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VwGH vom 05.03.2020, Ro 2019/15/0008

VwGH vom 05.03.2020, Ro 2019/15/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des A H in S, vertreten durch Mag. Wolfgang Maier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 13/3, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100081/2014, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Aufgrund einer zuvor erfolgten Wiederaufnahme des Verfahrens ergingen gegenüber dem Revisionswerber - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - hinsichtlich der Jahre 2008 bis 2011 am Haftungsbescheide (Lohnsteuer) einschließlich Säumniszuschlag sowie Bescheide betreffend Dienstgeberbeitrag einschließlich Säumiszuschlag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag.

2 Mit Schreiben vom (Datum der Postaufgabe) stellte die Steuerberaterin als steuerliche Vertreterin des Revisionswerbers einen Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist für diese Bescheide bis und verwies darin u.a. darauf, dass sie bis auf Urlaub sei.

3 Diesen Antrag wies die Abgabenbehörde mit Bescheid vom mit näherer Begründung ab. Ein Zustellversuch dieses Bescheids fand am statt; eine Verständigung über die Hinterlegung wurde in der Abgabeeinrichtung an der Kanzleiadresse eingelegt (Beginn der Abholfrist: Montag, ).

4 Mit Fax und Einschreiben vom erhob der Revisionswerber Berufung.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BFG die (nunmehrige) Beschwerde wegen Verspätung zurück. Begründend führte es aus, nachdem durch den Antrag auf Fristverlängerung der Lauf der Rechtsmittelfrist gemäß § 245 Abs. 3 BAO gehemmt gewesen sei, sei entscheidungserheblich, wann die Abweisung des Fristverlängerungsersuchens an die Steuerberaterin als zugestellt gelte und welche Frist nach der Zustellung noch zu Verfügung gestanden sei.

6 Die Hemmung beginne mit dem Tag der Einbringung des Antrags und ende mit dem Tag der Entscheidung über den Antrag. Fraglich sei, welchen Einfluss die Abwesenheit der Steuerberaterin von ihrer Kanzlei am (Zeitpunkt des Zustellversuchs) auf den Zustellvorgang der Entscheidung über die Abweisung des Fristverlängerungsersuchens habe. Die Steuerberaterin sei vom BFG zu den Umständen ihrer Abwesenheit einvernommen worden. Am , dem Tag des Zustellversuchs, sei die Kanzlei unbesetzt und niemand zur Entgegennahme des Schriftstückes anwesend gewesen. Die Steuerberaterin verfüge zwar über eine Angestellte, diese sei aber an diesem Tag ebenfalls abwesend gewesen. Da der Zusteller weder der Steuerberaterin noch einem Angestellten das Schriftstück habe aushändigen können, habe er rechtmäßig eine Hinterlegung vorgenommen. § 17 Abs. 3 Satz 3 ZustG fingiere die Zustellung dabei mit dem ersten Tag der Abholfrist; das sei gegenständlich der gewesen. 7 § 17 Abs. 3 Satz 4 ZustG, der diesen Zeitpunkt hinausschiebe, wenn der Empfänger oder sein Vertreter wegen Abwesenheit vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis habe erlangen können, greife im Revisionsfall schon deshalb nicht, weil die Steuerberaterin nach ihren eigenen Aussagen zu Beginn der Abholfrist am nicht mehr von der Abgabestelle abwesend gewesen sei. Kehre aber ein Empfänger schon am ersten Abholtag an die Abgabestelle zurück, sei der Tatbestand einer Abwesenheit von der Abgabestelle iSd § 17 Abs. 3 Satz 4 ZustG nicht erfüllt, weil die Verständigung über die Hinterlegung iSd § 17 Abs. 2 ZustG eine Behebung des Schriftstücks objektiv möglich mache. Bei entsprechender Behebung am wäre noch die gesamte - im Sinne des § 245 Abs. 3 BAO - übrige Frist zu Verfügung gestanden, um ein Rechtsmittel einbringen zu können. Der Bescheid über den ablehnenden Antrag hinsichtlich der Verweigerung der Fristverlängerung sei sohin unzweifelhaft am zugestellt worden, womit auch die Hemmung des Fristenlaufes iSd § 245 Abs. 4 BAO ende.

