Kein häusliches Arbeitszimmer bei pandemiebedingter Arbeit im HomeOffice (2020)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Monika Ahorn in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 (Steuernummer ***BF1StNr1***) zu Recht erkannt:
I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert.
Das Einkommen beträgt nach Abzug von Werbungskosten (459,40 Euro) und Sonderausgaben (97,45 Euro) 58.583,46 Euro. Die Einkommensteuer wird nach anrechenbarer Lohnsteuer und Rundung mit -234,00 Euro (Gutschrift) festgesetzt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (in Folge: Bf.) machte in seiner Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2020 unter der Kennzahl 719 (Arbeitsmittel)
2.707,93 Euro und unter der KZ 724 (sonstige Werbungskosten) 118,- Euro geltend. Bei den Werbungskosten für Arbeitsmittel handle es sich um Kosten des Arbeitszimmers, da die Tätigkeit von zu Hause aus ausgeübt worden sei.
Von der Abgabenbehörde wurden die nachgewiesenen Kosten für Monitor, Tastatur, Maus und Internet nach Abzug eines Privatanteils von 40 % iHv 724,51 Euro als Werbungskosten berücksichtigt. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen eines Arbeitszimmers versagte die Behörde die Anerkennung weiterer Werbungskosten. Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. war im streitgegenständlichen Jahr bei der ***2*** GmbH beschäftigt und übte die Funktion des "Head of Service Transition Management" aus. Der Mittelpunkt seiner Tätigkeit war an der Arbeitsstätte des Dienstgebers gelegen.
Die Ausgaben für Internet und Telefon betrugen im Jahr 2020 419,17 Euro. Digitales Equipment wurde um 496,50 Euro angeschafft (Monitor 400,- Euro, Tastatur 69,- Euro, Maus 27,50 Euro). Der Privatanteil betrug 40 Prozent.
Der Arbeitgeber hat im Juli 2020 eine einmalige Sonderzahlung "BonusCovid19" für benötigtes Equipment iHv 150,- Euro ausbezahlt.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht übermittelten Aktenteilen sowie den nachträglich vom Bf. vorgelegten Unterlagen.
Im Jahr 2020 gab es in Österreich drei sogenannte "harte Lockdowns" mit Betretungsverboten für gewisse Betriebe, sowie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Ein generelles gesetzliches Verbot des Betretens von Arbeitsplätzen wurde nicht verhängt (vgl. Bräumann, SWK 13/2020, S. 706). Diese Lockdowns betrafen die Zeiträume bis , bis sowie bis (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-Pandemie_in_%C3%96sterreich).
Entsprechend der vom Bf. vorgelegten Übersicht (BFG-Akt, OZ 7, S. 3) setzen sich die beantragten Kosten für Arbeitsmittel zusammen aus:
1.495,37 Euro anteilige Kosten (Miete, Strom, Heizung/Wasser und Haushaltsversicherung) für das häusliche Arbeitszimmer; 567,18 Euro für digitales Equipment; 226,80 Euro für ergonomisches Equipment und 420,68 Euro für laufende Kosten des Druckers und der Datenleitung. Bei den beantragten sonstigen Werbungskosten iHv 118,- Euro handelt es sich laut der Übersicht um Ausrüstung (ua Rollcontainer, Schreibtischlampe) für das Arbeitszimmer. Für das digitale und ergonomische Equipment sowie für die laufenden Kosten hat der Bf. einen Privatanteil iHv 40 Prozent ausgeschieden.
Als Nachweis der geltend gemachten Kosten legte der Bf. in seiner Vorhaltsbeantwortung vom Zahlungsbestätigungen und eine "Privat-Rechnung" von ***1***, der Ehefrau des Bf., über 834,- Euro für das digitale und ergonomische Equipment sowie die Arbeitszimmerausrüstung vor.
