Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte ab Ausstellung einer korrekten Rechnung
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2024/15/0007.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/6101039/2015-RS1 | Gemäß der Rechtsprechung des EuGH in der Rs Luxury Trust Automobil GmbH () kann von einer Berichtigung der Rechnung nicht die Rede sein, wenn eine Voraussetzung für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung wie die nach Art. 226 Nr. 11a der Mehrwertsteuerrichtlinie erforderliche Angabe ("Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers") fehlt. |
RV/6101039/2015-RS2 | Die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte ist an die Erfüllung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft. Es kann allerdings auch in Fällen wie dem gegenständlichen, in denen eine Tatbestandsvoraussetzung erst nach Ausführung der fraglichen Lieferungen erfüllt wird, etwa durch nachträgliche Ausstellung einer korrekten Rechnung iSd Art. 25 UStG 1994, zur ex nunc Anwendbarkeit dieser Vereinfachungsregel kommen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr*** vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH, Universitätsring 10, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt (nunmehr "Finanzamt für Großbetriebe") vom betreffend die Festsetzung von Umsatzsteuer für 03/2015 (nunmehr gemäß § 253 BAO gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015 vom gerichtet) zur Steuernummer ***Bf-StNr*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
A. Außenprüfung, bekämpfter Bescheid
Bei der Beschwerdeführerin wurde eine Außenprüfung sowie eine Nachschau durchgeführt. Gegenstand der Prüfung waren die Umsatzsteuer, die Körperschaftsteuer sowie die Kammerumlage der Jahre 2010 bis 2012. Zeitraum der zusätzlich durchgeführten Nachschau waren die Monate 01/2013 bis 09/2014.
Im Rahmen dieser Außenprüfung/Nachschau wurde durch das belangte Finanzamt festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte aufgrund mangelhafter Ausgangsrechnungen der Beschwerdeführerin nicht erfüllt seien und die Beschwerdeführerin somit aufgrund der verwendeten österreichischen UID-Nummer kumulative innergemeinschaftliche Erwerbe in Österreich bewirkt habe (Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994).
Im Ergebnis wurden seitens des belangten Finanzamtes für den Zeitraum 2011 bis 09/2014 die folgenden Beträge festgesetzt:
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2011 | 2012 | |
ig. Erwerbe lt. Erklärung | 9.145.398,85 | 9.631.080,75 |
darin enthaltene ig. Doppelerwerbe ohne VSt-Abzug lt. BP | 1.538.183,25 | 1.190.775,67 |
Vorsteuer aus ig. Erwerb lt. Erkl. | 1.829.079,77 | 1.926.216,15 |
abzügl. nicht abzugsfähiger VSt. aus ig. Doppelerwerb lt. BP | -307.636,65 | -238.155,13 |
Vorsteuer aus ig. Erwerb lt. BP | 1.521.443,12 | 1.688.061,02 |
Steuerliche Auswirkungen
Zeitraum20112012
Umsatzsteuer:
[065] Vorsteuern innergemeinschaftlicher Erwerb -307.636,65 -238.155,13
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2013 | 01-09/2014 | |
ig. Erwerbe lt. Erklärung bzw. Voranmeldungen | 9.950.739,55 | 6.173.457,80 |
darin enthaltene ig. Doppelerwerbe ohne VSt-Abzug lt. BP | 1.110.652,38 | 869.406,28 |
Vorsteuer aus ig. Erwerb lt. Erkl. bzw. Voranmeldungen | 1.990.147,91 | 1.234.691,32 |
abzügl. VSt. aus ig. Doppelerwerb lt. BP | 222.130,48 | 173.881,26 |
Vorsteuer aus ig. Erwerb lt. BP | 1.768.017,43 | 1.060.810,06 |
In Summe beträgt die aufgrund der kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerbe gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 im Zeitraum 2011 bis 09/2014 entstandene (und vom belangten Finanzamt als nicht abzugsfähig eingestufte) Erwerbsteuer somit EUR 941.803,52.
Hinsichtlich der detaillierten Wiedergabe der Prüfungsfeststellung wird auf die Entscheidung des BFG zu diesen Zeiträumen verwiesen ().
Am wurden durch das belangte Finanzamt - basierend auf den Ergebnissen der Außenprüfung - die folgenden Bescheideerlassen:
Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2011
Umsatzsteuerbescheid 2011
Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer 2012
Umsatzsteuerbescheid 2012
Bescheid über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2013 gemäß § 299 BAO
Umsatzsteuerbescheid 2013
Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 09/2014
B. Umsatzsteuerfestsetzung 03/2015, Umsatzsteuerbescheid 2015
Im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung für 03/2015 wurde durch die Beschwerdeführerin in der KZ 067 ein Berichtigungsbetrag von EUR 941.803,52 gemeldet. Begründend wurde in einem Begleitschreiben wie folgt ausgeführt:
Im Zuge der Ende 2014 stattgefundenen Außenprüfung für die Jahre 2010 bis 2012 und Nachschau für die Jahre 2013 bis 09/2014 wurde festgestellt, dass die Fa. ***Bf*** in den Rechnungen an die Kunden im Mitgliedstaat nicht auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes und den Übergang der Steuerschuld hinweist und auch in der ZM nicht das Dreiecksgeschäft erklärt und somit nicht die Voraussetzungen für die Anwendung der Vereinfachungsregel des Dreiecksgeschäftes erfüllt.
Diese besagten Mängel wurden nun beseitigt, indem alle Rechnungen berichtigt - siehe Beilage - und man die berichtigten Rechnungen den Rechnungsempfängern entsprechend zugestellt und in den Zusammenfassenden Meldungen das Dreiecksgeschäft erklärt hat.
Da nun die Voraussetzungen für die Vereinfachungsregeln des Dreiecksgeschäftes erfüllt sind, steht der Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichem Erwerb in Höhe von EUR 941.803,52 (Betrag lt. BP für die Jahre 2011 bis 09/2014) wieder zu.
Mit Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 03/2015vom wurde eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von EUR 123.233,39 festgesetzt. Der in der Umsatzsteuervoranmeldung 03/2015 in der Kennzahl 067 enthaltene Berichtigungsbetrag von EUR 941.803,52 wurde nicht berücksichtigt. Begründend wurde auf die Beschwerdevorentscheidungen vom zu den Umsatzsteuerbescheiden 2011 bis 2013 sowie zu den Umsatzsteuerfestsetzungen 01-09/2014 verwiesen.
In diesen Beschwerdevorentscheidungen wurde - nach Darstellung des Sachverhalts entsprechend der durchgeführten Außenprüfung bzw. Nachschau (siehe oben) und nach Darstellung der entsprechenden Rechtsgrundlagen - im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund des Fehlens von wesentlichen Voraussetzungen die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte nicht in Anspruch nehmen könne und somit die allgemeinen Regeln für Reihengeschäfte zur Anwendung zu bringen seien.
Die in diesem Zusammenhang gemäß der Bestimmung des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 entstehende Erwerbsteuer könne nicht als Vorsteuer abgezogen werden. Diese Erwerbsteuer falle erst weg, wenn die Beschwerdeführerin die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs in den jeweiligen Bestimmungsmitgliedstaaten nachweise.
Im zwischenzeitig ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2015 vom wurde der in der KZ 067 enthaltene Berichtigungsbetrag von EUR 941.803,52 (analog zur UVA 03/2015) ebenfalls nicht anerkannt. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Die Berichtigung der nichtabzugsfähigen Vorsteuern aus einem missglückten Reihengeschäft ist nicht möglich. Diesbezüglich sind die offenen Berufungen gegen diesen nicht gewährten Vorsteuerabzug abzuwarten. Auch bei verspäteter Abgabe der zusammenfassenden Meldung und nachträglicher Rechnungsberichtigung iSd Art 25 Abs. 4 UStG kann die Steuerpflicht des innergemeinschaftlichen Erwerbes nicht verhindert werden. Eine nachträgliche (ordnungsgemäße) zusammenfassende Meldung kann nicht zur Vereinfachungsregelung führen, da diese nicht zur Folge hat, dass der bereits eingetretene iE wegfällt. Dies deswegen, weil dieser iE Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 94 beim Nachweis der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland allenfalls ex nunc, nicht aber rückwirkend, wegfallen kann (siehe auch mwH).
C. Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung
Mit Schreiben vom wurde durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 03/2015 vom erhoben.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sämtliche im Rahmen der Außenprüfung/Nachschau angeführten Mängel beseitigt wurden. Einerseits seien die Rechnungen berichtigt und die berichtigten Rechnungen den Rechnungsempfängern zugestellt worden. Andererseits seien auch die Zusammenfassenden Meldungen korrigiert worden, sodass diese nunmehr einen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts enthalten würden.
Aus diesem Grund seien nun sämtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte erfüllt, es liege somit überhaupt kein Doppelerwerb iSd Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 vor.
Die detaillierte Wiedergabe der umfangreichen Beschwerde unterbleibt an dieser Stelle.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte UID, so gilt der Erwerb zusätzlich in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt. In diesem Fall ist der Erwerber nicht zum Abzug der auf den innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ( und Rs C-539/08, X und Facet BV/Facet Trading BV).
Dies gilt in jedem Fall, in dem die UID eines anderen Mitgliedstaates verwendet wird als jene des Mitgliedstaates, in dem die Warenbewegung tatsächlich endet, somit auch dann, wenn der Erwerber dem Lieferer die UID des Ausgangsmitgliedstaates der Warenbewegung bekannt gibt.
Weist der Erwerber die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat nach, kann die zusätzliche Erwerbsteuer berichtigt werden (vgl. Art. 3 Abs. 8 letzter Satz UStG 1994). Der Nachweis der Besteuerung im Bestimmungsland kann durch Vorlage der entsprechenden Erklärung (UVA), des Zahlungsbeleges sowie zusätzlich einer Aufstellung der innergemeinschaftlichen Erwerbe dieses Zeitraumes erbracht werden.
Neben der formellen Berichtigung (Rechnungen, ZM) ist in diesen Fällen auch der Nachweis zu erbringen, dass eine Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat vorgenommen wurde. Da dieser Nachweis bis heute nicht erbracht wurde, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
D. Vorlageantrag
Mit Schreiben vom wurde durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin ein Vorlageantrag eingebracht. Die Ausführungen entsprechen im Wesentlichen jenen der Beschwerde vom .
E. Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015
Im Rahmen der Beschwerde gegen den am ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2015 (siehe dazu unten, Punkt "II. 3.1. B.") wurde im Wesentlichen auf das Vorbringen in der Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 03/2015 sowie den entsprechenden Vorlageantrag verwiesen.
E. Verfahren vor dem BFG - Aussetzung
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des VwGH zur GZ Ra 2015/15/0017 ausgesetzt. Diese Entscheidung ist am ergangen und beruht auf dem Urteil des im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchens angerufenen EuGH (, Hans Bühler).
Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des VwGH zur GZ Ra 2020/13/0016 (gemeint wohl "Ro 2020/13/0016") erneut ausgesetzt. Diese Entscheidung ist am ergangen und beruht auf dem Urteil des im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchens angerufenen EuGH (, Luxury Trust Automobil GmbH).
F. Verfahren vor dem BFG - Fortsetzung
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Beschwerdesache in die Zuständigkeit des erkennenden Richters übertragen.
Mit Anschreiben vom wurden der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin der zur Geschäftszahl "Ro 2020/13/0016", das Urteil des EuGH in der Rs. C-247/21 vom sowie die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zur Rs. C-247/21 vom übermittelt. Es wurde insbesondere auf die Ausführungen des EuGH sowie der Generalanwältin verwiesen, um Übermittlung der berichtigten Rechnungen (inkl. etwaiger Zustellnachweise) und um Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Erhalt des Anschreibens ersucht.
Im Rahmen des am durchgeführten Erörterungstermines wurde von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin die Übermittlung von Aufstellungen betreffend die in den Jahren 2011 bis 2014 ausgeführten, streitgegenständlichen Lieferungen zugesagt. Es wurde vereinbart, dass der erkennende Richter aus diesen Aufstellungen Stichproben (korrigierte Rechnungen, Zustellnachweise, Lieferdokumente, etc) ziehen und anfordern wird.
Bereits im Rahmen des Erörterungstermines wurden einzelne Dokumentensets (d.h. berichtigte Rechnungen, Anschreiben an die Kunden, Empfangsbestätigungen der Kunden) für die Jahre 2011 bis 2014 vorgelegt. Im Zuge des Erörterungstermins wurden außerdem Herr ***Zeuge1*** sowie Frau ***Zeugin2*** als Zeugen vernommen. Beide Zeugen haben die Erstellung der Rechnungen sowie deren Versand im März 2015 geschildert und ausgeführt, dass - soweit erinnerlich - keine Rückscheine oder Empfangsbestätigungen der Postdienstleister existieren, es jedoch auch keine Rückläufer wegen Unzustellbarkeit gegeben habe.
Die im Erörterungstermin diskutierten Aufstellungen wurden von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin am übermittelt. Am wurden durch den erkennenden Richter die Stichproben ausgewählt und angefordert.
Am wurde durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin ein Teil der angeforderten Stichproben (sämtliche in 2015 ausgestellte Rechnungen und einzelne Versand- bzw. Empfangsnachweise) übermittelt.
Im Rahmen der Stellungnahme vom wurde durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf das Anschreiben vom - im Wesentlichen - wie folgt ausgeführt:
Die Beschwerdeführerin habe sämtliche betroffenen Rechnungen im Jahr 2015 korrigiert (d.h. um den Hinweis ergänzt, dass ein Dreiecksgeschäft vorliegt) und an die jeweiligen Kunden verschickt. Zudem seien die Zusammenfassenden Meldungen für die fraglichen Zeiträume korrigiert worden. Somit habe die Beschwerdeführerin die ex-nunc Anwendbarkeit der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte ausgelöst.
Dies ergebe sich aus dem Erkenntnis des , Luxury Trust Automobil GmbH), in dem der EuGH ausdrücklich auf die Ausführungen der Generalanwältin verweise:
"[…] Wie die Generalanwältin in den Nrn. 57 und 61 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist das nachträgliche Erfüllen einer für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung keine Korrektur. Es handelt sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung […]"
In Zusammenschau mit den Ausführungen der Generalanwältin in der Rz. 61 ihrer Schlussanträge (siehe unten) ergebe sich somit, dass eine nachträgliche Rechnungskorrektur mit ex-nunc Wirkung nicht unzulässig sei.
In der angeführten Rz. 61 ihrer Schlussanträge führe die Generalanwältin Kokott wie folgt aus:
"[…] solche (erstmalige) Rechnungsausstellung keine Rückwirkung entfalten [kann]. Erst mit einer entsprechenden Rechnung, die dem Empfänger zugeht, werden die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregel ex nunc ausgelöst."
In der Rz. 66 und schlussfolgernd in der Rz. 71 bejahe die Generalanwältin die Berichtigung der Rechnung und die Anwendbarkeit der Vereinfachungsbestimmung mit ex-nunc Wirkung. Dies werde überdies auch in der (von der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin näher angeführten) Literatur sowie in einer Entscheidung des BFG () so vertreten.
Sollte in Fällen wie dem gegenständlichen die Anwendbarkeit der Vereinfachungsbestimmung des Art. 25 UStG 1994 versagt werden, würde dies zur unzulässigen Doppelbesteuerung führen, obwohl sämtliche materiellen Voraussetzungen nach erfolgter Korrektur der Rechnung und Übermittlung an die betroffenen Kunden erfüllt seien. Dies ergebe sich auch aus dem , Hans Bühler, in dem von EuGH explizit festgehalten worden sei, dass "Art. 42 der Mehrwertsteuerrichtlinie zur Anwendung kommt, sobald die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind". Die Frage, wann die korrigierten Rechnungen erstellt und an die Kunden übermittelt worden sind, stelle eine Formalität dar, welche im Lichte des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität nicht zu einem Doppelerwerb führen dürfe.
