntes Lehrverhältnis" iSd § 5 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 handelt, sodass die aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu berücksichtigen gewesen wären und mit dem EUR 10.000 bzw. EUR 15.000 (ab 2020) übersteigenden Betrag den Anspruch auf Familienbeihilfe verringern müssten (vgl. ).

Die Wirkung eines Bescheides erstreckt sich bis einschließlich jenes Kalendermonats in der der Bescheid erlassen wird und weiters über den Zeitraum seiner Erlassung hinaus solange, als sich die der Bescheiderlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nicht ändert.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher nicht als rechtswidrig, die gegen ihn gerichtete Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Hinzuweisen ist auf die Rechtsprechung des BFG zu ähnlich gelagerten Fällen; eingebrachte Beschwerden wurden vom Bundesfinanzgericht ebenfalls (rechtskräftig) abgewiesen (siehe ; ; ; ; ).

Der Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes erging demnach zu Recht und es war spruchgemäß zu entscheiden.

2.3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Erkenntnis folgt der oa Rechtsprechung des VwGH, eine ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Graz, am

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ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.2100380.2023

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