VwGH vom 28.02.2012, 2009/15/0105
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des W H in V, vertreten durch die Stauder Schuchter Kempf Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH Co KG in 6020 Innsbruck, Burgenlandstraße 39, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Feldkirch, vom , Zl. RV/0024-F/07, betreffend u.a. einen Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Beschwerdeführer erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Finanzbeamter und Busfahrer und stellte am u.a. den Antrag, den am ergangenen Einkommensteuerbescheid 2003 gemäß § 299 BAO aufzuheben. Er begründete den Antrag damit, dass das Finanzamt Werbungskosten für seine Umschulung zum Berufspiloten nicht anerkannt habe, weshalb sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweise.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab und begründete dies damit, dass es sich bei den Aufwendungen um solche für den Erwerb eines Privatpilotenscheines handle, die gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 auch dann nicht abziehbar seien, wenn mit der Ausbildung zum Berufspiloten sofort nach der Ausbildung zum Privatpiloten begonnen werde.
Der Beschwerdeführer berief mit Schriftsatz vom gegen den Abweisungsbescheid und führte in einem ergänzenden Schreiben zur Berufung vom aus, dass der Werdegang eines jeden Berufspiloten mit der Ausbildung zum Privatpiloten beginne. Erst nach Erreichen einer bestimmten Anzahl von Flugstunden erlange man die Voraussetzung, mit der Ausbildung zum Berufspiloten fortzusetzen. Die Ausbildung zum Privatpiloten sei Teil einer umfassenden Umschulungsmaßnahme, weshalb der Privatpilotenschein im Streitfall nicht als einzelner - von der Privatsphäre nicht zu trennender - Flugschein anzusehen sei.
Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde mit, dass er nach der theoretischen auch die praktische Berufspilotenprüfung erfolgreich bestanden habe und nunmehr berechtigt sei, die Tätigkeit als Pilot gewerblich auszuüben. Weiters brachte er vor, dass die von Flugschulen angebotene "Linienpiloten-Ab-Initio-Ausbildung" als umfassende Umschulungsmaßnahme anerkannt werde und, dass er "dieselbe Ausbildung, angefangen beim Privatpilotenschein über Funkerzeugnis, Berufspilotenschein und Instrumenten- inklusive Multi-enginerating bis hin zum Linienpilotenschein", absolviert habe; nur unter anderem Namen.
Am gab der Beschwerdeführer der belangten Behörde bekannt, dass er mittlerweile die Prüfung zum Linienpiloten erfolgreich bestanden habe und nach dem Besuch eines weiteren Kurses "ready entry" für die Anstellung bei großen Airlines sei. Er strebe den Beruf eines Piloten an, habe sich bereits bei mehreren Luftfahrtunternehmen beworben und erfülle somit alle Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988. Die Absicht, die Fliegerei beruflich ausüben zu wollen, habe er von Anfang an und permanent kundgetan, wobei er die einzelnen Ausbildungsschritte zur besseren Dokumentation noch einmal chronologisch aufzeigen möchte:
"Oktober 2003 bis Juli 2004: Ausbildung Privatpilotenschein (PPL) als Voraussetzung für die Berufspilotenausbildung (CPL) : Prüfung PPL
Juli 2004 bis März 2006: Timebuilding als Voraussetzung, die Ausbildung CPL beginnen zu dürfen, u.a. in Canada
Frühjahr 2005: Schulung Funkerzeugnis AFZ u. Prüfung
Juni 2006 bis März 2007: Ausbildung CPL, Instrument rating (IR) u. Multi Engine (ME)
März 2007: Prüfung CPL, IFR + ME
Juni bis November 2007: Ausbildung Linienpilot (ATPL)
November 2007: Prüfung ATPL
November 2007: Mulit-crew-cooperation- Kurs (MCC)".
Einem weiteren Schreiben an die belangte Behörde vom November 2008 lag ein Dienstvertrag des Beschwerdeführers mit einem Luftfahrtunternehmen bei.
In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens der belangten Behörde brachte der Beschwerdeführer schließlich vor, dass die im Rahmen der Werbungskosten geltend gemachten Flüge das Mindesterfordernis an vorzuweisenden Praxisstunden für den Berufspilotenschein darstellten und ihm für "privates Flugvergnügen" keine Zeit verblieben sei. Er weise in diesem Zusammenhang darauf hin, "dass ich meine Umschulung zum Linienpilot in nur 4 Jahren - während meiner sonstigen beruflichen Tätigkeiten absolviert habe und ich einen einheitlichen Ausbildungsverlauf vorzeigen kann".
Mit dem hier angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung, soweit sie den Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 betraf, keine Folge und vertrat die Auffassung, dass Aufwendungen für den Erwerb des Privatpilotenscheins grundsätzlich keine Umschulungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1998 darstellten, weil die Privatpilotenlizenz von allgemeinem Interesse sei und keinen Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermögliche.
