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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.09.2023, RV/7101796/2023

Erledigung im Mehrparteienverfahren gemäß § 97 Abs. 1 lit.a. BAO nur demgegenüber wirksam und formell rechtskräftig, dem gegenüber sie zugestellt wurde

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7101796/2023-RS1
Gemäß § 97 BAO Abs. 1 lit.a. BAO werden Erledigungen (Erkenntnis, Bescheid) erst dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind – bei Zustellungen im Mehrparteienverfahren bedeutet das, dass sie jeder Partei zugestellt worden sein müssen. Keine Einschränkung dazu ist die Aussage des , dass es für die Wirksamkeit eines Erkenntnisses genüge, wenn dieses nur einer Verfahrenspartei eines Mehrparteienverfahrens (der belangten Behörde) zugestellt werde, da dies eine präzisierende Aussage zur Frage der Legitimation der anderen Verfahrenspartei (des Beschwerdeführers) zur Erhebung einer Revision iSd § 26 Abs. 2 VwGG und keine Einschränkung zur Wirksamkeit einer zugestellten Erledigung iSd § 97 Abs. 1 lit.a BAO war.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend den Ablauf der Aussetzung § 212a BAO 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Vorverfahren betreffend Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und diesbezüglicher Gebührenerhöhung, über dessen Beschwerdeverfahren das Bundesfinanzgericht am abgesprochen hat (RV/7100290/2023):

Im Zuge einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof vom durch den gegenständlichen Beschwerdeführer ***Bf1*** (in der Folge als Bf bezeichnet) nahm der Verfassungsgerichtshof am einen Befund zu Beschwerde und Antrag wegen nicht entrichteter Gebühren iHv € 480,- auf.

Dieser Befund wurde bei der belangten Behörde, dem Finanzamt Österreich Dienststelle Sonderzuständigkeiten zur ErfNr. ***123*** aufgenommen.

Der Bescheid über eine Gebühr und eine Gebührenerhöhung (in Summe € 720,-) wurde am von der belangten Behörde erlassen.

Der Bf erhob gegen diesen Bescheid am über FinanzOnline mit der von ihm angegebenen Adresse ***Adresse1*** Beschwerde.

Die Beschwerde wurde am mit Beschwerdevorentscheidung abgewiesen. Dagegen stellte der Bf am einen Vorlageantrag unter Angabe derselben Adresse und stellte ua auch einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung.

Der Akt wurde dem Bundesfinanzgericht am vorgelegt.

Im Vorlagebericht gab die belangte Behörde als Adresse des Bf ***Adresse1*** an und zusätzlich wurde als Zustelladresse des Bf ***Adresse2*** vermerkt.

In der Folge wurde die Beschwerde vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/7100290/2023, als unbegründet abgewiesen.

Das Erkenntnis RV/7100290/2023 wurde zunächst an die Meldeadresse des Beschwerdeführers, ***Adresse1*** nach einem erfolglosen Zustellversuch am durch Hinterlegung am zugestellt.

Nachdem das Poststück jedoch mit dem Vermerk "nicht behoben" zurückgesendet wurde, erfolgte die Zustellung an die dem Finanzamt bekanntgegebene Zustelladresse ***Adresse2*** nach erneut erfolglosem Zustellversuch am durch Hinterlegung am .

Aber auch dort konnte eine Zustellung nicht abgeschlossen werden, weil auch von der 2. Zustelladresse das zugestellte Erkenntnis als "nicht behoben" am ins Bundesfinanzgericht zurückkam.

Daraufhin wurde es ein drittes Mal ein Zustellversuch an die ***Adresse2*** durchgeführt.

Nachdem auch dieser Versuch am neuerlich erfolglos verlief, konnte das Erkenntnis schließlich durch Hinterlegung am schließlich dem Bf zugestellt werden.