Zu den vorgenommenen Rechnungskorrekturen werde ausgeführt, dass diesbezüglich keine gesetzlichen Formerfordernisse bestehen würden. Die Rechnungen seien durch die Beschwerdeführerin in schriftlicher Form an die Endkunden übermittelt worden. Die vom BFG angeforderten Stichproben (siehe oben) seien - soweit die korrigierten Rechnungen betroffen seien - bereits an das BFG übermittelt worden. Auch seien bereits einzelne Versand- und Empfangsnachweise übermittelt worden, sodass seitens der steuerlichen Vertretung bereits jetzt davon ausgegangen werde, dass bereits die bis dato zur Verfügung gestellten Unterlagen als Nachweis der Übersendung der korrigierten Rechnungen an die betroffenen Kunden ausreichen.
Ergänzend werde zudem erneut auf das , BMF-010219/0396-VI/4/2016, verwiesen, in dem über die Möglichkeit des vereinfachten Nachweises über die Besteuerung im Bestimmungsland für Zwecke des § 3 Abs. 8 UStG 1994 ausgeführt wird. Die - in der Stellungnahme enthaltene - Wiedergabe dieses Schreibens unterbleibt an dieser Stelle.
Am sowie am wurde durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin ein weiterer Teil der angeforderten Nachweise (Empfangsbestätigungen von Kunden der Beschwerdeführerin, Darstellung der Aufwendungen für Portokosten des Jahres 2015 und Rechnung der Österreichischen Post AG vom ) übermittelt.
Aus der Aufstellung der Aufwendungen für Portokosten des Jahres 2015 geht hervor, dass von einem Aufwand von EUR 9.419,71 für das gesamte Jahr 2015 ein Betrag von EUR 3.729,55 alleine auf die Position "Brief Ausland" im Monat März 2015 entfällt. Dieser Betrag stimmt mit der Rechnung der Österreichischen Post AG vom überein.
Mit Fax vom wurde der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat zurückgenommen. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde unverändert aufrechterhalten.
Im Rahmen der am stattgefundenen mündlichen Verhandlung wurde durch die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin die Übermittlung weiterer Nachweise betreffend den Empfang der im März 2015 ausgestellten (korrigierten) Rechnungen angekündigt. Im Rahmen der Verhandlung wurde von keiner der beiden Parteien angezweifelt, dass im März 2015 tatsächlich (korrigierte) Rechnung ausgestellt worden sind und diese auch den Kunden der Beschwerdeführerin tatsächlich zugestellt wurden.
Rechtlich wurde zunächst seitens der steuerlichen Vertretung wie bereits im Schreiben vom ausgeführt und die ex-nunc Anwendbarkeit der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte bejaht. Diese Möglichkeit wurde vom Vertreter des belangten Finanzamtes zumindest nicht explizit ausgeschlossen.
Zum Abschluss der mündlichen Verhandlung wurde der Beschluss verkündet, dass die Entscheidung gemäß § 277 Abs. 4 BAO der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten bleibt.
Mit E-Mail vom wurde ein weiterer Nachweis über den Empfang von (korrigierten) Rechnungen im März 2015 betreffend die Jahre 2011 bis 2014 übermittelt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Vorbemerkung:
Den Ausgangspunkt des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bildet eine bei der Beschwerdeführerin durchgeführte Außenprüfung/Nachschau betreffend die Jahre 2011 bis 2013 sowie die Monate 01-09/2014. Im Rahmen dieser Außenprüfung wurde vom belangten Finanzamt festgestellt, dass die Beschwerdeführerin an sogenannten "missglückten Dreiecksgeschäften" beteiligt sei und durch die Verwendung ihrer österreichischen UID-Nummer somit gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 einen kumulativen innergemeinschaftlichen Erwerb in Österreich bewirkt habe, für den gemäß der Rechtsprechung des EuGH ( und C-539/08, X und Facet BV/Facet Trading BV) kein Vorsteuerabzug zustehe. Für nähere Details betreffend die Jahre 2011 bis 2014 wird auf den obig dargestellten Gang des bisherigen Verfahrens (insbesondere Punkt "I.A.") sowie die zu diesen Jahren ergangene Entscheidung des zur Geschäftszahl RV/6100547/2015 verwiesen.
Festgestellter Sachverhalt:
Der Beschwerdeführerin wurde aufgrund ihrer Beteiligung an sogenannten "missglückten Dreiecksgeschäften" vom belangten Finanzamt in den Jahren 2011 bis 2013 sowie den Monaten 01-09/2014 kumulative Erwerbsteuer gemäß Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 vorgeschrieben, wobei der Vorsteuerabzug unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH (siehe oben) versagt wurde. Im März 2015 wurden von der Beschwerdeführerin diesbezüglich die folgenden Schritte gesetzt:
Korrektur der Zusammenfassenden Meldungen betreffend den Zeitraum 2011 bis 09/2014 dahingehend, dass diese nunmehr einen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts enthalten. Dieser Hinweis war in den ursprünglichen Zusammenfassenden Meldungen nicht enthalten.
Ausstellung von (korrigierten) Rechnungen betreffend die im Zeitraum 2011 bis 09/2014 ausgeführten Lieferungen. Die ursprünglichen Rechnungen wurden ohne Ausweis von Umsatzsteuer und ohne Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes oder den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ausgestellt.
Die (korrigierten) Rechnungen betreffend den Zeitraum 2011 bis 04/2012 enthalten - neben den schon bisher enthaltenen Rechnungsmerkmalen - auch die folgende Angabe und wurden wiederum ohne Ausweis von Umsatzsteuer ausgestellt:
Es liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft im Sinne des Art. 25 Abs 4 UStG vor. Die Steuerschuld geht an den Rechnungsempfänger über (Reverse Charge). This is an intra-Community triangular trade according do Article 25, Paragraph 4, UStG. The obligation to pay VAT is on the invoice receiver (reverse charge).
Die (korrigierten) Rechnungen betreffend den Zeitraum 05/2012 bis 2014 enthalten - neben den schon bisher enthaltenen Rechnungsmerkmalen - auch eine der folgenden Angaben und wurden wiederum ohne Ausweis von Umsatzsteuer ausgestellt:
Es liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft im Sinne des Art 25 Abs 4 UStG vor. Die Steuerschuld geht an den Leistungsempfänger über (Reverse Charge).
ODER
This is an intra-Community triangular trade according to Article 25, Paragraph 4, UStG. The obligation to pay VAT is on the benefit recipient (reverse charge).
In einzelnen Fällen findet sich auf den im März 2015 ausgestellten Rechnungen auch ein italienischsprachiger Hinweis, wobei dieser die Wendung "inversione contabile" und somit die von der italienischen Sprachfassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vorgeschriebene Textierung im Falle des "Überganges der Steuerschuld" enthält.
Die um einen der obig angeführten Hinweise ergänzten Ausgangsrechnungen wurden an die Kunden der Beschwerdeführerin übermittelt und sind diesen zugegangen.
Die Beschwerdeführerin begehrt in der UVA für März 2015 (bzw. sodann in der Umsatzsteuererklärung 2015) die Berücksichtigung des Korrekturbetrages von EUR 941.803,52 (d.h. der Summe der in den Jahren 2011 bis 09/2014 festgesetzten kumulativen Erwerbsteuer), verweist diesbezüglich auf die nunmehrige Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte und argumentiert die ex nunc Anwendung dieser Vereinfachungsregel.
2. Beweiswürdigung
A. Allgemeine Ausführungen
Gemäß § 167 Abs. 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.
Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde im Übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die Abgabenbehörde muss dieser Rechtsprechung zufolge den Bestand einer Tatsache nicht im "naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" nachweisen (vgl. etwa ; Ritz/Koran, BAO7, § 167, Rz 8 mwN).