Etwas anderes gelte nur, wenn die Schulung zum Privatpiloten Teil einer durchgehenden Ausbildung zum Erwerb der Berufspilotenlizenz sei. Unter durchgehender bzw. "integrierter Ausbildung" sei eine solche zu verstehen, wie sie z. B. von der Verkehrspilotenschule der AUA angeboten werde. Die Ausbildung dauere in diesen Fällen zwei Jahre und führe direkt zur Lizenz für Verkehrspiloten. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer eine "modular strukturierte Schulung" zum Verkehrspiloten abgeschlossen, die wesentlich länger gedauert habe und mit einer durchgehenden bzw. integrierten Ausbildung nicht vergleichbar sei.
Die Aufwendungen für den Privatpilotenschein seien demnach zu Recht nicht berücksichtigt worden, weshalb eine Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2003 gemäß § 299 BAO nicht zulässig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zu den Werbungskosten zählen nach § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der ab der Veranlagung 2003 geltenden Fassung des AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180, u.a. die Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.
Demgegenüber dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei den Aufwendungen zum Erwerb des Privatpilotenscheines nach der Lebenserfahrung nicht um solche nach § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, sondern um solche der allgemeinen Lebensführung handelt. Auch die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, dass Aufwendungen für den Privatpilotenschein zu vorweggenommenen Werbungskosten führen können, wenn die Ausbildung zum Privatpiloten Teil einer durchgehenden Schulung zum Verkehrspiloten ist, stößt auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, weil der Besitz eines Privatpilotenscheines gemäß § 37 Abs. 1 lit. a der im Streitzeitraum geltenden Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft, betreffend das zivile Luftfahrtpersonal und die Zivilfluglehrer (kurz: ZLPV), BGBl. 1958/219, Voraussetzung für den Erwerb eines Berufspilotenscheines war. Soweit die belangte Behörde hingegen vermeint, dass die Aufwendungen für einen Privatpilotenschein nur im Falle einer sogenannten "integrierten Ausbildung", wie sie z. B. von der Verkehrspilotenschule der AUA angeboten wird, als Werbungskosten Berücksichtigung finden können, ist sie nicht im Recht.
§ 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 verlangt, dass eine Umschulungsmaßnahme auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielt. Es ist ein konkret geplanter Zusammenhang der Bildungsmaßnahme mit nachfolgenden (Betriebs )Einnahmen erforderlich. Es müssen Umstände vorliegen, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmeerzielung hinausgehen (vgl. Atzmüller/Herzog/Mayr , RdW 2004/581, 622, und Hofstätter/Reichel , EStG 1988,§ 16 Abs. 1 Z 10 Tz 2 und § 4 Abs. 4 Z 7 Tz 2).
Für eine erwerbsorientierte Umschulung spricht es, wenn der Steuerpflichtige seine bisherige Tätigkeit aufgibt oder wesentlich einschränkt. Dass die steuerliche Berücksichtigung von Umschulungskosten auf diesen Fall beschränkt wäre, ergibt sich aber weder aus dem Wortlaut der Bestimmung noch führt eine am Zweck der Bestimmung orientierte Auslegung zu diesem Verständnis. Daher kann es nicht von entscheidender Bedeutung sein, ob die Umschulung zum Berufspiloten im Rahmen einer "integrierten Ausbildung" oder, wegen der berufsbedingt fehlenden zeitlichen Ressourcen, im Rahmen einer "modular strukturierten Schulung" erfolgt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Ausbildung zum Berufspiloten unmittelbar an die Ausbildung zum Privatpiloten anschließt und die Umstände des Einzelfalles den Schluss zulassen, dass die (solcherart durchgehende) Ausbildung mit dem Ziel erfolgte, diesen Beruf auch tatsächlich auszuüben.
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2002 kann die Abgabenbehörde erster Instanz einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen aufheben, wenn sich der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist. Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO nicht in Frage kommt, weil die Aufwendungen für den Privatpilotenschein zu Recht nicht berücksichtigt wurden, und begründet dies im Wesentlichen damit, dass sich der Beschwerdeführer im Rahmen einer "modular strukturierten Schulung" zum Linienpiloten ausbilden ließ, wobei sie dem Umstand, dass die Ausbildung zum Linienpiloten neben der beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Finanzbeamter und Busfahrer erfolgte, keine Bedeutung beimaß. Feststellungen dahingehend, dass die Ausbildung zum Linienpiloten nicht zu dem Zwecke erfolgte, diesen Beruf tatsächlich auszuüben, traf sie nicht.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Ein Kostenersatzausspruch hatte zu entfallen, weil es der Beschwerdeführer verabsäumt hat, Aufwandersatz für Eingabegebühr und Schriftsatz anzusprechen. Aufwandersatz kann gemäß dem sich aus § 59 VwGG ergebenden Antragsprinzip nur zugesprochen werden, wenn ein diesbezüglicher Antrag gestellt wird (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/16/0226, mwN).
Wien, am