Im mit datierten ersten Teil der Vorhaltsbeantwortung führte der Bf. zur Beschreibung seines beruflichen Aufgabenbereiches als Head of Service Transition Management bei der ***2*** GmbH folgende Punkte an:
- Sicherstellen, dass die Serviceanforderungen den Kundenanforderungen entsprechen;
- Sicherstellen der Koordination aller operativen Tasks für die Transition von Services in die Produktion
- Auftreten als Single Point of Contact für alle Demands, Projekte und Hot Fixes in Bezug auf die Service Operation und Aufrechterhaltung der Services und Applikationen (in allen Umgebungen)
- Prozessowner der Service Prozesse (Delivery, Deployment, Monitoring, Asset Mgmt. für HW, SW, MW, Interfaces, NW, Phones, inkl. Definition von Capacity Availabilty Mgmt sowie die Governance und regulatorische Messgrößen)
- Definierung und Sicherstellung von Services und Serviceprozessen (HW, SW, MW, Interfaces, NW, Phones)
- Definieren von Checkpunkten und KPls von Services und den dazugehörigen Serviceprozessen
- Fortlaufende Reviews und Weiterentwicklung von Services und Service-/Change Prozessen
- Unterstützung des Supplier Mgmt. mittels Übersetzung und Weiterleitung von Anforderungen und Angeboten in einem Standard Service Katalog
- Gewährleistung der Einhaltung der Service Transition Prozesse für Infrastruktur und SW in Produktionssystemen und Sicherstellung der operativen Service Bereitschaft aller Services (definierte Quality Gates, inklusive Monitoring, Capacity Mgmt. sowie Performance und Security)
- Erstellung und Weiterentwicklung von operativen Cookbooks sowie Dokumentation aller operativen Tasks
- Verantwortlich für das "Sign Off" der Quality Gates innerhalb der Service Transition Prozesse und Sicherstellen der operativen Service Bereitschaft (inkl der technischen Release Notes)
- Fachliche sowie Disziplinarische Führung des internationalen Teams
- Verantwortlich für den "GoLive" eines Services in die Produktion
- Unterstützung der Projektleitung in verschiedenen Projekten
- Identifikation von Risiken der Service Bereitschaft
- Abhalten von Service Review und SLA Meetings
- Kennenlernen und Weiterentwicklung der unternehmensrelevanten Prozesse, Philosophie, und Kultur
- Zusammenarbeit mit internen IT Teams, Fachbereichen und externen Technologie- und Implementierungspartnern
Der Bf. begründete die Geltendmachung der Kosten des Arbeitszimmers damit, dass er seit seine gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten von zu Hause aus durchführe und er die aufgelisteten Positionen für seine tägliche Arbeit benötige, um weiterhin seine Aufgaben in derselben Qualität und Effizienz durchführen zu können. Der Arbeitgeber habe einen Laptop zur Verfügung gestellt und im Juli 2020 eine einmalige Sonderzahlung "BonusCovid19" für benötigtes Equipment iHv 150,- Euro (BFG-Akt, OZ 8, S. 14) ausbezahlt.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde der Bf. aufgefordert eine Bestätigung des Arbeitgebers vorzulegen, aus der ersichtlich ist, an welchen Tagen er im Jahr 2020 die Tätigkeit im Büro bzw im Homeoffice verrichtet hat; zu welchen Zeiten er im Jahr 2020 grundsätzlich - unabhängig vom Ort der tatsächlichen Dienstverrichtung - einen Zugang zu einem Büroarbeitsplatz hatte und ob er für das Jahr 2020 eine eigene Homeoffice-Vereinbarung abgeschlossen hatte.
Mit seiner Antwort vom legte der Bf. seine Lohnzettel 2021 und 2022 vor, aus denen die Homeoffice-Tage dieser Jahre ersichtlich sind. Weiters gab der Bf. aufgrund persönlicher Aufzeichnungen an, vor dem an 34 Tagen und nach diesem Datum bis zum Ende des Jahres 2020 nur an einem Tag im Büro gewesen zu sein; die restlichen Arbeitstage habe er im Homeoffice verbracht.