2. Verfahren vor der belangten Behörde:

Der gegenständliche Antrag auf Aussetzung der Einhebung über eine Gebühr und eine Gebührenerhöhung (in Summe € 720,-) vom , der zusammen mit dem Vorlageantrag des unter Punkt 1 dargestellten Beschwerdeverfahrens an das Bundesfinanzgericht gestellt wurde, wurde mit Bescheid vom von der belangten Behörde bewilligt.

Auf Grund des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts vom wurde der Ablauf der Aussetzung der Einhebung mit Bescheid vom verfügt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde des Bf vom , die er über FinanzOnline unter Angabe der Adresse ***Adresse1*** eingebracht hat.

Darin macht der Bf als Beschwerdegründe von ihm so genannte "Akt-, Beweis-, Feststellungs-, Rechts- und Verfahrensrüge" geltend.

Er sieht in der Begründung des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung auf Grund der Beschwerdeerledigung und den diesbezüglichen erklärenden Ausführungen der belangten Behörde einen Rechtsirrtum.

Er begründet das folgendermaßen:

"… Eine gegenständliche Beschwerdeerledigung wurde dem Einschreiter nicht zugestellt, andernfalls würde der Einschreiter fristgerecht Rechtsmittel erheben.Zur Rechtssicherheit wird gleichzeitig die Aufhebung des Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung vom beantragt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, die Zustellung der Beschwerdeerledigung beantragt und der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Rechtsmittelerhebung gestellt…."

Die Beschwerde wurde am mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen.

Begründet wurde dies damit, dass die Beschwerde mit BFG-Erkenntnis vom "" (offensichtlicher Schreibfehler, gemeint war ) bereits abgewiesen worden wäre und daher der Ablaufbescheid vom "" (ebenso offensichtlich gemeint ) der Aussetzung der Einhebung zu Recht ergangen wäre, da die Beschwerde gegen den Gebührenbescheid und Bescheid über eine Gebührenerhöhung bereits erledigt worden wären.

Am wurde der Vorlageantrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht gestellt:

Darin wurde vorgebracht, dass der Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung vom rechtswidrig sei, weil die Beschwerde nicht erledigt sei und das Erkenntnis nicht ordnungsgemäß zugestellt worden wäre.

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde gestellt, um Rechtsmittel gegen das Erkenntnis des BFG zu erheben.

3. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht:

Am wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Darin wurde als Adresse und auch als Zustelladresse ***Adresse1***, angegeben.

Im Vorlagebericht nahm die belangte Behörde Stellung:

Sie führte aus, dass der Ablauf einer Aussetzung gemäß § 212 Abs. 5 lit b BAO anlässlich eines über die Beschwerde, von deren Erledigung die Höhe der Abgaben abhängt, ergehenden Erkenntnisses zu verfügen sei.

Das Bundesfinanzgericht habe mit Erkenntnis vom über die Beschwerde gegen die Festsetzung der Gebühr und der Gebührenerhöhung abgesprochen und nach § 212a Abs. 5 lit b BAO sei das Finanzamt verpflichtet, anlässlich eines über die Beschwerde ergehenden Erkenntnisses den Ablauf der Aussetzung zu verfügen.

Der Ablauf sei zwingend vorzunehmen, sobald die Abgabenbehörde von der Erledigung Kenntnis erlangt habe (vgl. ; Ritz/Koran, BAO7 zu § 212a Rz 28 mwN). Das Erkenntnis über den Vorlageantrag im Gebührenverfahren wäre dem Finanzamt am zugestellt worden.

Die belangte Behörde führte weiter aus, dass das Gesetz den Behörden kein Ermessen zur Berücksichtigung von Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Festsetzung der von der Aussetzung der Einhebung umfassten Abgaben einräume und verwies in diesem Zusammenhang auf die Judikatur des Bundesfinanzgerichtes .

Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Gebühren könnten nur im Verfahren zur Festsetzung der Gebühren geltend gemacht und berücksichtigt werden.

In diesem Zusammenhang wurde auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes verwiesen.

Darüberhinaus führte die belangte Behörde aus, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO lägen nicht vorliegen würden, weil kein fristauslösendes Ereignis stattgefunden habe.

