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VwGH vom 26.01.2012, 2009/15/0173

VwGH vom 26.01.2012, 2009/15/0173

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der C GmbH in G, vertreten durch die GT Grazer Treuhand Steuerberatung GmbH Partner KG in 8010 Graz, Petersgasse 128 a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0321-G/07, betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2001 bis 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die betriebliche Tätigkeit der beschwerdeführenden GmbH besteht darin, Kartenspielertische "zur Verfügung" zu stellen. Zur Abwicklung des Spiels beschäftigt sie Dienstnehmer, die als "Spielleiter" tätig sind.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung für den Zeitraum 2001 bis 2005 stellte der Prüfer fest, dass die Beschwerdeführerin im Dienstvertrag mit den Spielleitern ein garantiertes Trinkgeld vereinbart habe. Der als Arbeitslohn versteuerte Betrag sei im Vergleich zu dem als Trinkgeld in Ansatz gebrachten Betrag von untergeordneter Bedeutung gewesen. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise seien die gewährten Trinkgelder als Entgelt für die Arbeitsleistung anzusehen und somit nicht nach § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 steuerfrei.

Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ das Finanzamt Abgabenbescheide, mit denen es für die Jahre 2001 bis 2005 den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag festsetzte.

In der Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, die vereinnahmten Trinkgelder fielen unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 und seien aus diesem Grund vom Dienstgeberbeitrag sowie dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag ausgenommen. Die Dienstnehmer erhielten ein monatliches Fixum. Ein zusätzlicher Pauschalbetrag von 500 EUR als Trinkgeldanteil werde der Sozialversicherungsbemessungsgrundlage hinzugerechnet und im Krankheitsfall des Dienstnehmers von Seiten der Beschwerdeführerin in Form einer "Ausgleichzahlung" - in diesem Fall steuerpflichtig -

gewährt. In den übrigen Fällen seien die Voraussetzungen für steuerfreies Trinkgeld erfüllt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Die zwischen der Beschwerdeführerin und den Spielleitern vereinbarten Dienstverträge sähen in Bezug auf die Entlohnung vor, dass die Dienstnehmer für 30 Wochenstunden ein Fixum von 310 EUR zwölfmal jährlich erhielten. Zusätzlich werde durch die Beschwerdeführerin garantiert, dass das Trinkgeld zumindest 500 EUR pro Monat betrage. Im Vertrag werde auch die Verpflichtung der Dienstnehmer festgehalten, Trinkgelder, die durch dritte Personen zugewendet würden, bis zum 10. des Folgemonats aufzuzeichnen und der Beschwerdeführerin als Dienstgeberin schriftlich mitzuteilen. Einem Zusatz zum Dienstvertrag sei zu entnehmen, dass das garantierte Trinkgeld von 500 EUR auch dann zustehe, wenn der Dienstnehmer das Trinkgeld wegen Krankheit, Urlaub oder einem anderen Umstand nicht erreiche.

Der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen sei gemäß § 41 Abs. 3 FLAG 1967 von der Summe der Arbeitslöhne zu berechnen. Von der Beitragsgrundlage seien gemäß § 41 Abs. 4 lit. c FLAG 1967 die in § 3 Abs. 1 Z 13 bis 21 EStG 1988 genannten Bezüge ausgenommen. Diese Beitragsgrundlage gelte gemäß § 122 Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz auch für den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag.

Somit komme es im gegenständlichen Fall darauf an, ob die in Rede stehenden Trinkgelder von der Steuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 erfasst seien.

Die Beschwerdeführerin sei bei der Wirtschaftskammer mit dem Geschäftszweig "Halten erlaubter Kartenspiele" erfasst. Die Ausnahme der Steuerbefreiungen für die sogenannte Cagnotte (Trinkgelder für Croupiers in Casinos) bzw. das Vorliegen eines Verbotes der Trinkgeldannahme gemäß § 27 Abs. 3 Glückspielgesetz unterstelle die Finanzverwaltung im gegenständlichen Fall nicht. Es könne dahin gestellt bleiben, ob den Dienstnehmern die Annahme von Trinkgeldern nach den Bestimmungen des Glückspielgesetzes untersagt wäre.

Nach Ansicht der belangten Behörde erfüllten die in Rede stehenden Beträge nicht die Voraussetzungen eines steuerfreien Trinkgeldes nach § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988.

Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 19/08, sei abzuleiten, dass Trinkgelder Einkünfte darstellten, denen ein freigebiges Verhalten des Kunden zugrunde liege.

