Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.12.2023, RV/4100325/2023

- Endgültige Abgabenfestsetzung - Verjährung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Vn1 FN. in der Beschwerdesache VN1,2 P, Str. Nr. Tür 2, plz Ort, vertreten durch Dr. R. FN2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr: Finanzamt Österreich-Dienststelle Sonderzuständigkeiten) vom betreffend Grunderwerbsteuer im fortgesetzten Verfahren zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Übergabsvertrag auf den Todesfall (Notariatsakt) vom übergab Vn. P. die Liegenschaft EZ ***2*** KG ***1*** an seinen Sohn Vn. N.2 P.. Vereinbart wurde, dass der Vater die Liegenschaft auf seinen Todesfall hin übergibt und der Sohn die Liegenschaft auf den Todesfall seines Vater hin in sein Alleineigentum übernimmt.

Der Vertrag wurde dem Finanzamt am zur Gebührenbemessung (Steuerfestsetzung) angezeigt.

Vorläufiger Bescheid:

Das Finanzamt setzte mit vorläufigem Bescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vom die Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.368,00 Schilling (ATS) gegenüber dem Übernehmer fest. Die Grunderwerbsteuer in Höhe von 2% wurde ausgehend vom vereinbarten Übergabepreis (Gegenleistung) in Höhe von Schilling 218.400,00 ermittelt. Der Bescheid wurde wie folgt begründet:
"Da nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist, erfolgt die Vorschreibung vorläufig."

Aufhebungsvertrag:

Mit Aufhebungsvertrag (Notariatsakt) vom hoben die Vertragsparteien den Übergabsvertrag auf den Todesfall vom vollinhaltlich auf.

Antrag vom :

Der Sohn beantragte daraufhin mit schriftlicher Eingabe vom beim Finanzamt den vorläufigen Bescheid vom dahingehend abzuändern, dass die Grunderwerbsteuer nunmehr endgültig mit Euro "0" (wörtlich: null) festgesetzt werde. Dem Antrag wurde der Aufhebungsvertrag in Kopie beigefügt.

Bescheid vom :

Das Finanzamt wies mit angefochtenem Bescheid vom den Antrag als unbegründet ab und führte aus, dass die "Abgabenbehörde eine Abgabe gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festsetzen kann, wenn nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich ist.
Gemäß § 200 Abs. 2 BAO ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, wenn die Ungewissheit beseitigt ist
."

Das Finanzamt führte begründend aus, dass gemäß § 209 Abs. 4 BAO das Recht eine vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches verjähre.
Da der vorläufige Bescheid bereits im Jahre 1990 ergangen ist, sei eine endgültige Festsetzung infolge Verjährung nicht mehr möglich.

Beschwerde vom :

In der Beschwerde vom wendete der Bf. die unrichtige rechtliche Beurteilung ein und führte schriftlich aus:

"Ich bekämpfe diesen Bescheid wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und führe hierzu an, dass § 209 Abs. 4 BAO bestimmt, dass eine gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung einer Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruches verjähre, jedoch damit die definitive Entstehung des Abgabenanspruches, welche die Beseitigung der Ungewissheit und Erfüllung des steuerlichen Tatbestandes voraussetzt, gemeint ist. Dies bedeute, dass die Finanzbehörde nach Beseitigung der Ungewissheit fünfzehn Jahre für die endgültige Festsetzung der Steuer Zeit hat. Gemäß § 208 Abs. 1 lit. d) BAO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.
Im gegenständlichen Fall ist die Ungewissheit erst durch den Aufhebungsvertrag vom zum not. Übergabsvertrag auf den Todesfall vom beseitigt worden, sodass der Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs 1 lit. d BAO mit Ablauf des anzusetzen ist".

Die Rechtsansicht des Finanzamtes hätte zur Folge, dass jede vorläufige Abgabenfestsetzung nach Ablauf von fünfzehn Jahren automatisch endgültig werde, selbst wenn die Ungewissheit noch weiterbesteht. Diese unsachliche Rechtsfolge werde durch die Bestimmung des § 208 Abs. 1 lit d.) BAO verhindert.

Beschwerdevorentscheidung:

Das Finanzamt wies mit Beschwerdevorentscheidung vom die Beschwerde als unbegründet ab.

Der Bf. beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Vorlagebericht:

Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht die Akten dem BFG vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes, RV/4100222/2019:

Das Bundesfinanzgericht hat mit Erkenntnis vom , RV/4100222/2019, der Beschwerde Folge gegeben und den angefochtenen Abweisungsbescheid ersatzlos aufgehoben.