Hinsichtlich der Zustellung führte die belangte Behörde Folgendes aus:

Der Zustellvorgang sei im Beschluss zu Verfahrenshilfe VH/7100008/2023 des Bundesfinanzgerichts vom über die beantragte Verfahrenshilfe dargestellt.

Der behauptete Zustellmangel werde hingegen vom Bf nicht näher beschrieben.

Die Zustellung durch Hinterlegung sei rechtswirksam, wenn der Empfänger von der Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 2 ZustG verständigt worden wäre.

Der Rückschein habe als öffentliche Urkunde die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich, die Widerlegung dieser Vermutung bedürfe geeigneter Behauptungen und Beweisanträge (vgl. ).

Die bloße Behauptung der "nicht ordnungsgemäßen Zustellung" begründe keine Zweifel an der rechtmäßigen Zustellung.

Hinsichtlich der Einbringung einer eventuellen außerordentlichen Revision merkte die belangte Behörde an, dass das nicht in den Zuständigkeitsbereich des Finanzamts Österreich fallen würde.

Das Finanzamt stellte als Abschluss ihres Vorlageberichtes den Antrag an das Bundesfinanzgericht, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf beantragte im Zuge eines Beschwerdeverfahrens wegen nicht entrichteter Gebühren beim Verfassungsgerichtshof die Aussetzung der Einhebung am .

Der Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom bewilligt.

Die Beschwerde wurde vom Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom , RV/7100290/2023, als unbegründet abgewiesen.

Im Vorlagebericht dieses Aktes war als Meldeadresse ***Adresse1*** und als Zustelladresse ***Adresse2*** angegeben. Davon unterscheidet sich der gegenständliche Akt, in dem nur die erstgenannte Adresse ***Adresse1*** von der belangten Behörde und dem Bf als seine Adresse und auch Zustelladresse angegeben war.

Das Erkenntnis wurde zunächst an die Meldeadresse des Beschwerdeführers, ***Adresse1*** nach erfolglosem Zustellversuch am durch Hinterlegung am zugestellt.

Nachdem das Poststück mit dem Vermerk "nicht behoben" zurückgesendet wurde, erfolgte die Zustellung an die dem Finanzamt bekanntgegebene Zustelladresse ***Adresse2*** nach erneut erfolglosem Zustellversuch am durch Hinterlegung am .

Auch von der 2. Zustelladresse kam das zugestellte Erkenntnis als "nicht behoben" am wieder ins Bundesfinanzgericht zurück.

Daraufhin wurde es ein drittes Mal an die ***Adresse2*** zugestellt und nach neuerlich erfolglosem Zustellversuch am durch Hinterlegung am zugestellt.

Auf Grund des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts vom wurde von der belangen Behörde der Ablauf der Aussetzung der Einhebung mit Bescheid vom verfügt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde des Bf vom , die er über FinanzOnline unter Angabe der Adresse ***Adresse1*** eingebracht hat.

Er begründet die Beschwerde va damit, dass ihm eine gegenständliche Beschwerdeerledigung nicht zugestellt worden wäre, beantragte ua die Aufhebung des Bescheides über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung vom und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Die Beschwerde wurde am mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen.

Am wurde Vorlageantrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht gestellt mit der Begründung, dass der Bescheid über den Ablauf einer Aussetzung der Einhebung vom rechtswidrig sei, weil die Beschwerde nicht erledigt sei und das Erkenntnis nicht ordnungsgemäß zugestellt worden wäre.

(Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde erneut gestellt.)

Am wurde der Akt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. Darin wurde gleichermaßen als Adresse und auch als Zustelladresse ***Adresse1***, angegeben.

Im Vorlagebericht nahm die belangte Behörde Stellung, indem sie ausführte, dass der Ablauf einer Aussetzung gemäß § 212 Abs. 5 lit b BAO anlässlich eines über die Beschwerde, von deren Erledigung die Höhe der Abgaben abhängt, ergehenden Erkenntnisses zwingend zu verfügen sei.

