VwGH vom 19.03.2013, 2009/15/0176
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des H B in S, vertreten durch die Dr. Christian Konzett Rechtsanwalt GmbH in 6700 Bludenz, Fohrenburgstraße 4/III, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0042-F/03, betreffend Einkommensteuer 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer machte in der Einkommensteuererklärung 2001 den Betrag von 1,593.850 S als außergewöhnliche Belastung geltend und führte in einer Beilage zur Einkommensteuererklärung aus, er habe nach dem Tod seiner Mutter die Pflegeheimkosten übernehmen müssen, die nicht durch Pension und Pflegegeld abgedeckt worden seien. Der geltend gemachte Betrag sei auf einem Girokonto der Mutter aufgelaufen, das ihm im Dezember 2001 eingeantwortet worden sei.
Das Finanzamt erließ einen Einkommensteuerbescheid 2001 in dem es den Betrag von 1,593.850 S nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigte und führte begründend dazu aus, dass eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 u. a. zwangsläufig erwachsen müsse. Die Belastung erwachse dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne.
Die Kosten für Pflege und Unterbringung im Pflegeheim habe die Mutter auf eigene Rechnung über einen Bankkredit bezahlt. Die Bankschuld sei eine Nachlassverbindlichkeit, der keine Unterhaltsansprüche gegenüberstünden.
Belastungen, die aus dem Antritt einer Erbschaft und aus der Abdeckung einer Nachlassverbindlichkeit resultierten, erwüchsen nicht zwangsläufig, weil die Annahme der Erbschaft auf einem freien Entschluss beruhe. Es bestehe auch keine sittliche Pflicht, als Erbe nach einem verstorbenen Elternteil eine unbedingte Erbserklärung abzugeben, und zwar auch dann nicht, wenn dadurch etwaige Nachreden in der Öffentlichkeit tatsächlich oder vermeintlich vermieden würden.
Der Beschwerdeführer berief gegen den Einkommensteuerbescheid 2001 und führte in der Berufung aus, seine Mutter habe seit 1953 in verschiedenen Pflegeheimen gelebt. Die Unterbringung im Pflegeheim sei notwendig gewesen, weil sie nach einer Gehirnblutung halbseitig gelähmt, schwer sprachbehindert und verwirrt gewesen sei und eines gerichtlich bestellten Sachwalters bedurft habe.
Die Kosten für Pflege und Unterbringung seien vom Konto der Mutter eingezogen worden, das auf Grund der hohen Kosten des Pflegeheimes trotz Gegenverrechnung mit Witwenrente, Pflegegeld und Erlös aus einem ererbten Hausanteil im Laufe der Zeit negativ geworden sei.
Da die Mutter über kein nennenswertes Vermögen verfügt habe und der Verkauf der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke trotz mehrfacher Versuche mit Inserierung besonders auch wegen der darauf liegenden Vorkaufsrechte der Geschwister der Mutter gescheitert sei, habe der Beschwerdeführer als Sachwalter im Einvernehmen mit dem Pflegschaftsgericht einen Kreditrahmenvertrag bei der X Bank vereinbart. Die Krediteinräumung sei mit Berufung auf die Haftung des Beschwerdeführers als Sachwalter, die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung durch das Bezirksgericht und der Zusage des Beschwerdeführers erfolgt, den Kredit jederzeit auf alle Fälle aus seinem Einkommen abzudecken. Auf Wunsch könne eine Bestätigung der Bank über die Zusage des Beschwerdeführers, den Kredit jederzeit abzudecken, nachgereicht werden.
Der Beschwerdeführer habe als Kind mit entsprechendem Einkommen und somit einzige unterhaltsverpflichtete Person die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Mutter durch Garantie eines Kreditrahmens übernommen.
Es ergebe sich daher folgender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer sei gegenüber seiner Mutter unterhaltsverpflichtet. Er habe das negative Girokonto seiner Mutter übernehmen müssen, weil er sich hierzu gegenüber der Bank verpflichtet und aus der Funktion als Sachwalter gehaftet habe. Entgegen der Bescheidbegründung liege keine Nachlassverbindlichkeit, sondern eine Schuld aufgrund einer Unterhaltsverpflichtung vor. "Der steuerlich maßgebliche Abfluss der Geldmittel ist mit Einantwortungsbeschluss (dieser erfolgte am ) gegeben".