B. Feststellungen zu den Ergebnissen der Außenprüfung sowie den von der Beschwerdeführerin ausgestellten Rechnungen und den Meldungen (UVA, ZM)
Die Feststellungen betreffend die Ergebnisse der Außenprüfung ergeben sich aus dem diesbezüglichen Bericht. Die Feststellungen betreffend den Inhalt der als Folge der Außenprüfung erlassenen Bescheide ergeben sich aus diesen.
Dass im Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen in den Jahren 2011 bis 2013 sowie den Monaten 01-09/2014 (d.h. jene Zeiträume, betreffend derer die kumulative Erwerbsteuer iSd Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 im Jahr 2015 korrigiert werden soll) von der Beschwerdeführerin Rechnungen ohne einen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts und ohne Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger ausgestellt wurden und sich in den ursprünglich abgegebenen Zusammenfassenden Meldungen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäft findet, wird von beiden Parteien vorgebracht und ergibt sich auch aus den vorliegenden Unterlagen.
Die auf den im März 2015 ausgestellten Rechnungen enthaltenen Hinweise ergeben sich aus diesen. Die Feststellung, dass die italienische Sprachfassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie den Vermerk "inversione contabile" im Falle des Überganges der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger vorschreibt, ergibt sich aus dieser (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/IT/TXT/PDF/?uri=CELEX:02006L0112-20220701).
Die Feststellung betreffend die UVA für März 2015 bzw. die Umsatzsteuererklärung 2015 sowie die begehrte ex nunc Anwendung der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte ergibt sich aus den entsprechenden Erklärungen bzw. dem Begleitschreiben zur UVA für März 2015 vom .
C. Feststellungen zum Nachweis der Zustellung der (korrigierten) Rechnungen
a) Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache C-247/21
Im Rahmen ihrer Schlussanträge in der Rechtssache C-247/21 (Luxury Trust Automobil GmbH) hält die Generalanwältin in der Rz 60 fest, dass eine Rechnung "wenn sie, so wie hier, Rechtsfolgen für den Leistungsempfänger auslöst […] diesem zwingend zugehen muss. Wie soll der Leistungsempfänger wissen, dass der Leistende von seinem Wahlrecht der Inanspruchnahme der Vereinfachungsregelung Gebrauch gemacht und ihn Art. 197 der Mehrwertsteuerrichtlinie zum Steuerschuldner bestimmt, wenn er nie davon Kenntnis erlangt."
Zusätzlich führt sie in der Rz 61 aus, dass "erst mit einer entsprechenden Rechnung, die dem Empfänger zugeht […] die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregelung ex nunc ausgelöst" werden.
Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass - bevor überhaupt die rechtliche Möglichkeit einer ex nunc Anwendbarkeit der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte im vorliegenden Fall geprüft werden kann - erhoben werden muss, ob das von der Generalanwältin aufgestellte Erfordernis des "tatsächlichen Zuganges der Rechnung" erfüllt ist. Es ist an dieser Stelle festzuhalten, dass der EuGH in seinem Urteil nicht konkret auf die Möglichkeit einer ex nunc Anwendbarkeit der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte (und somit auch nicht auf etwaige Voraussetzungen) eingeht (siehe dazu unten, Punkt "II.3.1.C.b)"). Er verweist jedoch auf die Rz 61 der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott und es ist somit vor der Prüfung der rechtlichen Fragestellung jedenfalls auch die Frage nach dem tatsächlichen Zugang der Rechnungen zu klären.
Vorauszuschicken ist noch, dass es sich beim (einzigen) Empfänger in dem der Rechtssache C-247/21 zugrundeliegenden Sachverhalt um einen sogenannten "missing trader" gehandelt hat, der weder für den Lieferer noch für die Steuerbehörden seines Ansässigkeitsstaates greifbar war und der weder Umsatzsteuer aus den bezogenen Lieferungen erklärt noch abgeführt hat. Davon abweichend sind im verfahrensgegenständlichen Fall eine Vielzahl an Kunden betroffen und es gibt keine Hinweise auf die Involvierung eines "missing traders". Während dies am von der Generalanwältin aufgestellten grundsätzlichen Erfordernis, dass die Rechnungen den Kunden "tatsächlich zugehen" müssen, nichts ändert, ist - in realitätsnaher Betrachtung - in derartigen Fällen der logische Schluss, wonach an einen Kunden versendete Poststücke bei diesem auch tatsächlich einlangen, eher zulässig, als dies bei einem - schon per Definition - nicht greifbaren "missing trader" der Fall ist.
Aus diesem Grund wurden bei der Würdigung, ob die Rechnungen den betroffenen Kunden tatsächlich zugegangen sind, nicht nur etwaig vorhandene Empfangsbestätigungen, sondern auch Versandbestätigungen berücksichtigt. Die Überprüfung der vorgelegten Unterlagen (Rechnungen, Versand- und/oder Empfangsnachweise) erfolgte auf Basis von Stichproben und somit nach demselben System, das auch vom belangten Finanzamt im Rahmen der Außenprüfung gewählt wurde.
b) Versandbestätigungen
Die im März 2015 ausgestellten Rechnungen wurden gemäß dem Vorbringen der Beschwerdeführerin bzw. gemäß den vorgelegten Unterlagen entweder durch einen privaten Postdienstleister (DPD) oder die Österreichische Post AG verschickt.
Die gezogenen Stichproben betreffen insgesamt 37 Kunden. An fünf von diesen Kunden wurden die Rechnungen sowie die zugehörigen Begleitschreiben im März 2015 (genauer am sowie am ) mittels DPD verschickt. Dieser Versandnachweis wurde durch den von der Beschwerdeführerin vorgelegten "Paketlebenslauf" aus dem DPD-Archiv erbracht. Aus diesem Nachweis ist nicht nur der jeweilige Empfänger, sondern auch die einzelnen logistischen Zwischenschritte sowie die Zustellung erkennbar. Dies betrifft die Kunden "***Kunde1***", "***Kunde2***", "***Kunde3***", "***Kunde4***" sowie "***Kunde5***". Aus den vorgelegten Unterlagen von DPD, genauer aus dem Feld "Referenznummer", ergibt sich weiters, dass es sich bei den Sendungen um Rechnungen gehandelt hat und dass die Sendungen äußerst umfangreich (Paketgewicht zwischen 3,95kg und 11,95kg) waren.
Der - zumindest soweit die Stichproben betroffen sind - überwiegende Teil der Sendungen im März 2015 wurde über die Österreichische Post AG verschickt. Die diesbezüglich vorgelegten Nachweise lassen die Empfänger der Sendungen nicht erkennen, weisen allerdings für den März 2015 - und somit jenen Monat, in dem die Rechnungen laut Vorbringen der Beschwerdeführerin verschickt worden sind - einen massiv erhöhten Portoaufwand für insgesamt 259 Sendungen der Art "Brief Ausland" nach. Insgesamt wurde für diese Sendungen von der Österreichischen Post AG ein Betrag von EUR 3.729,55 in Rechnung gestellt. Dieser Betrag macht somit deutlich mehr als ein Drittel der gesamten im Jahr 2015 bei der Beschwerdeführerin angefallenen "Portoaufwendungen" von EUR 9.419,71 aus. Die Höhe der Rechnung der Österreichischen Post AG und die Art der Sendungen ergeben sich aus der vorgelegten Rechnung der Österreichischen Post AG vom . Die gesamten Portaufwendungen des Jahres 2015 ergeben sich aus dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Auszug aus ihrer Buchhaltung.