Damit begründete die belangte Behörde, dass sie auf Grund des Erkenntnisses vom über die Beschwerde gegen die Festsetzung der Gebühr und der Gebührenerhöhung nach § 212a Abs. 5 lit b BAO verpflichtet war, anlässlich des über die Beschwerde ergehenden Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes vom den Ablauf der Aussetzung zu verfügen.

(Zusätzlich führte die belangte Behörde auch aus, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO nicht vorlägen.)

Die belangte Behörde beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist auf Grund des von der belangten Behörde vorgelegten eindeutigen Akteninhalts des gegenständlichen Aktes als erwiesen anzusehen.

Des weiteren ist der Sachverhalt durch die Einsicht in den dem gegenständlichen Akt in materiellrechtlicher Hinsicht zu Grunde liegenden Akt RV/7100290/2023 des Bundesfinanzgerichtes (siehe ausführlich im Verfahrensgang in Punkt 1. dargestellt) als erwiesen zu betrachten.

Die Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes ergaben durch die Einsicht in diesen Akt die notwendigen Kenntnisse betreffend die tatsächliche Zustellung und insbesondere den Zustellungszeitpunkt, ab dem von einer Zustellung des Erkenntnisses an den Bf ausgegangen werden kann.

Sämtliche Zustellungen bzw. Zustellversuche bzw. dazugehörige Nachweise dieses Erkenntnisses an den Bf wurden zur rechtlichen Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes berücksichtigt.

Dadurch wurde auch der Nachweis erbracht, dass der Bf zum Zeitpunkt des gegenständlichen Bescheides - am - als der Ablauf der Aussetzung der Einhebung von der belangten Behörde verfügt wurde, keine Kenntnis von dem - diesem Bescheid zu Grunde liegenden Erkenntnis vom , - haben konnte.

Der Verfahrensgang vor der belangten Behörde, dem Verfassungsgerichtshof und dem Bundesfinanzgericht ist durch sämtliche genannten Akten ebenfalls hinreichend dokumentiert und evident.

Die Vorlage vor dem Bundesfinanzgericht ist durch die Bescheide, die Bescheidbeschwerde, die Beschwerdevorentscheidungen und den Vorlageantrag und schließlich die Vorlage sowie den Vorlagebericht vor dem Bundesfinanzgericht auch evident.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

3.1.1. Rechtsgrundlagen

§ 212a BAO idgF

(1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder

b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(2a) Ungeachtet einer nicht erfolgten oder nicht zu bewilligenden Aussetzung der Einhebung gemäß Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ist auf Antrag des Abgabepflichtigen die Einhebung der Abgabe in der sich aus dem Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 ergebenden Höhe auszusetzen. Dem Antrag ist der Bescheid gemäß § 48 Abs. 1 beizulegen.

(3) Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (Abs. 1) gestellt werden. Sie haben die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten. Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden

a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder

b) Erkenntnisses (§ 279) oder

c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus.

Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen (§ 212) als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

(5a) Der Ablauf der nach Abs. 2a bewilligten Aussetzung der Einhebung ist anlässlich des Bescheides gemäß § 48 Abs. 2 oder 3 zu verfügen.

§ 97 BAO idgF

(1) Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt

a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;

b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung.

(2) Ist in einem Fall, in dem § 191 Abs. 4 oder § 194 Abs. 5 Anwendung findet, die Rechtsnachfolge (Nachfolge im Besitz) nach Zustellung des Bescheides an den Rechtsvorgänger (Vorgänger) eingetreten, gilt mit der Zustellung an den Rechtsvorgänger (Vorgänger) auch die Bekanntgabe des Bescheides an den Rechtsnachfolger (Nachfolger) als vollzogen.