8 Strittig sei nun, ob die Einbringung des Rechtsmittels am fristgerecht gewesen sei. Die angefochtenen Bescheide seien allesamt am zugestellt worden, sodass die Monatsfrist nach § 245 Abs. 1 BAO am abgelaufen wäre. Der Antrag auf Fristverlängerung sei einen Tag vor Fristende eingebracht worden und zwar am (17:22 Uhr, Postaufgabe). Werde zB ein Antrag drei Tage vor Fristablauf eingebracht, habe der Einschreiter noch drei Tage zu Verfügung, wenn der Hemmungsgrund wegfalle (Hinweis auf Ritz, BAO6 § 245 Rz 38). Der nachfolgend zitierten Rechtsprechung und Literatur sei jedoch zu entnehmen, dass der erste Tag, dh der Tag der Antragstellung, nicht in die Hemmungswirkung einzurechnen sei (Hinweis auf , sowie Lenneis, UFSjournal 2012, 111). Lenneis lasse allerdings bei Antragstellung am letzten Tag der Frist (trotzdem) noch eine Hemmungswirkung von einem Tag zu. Der Beginn und das Ende der Frist seien nach dieser Rechtsansicht nichtsdestotrotz nach demselben Prinzip ausgestaltet (Beginn der hemmenden Wirkung: 1 Tag nach Antragstellung, weiterer Fristenlauf: 1 Tag nach der Zustellung). Im konkreten Fall habe der Revisionswerber den Antrag einen Tag vor Fristende eingebracht, sodass ihm im Ergebnis - wenn man der zuletzt zitierten Literatur und Rechtsprechung folge - noch ein Tag Rechtsmittelfrist nach Wegfall der Hemmung zu Verfügung gestanden sei; die Frist wäre, wenn man die Anwendung des § 108 Abs. 1 BAO bejahe, am abgelaufen.

9 Wenn man dem Wortlaut des § 245 Abs. 4 BAO hingegen folge, beginne die Fristhemmung (dh ein "Abstoppen der Frist) sofort mit dem Tag der Einbringung (Berücksichtigung des Postenlaufes) und stehe eine Frist von zwei Tagen zu Verfügung. Diese Rechtsansicht habe auch der UFS vertreten (Hinweis auf Spornberger/Wenzel, SWK 2013, 1490 mwN) und folge gegenständlich auch das BFG. 10 Die hemmende Wirkung der Monatsfrist nach § 245 Abs. 1 BAO ende aber - nach dem Wortlaut des § 245 Abs. 4 BAO und korrespondierend zum Beginn der Hemmung - mit dem Tag der Zustellung der Entscheidung über die Abweisung der Fristverlängerung; das Ende der Hemmung entfalte nach Ansicht des BFG ebenso ohne Zeitverzögerung seine Wirkung; die restliche Frist beginne sofort zu laufen. Im gegenständlichen Verfahren sei nach Ansicht des BFG sohin der Tag maßgebend, an dem diese Erledigung bekannt gemacht, dh zugestellt worden sei (§ 109 BAO). Eine nach Tagen berechnete Frist iSd § 108 Abs. 1 BAO, die die Anwendbarkeit des § 109 BAO ausschließen würde, liege nach Ansicht des BFG deswegen nicht vor, weil Verfahrensgegenstand der Beginn und das Ende der Hemmung einer Monatsfrist (Beschwerdefrist) sei und überdies der Gesetzgeber in § 245 Abs. 4 BAO iVm § 109 BAO auf den Tag der Entscheidung abstelle. Wenn für den Beginn der Beschwerdefrist der Tag maßgebend sei, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden sei (§ 109 BAO), greife dieser Grundsatz auch für den Weiterlauf der übrigen Beschwerdefrist, wenn der Hemmungsgrund weggefallen sei und ein über die Fristverlängerung abweisender Bescheid zugestellt worden sei. Dies sei vergleichbar mit dem Beginn des Laufes der Beschwerdefrist selbst, die ebenfalls an die Zustellung des Bescheids anknüpfe. Der Beginn des Weiterlaufs eines Teils dieser Beschwerdefrist iSd § 245 Abs. 1 BAO richte sich nach den Regeln der Grund-, dh Beschwerdefrist, weil es sich weiterhin um eine Monatsfrist handle. Sohin sei die Rechtsmittelfrist mit Ablauf des abgelaufen. 11 Es sei im Ergebnis sohin unbedeutend, ob man der zuerst oder der zuletzt genannten Rechtsansicht zuneige, weil in beiden Fällen der Beginn und das Ende der Hemmung nach korrespondierenden Regeln ausgeformt bleibe und überdies in beiden Fällen die Rechtsmittelfrist mit Ablauf des ende; ein Fall des § 108 Abs. 3 BAO liege nicht vor.