Im gegenständlichen Fall sei nach Ansicht der belangten Behörde entscheidend, dass die Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin einen Rechtsanspruch auf Trinkgeld hätten. Sie hätten den Anspruch auch für den Fall von Krankheit oder Urlaub, wobei allerdings gerade der Entfall des Anspruches bei Krankheit oder Urlaub Kennzeichen eines Trinkgeldes sei.

Im gegenständlichen Fall sei wesentlich, dass das "garantierte" Trinkgeld schon betragsmäßig den vereinbarten Lohn übersteige und den Grundstock des Gehalts bilde, welches der Arbeitgeber bis zur vereinbarten Summe auffülle.

Entscheidend sei, dass die im Rahmen des Spielbetriebes der Beschwerdeführerin gewährten "Trinkgelder" nicht dem Trinkgeldbegriff des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 entsprächen. Die Dienstnehmer hätten einen vertraglichen Anspruch auf das Trinkgeld, was das Merkmal der Freiwilligkeit ausschließe. Trinkgelder müssten nämlich Gelder sein, die zusätzlich zu dem Betrag gegeben würden, der für eine Arbeitsleistung zu zahlen sei, weshalb Trinkgeld nicht den arbeitsvertraglichen Entlohnungsanspruch umfasse (Hinweis auf Hofstätter/Reichel , EStG 1988,§ 3 Tz 23a). Somit bilde im gegenständlichen Fall das Trinkgeld bereits aufgrund seiner garantierten Höhe einen Grundstock des Gehaltes. Die Arbeitsleistung würde ohne diesen Trinkgeldanteil mit einem geradezu sittenwidrig niedrigen Stundenlohn von etwa 2,30 EUR entlohnt werden. Überdies seien die Dienstnehmer bei der gegenständlichen Gestaltung nicht in der Lage, die Höhe des Trinkgeldes durch ihr persönliches Geschick zu beeinflussen.

Da sohin die Trinkgelder nicht befreit seien, sei die Berufung abzuweisen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 35/2005 sind von der Einkommensteuer befreit:

"Ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist."

§ 124b Z 119 EStG 1988 lautet:

"§ 3 Abs. 1 Z 16a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2005 und … sind anzuwenden, wenn