(3) An Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung kann deren Inhalt auch telegraphisch oder fernschriftlich mitgeteilt werden. Darüber hinaus kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, wobei zugelassen werden kann, daß sich die Behörde einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. In der Verordnung sind technische oder organisatorische Maßnahmen festzulegen, die gewährleisten, daß die Mitteilung in einer dem Stand der Technik entsprechenden sicheren und nachprüfbaren Weise erfolgt und den Erfordernissen des Datenschutzes genügt. Der Empfänger trägt die Verantwortung für die Datensicherheit des mitgeteilten Inhalts der Erledigung. § 96 Abs. 2 gilt sinngemäß.

3.1.2. Rechtliche Würdigung

Vorweg wird klargestellt, dass - obwohl die belangte Behörde im Vorlagebericht zum Antrag des Bf auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Stellung nimmt - das Bundesfinanzgericht mangels Vorlage einer Erledigung dieses Antrages im gegenständlichen Fall für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zuständig ist und daher in diesem Erkenntnis nicht darüber abspricht.

3.1.2.1. Zum Ablauf der Aussetzung der Einhebung

Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht gemäß § 212a Abs 5 BAO in einem Zahlungsaufschub, der mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf endet.

Dieser Ablauf der Aussetzung ist im Zuge einer über die Beschwerde ergehenden Beschwerdevorentscheidung der Abgabenbehörde oder eines Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes oder anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigungen zu verfügen.

In diesem Zusammenhang wesentlich zu erwähnen ist, dass die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht ausschließt, während ein neuerlicher Antrag nach einer das Rechtsmittel abschließenden Erledigung durch das Bundesfinanzgericht (Erkenntnis oder Beschluss) nicht mehr bewilligt werden darf, sondern vielmehr von der Abgabenbehörde der Ablauf der Aussetzung der Einhebung zwingend zu verfügen ist.

Im gegenständlichen Fall liegt die zweite Fallkonstellation vor:

Das Bundesfinanzgericht hat die Beschwerde, deren Einhebung ausgesetzt war, mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes, , abgewiesen und damit erledigt.

Demzufolge war ab diesem Zeitpunkt keine Bescheidbeschwerde mehr offen, deren Bestehen § 212a BAO als Voraussetzung für die Bewilligung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung verlangt.

Die belangte Behörde verfügte daraufhin den Ablauf der Aussetzung der Einhebung mit Bescheid vom - diese Entscheidung ist grundsätzlich als absolut rechtsrichtig zu beurteilen.

3.1.2.2. Zeitpunkt der Verfügung des Ablaufs der Aussetzung der Einhebung

Nicht außer Acht gelassen werden darf in diesem Zusammenhang aber die Tatsache, dass der Bf zu dem Zeitpunkt, an dem die belangte Behörde den Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt hat, dem , nachweislich auf Grund der Zustellung nichts von dem Erkenntnis vom , RV/7100290/2023 gewusst haben kann, weil es ihm zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht zugestellt worden war.

Das Erkenntnis wurde vom Bundesfinanzgericht erstmalig an die Meldeadresse des Bf gesendet, nicht an die im Akt angegebene Zustelladresse.

Als das Erkenntnis am als nicht behoben ins Bundesfinanzgericht zurückkam, wurde es erneut an die zweitgenannte Zustelladresse geschickt und kam dort nach einem erfolglosen Zustellversuch durch Hinterlegung am 29. März 202 erneut als nicht behoben zurück. Erst nach dem dritten Zustellversuch an die Zustelladresse wurde es am 17. April dort 2023 hinterlegt.

Deshalb führte der Bf auch in seiner gegenständlichen Beschwerde vom und in seinem gegenständlichen Vorlageantrag vom richtig aus, dass ihm das Erkenntnis nach wie vor nicht zugestellt worden sei:

Zu diesem Zeitpunkt war das allerdings richtig, weil die Hinterlegung erst wenige Tage später am stattgefunden hatte - und daher für ihn das Beschwerdeverfahren noch offen sei, weshalb die Begründung der belangten Behörde, dass auf Grund der abschließenden Erledigung durch das Erkenntnis der Ablauf der Aussetzung der Einhebung zu verfügen gewesen wäre, unrichtig sei.