Auch wenn für die durch die Österreichische Post AG übernommenen Sendungen die einzelnen Empfänger nicht namentlich nachgewiesen werden konnten, erscheinen die vorgelegten Unterlagen (259 Sendungen der Art "Brief Ausland" und weit über dem Durchschnitt liegender Portoaufwand im März 2015) nach Ansicht des erkennenden Richters durchaus geeignet, das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach im März 2015 korrigierte Rechnungen an jene Kunden verschickt wurden, die vom Themenkomplex "missglücktes Dreiecksgeschäft" betroffen waren, zu stützen. Dies steht auch im Einklang mit den Aussagen der Zeugen Herr ***Zeuge1*** und Frau ***Zeugin2*** im Rahmen des Erörterungstermines am . Es besteht keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Aussagen zu zweifeln, zumal Herr ***Zeuge1*** nicht mehr bei der Beschwerdeführerin beschäftigt ist und somit überhaupt keinen Grund hätte, diese durch eine "Gefälligkeitsaussage" zu unterstützen.
c) Empfangsbestätigungen
Diesbezüglich ist zunächst wieder auf die Zeugenaussagen im Erörterungstermin zu verweisen, wonach den Zeugen im Zusammenhang mit den im März 2015 verschickten Rechnungen keine Rückläufer (d.h. keine Unzustellbarkeit) erinnerlich ist (siehe oben, Punkt "I.F."). Es ist zwar darauf hinzuweisen, dass zwischen dem Versand der Rechnungen bzw. den nachfolgenden Zeiträumen, in denen die Rückläufer an die Beschwerdeführerin zugestellt worden wären, und den Aussagen im Erörterungstermin mehr als 8 Jahre gelegen sind. Allerdings wurde durch die Zeugen glaubhaft ausgeführt, dass die Ausstellung der Rechnungen im Februar und März 2015 eine enorm hohe Priorität im Unternehmen der Beschwerdeführerin gehabt hat und für diese Tätigkeit sogar eine Leihmitarbeiterin beschäftigt wurde (nachgewiesen durch die Abrechnungen des Personalgestellers aus Februar und März 2015). Es erscheint dem erkennenden Richter somit plausibel, dass den Zeugen etwaige Rückläufer bzw. sonstige Auffälligkeiten/Hindernisse bei der Zustellung der Rechnungen trotz des großen Zeitabstandes in Erinnerung geblieben wären. Diese Aussagen vermögen tatsächliche Empfangsbestätigungen nicht gänzlich zu ersetzen, sie untermauern aber das Vorbringen der Beschwerdeführerin. Zudem kann - im Einklang mit den obigen Ausführungen - in realitätsnaher Betrachtung davon ausgegangen werden, dass versendete Poststücke, sofern sie nicht an den Absender zurückgelangen, an den Empfänger zugestellt wurden.
Soweit der Versand der Poststücke über DPD erfolgt ist (dies betrifft in der Stichprobe fünf Kunden), ist im vorgelegten Nachweis nicht nur der Versand, sondern auch die Zustellung ersichtlich.
Soweit der Versand der Poststücke über die Österreichische Post AG erfolgt ist, liegen keine Empfangsbestätigungen vom Postdienstleister vor. Allerdings wurden die - von der Stichprobe umfassten - Kunden von der Beschwerdeführerin kontaktiert und um Übermittlung eines Schreibens gebeten, in dem sie dem Empfang der korrigierten Rechnungen für den Zeitraum 2011 bis 09/2014 im März 2015 bestätigen. Dem Bundesfinanzgericht wurden insgesamt zwanzig derartige Schreiben übermittelt, in denen die jeweiligen Unternehmen im Wesentlichen bestätigen, dass sie von der Beschwerdeführerin im Jahr 2015 korrigierte Rechnungen für den Zeitraum 2011 bis 2014 erhalten haben. Diese Schreiben wurden sämtlich im Jahr 2023 ausgestellt. Weitere drei von der Stichprobe umfassten Kunden haben ihren Geschäftsbetrieb - nach Auskunft der Beschwerdeführerin - mittlerweile aufgegeben.
Zusätzlich wurden von der Beschwerdeführerin noch (nahezu gleichlautende und ebenfalls im Jahr 2023 datierte) Empfangsbestätigungen von 25 weiteren Kunden übermittelt, die nicht Teil der Stichprobe waren.
d) Conclusio
Ausgehend von den angeforderten Stichproben wird wie folgt ausgeführt:
Eingangs soll festgehalten werden, dass nur in fünf Fällen (nämlich in jenen, in denen der Versand der Rechnungen im März 2015 mittels DPD erfolgt ist) eine durchgehende Nachweiskette für den Versand und den Empfang der korrigierten Rechnungen verfügbar ist. In drei von diesen fünf Fällen liegt zusätzlich noch eine im Jahr 2023 datierte und vom Kunden ausgestellte "Empfangsbestätigung" vor.
In den übrigen Fällen sind die Kunden entweder nicht mehr greifbar (betrifft drei Kunden) oder aber der Versand der im März 2015 verschickten Rechnungen an sie kann nur indirekt nachgewiesen werden (d.h. kein namentlicher Nachweis, sondern Abwägung auf Basis der sonstig vorgelegten Unterlagen und Zeugenaussagen). In insgesamt zwanzig Fällen wurde der Erhalt der in 2015 ausgestellten Rechnungen betreffend den Zeitraum 2011 bis 2014 durch die von der Stichprobe umfassten Kunden bestätigt. Zusätzlich wurden Empfangsbestätigungen von 25 weiteren Kunden übermittelt, die nicht Teil der Stichprobe waren.
Basierend auf den obigen Ausführungen ist zur Beurteilung der Frage, ob die im Jahr 2015 ausgestellten Rechnungen zum Themenkomplex "missglücktes Dreiecksgeschäft" betreffend den Zeitraum 2011 bis 2014 den betroffenen Kunden tatsächlich zugegangen sind, eine gesamthafte Würdigung geboten. Rein mathematisch liegen in zwanzig Fällen Empfangsbestätigungen der betroffenen Kunden vor. Zusätzlich ist in zwei Fällen der "Lebenslauf" der Pakete (d.h. Versand bis Zustellung) durch die Nachweise von DPD dokumentiert. Von den 37 Kunden, die von der Stichprobe umfasst sind, konnten somit für 22 Kunden - und somit mehr als 50% der Fälle - Nachweise erbracht werden. Eine rein mathematische Betrachtung würde nach Ansicht des erkennenden Richters jedoch deutlich zu kurz greifen.
Wie bereits ausgeführt, unterscheidet sich der gegenständliche Sachverhalt von jenem, der der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-247/21 zugrunde gelegen ist, in zwei wesentlichen Punkten. Erstens, im gegenständlichen Fall wurden die Lieferungen an eine Vielzahl von Kunden (und nicht nur einen einzelnen) erbracht. Zweitens, im gegenständlichen Fall gibt es keine Hinweise darauf, dass es sich bei den Kunden um sogenannte "missing trader" handelt. In Fällen wie den gegenständlichen muss somit der logische Schluss, wonach Poststücke als zugestellt angenommen werden können, wenn sie an einen "herkömmlichen" Kunden unter Beauftragung eines Postdienstleisters verschickt werden und nicht aufgrund etwaiger Unzustellbarkeit wieder in die Sphäre des Absenders zurück gelangen, zulässig sein. Anders ist dies naturgemäß aufgrund der - per Definition - nicht (mehr) gegebenen Greifbarkeit in "missing trader" Fällen zu sehen. Solche liegen gegenständlich aber gerade nicht vor.
Aufgrund der Vielzahl der von der Beschwerdeführerin im Zeitraum 2011 bis 2014 ausgeführten Lieferungen wurden die im Februar und März 2015 gesetzten Schritte auf Basis von Stichproben - und somit analog zu dem Vorgehen der Finanzverwaltung im Zuge der Außenprüfung betreffend den Zeitraum 2011 bis 2014 - überprüft.
