VwGH vom 22.03.2018, Ro 2017/15/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen die Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts 1.) vom , Zl. RV/5100764/2015, betreffend Körperschaft- und Umsatzsteuer 2010 bis 2013 (hg. Zl. Ro 2017/15/0002), und
2.) vom , Zl. RV/5100929/2016, betreffend Körperschaft- und Umsatzsteuer 2014 (hg. Zl. Ro 2017/15/0001), (mitbeteiligte Partei: E GmbH in K, vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsges.m.b.H. in 4020 Linz, Blumauerstraße 46), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Beschluss vom hat die Europäische Kommission in einem Verfahren nach Art. 101 AEUV gegen die mitbeteiligte GmbH eine Geldbuße für die Teilnahme an einem Kartell verhängt.
2 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts habe das Kartell den Zweck verfolgt, die gestiegenen Kosten der Ausgangsstoffe der von der mitbeteiligten Partei hergestellten Produkte an die Kunden weiterzugeben und einen aggressiven Preiswettbewerb unter den Kartellmitgliedern zu vermeiden. Um dies zu erreichen, hätten die Kartellmitglieder Preiskoordinationssitzungen auf Management-Ebene veranstaltet. Im Einzelnen sei es zur Koordinierung von Zeitpunkt und Bandbreite von Preiserhöhungen sowie der Preise für bestimmte Kunden gekommen; in Preiserhöhungsphasen sei mitunter auch das Unterlassen gegenseitiger Abwerbeversuche von Kunden der anderen Kartellmitglieder vereinbart worden. Einem der am Kartell beteiligten Unternehmen sei die Strafe unter Anwendung der Kronzeugenregelung erlassen worden. Die mitbeteiligte Partei habe eine verminderte Geldbuße erhalten, weil sie die Nachforschungen der Kommission unterstützt habe. Weiters sei die Geldbuße auf Grund der Zustimmung zum Vergleichsverfahren ermäßigt worden.
3 In den Jahren 2010 bis 2013 machte die mitbeteiligte GmbH die Rechts- und Beratungskosten iZm dem Kartellverfahren als Betriebsausgaben geltend und zog die auf den diesbezüglichen Eingangsrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer ab.
4 Im Zuge einer im Jahr 2014 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurden die strittigen Aufwendungen mit der Begründung nicht als Betriebsausgaben anerkannt, dass sie in direktem Zusammenhang mit der im Jahr 2014 verhängten, nicht abzugsfähigen EU-Kartellgeldbuße stünden und deren Schicksal teilten. Auch die damit zusammenhängenden Vorsteuern seien nicht abziehbar.
5 Gegen die auf Grund der Betriebsprüfung ergangenen geänderten Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2010 bis 2012 und Umsatzsteuer 2010 bis 2013 erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde, in der sie vorbrachte, dass die dem Verfahren zu Grunde gelegte Tat (Absprache der Kartellteilnehmer) ausschließlich und unmittelbar aus der betrieblichen Tätigkeit heraus erklärbar sei. Darüber hinaus stünden die strittigen Rechts- und Beratungskosten im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einkünften. Auf Grund des fehlenden Abschöpfungsanteils bei der verhängten Geldstrafe sei es auch zu keiner Minderung dieser Erlöse gekommen. Dem Geschäftsführer der mitbeteiligten GmbH sei es auf Grund gesellschaftsrechtlicher Vorschriften oblegen, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und jeglichen Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Bei zweifelhafter Sach- und Rechtslage dürften sich die Geschäftsführer auf den für die Gesellschaft günstigeren Standpunkt stellen und damit das Risiko eingehen, dass der Gesellschaft nachträglich eine Vertrags- oder Gesetzesverletzung vorgeworfen werde. Im gegenständlichen Fall sei das unrechtmäßige Verhalten der mitbeteiligten Partei im Bereich der Einkünfteerzielung gesetzt worden, sodass die mit dem Kartellverfahren zusammenhängenden Rechts- und Beratungskosten jedenfalls betrieblich veranlasst und somit als Betriebsausgaben abziehbar seien. Die Verteidigungskosten zusammen mit der Strafe zu pönalisieren, sei bei betrieblicher Veranlassung des Fehlverhaltens überschießend. Auch würden die (ab 2011 bestehenden) gesetzlichen Bestimmungen zur Nichtabzugsfähigkeit von Strafen und Geldbußen nicht für die Verteidigungskosten gelten. Da die Verteidigungskosten auf Grund ihrer betrieblichen Veranlassung ertragsteuerlich abzugsfähig seien, sei auch der Vorsteuerabzug zu gewähren. Die strittigen Aufwendungen stünden mit umsatzsteuerbaren Mehrerlösen in Zusammenhang, weil die Kosten der Ausgangsstoffe in Form höherer Preise an die Kunden weitergegeben worden seien.