Außerordentliche Amtsrevision vom :

Das Finanzamt Österreich - Dienststelle Sonderzuständigkeiten erhob gegen dieses Erkenntnis eine außerordentliche Revision und gab folgende Anfechtungserklärung ab:

"Das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/4100222/2019, wird in seinem gesamten Umfang, sowohl hinsichtlich der ersatzlosen Bescheidaufhebung als auch der Feststellung der Unzulässigkeit einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof angefochten."

Begründend wurde ausgeführt, dass der Abweisungsbescheid des Finanzamtes ersatzlos aufgehoben wurde, sodass der Antrag auf endgültige Abgabenfestsetzung mit € 0.-- durch das Erkenntnis des BFG wiederum unerledigt geblieben sei. Damit stehe das Erkenntnis im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Aufhebung des Bescheides als meritorische Entscheidung nur erfolgen darf, wenn keine weitere Entscheidung in Betracht kommt ().

Gegenständlich sei jedoch auch nach Ergehen des Erkenntnisses des BFG noch eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen. Das Finanzamt habe noch über den offenen Antrag vom abzusprechen.
Das Erkenntnis stehe daher im Widerspruch zur Bestimmung des § 279 Abs. 1 BAO und zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Erkenntnis des Zl. Ra 2021/16/0085:

Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis, Ra 2021/16/0085, das Erkenntnis des BFG auf und führte begründend aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine ersatzlose Aufhebung nur dann erfolgen darf, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung mehr in Betracht komme ().

Im vorliegenden Fall sei jedoch eine ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides ausgeschlossen, weil dies zur Folge hätte, dass der Antrag auf endgültige Festsetzung der Grunderwerbsteuer unerledigt bliebe. Es wäre nämlich aufgrund der Bindungswirkung der Abgabenbehörde an das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ein neuerlicher Abspruch über den Antrag auf Endgültigerklärung unzulässig (, mwN).

Das angefochtene Erkenntnis erweise sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben sei.

Das Bundesfinanzgericht hat in Folge dieses Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes das Verfahren fortzusetzen und in Sache meritorisch zu entscheiden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sachverhalt steht unstrittig fest. Der Bf. schloss mit seinem Vater am einen "Übergabsvertrag auf den Tosdesfall" ab. Dieser wurde mit Aufhebungsakt vom aufgehoben.

Das Finanzamt wies mit angefochtenem Bescheid den Antrag auf endgültige Abgabenfestsetzung in Höhe von null Euro ("0") mit der Begründung ab, dass gemäß § 209 Abs. 4 BAO das Recht eine vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches verjähre.

Da der vorläufige Bescheid bereits im Jahr 1990 ergangen ist, sei eine endgültige Festsetzung gemäß § 200 BAO infolge Verjährung nicht mehr möglich.

Im vorliegenden Fall steht der oben beschriebene Sachverhalt und Ablauf des Geschehens fest. Das Finanzamt vertritt die Rechtsansicht, dass das Recht eine vorläufige Abgabenfestsetzung gemäß § 200 Abs. 1 BAO, wegen Beseitigung der Ungewissheit, durch eine endgültige zu ersetzen, gemäß § 209 Abs. 4 BAO spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches verjährt.

Der Wegfall der Ungewissheit müsse sich auf einen Zeitpunkt beziehen, der innerhalb der Verjährungsfrist liege. Falle die Ungewissheit erst nach Ablauf der absoluten Verjährung weg, so ist auf die tatsächliche Entstehung der Steuerschuld abzustellen.

2. Beweiswürdigung

Dem Verfahren liegen der Übergabsvertrag aus dem Jahr 1990, der Aufhebungsvertrag aus dem Jahr 2018, die Verwaltungsakten des Finanzamtes, der angefochtene Bescheid, die Beschwerde und Beschwerdevorentscheidung, die außerordentliche Revision des Finanzamtes, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. Ra 20121/16/0085, mit welchem das Erkenntnis des Zl. RV/4100222/2019, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben worden ist, zu Grunde.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 200 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Die Ersetzung eines vorläufigen Bescheides durch einen vorläufigen Bescheid ist im Falle der teilweisen Beseitigung der Ungewissheit zulässig.

Nach § 200 Abs. 2 BAO ist bei Beseitigung der Ungewissheit eine vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Abgabenfestsetzung zu ersetzen. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass, so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen Bescheid zum endgültigen erklärt.

Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 - GrEStG, unterliegen ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer.

Nach § 8 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetz steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist.

Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht nach Abs. 2 leg. cit. die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist abgesehen von den für den Beschwerdefall nicht relevanten taxativ aufgezählten Tatbeständen bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre.

Gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.

Gemäß § 208 Abs. 1 lit d. BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 200 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.

§ 209 Abs. 1 BAO erster Satz lautet:
"Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr."

Gemäß § 209 Abs. 3 1. Satz verjährt das Recht eine Abgabe festzusetzen spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4).

§ 209 Abs 4 lautet:
"Abweichend von Abs. 3 verjährt das Recht, eine gemäß § 200 Abs. 1 vorläufige Abgabenfestsetzung wegen der Beseitigung der Ungewissheit im Sinn des § 200 Abs. 1 durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen, spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehen des Abgabenanspruches."

Im vorliegenden Sachverhalt haben die Vertragsparteien am einen Übergabsvertrag auf den Todesfall abgeschlossen.

Grundsätzlich knüpft die Grunderwerbsteuer an das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft an. Bedingungen, die das Verfügungsgeschäft betreffen bleiben dabei unbeachtlich.
Die Parteien des "Übergabsvertrages auf den Todesfall" haben die Übergabe des Liegenschaftsanteiles mit Wirkung des Ablebens des Übergebers bedungen. Da das Ableben des Übergebers zufolge der §§ 8 iVm 4 BewG 1955 als ein vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängiger Erwerb zu behandeln ist, entsteht nach § 8 Abs. 2 GrEStG die Steuerschuld erst mit dem Eintritt dieser "Bedingung", d.h. mit dem Ableben des Übergebers. Eine Übergabe auf den Todesfall ist als aufschiebende Bedingung zu werten und entsteht die Steuerschuld daher erst mit dem Ableben des Übergebers ().

Vorläufiger Bescheid:

Gemäß § 200 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Diese Ungewissheit muss im Tatsachenbereich vorliegen.

Die Abgabepflicht muss nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich sein; es müssen somit begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Abgabentatsbestand verwirklicht ist ().

Die Anwendung der Bestimmung des § 200 Abs. 2 BAO setzt somit voraus, dass eine bestehende Ungewissheit beseitigt wurde. Begrifflich kann jedoch nur eine tatsächlich bestehende Ungewissheit beseitigt werden.
Daher stellt § 200 Abs. 2 BAO in jenen Fällen, in denen trotz Fehlens einer Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO Bescheide vorläufig ergangen sind, keine Rechtsgrundlage für eine Endgültigerklärung bzw. für eine Ersetzung durch endgültige Bescheide dar (vgl. Ritz, BAO-Kommentar6, § 200, Tz 11).

Verwendet der Gesetzgeber in zwei Bestimmungen dieselbe Wortfolge, so spricht dies dafür, dass er auch denselben Inhalt meint. In diesem Zusammenhang ist noch zu beachten, dass der Gesetzgeber in § 120 Abs. 3 BAO mit dem AbgÄG 2005, BGBl. I 2005/161 eine Anzeigepflicht in den Fällen der Beseitigung einer im vorläufigen Bescheid genannten Ungewissheit (§ 200 Abs. 1 BAO) normiert hat.

Demnach setzt es der Gesetzgeber offensichtlich als selbstverständlich voraus, dass ein vorläufiger Bescheid die Ungewissheit iSd. § 200 Abs. 1 BAO ausdrücklich bezeichnen muss.

Fehlt eine Bezeichnung der Ungewissheit, so kann der bloße Ausspruch der Vorläufigkeit in einem Bescheid nicht zu der Wirkung führen, dass die Abgabenbehörde jederzeit und willkürlich innerhalb der Verjährungsfrist zur Erlassung eines Bescheides nach § 200 Abs. 2 BAO berechtigt ist, da die im § 200 Abs. 2 BAO als Voraussetzung für die endgültige Festsetzung normierte Beseitigung einer unbekannten Ungewissheit gar nicht denkmöglich ist.

Ein derartiger Bescheid ist mit Rechtswidrigkeit behaftet, da eben nach dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 BAO die endgültige Festsetzung die Beseitigung einer Ungewissheit zwingend voraussetzt, was unmöglich ist, wenn die Ungewissheit im nach § 200 Abs. 1 BAO erlassenen Bescheid nicht bezeichnet ist oder gar nicht vorliegt ().

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Die Abgabenbehörde kann Rechte und Pflichten nur mittels Bescheiden begründen (§ 92 BAO). Die Auslegung solcher Bescheide erfolgt anhand des Spruches, der unter zu Hilfenahme der Begründung gedeutet wird (vgl. Ritz, BAO-Kommentar6, § 92 Tz 6 f). Bindungswirkung kann nur durch die Aufnahme in den Bescheid erreicht werden.