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-
die Einkommensteuer veranlagt wird, erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1999,
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die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben oder durch Veranlagung festgesetzt wird, erstmals für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden."
Im Erkenntnis vom , G 19/08, hat der Verfassungsgerichtshof die Besonderheit der Einkommensbestandteile "Trinkgelder" im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darin erblickt, dass sie insofern atypisch seien, als sie nicht im Verhältnis Arbeitnehmer - Arbeitgeber verdient würden, sondern ihre Wurzel im direkten Verhältnis Arbeitnehmer - Kunde (Gast etc.) hätten. Es handle sich um Einkünfte, denen ein freigebiges Verhalten des Kunden zugrunde liege und deren Höhe typischerweise vom persönlichen Einsatz des Arbeitnehmers gegenüber dem Kunden abhänge. Trinkgelder stünden daher zwar im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis (ohne dieses käme es nicht zur Leistung von Trinkgeldern), ihre Zuwendung erfolge aber doch letztlich außerhalb desselben: Ein Rechtsanspruch sei nicht gegeben; die Höhe stehe im Belieben des Kunden. Für den Arbeitnehmer gebe es zwar möglicherweise, was die Summe der Trinkgelder in einem bestimmten Zeitraum anlange, Erfahrungswerte, aber keine Sicherheit. Sobald die Kundenbeziehung wegfalle (etwa im Falle der Krankheit), falle auch das Trinkgeld weg, ohne durch andere Leistungen substituiert zu werden.
In den Dienstverträgen, welche die Beschwerdeführerin mit den Spielleitern abgeschlossen hat, wird unter Artikel 8 "Entlohnung" u. a. ausgeführt:
"Der Dienstnehmer erhält bei der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Wochenstunden ein monatliches Fixum von EUR 310,- zwölfmal jährlich. Vereinbarungsgemäß werden keine Sonderzahlungen geleistet. Dazu kommt eine Garantie, dass das Trinkgeld gemäß Artikel 16 zumindest EUR 500,- monatlich beträgt."
In Artikel 16 der Dienstverträge wird festgehalten:
"Die freiwilligen Trinkgelder, die dem Dienstnehmer durch dritte Personen zugewendet werden, sind bis zum 10. des Folgemonates für das Vormonat aufzuzeichnen und dem Dienstgeber schriftlich mitzuteilen."
Zu den Dienstverträgen ist ein Zusatz erstellt worden, in welchem u.a. festgehalten wird:
"Die Garantie des Trinkgeldes in Höhe von Euro 500,- steht zu, wenn der Dienstnehmer wegen Urlaub oder Krankheit diese während seiner Dienstzeit in einem Monat nicht erreicht. Dieses wird dann als "Ausfallsentgelt" bezeichnet und kann daher nicht mehr steuerfrei behandelt werden - da es kein Trinkgeld durch Dritte mehr ist sondern als Entgelt bezeichnet wird."
In der Beschwerde wird eingewendet, im Dienstvertrag sei nicht Trinkgeld in bestimmter Höhe verbindlich zugesagt, "sondern ein sich aus der Praxis ergebendes Faktum, dass Trinkgeld zumindest in dieser Höhe anfallen wird", dargelegt worden.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes konnte die belangte Behörde allerdings auf der Grundlage der Formulierungen in Artikel 8 und 16 der Dienstverträge unbedenklich davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin den jeweiligen Dienstnehmern generell eine Mindesthöhe des Trinkgeldes von monatlich 500 EUR garantiert hat. Durch den Zusatz zu den Dienstverträgen ist diese Garantie nicht eingeschränkt, sondern klargestellt worden, dass sie auch für Zeiten des Urlaubs und des Krankenstandes gelten solle. Der Zusatz verändert nicht die in Artikel 16 des Dienstvertrages festgelegte Verpflichtung des Dienstnehmers, schriftliche Aufzeichnungen über erhaltene Trinkgelder zu führen und die aufgezeichneten Informationen der Beschwerdeführerin mitzuteilen, und die in Artikel 8 des Dienstvertrages festgehaltene Garantie der Beschwerdeführerin bezieht sich gerade auf das "Trinkgeld gemäß Artikel 16".
Somit trifft es auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, wenn die belangte Behörde im gegenständlichen Fall davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin ihren Dienstnehmern den Mindestbetrag an Trinkgeld von 500 EUR pro Monat garantiert hat, den Dienstnehmern also zugesichert war, dass sie zusätzlich zum monatlichen Fixbetrag den weiteren Betrag von monatlich 500 EUR in jedem Fall erhalten - sei es von den Kunden, sei es von der Beschwerdeführerin.
Dass die belangte Behörde einen solcherart garantierten "Trinkgeldbetrag" nicht der Steuerbefreiungsbestimmung nach § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 subsumiert hat, ist aus folgenden Gründen nicht als rechtswidrig zu erkennen:
Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , G 19/08, Kriterien des steuerfreien Trinkgeldes herausgearbeitet. Demnach liege den Trinkgeldern ein freigebiges Verhalten der Kunden zugrunde und sei die Höhe des Trinkgeldes typischerweise vom persönlichen Einsatz des Dienstnehmers gegenüber den Kunden abhängig. Trinkgelder seien Zahlungen, auf welche kein Rechtsanspruch bestehe. Die Zuwendung der Trinkgelder erfolge zwar in Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis, aber letztlich "außerhalb" desselben.
Garantierte Einnahmen eines Dienstnehmers entsprechen diesen Kriterien nicht. Garantierte Einnahmen des Dienstnehmers unterscheiden sich gerade in den vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G 19/08 aufgezeigten Merkmalen von den anderen im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassenden Bezügen nicht. Durch die Garantie des Arbeitgebers ist die Abhängigkeit vom freigebigen Verhalten der Kunden und der unmittelbare Zusammenhang mit dem persönlichen Einsatz des Dienstnehmers gegenüber den Kunden nicht gegeben. Infolge der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Sicherstellung des Mindestbezuges von 500 EUR pro Monat und der Informationsverpflichtung des Dienstnehmers gegenüber dem Dienstgeber über die laufend erhaltenen Beträge erweisen sich die Beträge als nicht "außerhalb" des Dienstverhältnisses bezogen.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die belangte Behörde die Beschwerdeführerin nicht in subjektiven Rechten verletzt hat, indem sie die in Rede stehenden Beträge nicht der Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 subsumiert und als Folge dessen nicht gemäß § 41 Abs. 4 lit. c FLAG 1967 von der Beitragsgrundlage ausgenommen hat. Auf die Beschwerdeausführungen zur Ortsüblichkeit der Höhe der Trinkgelder und zu deren Branchenüblichkeit braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am