6 In der Folge wurden die Körperschaftsteuerbescheide 2013 und 2014 sowie der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2014 erlassen, welche ebenfalls von einer Nichtabziehbarkeit der Rechts- und Beratungskosten ausgingen.
7 In der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerde bekräftigte die mitbeteiligte Partei ihre Ansicht, wonach zwischen der Nichtabzugsfähigkeit der Strafe und den Verteidigungskosten kein Zusammenhang bestünde, was auch für Zeiträume nach dem (Inkrafttreten des AbgÄG 2011) gelte. Nach der neueren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nur mehr die betriebliche Veranlassung relevant (Hinweis auf das Erkenntnis vom , 2013/15/0182, wonach bei betrieblicher Veranlassung der Verteidigungskosten das Band zur betrieblichen Sphäre nicht durchschnitten werde). Da die Rechts- und Beratungskosten abzugsfähig seien, könnten auch die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge geltend gemacht werden.
8 Mit den angefochtenen Erkenntnissen schloss sich das Bundesfinanzgericht der Rechtsansicht der mitbeteiligten Partei an, indem es den Beschwerden stattgab und die bekämpften Bescheide des Finanzamtes im Sinne der Beschwerden abänderte. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei zulässig, weil zur Frage der Abzugsfähigkeit von Verteidigungskosten bei Kapitalgesellschaften noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden sei.
9 Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamtes. Nach Ansicht des revisionswerbenden Finanzamtes stellen die gegenständlich strittigen Rechts- und Beratungskosten keine Betriebsausgaben dar, weil sie in einem unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit einer nicht als Betriebsausgabe abzugsfähigen Geldbuße stünden. Das Abzugsverbot des § 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 umfasse auch die mit den dort genannten Aufwendungen zusammenhängenden Ausgaben. Dies erhelle ein Vergleich mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fremdfinanzierungskosten, die gemäß § 20 Abs. 1 Z 6 KStG 1988 - wie die Personensteuern selbst - nicht abzugsfähig seien (Hinweis auf ). Auch teilten Nebengebühren und Nebenansprüche das rechtliche Schicksal der Personensteuern (Hinweis auf ).
10 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Nach § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Durch § 7 Abs. 2 KStG 1988 werden u.a. die einkommensteuerlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung in den Bereich der Körperschaftsteuer übernommen.
13 Nach Lehre und Rechtsprechung stellen die Kosten eines Strafverfahrens wie insbesondere die Strafverteidigungskosten ebenso wie Geldstrafen grundsätzlich Kosten der privaten Lebensführung dar (vgl. mit weiteren Nachweisen ). Dieser Beurteilung liegt der Gedanke zu Grunde, dass deren auslösende Ursache im schuldhaften Verhalten des Betriebsinhabers und nicht in der Führung des Betriebes liegt (vgl. , und , 2013/15/0182; sowie Doralt, EStG19, § 4 Tz 265).