Diese Ausführungen sind richtig - allerdings nur zu diesem Zeitpunkt und für diesen Zeitpunkt - weil grundsätzlich die belangte Behörde richtig ausgeführt hat, dass bei abschließender Erledigung mangels offenen Rechtsmittels gemäß § 212a Abs. 5 lit.b BAO der Ablauf der Aussetzung der Einhebung zwingend zu verfügen sei.

Für das gegenständliche Verfahren steht somit fest, dass der Bf zum Zeitpunkt, als die belangte Behörde den Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt hat, durch Zustellung nichts von dem Erkenntnis gewusst hat - auf Grund der ersten Zustellung (nicht an die Zustelladresse) - auch nicht gewusst haben kann.

Diese Unkenntnis kann zwar nicht verhindern, dass das Erkenntnis rechtlich existent und wirksam ist, da es der belangten Behörde bereits zugegangen ist, allerdings kann durch bloße Zustellung an die belangte Behörde eine "Wirksamkeit im Sinne des § 97 Abs. 1 lit.a BAO" gegenüber dem Bf nicht eintreten.

§ 97 Abs. 1 BAO besagt in lit.a, dass schriftliche Erledigungen dadurch wirksam werden, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden (grundsätzlich durch Zustellung), für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind - also der belangten Behörde u n d dem Bf.

Da zum Zeitpunkt der Verfügung des Ablaufs der Aussetzung der Einhebung am das abschließende Erkenntnis dem Bf nachweislich nicht zugestellt wurde, waren zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen im Sinne des § 97 Abs.1 lit.a BAO also de facto nicht erfüllt.

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (); ) zur Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen für das Verfahrensrecht nicht der derzeit aktuelle Verfahrensstand, sondern der Zeitpunkt der Vornahme der Amtshandlung - im gegenständlichen Fall der , als die belangte Behörde den Ablauf der Aussetzung der Einhebung bescheidmäßig verfügte - heranzuziehen ist.

Demzufolge wurde der Ablauf der Aussetzung der Einhebung am zu früh verfügt.

In diesem Zusammenhang ist auch grundsätzlich anzumerken, dass den Ablauf der Aussetzung "anlässlich" einer abschließenden Erledigung gemäß § 212a Abs. 5 BAO zu verfügen, nicht gleichbedeutend ist mit einer gleichzeitigen Verfügung ().

Dadurch ist es zB auch zulässig, den Ablauf einer abgeleiteten Abgabe anlässlich der den Grundlagenbescheid betreffenden Erledigung der Beschwerde erst dann zu verfügen, wenn die Folgeänderung erfolgt ist (siehe RAE, Rz 512, Ritz/Koran BAO7 zu § 212a Rz 28a, Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 212a Anm 54).

3.1.2.3. Höchstgerichtliche Judikatur zur Wirksamkeit eines Erkenntnisses, wenn es im Mehrparteienverfahren nur der Amtspartei zugestellt wurde

Der gegenständlichen rechtlichen Beurteilung steht auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht entgegen, in der er aussagt:

"Im Übrigen genügt es für die Wirksamkeit eines (der schriftlichen Ausfertigung vorbehaltenen) Erkenntnisses, wenn dieses einer Verfahrenspartei eines Mehrparteienverfahrens, so wie hier aktenkundig der vor dem Bundesfinanzgericht belangten Behörde, zugestellt worden ist (vgl. , mwN)."

Die zitierte Aussage steht der gegenständlichen rechtlichen Beurteilung insbesondere deshalb nicht entgegen, weil diese Ausführungen des VwGH nicht zu § 97 BAO, sondern zu § 26 Abs 2 VwGG zu der rechtlichen Frage erfolgt sind, ob eine Revision des Beschwerdeführers gegen ein Erkenntnis, das nicht er, sondern nur die belangte Behörde durch Zustellung erhalten hatte, legitimiert bzw. wirksam sei oder zurückzuweisen sei.

Gleichermaßen führt dazu das Bundesfinanzgericht kürzlich in seiner Entscheidung in Punkt 3.3. aus, dass diese zitierte Aussage des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 VwGG erfolgt ist.