Dass jene Sendungen, für die kein dezidierter Versandnachweis (d.h. sämtliche Sendungen, die nicht durch DPD transportiert wurden) vorliegt, dennoch als verschickt angenommen werden, beruht auf den Zeugenaussagen sowie der vorgelegten Rechnung der Österreichischen Post AG, aus der deutlich erkennbar ist, dass im März 2015 insgesamt 259 Sendungen der Art "Brief Ausland" übernommen wurden. In Zusammenschau mit dem Auszug aus der Buchhaltung der Beschwerdeführerin betreffend die "Portoaufwendungen" des Jahres 2015 lässt sich erkennen, dass die im März 2015 angefallenen Aufwendungen bei weitem über dem Durchschnitt liegen und somit im Einklang mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin stehen, wonach der Versand der im Jahr 2015 erstellten Rechnungen im März 2015 erfolgt ist. Dies wird außerdem gestützt durch die Aussagen der Zeugen im Erörterungstermin sowie die Abrechnungen des Personalgestellers für die Überlassung einer Leihmitarbeiterin betreffend Februar und März 2015 und somit jenen Zeitraum, in dem die korrigierten Rechnungen erstellt wurden.
Dass die verschickten Sendungen auch tatsächlich bei den betroffenen Kunden eingelangt sind, ergibt sich erstens aus dem im ersten Aufzählungspunkt angeführten logischen Schluss. Zweitens wurden durch die Beschwerdeführerin insgesamt 45 Empfangsbestätigungen der fraglichen Kunden vorgelegt, wobei zwanzig auf jene Kunden entfallen, die Teil der Stichprobe waren. Drittens ist wiederum auf die Aussagen der Zeugen im Erörterungstermin zu verweisen, die ausgeführt haben, dass ihnen keine "Rückläufer" erinnerlich seien. Während dies in Anbetracht der verstrichenen Zeit grundsätzlich nicht besonders beweiskräftig erscheint, ist jedoch im konkreten Fall auf die enorme Wichtigkeit der Ausstellung der korrigierten Rechnungen im Jahr 2015 für die Beschwerdeführerin zu verweisen. Diese Wichtigkeit wurde sowohl von den Zeugen betont und ergibt sich auch daraus, dass bereits im Begleitschreiben zur UVA 03/2015 auf die berichtigten Rechnungen und deren von der damaligen steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin vertretene Auswirkung verwiesen wurde. Es ist somit - in Anbetracht der damaligen Wichtigkeit dieser Arbeiten - davon auszugehen, dass etwaige Probleme/Rückläufer den hauptsächlich handelnden Personen (Herr ***Zeuge1*** war damals sowohl in die Außenprüfung als auch in die Ausstellung der Rechnungen im Jahr 2015 maßgeblich eingebunden) wohl noch erinnerlich gewesen wären.
Im Ergebnis ist somit nach Ansicht des erkennenden Richters davon auszugehen, dass die im Jahr 2015 erstellten Rechnungen betreffend den Themenkomplex "missglücktes Dreiecksgeschäft" im Zeitraum 2011 bis 09/2014 den fraglichen Kunden tatsächlich zugegangen sind.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Art. 3 Abs. 8 UStG 1994 in der für die streitgegenständlichen Jahre maßgeblichen Fassung lautet:
Der innergemeinschaftliche Erwerb wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt, in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung befindet. Verwendet der Erwerber gegenüber dem Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so gilt der Erwerb solange in dem Gebiet dieses Mitgliedstaates als bewirkt, bis der Erwerber nachweist, daß der Erwerb durch den im ersten Satz bezeichneten Mitgliedstaat besteuert worden ist. Im Falle des Nachweises gilt § 16 sinngemäß.
Art. 25 UStG 1994 in der für die streitgegenständlichen Jahre maßgeblichen Fassung lautet auszugweise:
(1) Ein Dreiecksgeschäft liegt vor, wenn drei Unternehmer in drei verschiedenen Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen, dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt und die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen erfüllt werden. Das gilt auch, wenn der letzte Abnehmer eine juristische Person ist, die nicht Unternehmer ist oder den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt.
Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Dreiecksgeschäft
(2) Der innergemeinschaftliche Erwerb im Sinne des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz gilt als besteuert, wenn der Unternehmer (Erwerber) nachweist, daß ein Dreiecksgeschäft vorliegt und daß er seiner Erklärungspflicht gemäß Abs. 6 nachgekommen ist. Kommt der Unternehmer seiner Erklärungspflicht nicht nach, fällt die Steuerfreiheit rückwirkend weg.
Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen
(3) Der innergemeinschaftliche Erwerb ist unter folgenden Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit:
a) Der Unternehmer (Erwerber) hat keinen Wohnsitz oder Sitz im Inland, wird jedoch im Gemeinschaftsgebiet zur Umsatzsteuer erfaßt;
b) der Erwerb erfolgt für Zwecke einer anschließenden Lieferung des Unternehmers (Erwerbers) im Inland an einen Unternehmer oder eine juristische Person, der bzw. die für Zwecke der Umsatzsteuer im Inland erfaßt ist;
c) die erworbenen Gegenstände stammen aus einem anderen Mitgliedstaat als jenem, in dem der Unternehmer (Erwerber) zur Umsatzsteuer erfaßt wird;
d) die Verfügungsmacht über die erworbenen Gegenstände wird unmittelbar vom ersten Unternehmer oder ersten Abnehmer dem letzten Abnehmer (Empfänger) verschafft;
e) die Steuer wird gemäß Abs. 5 vom Empfänger geschuldet.
Rechnungsausstellung durch den Erwerber
(4) Die Rechnungsausstellung richtet sich nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, von dem aus der Erwerber sein Unternehmen betreibt. Wird die Lieferung von der Betriebsstätte des Erwerbers ausgeführt, ist das Recht des Mitgliedstaates maßgebend, in dem sich die Betriebsstätte befindet. Rechnet der Leistungsempfänger, auf den die Steuerschuld übergeht, mittels Gutschrift ab, richtet sich die Rechnungsausstellung nach den Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem die Lieferung ausgeführt wird.
Sind für die Rechnungsausstellung die Vorschriften dieses Bundesgesetzes maßgebend, muss die Rechnung zusätzlich folgende Angaben enthalten:
- einen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers,
-die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, unter der der Unternehmer (Erwerber) den innergemeinschaftlichen Erwerb und die nachfolgende Lieferung der Gegenstände bewirkt hat, und
-die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der Lieferung.
Steuerschuldner
(5) Bei einem Dreiecksgeschäft wird die Steuer vom Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung geschuldet, wenn die vom Erwerber ausgestellte Rechnung dem Abs. 4 entspricht.
Pflichten des Erwerbers
(6) Zur Erfüllung seiner Erklärungspflicht im Sinne des Abs. 2 hat der Unternehmer in der Zusammenfassenden Meldung folgende Angaben zu machen:
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Inland, unter der er den innergemeinschaftlichen Erwerb und die nachfolgende Lieferung der Gegenstände bewirkt hat;
die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Empfängers der vom Unternehmer bewirkten nachfolgenden Lieferung, die diesem im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände erteilt worden ist;
für jeden einzelnen dieser Empfänger die Summe der Entgelte der auf diese Weise vom Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat der versandten oder beförderten Gegenstände bewirkten Lieferungen. Diese Beträge sind für das Kalendervierteljahr anzugeben, in dem die Steuerschuld entstanden ist.
Pflichten des Empfängers
(7) Bei der Berechnung der Steuer gemäß § 20 ist dem ermittelten Betrag der nach Abs. 5 geschuldete Betrag hinzuzurechnen.
§ 253 BAO lautet:
Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.
Art. 40 der Richtlinie 2006/112/EG ("Mehrwertsteuerrichtlinie") lautet:
Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.
Art. 41 der Richtlinie 2006/112/EG lautet:
Unbeschadet des Artikels 40 gilt der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i als im Gebiet des Mitgliedstaats gelegen, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb im Einklang mit Artikel 40 besteuert worden ist.
Wird der Erwerb gemäß Artikel 40 im Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er gemäß Absatz 1 besteuert wurde, wird die Steuerbemessungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend gemindert.