14 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2013/15/0182, ausgeführt hat, könnte eine Abziehbarkeit jedoch dann zu bejahen sein, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Betriebsinhaber zur Wehr gesetzt hat, ausschließlich und unmittelbar aus seiner beruflichen (betrieblichen) Sphäre erklärbar und damit betrieblich veranlasst ist.
15 Im Erkenntnis vom , Ro 2016/15/0043, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass EU-Kartellgeldbußen schon vor der Änderung des § 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 und des § 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 mit dem AbgÄG 2011 in der Regel nicht als Betriebsausgaben abziehbar waren, weil es mit dem Strafzweck unvereinbar wäre, im Wege der steuerlichen Entlastung den Pönalcharakter der Strafe zumindest teilweise unwirksam zu machen. Entscheidet sich die Rechtsordnung dazu, die Kartellbildung als ein strafbares Verhalten zu normieren, dann darf das Steuerrecht nicht dazu dienen, die Strafe (für die Inhaber gewinnbringender Unternehmen) zu verringern und so den Strafzweck auszuhebeln. Hingegen kann die Betriebsausgabenqualifikation von Strafverteidigungskosten nicht mit der Begründung versagt werden, dass auf diese Weise der Strafzweck (teilweise) vereitelt würde, denn damit würde dem Abgabengesetz ein über das Strafgesetz hinausgehender Charakter einer Strafnorm beigemessen werden (vgl. schon ).
16 In dem angeführten Erkenntnis vom wurden Strafverteidigungskosten dennoch nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen, weil die im seinerzeitigen Beschwerdefall für die Verteidigungskosten ursächliche Handlung, die absichtliche Veranlassung von Scheinbuchungen durch einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, nicht als betrieblich veranlasst anzusehen war. Durch diese strafbare Handlung wurde der Kausalzusammenhang zwischen Betrieb und Verteidigungskosten durchbrochen.
17 Im nunmehr vorliegenden Fall durfte das Bundesfinanzgericht hingegen davon ausgehen, dass ein Kausalzusammenhang mit dem Betrieb der mitbeteiligten Partei gegeben ist. Die der mitbeteiligten Partei von der Europäischen Kommission vorgeworfene Tat der Preisabsprache mit anderen Herstellern bestimmter Werkstoffe erklärt sich unmittelbar aus deren betrieblicher Tätigkeit. Die Festsetzung von Preisen durch den Unternehmer fällt auch dann, wenn die Preisbildung in Absprache mit anderen Unternehmern erfolgt, in den Rahmen der Betriebsführung. Dass die - die Aufwendungen auslösenden - schuldhaften Handlungen auf weiteren, den betrieblichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen würden, wird auch vom revisionswerbenden Finanzamt nicht behauptet. Der vorsätzliche Beschluss eines Unternehmens auf Kartellbildung zielt auf Umsatz- und Gewinnmaximierung ab und liegt im ausschließlichen betrieblichen Interesse.
18 Da nach dem Gesagten keine gemäß § 12 KStG 1988 nicht abzugsfähigen Ausgaben vorliegen, erweist sich die Revision auch in Bezug auf den vom Bundesfinanzgericht zugestandenen Vorsteuerabzug als unberechtigt. Eine Sachverhaltskonstellation wie sie dem , Becker, zu Grunde lag, ist im Revisionsfall nicht gegeben. In der Rechtssache Becker dienten die Anwaltsdienstleistungen direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen der Geschäftsführer, welche wegen in ihrem persönlichen Verhalten liegenden Zuwiderhandlungen strafrechtlich ("Bestechung") verfolgt wurden. Im Revisionsfall geht es hingegen um Rechts- und Beratungsleistungen, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Mitbeteiligten veranlasst waren. Die der mitbeteiligten Partei in Rechnung gestellten Leistungen stehen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen und dienen nicht - wie in der Rechtssache Becker - dem Schutz privater Interessen von Organwaltern der mitbeteiligten GmbH.
19 Die Amtsrevision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017150001.J00 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.