Wie sich aus dem E-Mail vom (BFG-Akt, OZ 25) ergibt, stellte der Arbeitgeber die vom Gericht geforderte Bestätigung nicht aus, sondern bestätigte dem Bf. lediglich die Echtheit der vom Bf. übermittelten 35 "***3***-Artikel". Dabei handelt es sich um wöchentliche interne Maßnahmen und Regelungen im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie ab der Kalenderwoche 11 im Jahr 2020. Zusammengefasst ergibt sich daraus (BFG-Akt, OZ 26 bis 38 sowie OZ 40 bis 60) Folgendes:
- Beginnend mit gab es eine Empfehlung, von zu Hause aus zu arbeiten.
- Vom bis inklusive blieben die ***4***-Standorte gänzlich geschlossen (BFG-Akt, OZ 29 - 35).
- Ab erfolgte eine schrittweise Wiedereröffnung der Standorte. Ab diesem Zeitpunkt war das Betreten der Standorte für gemeldete Mitarbeiter möglich (BFG-Akt, OZ 28).
- Ab wurde diese Regelung insoweit angepasst, als die zulässige Anzahl der zum Betreten der Standorte zulässigen Mitarbeiter auf 25 % erhöht wurde. Dabei wurde ein Rotationsprinzip "Divided by 4" eingesetzt, bei dem jeder Bereich in je vier Teams eingeteilt wurde. Pro Arbeitswoche war dann immer nur ein Team am Standort tätig. Die anderen drei Teams befanden sich im Homeoffice (vgl. BFG-Akt, OZ 60). Somit ist davon auszugehen, dass spätestens mit dieser Regelung auch der Bf. wieder an seinen Arbeitsplatz hätte zurückkehren können.
- Ab der Folgewoche wurde das Ausmaß der anwesenden Belegschaft weiter erhöht (vgl. BFG-Akt, OZ 59) und ab hatten die Führungskräfte die Möglichkeit das Rotationsprinzip auf "Divided by 2" (also zwei sich abwechselnde Teams) umzustellen.
- Ab November 2020 gab es wieder eine Empfehlung verstärkt im Homeoffice zu arbeiten. Eine gänzliche Schließung der Bürogebäude wurde auch für den Zeitraum des zweiten Lockdowns ( bis ) nicht mehr vorgenommen.
Mit Beschluss vom hat das Gericht den Bf. aufgefordert, zu einigen Positionen der vorgelegten "Privat-Rechnung" (Computersessel, Computertisch, Drucker und USB-Dockingstation) die ursprünglichen Rechnungen der Anschaffung vorzulegen.
In seiner Antwort vom führte der Bf. aus, dass diese Rechnungen trotz umfassender Suche nicht mehr aufzufinden seien. Möglicherweise seien sie im Zuge des im Frühjahr 2022 erfolgten Umzuges verloren gegangen. Andere in diesem Beschluss abverlangte Rechnungen waren auffindbar und wurden übermittelt.
Für die Beurteilung ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform eines Sachverhaltes maßgebend (§ 21 BAO). Weil ausnahmslos die der "Privat-Rechnung" zugrundeliegenden Rechnungen nicht auffindbar gewesen seien, geht das Gericht davon aus, dass sich diese Gegenstände auch schon vor dem streitgegenständlichen Zeitraum in der ehelichen Wohnung befunden haben und die tatsächliche Anschaffung bereits in einem Jahr vor 2020 erfolgt ist. Weiters geht das Gericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass die nun vorliegende "Privat-Rechnung" zwischen den Eheleuten erstellt wurde, um eine "Anschaffung" der Möbel und somit einen Werbungskostenabzug im Jahr 2020 herbeizuführen.