Art. 42 der Richtlinie 2006/112/EG lautet:
Artikel 41 Absatz 1 ist nicht anzuwenden und der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als gemäß Artikel 40 besteuert, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
a)Der Erwerber weist nach, dass er diesen Erwerb für die Zwecke einer anschließenden Lieferung getätigt hat, die im Gebiet des gemäß Artikel 40 bestimmten Mitgliedstaats bewirkt wurde und für die der Empfänger der Lieferung gemäß Artikel 197 als Steuerschuldner bestimmt worden ist;
b)Der Erwerber ist der Pflicht zur Abgabe der zusammenfassenden Meldung gemäß Artikel 265 nachgekommen."
Art. 197 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG lautet:
Die Mehrwertsteuer schuldet der Empfänger einer Lieferung von Gegenständen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a)Der steuerpflichtige Umsatz ist eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Artikel 141;
b)Der Empfänger dieser Lieferung von Gegenständen ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, der bzw. die in dem Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, in dem die Lieferung bewirkt wird;
c)Die von dem nicht im Mitgliedstaat des Empfängers der Lieferung ansässigen Steuerpflichtigen ausgestellte Rechnung entspricht Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 5."
Art. 226 der Richtlinie 2006/112/EG (deutsche Version) lautet auszugsweise:
Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:
[…]
11a.bei Steuerschuldnerschaft des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers: die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers";
[…]
Art. 226 der Richtlinie 2006/112/EG (englische Version) lautet auszugsweise:
Without prejudice to the particular provisions laid down in this Directive, only the following details are required for VAT purposes on invoices issued pursuant to Articles 220 and 221:
[…]
11a.where the customer is liable for the payment of the VAT, the mention 'Reverse charge';
[…]
B. § 253 BAO
Gemäß der obig zitierten Bestimmung des § 253 BAO gilt die gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 03/2015 eingebrachte Beschwerde vom als auch gegen den zwischenzeitig ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2015 vom gerichtet.
Der als Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015 bezeichnete Schriftsatz vom ist daher als Beschwerdeergänzung zur ursprünglichen Beschwerde vom zu werten (so auch ).
C. Erwägungen
Gemäß der obig zitierten Vorschrift des Art. 25 Abs. 2 UStG 1994 gilt der innergemeinschaftliche Erwerb im Sinne des Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994 als besteuert, wenn der Unternehmer (d.h. die Beschwerdeführerin) nachweist, dass ein Dreiecksgeschäft vorliegt und dass er seiner Erklärungspflicht gemäß Art. 25 Abs. 6 UStG 1994 nachgekommen ist.
a) Erklärungspflicht gemäß Art. 25 Abs. 6 UStG 1994
Hinsichtlich der Erklärungspflicht des Art. 25 Abs. 6 UStG 1994 ist auszuführen, dass sich aus dieser Bestimmung nicht ergibt, dass eine fehlende Markierung einer innergemeinschaftlichen Lieferung als "Dreiecksgeschäft" in der Zusammenfassenden Meldung für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte schädlich ist. Lediglich für die Rechnungsausstellung des Erwerbers verlangt Art. 25 Abs. 4 UStG 1994 - soweit dazu österreichisches Recht anwendbar ist - einen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers. Einen Hinweis auf ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft in der Zusammenfassenden Meldung sehen weder Art. 21 Abs. 3 bis 10 UStG 1994 (vgl. hingegen Art. 21 Abs. 11 UStG 1994 über die gesonderte Erklärung der Lieferungen im Sinne des Art. 25 Abs. 5 UStG 1994 in der Voranmeldung nach § 21 Abs. 1 und 2 UStG 1994) noch Art. 25 Abs. 6 UStG 1994 vor ().
Zudem handelt es sich bei der Erklärungspflicht nach Art. 25 Abs. 2 iVm Art. 25 Abs. 6 UStG 1994 "nicht um eine materielle Voraussetzung, sondern lediglich um eine formelle Anforderung". Die Nichterfüllung (oder nicht rechtzeitige Erfüllung) dieser Anforderung kann die Wirkung, dass der innergemeinschaftliche Erwerb als besteuert gilt, im Allgemeinen nicht in Frage stellen, wenn die materiellen Voraussetzungen im Übrigen erfüllt sind ( unter Verweis auf , Hans Bühler KG).
Somit ergibt sich, dass die von der Beschwerdeführerin im Zeitraum 2011 bis 09/2014 erstatteten Zusammenfassenden Meldungen auch ohne expliziten Hinweis auf das Vorliegen von Dreiecksgeschäften die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte nicht gehindert hätten. Die im Jahr 2015 erfolgte Berichtigung ist zweckmäßig, notwendig für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte war sie nicht (vgl. in diesem Sinne erneut ).
b) Nachweis, dass ein Dreiecksgeschäft vorliegt
Ein Dreiecksgeschäft liegt gemäß Art. 25 Abs. 1 UStG 1994 vor, wenn drei Unternehmer aus drei verschiedenen Mitgliedstaaten über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen, dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt und die in Abs. 3 genannten Voraussetzungen erfüllt werden.
Zu den im Abs. 3 des Art. 25 UStG 1994 genannten Voraussetzungen gehört auch, dass die Steuer gemäß Art. 25 Abs. 5 UStG vom Empfänger geschuldet wird. Dies ist - gemäß dieser Bestimmung - nur dann der Fall, wenn die vom Erwerber (d.h. der Beschwerdeführerin) ausgestellte Rechnung dem Art. 25 Abs. 4 UStG 1994 entspricht. Dafür ist es aber - neben anderen Rechnungserfordernissen - erforderlich, dass die Rechnung einen expliziten Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäftes und die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers enthält.
Wie aus dieser Verweiskette erkennbar ist, erfordert der Nachweis des Vorliegens eines Dreiecksgeschäfts iSd Art. 25 Abs. 2 UStG (und die damit verbundene Besteuerungsfiktion betreffend den innergemeinschaftlichen Erwerb iSd Art. 3 Abs. 8 zweiter Satz UStG 1994) somit unter anderem eine Rechnung, die den zusätzlichen Anforderungen des Art. 25 Abs. 4 UStG 1994 genügt. Dass die im Zeitpunkt der Ausführung der Lieferungen in den Jahren 2011 bis 2014 ausgestellten Rechnungen diesen Anforderungen nicht genügt haben, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, demgemäß die im Zeitraum 2011 bis 09/2014 ausgestellten Rechnungen keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Dreiecksgeschäfts sowie den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger enthalten haben.
Zu den im März 2015 ausgestellten Rechnungen und den darauf erstmalig enthaltenen Rechnungshinweisen betreffend den Übergang der Steuerschuld ist wie folgt auszuführen:
Die Rechnungen betreffend den Zeitraum 2011 bis 04/2012 enthalten - gemäß dem festgestellten Sachverhalt - neben den sonstigen Rechnungsmerkmalen den folgenden Hinweis:
Es liegt ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft im Sinne des Art. 25 Abs 4 UStG vor. Die Steuerschuld geht an den Rechnungsempfänger über (Reverse Charge). This is an intra-Community triangular trade according do Article 25, Paragraph 4, UStG. The obligation to pay VAT is on the invoice receiver (reverse charge).
Gemäß der Rechtsprechung des EuGH (, Luxury Trust Automobil GmbH) ist die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" zwingend (vgl. die Rz 51 dieses Urteils, wonach "der Zwischenerwerber eines Dreiecksgeschäfts folglich die Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" nicht durch einen anderen Hinweis ersetzen" kann, "während Art. 226 Nr. 11a der Mehrwertsteuerrichtlinie diese Angabe ausdrücklich vorschreibt."). Auf den Rechnungen betreffend die Jahre 2011 und 2012 findet sich jedoch der Hinweis "Steuerschuld geht an den Rechnungsempfänger über". Dieser Hinweis ist nicht ausreichend bzw. sogar irreführend, da gerade nicht über den Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger, sondern auf den Übergang der Steuerschuld auf den Rechnungsempfänger hingewiesen wird. Denn obwohl es sich in vielen Fällen beim Rechnungsempfänger auch um den Leistungsempfänger handeln wird, ist dies nicht zwingend. Auf den Rechnungen ist allerdings auch die Wendung "reverse charge" enthalten. Genau diese Angabe wird in der englischen Sprachfassung des Art. 226a Nr. 11a der Mehrwertsteuerrichtlinie verlangt bzw. hält der EuGH in der Rz 51 der englischen Fassung des Urteils zu Luxury Trust Automobil GmbH fest, dass diese Wendung auf einer Rechnung enthalten sein muss, wenn die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte zur Anwendung gelangen soll.