Die zitierte Aussage findet sich auch sinngemäß in weiterer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wieder, zB in seiner Entscheidung , dessen Rechtssatz gleichermaßen aussagt:

"§ 26 Abs 2 VwGG hat im Mehrparteienverfahren Bedeutung. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde gegen einen nicht zugestellten und auch nicht an die betreffende Person gerichteten Bescheid ist, dass dieser Bescheid an andere Verfahrensparteien ergangen ist und dass der Bescheid seinem Inhalt nach in die Rechtssphäre der übergangenen Partei eingreift…."

Außerdem findet sich die zitierte Aussage auch in einem anderen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, in , dessen Stammrechtssatz besagt: "§ 26 Abs. 2 VwGG hat im Mehrparteienverfahren Bedeutung. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde gegen einen nicht gegenüber dem Beschwerdeführer ergangenen Bescheid ist, dass dieser geeignet ist, materielle subjektivöffentliche Rechte des Beschwerdeführers als Partei zu verletzen, und durch Zustellung an eine andere Verfahrenspartei rechtliche Existenz erlangt hat (Hinweis Beschluss vom , 2008/03/0059, mwN, und das E vom , 96/20/0664."

Festzuhalten ist daher in diesem Zusammenhang:

Der Verwaltungsgerichtshof traf mit seiner Aussage in , dass es für die Wirksamkeit eines Erkenntnisses genüge, wenn dieses nur einer Verfahrenspartei eines Mehrparteienverfahrens (der belangten Behörde) zugestellt werde, eine präzisierende Aussage zur Frage der Legitimation der anderen Verfahrenspartei (des Beschwerdeführers) zur Erhebung einer Revision iSd § 26 Abs. 2 VwGG und keine einschränkende Aussage zur generellen Wirksamkeit einer zugestellten Erledigung iSd § 97 Abs. 1 lit.a BAO, was auch durch den Verweis auf seine Entscheidung klar hervorgeht, die aussagt:"…Gegenteiliges gilt für die erstinstanzlichen Bescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer, die wegen Mißachtung der Zustellvollmacht des steuerlichen Vertreters der von der Abgabenvorschreibung Betroffenen mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 97 Abs. 1 lit. a BAO unwirksam blieben, sodass der unabhängige Finanzsenat zur inhaltlichen Erledigung der dagegen gerichteten Berufung nicht zuständig war (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2006/13/0082." Siehe in diesem Zusammenhang dazu auch die gleichermaßen klarstellende Ausführung von Knechtl, FinanzOnline-Zustellung bei Aufgabe der inländischen Abgabestelle, BFG -Journal Mai 2019, 221, 3.1. letzter Satz.

Im Ergebnis stellte der Verwaltungsgerichtshof mit seiner oben zitierten Aussage also klar, dass keine fehlende Legitimation für eine Revision des Beschwerdeführers vorliege, wenn das Erkenntnis nicht ihm, sondern nur der belangten Behörde zugestellt wurde, und damit die Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 VwGG für eine Revisionserhebung durch den Beschwerdeführer grundsätzlich vorliegen würden (siehe dazu auch die Ausführungen in , Punkt 3.3.).

Diese Klarstellung erfolgte also in Bezug auf § 26 Abs. 2 VwGG, der lautet: "Ist das Erkenntnis bereits einer anderen Partei zugestellt worden, kann die Revision bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Revisionswerber von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat."

Konsequenterweise hat der Verwaltungsgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers aus diesem Grund auch nicht zurückgewiesen. Eine Zurückweisung erfolgte zwar in diesem Fall, aber aus anderen Gründen, die nicht verfahrensgegenständlich relevant sind.