Mit seinem Schreiben vom übermittelte der Bf. die angeforderten Rechnungen für die geltend gemachten Ausgaben für digitales Equipment (Tastatur, Maus, Monitor) sowie für die Datenleitung. Die vorgelegten Rechnungen der T-Mobile Austria GmbH ("Datenleitung") weisen monatliche Entgelte für Digital TV, Digital Telefon und Internet Fiber 250 in einer Summe aus. Anhand der verrechneten Umsatzsteuersätze (10 % für TV-Grundentgelt, 20 % für Telefon und Internet) lassen sich die Ausgaben für Telefon und Internet errechnen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
Zunächst ist festzuhalten, dass das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
§ 16 Abs 1 EStG 1988 in der für das Veranlagungsjahr 2020 geltenden Fassung (BGBl I 52/2021, § 124b 374 EStG 1988) lautet auszugsweise:
"Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im Folgenden ausdrücklich zugelassen ist. […] Werbungskosten sind auch:
[…]
7. Ausgaben für Arbeitsmittel (zB Werkzeug und Berufskleidung). Ist die Nutzungsdauer der Arbeitsmittel länger als ein Jahr, ist Z 8 anzuwenden.
7a. Ausgaben und Beträge eines Arbeitnehmers, der seine berufliche Tätigkeit in der Wohnung (im Homeoffice) erbringt und bei dem keine Ausgaben für ein Arbeitszimmer gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d berücksichtigt werden:
a) Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar (insbesondere Schreibtisch, Drehstuhl, Beleuchtung) eines in der Wohnung eingerichteten Arbeitsplatzes bis zu insgesamt 300 Euro (Höchstbetrag pro Kalenderjahr), wenn der Arbeitnehmer zumindest 26 Homeoffice-Tage gemäß § 26 Z 9 lit. a im Kalenderjahr geleistet hat. Übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten insgesamt den Höchstbetrag, kann der Überschreitungsbetrag innerhalb des Höchstbetrages jeweils ab dem Folgejahr bis zum Kalenderjahr 2023 geltend gemacht werden. Z 8 ist nicht anzuwenden.
[…]"
§ 124b Z 374 EStG 1988 lautet:
"§ 16 Abs. 1 Z 7a lit. a und § 16 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2021 sind erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2020 anzuwenden. Abweichend davon gilt für die Veranlagung der Kalenderjahre 2020 und 2021 Folgendes:
- Ausgaben im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 7a lit. a, die im Kalenderjahr 2020 getätigt wurden, sind zu berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit für den Arbeitgeber an zumindest 26 Tagen im Jahr 2020 ausschließlich in der Wohnung ausgeübt hat. Der Höchstbetrag beträgt für das Kalenderjahr 2020 150 Euro. Der Antrag auf Berücksichtigung dieser Kosten stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar.
-Der Höchstbetrag gemäß § 16 Abs. 1 Z 7a lit. a beträgt für das Kalenderjahr 2021 300 Euro. Er vermindert sich um den Betrag, der im Kalenderjahr 2020 für Ausgaben im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 7a lit. a berücksichtigt worden ist."
§ 20 Abs 1 EStG 1988 lautet auszugsweise:
"Bei den einzelnen Einkünften dürfen nicht abgezogen werden:
Z1 Die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.
[…]
Z 2 lit d) Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig."
Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer sind somit nur dann abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen bildet.
Für die Bestimmung des Mittelpunktes einer Tätigkeit ist ihr materieller Schwerpunkt maßgebend; in Zweifelsfällen ist darauf abzustellen, ob das Arbeitszimmer in zeitlicher Hinsicht für mehr als die Hälfte der Tätigkeit im Rahmen der konkreten Einkunftsquelle benützt wird (vgl ; , 2011/15/0104; , 2013/15/0165). Der Mittelpunkt einer Tätigkeit ist nach ihrem materiellen Schwerpunkt, somit nach dem typischen Berufsbild, nicht aber nach den Gegebenheiten im Einzelfall zu beurteilen (vgl Jakom/Peyerl EStG, 2023, § 20 Rz 51).