In der Begründung ist gemäß § 93 Abs. 3 lit a BAO ausdrücklich anzugeben, welche Ungewissheit für die Vorläufigkeit ausschlaggebend war (Ritz, BAO6 , § 200 Tz 9 mwN).

Das Finanzamt hat im vorläufigen Bescheid das ungewisse Ereignis von dem die Abgabepflicht und die Höhe der Abgabe abhängt weder beschrieben noch benannt.

Da im vorläufigen Bescheid kein Grund dafür angeführt wurde, worin die Ungewissheit (Tatsache) im Zusammenhang mit der Festsetzung der Grunderwerbsteuer bestanden hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO überhaupt vorgelegen ist.

Voraussetzung für die Erlassung vorläufiger Bescheide ist jedoch das Vorliegen einer Ungewissheit.

Beginn der Verjährung:

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung (§ 207 Abs. 1 BAO). Nach Abs. 2 erster Satz leg. cit. beträgt die Verjährungsfrist bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnittes Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17 a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Die Verjährungsfrist bei der Grunderwerbsteuer beträgt fünf Jahre.

Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO), in den Fällen des § 200 BAO jedoch mit Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde (§ 208 Abs. 1 lit. d BAO).

Die Ausnahmeregelungen für den Beginn der Verjährung in den Fällen des § 200 BAO sind nicht anzuwenden, wenn ein vorläufiger Bescheid erlassen wurde, obwohl keine Ungewissheit bestanden hat.

Das gilt im Größenschluss umso mehr, wenn der Bescheid nicht erkennen lässt, von welcher Unsicherheit die erlassende Behörde ausging ().

Zur Beurteilung des Beginnes des Fristenlaufes ist nämlich die Feststellung notwendig, wann und durch welche Fakten die Ungewissheit weggefallen ist ().

Ist dies aber mangels angegebener Ungewissheit im vorläufigen Bescheid unmöglich, richtet sich der Beginn der Verjährung nach den allgemeinen Regeln der BAO (-G/05). Die Verjährung tritt also bei vorläufigen Bescheiden nur dann - wie vom Beschwerdeführer eingewendet - später ein, wenn eine tatsächlich bestehende Ungewissheit vorliegt, die beseitigt werden kann (Ritz, BAO6, § 208 Tz 4 und § 200 Tz 11).

Im vorliegenden Sachverhalt hat das Finanzamt den vorläufigen Bescheid damit begründet, dass "nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist."

Das Finanzamt hat weder im Spruch des vorläufigen Bescheides noch in der Begründung des vorläufigen Bescheides das ungewisse Ereignis, welches im Tatsachenbereich liegt, benannt und beschrieben.

Die durchgeführten Ermittlungen wurden nicht dargestellt oder beschrieben.
Schließlich hat das Finanzamt auch in der Begründung des vorläufigen Bescheides nicht dargestellt, aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse es den vorläufigen Bescheid erlassen hat.

Das bescheidmäßige Nichtanführen bzw. Nichtbezeichnen der Ungewissheit ist dem Fahlen einer Ungewissheit gleichzusetzen ().

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ra 2021/16/0085, mit dem das Erkenntnis des BFG, RV/4100222/2019, aufgehoben wurde, zur Frage der Verjährung auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach im Falle eines zu Unrecht erlassenen vorläufigen Abgabenbescheides, der keine tatsächliche Ungewissheit im Sinne des § 200 BAO benennt (bzw. dem keine tatsächliche Ungewissheit zu Grunde liegt) und dennoch unbekämpft geblieben und in Rechtskraft erwachsen ist, die Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs. 1 lit d BAO mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem der vorläufige Bescheid trotz fehlender Ungewissheit erlassen wurde, beginnt (vgl. ).

Im vorliegenden Sachverhalt hat daher die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres der Bescheiderlassung zu laufen begonnen ().

Die allgemeine Verjährungsfrist von fünf Jahren hat mangels weiterer Verlängerungshandlungen zum geendet. Die absolute Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 4 BAO hat zum geendet.

Damit hat das Finanzamt den Antrag auf Endgültigerklärung des vorläufigen Bescheides infolge Verjährung zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Eintritt der Verjährung steht der endgültigen Abgabenfestsetzung entgegen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Erkenntnis stimmt mit der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes überein. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 200 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 8 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise






-G/05
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100325.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at