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab, worauf der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragte.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Die Mutter des Beschwerdeführers sei aufgrund einer Gehirnblutung seit 1953 in verschiedenen Pflegeheimen untergebracht gewesen. Aufgrund der hohen Kosten des Pflegeheimes sei das Konto der Mutter, trotz Gegenverrechnung mit Witwenrente, Pflegegeld und Erlös aus einem ererbten Hausanteil, negativ geworden. Nachdem der Verkauf land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke trotz mehrfacher Versuche gescheitert sei, habe der Beschwerdeführer als Sachwalter, im Einvernehmen mit dem Pflegschaftsgericht, für seine Mutter - das heißt in ihrem Namen - einen Kreditrahmenvertrag vereinbart. Die Krediteinräumung sei mit Berufung auf die Haftung des Beschwerdeführers als Sachwalter und die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung durch das Bezirksgericht sowie die Zusage des Beschwerdeführers, den Kredit jederzeit auf alle Fälle aus seinem Einkommen abzudecken, erfolgt.
Die Mutter sei am verstorben und habe u. a. sonstige Verbindlichkeiten von 1,522.972 S hinterlassen, die laut den vorgelegten Unterlagen aufgrund der Pflegeheimkosten entstanden seien. Diese sonstigen Verbindlichkeiten beträfen den eingeräumten Kreditrahmen. Der Beschwerdeführer habe eine bedingte Erbserklärung abgegeben und begehre nunmehr die Berücksichtigung der abgezahlten Verbindlichkeiten als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1988 aufgrund seiner Zusage, den Kredit aus seinem Einkommen abzudecken.
Nachdem es sich nach Ansicht des Finanzamtes und der belangten Behörde bei der Zusage des Beschwerdeführers, den Kredit jederzeit auf alle Fälle aus seinem Einkommen zu bestreiten, um eine persönliche, freie Entscheidung handle, begründe dieses Verhalten keine Zwangsläufigkeit iSd § 34 EStG 1988.
Fest stehe auch, dass dem Beschwerdeführer als Alleinerben Weiderechte und Liegenschaften eingeantwortet worden seien, über welche die Mutter auch zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme verfügt habe. Eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt sei nach Rechtsprechung und Lehre nur bei Vermögenslosigkeit des Elternteiles gegeben. Zur Feststellung des Vorliegens einer rechtlichen Verpflichtung zur Unterhaltszahlung durch den Beschwerdeführer wäre daher das zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme vorhandene Vermögen der Mutter zu berücksichtigen gewesen. Erst wenn keine Deckung der Kosten des Pflegeheimes aus eigenen Mitteln möglich gewesen wäre, hätte für den Beschwerden eine rechtliche und somit zwangsläufige Verpflichtung zur Entrichtung der Pflegeheimkosten bestanden. Wäre eine solche Verpflichtung gegeben gewesen - was in der Berufung bejaht werde -, so sei der Beschwerdeführer seiner gesetzlichen Verpflichtung jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht nachgekommen, denn nicht er selbst, sondern er als Sachwalter seiner Mutter habe sozusagen als deren Bevollmächtigter in ihrem Namen einen Kredit aufgenommen. Dass er eine Zusage abgegeben habe, den Kredit jederzeit auf alle Fälle aus seinem Einkommen abzudecken, könne keine Zwangsläufigkeit der Kredittilgung aufgrund rechtlicher Verpflichtung gegenüber seiner verstorbenen Mutter bewirken. Ganz im Gegenteil hätte der Beschwerdeführer bereits zum damaligen Zeitpunkt einen Kredit zur Tilgung der Pflegeheimkosten seiner Mutter in seinem Namen aufnehmen können.