Als Leiter der Abteilung Service Transition Management ist der Bf. im IT-Bereich tätig. Dass das Arbeitszimmer nach dem typischen Berufsbild, wie es in der Beweiswürdigung umschrieben dargestellt ist, den materiellen Schwerpunkt der Tätigkeit bildet, ist nicht feststellbar. Vielmehr ist - auch aufgrund der Tatsache, dass sich der Bf. im Zeitraum Jänner bis an 34 Tagen im Büro aufgehalten hat - davon auszugehen, dass der materielle Schwerpunkt der Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers lag. Auch wird bei Nichtselbständigen die berufliche Tätigkeit in der Regel am vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz ausgeübt (Kofler/Wurm in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21, § 20 Rz 104/4).
Seitens des Bundesfinanzgerichtes bestehen Bedenken, allein wegen des pandemiebedingt vermehrten Arbeitens im Homeoffice von einer grundsätzlichen Verlagerung des materiellen Schwerpunktes auszugehen. Wenn der Arbeitgeber bedingt durch ein außergewöhnliches, unvorhersehbares Ereignis wie dem der Pandemie zwecks Minimierung der Ansteckungsgefahr dem Dienstnehmer vorschreibt bzw. es ihm erlaubt, seine Tätigkeit in seinem privaten Wohnbereich auszuüben, so kann aus dem Blickwinkel eines objektiven Betrachters keine unmittelbare Änderung des typischen Berufsbildes mit seinem materiellen Schwerpunkt abgeleitet werden. Die vom Arbeitgeber empfohlene Maßnahme musste vielmehr als eine von vielen vorübergehenden Maßnahmen bis zur Klärung der Auswirkungen der Pandemie angesehen werden. Dies sieht man auch daran, dass der Arbeitgeber wöchentlich - an die jeweiligen Gegebenheiten angepasste - Richtlinien und Empfehlungen für die Mitarbeiter erstellt hat. Ein darin ausdrücklich ausgesprochenes Verbot des Betretens der Bürogebäude (die Standorte waren geschlossen) bestand nur für den Zeitraum bis - somit lediglich für acht Wochen. Daraus bereits eine grundlegende Änderung des typischen Berufsbildes bzw. des materiellen Tätigkeitsschwerpunktes abzuleiten, entspräche nicht der Verkehrsauffassung.
Auch die vorgelegte, ab gültige Vereinbarung über Homeoffice/Mobile Arbeit (BFG-Akt, OZ 18) gibt in allen drei möglichen Optionen vor, dass die Arbeitsleistung in der Regel im Betrieb des Dienstgebers (betriebliche Arbeitsstätte) stattzufinden hat. Das Gericht geht daher weiterhin davon aus, dass der Mittelpunkt der Tätigkeit des Bf. an der Arbeitsstätte des Dienstgebers gelegen ist.
Eine Bestätigung der tatsächlich im Homeoffice verbrachten Arbeitstage konnte der Bf. trotz Aufforderung nicht vorlegen. Seinen eigenen Angaben zufolge habe er sich vor dem an 34 Tagen und an nur einem Tag im restlichen Jahr im Büro befunden. Alle anderen Arbeitstage habe er im Homeoffice verbracht. Da die Frage des Mittelpunktes der Tätigkeit bereits eindeutig geklärt werden konnte, war auf das zeitliche Überwiegen - auf das, wie bereits ausgeführt, nur in Zweifelsfällen abzustellen ist - nicht näher einzugehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen für die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers neben dem Mittelpunkt der Tätigkeit auch noch weitere Kriterien erfüllt sein. Demnach muss ein Arbeitszimmer nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen notwendig sein und muss der zum Arbeitszimmer bestimmte Raum tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt sowie entsprechend eingerichtet sein (siehe zB ; ).