12 Die Revision ließ das BFG zu, "nicht nur weil der VwGH eine unterschiedliche Spruchpraxis zu den (zeitlichen) Wirkungen der Antragstellung erkennen lässt (; zum AbgRG: ), sondern darüber hinaus die hier formulierten Bedenken hinsichtlich des Weiterlaufs der gehemmten Frist - soweit ersichtlich - noch nicht an den GH herangetragen wurden."

13 Gegen den Beschluss betreffend Zurückweisung der Beschwerde richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

16 Gemäß § 245 Abs. 3 BAO ist die einmonatige Beschwerdefrist des § 245 Abs. 1 BAO auf Antrag von der Abgabenbehörde verlängerbar. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt. Die Hemmung des Fristenlaufes beginnt gemäß § 245 Abs. 4 BAO mit dem Tag der Einbringung des Antrages und endet mit dem Tag, an dem die Entscheidung über den Antrag dem Antragsteller zugestellt wird.

17 Nach den Feststellungen des BFG war die steuerliche Vertreterin des Revisionswerbers bis zum auf Urlaub und ihre Kanzlei am Tag des Zustellversuchs, dem , einem Fenstertag, geschlossen, weshalb der Zusteller die Sendung hinterlegte, wobei er Montag, , als Beginn der Abholfrist vermerkte. 18 Gemäß § 17 Abs. 3 ZustG gelten hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte. 19 Es kann im Revisionsfall offen bleiben, ob die hinterlegte Sendung vor diesem rechtlichen Hintergrund fallbezogen bereits mit dem ersten Tag der Abholfrist () oder erst - wie in der Revision geltend gemacht - mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag () als zugestellt gilt. Mit diesem Tag (19. oder ) endet jedenfalls die Hemmung.

20 Mit Ablauf des Tages, an dem die Hemmung des Fristenlaufes endet, beginnt schließlich noch jener Teil der Beschwerdefrist weiterzulaufen, der mit Ablauf des Tages, der dem Tag der Einbringung des Fristverlängerungsantrags vorangegangen ist, noch unverbraucht war, hat die Hemmung des Fristenlaufes doch gemäß § 245 Abs. 4 BAO bereits mit dem Tag der Einbringung des Antrages auf Fristverlängerung begonnen (Ellingerua, BAO3 § 245 Anm 29; Ritz, BAO6 § 245 Rz 38 f; Stoll, BAO-Kommentar 2523 f). 21 Das Fristverlängerungsansuchen stellte der Revisionswerber am vorletzten Tag der Beschwerdefrist. Damit waren noch zwei Tage der Beschwerdefrist offen. Die am eingebrachte Beschwerde erweist sich daher auch dann als fristgerecht eingebracht, wenn die Entscheidung über die Verweigerung der Fristverlängerung bereits als am zugestellt gilt (anders offenbar - dort aber nicht tragend - die Fristberechnung im Erkenntnis des ). Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn man die am abgelaufene reguläre Beschwerdefrist um den 12-tägigen Hemmungszeitraum vom 8. August bis zum 19. August verlängert (ebenso ).

22 Auf die Frage, ob die Fristverlängerung zu Recht versagt worden ist, muss bei diesem Ergebnis nicht eingegangen werden. 23 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 24 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

25 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019150008.J01

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