3.1.2.4. Schlussfolgerungen für den gegenständlichen Fall

Auf Grund der Bestimmungen der Bundesabgabenordnung und im Lichte der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur bedeuten die Ausführungen in Punkt 3.1.2.3. grundsätzlich und für den gegenständlichen Fall:

Gemäß § 97 BAO Abs. 1 lit.a. BAO werden Erledigungen (Erkenntnis, Bescheid…) erst dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Im gegenständlichen Verfahren (bzw. generell in Mehrparteienverfahren) also beiden Verfahrensparteien.

Demzufolge kann die formelle Rechtskraft einer Erledigung nur für jene Parteien eintreten, denen die Erledigung auch tatsächlich zugestellt worden ist (siehe dazu , VwSlg 2728 A/1952; , 90/07/0118).

Abgesehen von Zustellfiktionen, wie zB in § 101 Abs. 3 BAO bei Personengemeinschaften, gilt ein an mehrere Personen gerichtetes Schriftstück nur an die Person zugestellt, die es übernommen hat (, siehe Ritz/Koran BAO7, zu § 97 Abs. 1 Rz 3).

Das bedeutet, dass grundsätzlich formelle Rechtskraft bei einer Partei gegeben sein kann, während sie bei einer anderen Partei noch nicht vorliegt (siehe dazu Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 581).

Das Bundesfinanzgericht führt in seiner Entscheidung , Punkt 3.1. zu diesem Thema und insbesondere im Zusammenhang mit dem Mehrparteienverfahren folgendes aus:

"Der Eintritt der formellen Rechtskraft ist somit bei einem Mehrparteienverfahren stets für jede Partei gesondert zu beurteilen und tritt die formelle Rechtskraft eines Bescheides, der im Mehrparteienverfahren existent geworden ist, nicht gegenüber einer im Verfahren übergangenen Partei ein (vgl zB ).

Einer übergangenen Partei, der eine Erledigung weder schriftlich zugestellt noch mündlich verkündet wurde, kann daher nicht der Eintritt der Rechtskraft entgegengehalten werden (vgl ; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 581 f; vgl zum Ganzen auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Stand , rdb.at Rz 7 mwN).

Obwohl im Verwaltungs- und im Abgabenverfahren somit nicht von einer "Einheitlichkeit der formellen Rechtskraft" ausgegangen werden kann, ist in den gesetzlichen Regelungen regelmäßig, dh sofern sich nicht aus der konkreten Vorschrift anderes ergibt (vgl dazu zB ), mit einer "rechtskräftigen Erledigung" eine Erledigung gemeint, die allen Parteien gegenüber in formeller Rechtskraft erwachsen ist, dh von keiner Partei mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln bekämpft werden kann (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Stand , rdb.at Rz 7 und die dort angeführten Nachweise der Rsp des VwGH)."

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde daher am den Ablauf der Aussetzung der Einhebung zu einem Zeitpunkt verfügt, als der Bf nachweislich noch keine Kenntnis mangels Zustellung von dem abschließenden Erkenntnis der materiellen Rechtssache hatte bzw. haben konnte und es daher für ihn noch nicht formell rechtskräftig war.

Aus den genannten Gründen ist im gegenständlichen Fall - obwohl die Entscheidung der belangten Behörde gemäß § 212a Abs. 5 BAO grundsätzlich richtig war, den Ablauf der Aussetzung der Einhebung zu verfügen - weil auf Grund einer abschließenden Entscheidung, kein Rechtsmittel iSd § 212a Abs.1 BAO mehr offen war - der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfrüht erfolgt, weil das Erkenntnis dem Bf nachweislich noch nicht zugestellt war.

Demzufolge ist der Beschwerde Folge zu geben, weil die Rechtslage zum Zeitpunkt der Amtshandlung am zu beurteilen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gem. Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a Abs 1 VwGG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu.

Das Erkenntnis widmet sich eingehend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Wirksamkeit eines Erkenntnisses, wie insbesondere , aber auch darin zitierte Judikatur etc. und wendet diese auch auf den vorliegenden Fall an.

Die Entscheidung ist daher im Einklang mit der angesprochenen umfangreichen, ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde.

Demzufolge ist die Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 26 Abs. 2 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise






ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101796.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at