Weil die Voraussetzungen für die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers kumulativ vorliegen müssen () und schon der Mittelpunkt der Tätigkeit des Bf. nicht im Arbeitszimmer gelegen ist, war auf die weiteren Kriterien nicht mehr einzugehen.
Zu erwähnen bleibt noch, dass der Gesetzgeber der Notwendigkeit der Einrichtung eines häuslichen Arbeitsplatzes (abseits eines eigenen Arbeitszimmers) insofern Rechnung getragen hat, als er mit § 16 Abs. 1 Z 7a EStG 1988 idF BGBl I 52/2021 eine eigene Bestimmung geschaffen hat, die auf die steuerliche Entlastung von COVID-19-bedingter beruflicher Tätigkeit im privaten Wohnbereich abzielt. So sind iVm § 124b Z 374 EStG 1988 Ausgaben für ergonomisch geeignetes Mobiliar für 2020 unter den dort angeführten Voraussetzungen als Werbungskosten bis maximal 150,- Euro abzugsfähig (669 BlgNR 27. GP)
Durch diese Bestimmung soll gewährleistet werden, dass Aufwendungen für geeignete Einrichtung eines häuslichen Arbeitsplatzes auch dann abzugsfähig sind, wenn sie sich nicht in einem steuerrechtlich anerkannten Arbeitszimmer befindet. Bezüglich der Anerkennung als Arbeitszimmer selbst sollten aber die oben angeführten Anforderungen unabhängig von der nunmehrigen Bestimmung weiter Geltung haben. Darauf wird sowohl in § 16 Abs. 1 Z 7a EStG 1988 selbst als auch in den Materialen (669 BlgNR 27. GP) hingewiesen.
Daraus ist abzuleiten, dass sich der Gesetzgeber der Problematik der nunmehr vermehrt in Anspruch genommenen Homeoffice-Tätigkeit durchaus bewusst war. Er nahm diese aber nicht zum Anlass, die Anforderungen an das Vorliegen eines steuerlichen Arbeitszimmers neu zu definieren, sondern begnügte sich mit der Erleichterung der Absetzbarkeit von Aufwendungen für die Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes.
Die beantragten anteiligen Kosten für das Arbeitszimmer iHv 1.495,37 Euro waren daher gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG 1988 zu versagen.
Gemäß § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.
Wie unter Punkt 2. Beweiswürdigung bereits dargestellt, war die vorgelegte "Privat-Rechnung" im Hinblick auf § 21 Abs. 1 BAO nicht anzuerkennen. Die darin angeführten Ausgaben für verschiedene Gegenstände konnten daher nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Zu den geltend gemachten Kosten der Datenleitung ist folgendes auszuführen:
Die beantragten Ausgaben enthalten auch Ausgaben für Digital TV, die gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 als Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen nicht als Werbungskosten abzugsfähig sind. Lediglich die Ausgaben für Telefon und Internet (419,17 Euro) waren abzüglich eines - auch schon vom Bf. selbst berücksichtigten - Privatanteiles iHv 40 Prozent als Werbungskosten, anzuerkennen (251,50 Euro).
Ebenso waren die Ausgaben für digitales Equipment (Monitor, Maus, Tastatur) grundsätzlich im Ausmaß der in den vorgelegten Rechnungen angeführten Beträge (496,50 Euro) als Werbungskosten (§ 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988) anzuerkennen. Allerdings war von diesem Betrag die vom Arbeitgeber geleistete Sonderzahlung für benötigtes Equipment iHv 150,- Euro gegenzurechnen und ein Privatanteil iHv 40 Prozent abzuziehen, wonach ein abzugsfähiger Betrag iHv 207,90 Euro verbleibt.
In Summe waren daher 459,40 Euro als Werbungskosten zu berücksichtigen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der unter Punkt 3.1. benannten einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 124b Z 374 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 21 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103203.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at