Die Rechnungen genügen somit nach Ansicht des erkennenden Richters den Anforderungen der Mehrwertsteuerrichtlinie bzw. des EuGH. Denn obwohl außer der Wendung "reverse charge" auch noch der Hinweis auf den Übergang der Steuerschuld auf den Rechnungsempfänger enthalten ist, ergibt sich - nach Ansicht des erkennenden Richters - für den Leistungsempfänger in verständiger Würdigung, dass es zum Übergang der Steuerschuld auf ihn kommt und dieser somit über seine steuerlichen Pflichten ausreichend aufgeklärt wird.
Die Rechnungen betreffend den Zeitraum 05/2012 bis 2014 enthalten gemäß dem festgestellten Sachverhalt neben der Wendung "reverse charge" auch noch den korrekten Hinweis, dass die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht. Somit ist auch in diesen Fällen davon auszugehen, dass die Rechnungen den Anforderungen der Mehrwertsteuerrichtlinie genügen. Selbiges muss auch für die in italienischer Sprache gehaltenen Hinweise gelten, denn auch diese enthalten die Angabe, die von Art. 226a Nr. 11a der italienischen Sprachfassung der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgeschrieben wird.
Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Beschwerdeführerin im März 2015 erstmals Rechnungen ausgestellt hat, die sämtliche für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte notwendigen Rechnungsmerkmale enthalten. Dass diese Rechnungen den Kunden der Beschwerdeführerin auch zugegangen sind, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt.
Fraglich ist, welche Auswirkungen die im März 2015 ausgestellten Rechnungen betreffend die Jahre 2011 bis 2014 und die Zustellung dieser Rechnungen an die Kunden der Beschwerdeführerin haben.
Diesbezüglich ist zunächst wiederum auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Luxury Trust Automobil GmbH zu verweisen. Der EuGH hat im Rahmen der Beantwortung der zweiten Vorlagefrage in dieser Rechtsache völlig unzweifelhaft ausgesprochen, dass "das Weglassen der nach der Bestimmung des Art. 226 Nr. 11a der Richtlinie 2006/112 erforderlichen Angabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" auf einer Rechnung nicht später durch Ergänzung eines Hinweises darauf berichtigt werden kann, dass diese Rechnung ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betrifft und dass die Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergeht."
In der Rz 61 des obig genannten Urteils führt der EuGH zudem wie folgt aus:
Folglich kann von einer Berichtigung der Rechnung nicht die Rede sein, wenn eine Voraussetzung für die Anwendung der für Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung wie die nach Art. 226 Nr. 11a der Mehrwertsteuerrichtlinie erforderliche Angabe fehlt. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 57 und 61 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist das nachträgliche Erfüllen einer für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung keine Korrektur. Es handelt sich um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann.
In den explizit vom EuGH genannten Randzahlen der Schlussanträge vom zur Beschwerdesache C-247/21 führt Generalanwältin Kokott wie folgt aus:
57Ich habe allerdings Zweifel, ob im vorliegenden Kontext überhaupt von einer Rechnungsberichtigung gesprochen werden sollte. Wie oben ausgeführt, fehlt eine Tatbestandsvoraussetzung (d.h. eine entsprechende Rechnung), um von einem innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäft und der Steuerschuldverlagerung auf den Leistungsempfänger auszugehen. Das nachträgliche Erfüllen einer notwendigen Tatbestandsvoraussetzung ist aber keine Korrektur, sondern das erstmalige Ausstellen der vorausgesetzten Rechnung.
61Aus dem gleichen Grund lässt sich die Frage nach der Rückwirkung recht eindeutig beantworten. Eine solche (erstmalige) Rechnungsausstellung kann keine Rückwirkung entfalten. Erst mit einer entsprechenden Rechnung, die dem Empfänger zugeht, werden die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregelung ex nunc ausgelöst.
Es steht somit fest, dass die im März 2015 ausgestellten Rechnungen keine Rückwirkung auf die Jahre 2011 bis 2014 (und somit die Zeiträume, in denen die Lieferungen erfolgt sind) entfalten können. Siehe zu dieser Thematik das Erkenntnis des BFG betreffend diese Jahre ().
Fraglich bleibt noch, ob diese im März 2015 ausgestellten Rechnungen dazu führen können, dass die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte ab dem Vorliegen dieser Rechnungen ex nunc in Anspruch genommen werden kann. Der EuGH verweist in der obig zitierten Rz 61 seines Urteils auf die - ebenfalls obig zitierten - Ausführungen der Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen. Diese hat im letzten Satz der Rz 61 ihrer Schlussanträge explizit ausgeführt, dass durch eine "entsprechende" (d.h. sämtliche erforderliche Merkmale enthaltende) Rechnung "die Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregelung ex nunc ausgelöst" werden.
Dies hat der EuGH in dieser Deutlichkeit nicht übernommen. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt, festzuhalten, dass es sich bei der "nachträglichen Erfüllung einer für die Steuerschuldverlagerung auf den Empfänger der Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung" nicht um eine Korrektur, sondern "um die erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten kann", handelt.
Es stellt sich somit die Frage, welche Auswirkungen eine solche erstmalig ausgestellte Rechnung hat. Eine Rückwirkung wurde explizit verneint (sowohl vom EuGH wie auch von der Generalanwältin Kokott). Eine Wirkung dahingehend, dass aufgrund dieser Rechnung eine ex nunc Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte möglich ist, wurde von der Generalanwältin Kokott explizit bejaht und vom EuGH weder bejaht noch verneint. Konsequenterweise muss jedoch nach Ansicht des erkennenden Richters die - wie es der EuGH formuliert - erstmalige Ausstellung der erforderlichen Rechnung auch dazu führen, dass ab mit diesem Zeitpunkt und somit dem Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen auch die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte zur Anwendung kommen kann (in diesem Sinne auch Tratlehner/Zaman, Die Rs Luxury Trust Automobil GmbH und ihre Folgen für die Dreiecksgeschäftsvereinfachung, taxlex 2023/20; Heinrichshofen, Bestimmung des Endempfängers einer Lieferung als Schuldner der Mehrwertsteuer - Rechnungsangabe "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers", UR 02/23). Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass man eine "Rechnungskorrektur" zwar als erstmalige Ausstellung einer für die Anwendung der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte erforderlichen Rechnung (d.h. als Tatbestandsvoraussetzung) qualifiziert, dieser aber weder Rechtswirkungen für die Vergangenheit noch für die Gegenwart oder Zukunft zubilligt. Dies erscheint nicht sachgerecht.
Im Ergebnis war der Beschwerde somit stattzugeben und der Umsatzsteuerbescheid 2015 entsprechend anzupassen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Durch die von der Beschwerdeführerin im März 2015 ausgestellten Rechnungen, die den Hinweis "Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers" (oder eine fremdsprachliche Formulierung entsprechend den Anforderungen der englischen oder italienischen Sprachfassung der Mehrwertsteuerrichtlinie) enthalten, hat die Beschwerdeführerin erstmals sämtliche Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte erfüllt. Zur Frage, ob ab diesem Zeitpunkt die Vereinfachungsregel für Dreiecksgeschäfte in Anspruch genommen werden kann, obwohl die fraglichen Lieferungen in den Jahren 2011 bis 2014 ausgeführt wurden, existiert keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher zuzulassen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | Art. 3 Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Art. 25 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | , Luxury Trust Automobil GmbH |
Zitiert/besprochen in | Gerner in BFGjournal 2024, 20 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.6101039.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at