Es widerspreche sich, wenn der Beschwerdeführer einerseits angebe, auf Grund eigener Kreditverpflichtungen im Zusammenhang mit dem Erwerb und Ausbau neuer Büroräumlichkeiten zum Zeitpunkt des Verbrauchs der veräußerbaren Vermögenswerte seiner Mutter nicht in der Lage gewesen zu sein, die Pflegeheimkosten laufend direkt zu begleichen, andererseits jedoch eine Zusage abgebe, den Kredit jederzeit auf alle Fälle aus seinem Einkommen abzudecken.
Der Einwand, es bestehe eine Haftung des Sachwalters gegenüber der Bank, wenn er für die pflegebedürftige Person auf Grund falscher Angaben einen Kredit erschleiche, ändere nichts an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer als Sachwalter seiner Mutter und in ihrem Namen einen Kreditrahmenvertrag abgeschlossen habe. Der Beschwerdeführer, der angebe, die Krediteinräumung sei wegen seiner Bonität und den geschäftlichen Beziehungen zur Bank sowie seiner Zusage zur Abdeckung des Kredites erfolgt, hätte in eigenem Namen einen Kredit aufnehmen können.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 34 Abs. 1 EStG 1988 lautet:
"Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). |
2. | Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). |
3. | Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). |
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein."
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen gemäß § 34 Abs. 3 leg. cit. zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Unterhaltsleistungen sind gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 leg. cit. nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden.
Nach § 143 ABGB (idF vor BGBl. I Nr. 15/2013, vgl. nunmehr § 234 ABGB) schuldet das Kind seinen Eltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, insoweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Gemäß Abs. 3 der zitierten Bestimmung mindert sich dieser Unterhaltsanspruch insoweit, als dem Unterhaltsberechtigten die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist.
Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, der Beschwerdeführer sei seiner Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt jedenfalls nicht nachgekommen, weil er nicht selbst, sondern als Sachwalter seiner Mutter einen Kredit aufgenommen habe, und misst der Haftung des Beschwerdeführers für den Kredit keine Bedeutung bei. Die Haftung könne - so die belangte Behörde - nicht bewirken "dass nun in seinem Namen eine Zwangsläufigkeit der Kredittilgung aufgrund rechtlicher Verpflichtung gegenüber seiner verstorbenen Mutter vorliegt".
Mit dieser Auffassung ist die belangte Behörde nicht im Recht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zwangsläufigkeit der Bürgschaftsübernahme für nahe Angehörige besteht zwar keine über die rechtliche Verpflichtung hinausgehende sittliche Verpflichtung zur Tilgung von Schulden eines Angehörigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 95/15/0018, VwSlg 7099 F/1995, ausgesprochen hat, kann sich eine solche aber - wie z.B. im Falle einer Kreditaufnahme für eine notwendige Operation - aus den besonderen Umständen, die zur Aufnahme der Schuld geführt haben ergeben.
Im Streitfall liegen solche besonderen Umstände vor, weil - mangels gegenteiliger Feststellungen - davon auszugehen ist, dass die in Rede stehenden Kreditmittel für die Unterbringung der Mutter im Pflegeheim verwendet wurden. Dass der Beschwerdeführer nicht einen Kredit auf seinen Namen aufgenommen, sondern für einen Kredit der Mutter gehaftet hat, ist vor diesem Hintergrund nicht von entscheidender Bedeutung. Entscheidend ist, ob er zur (teilweisen) Abdeckung der Kosten für die Unterbringung der Mutter im Pflegeheim verpflichtet war, weil diese nicht durch eigenes Vermögen der Mutter oder z.B. durch - ohne oder mit bloß eingeschränktem Regress gewährte - Landeszuschüsse abgedeckt werden konnten.
Die belangte Behörde hat, weil sie der Haftung des Beschwerdeführers für den Kredit der Mutter, keine Bedeutung beigemessen hat, keine Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage abschließend beurteilt werden könnte, ob die gegenständliche Darlehensrückzahlung - die bloße Einantwortung stellt noch keine Rückzahlung dar - zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG 1988 erfolgte. Inwieweit der (Verkehrs )Wert der Nachlassaktiva zur Abdeckung des Kredites ausgereicht hat, wurde ebenfalls nicht festgestellt.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am