VwGH vom 01.09.2015, Ro 2014/15/0023

VwGH vom 01.09.2015, Ro 2014/15/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision der C GmbH in S, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , Zl. RV/0699-S/07, miterledigt RV/0700-S/07, RV/0701-S/07, RV/0702-S/07, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2001 und 2002, Körperschaftsteuer 2001 bis 2004, Vorauszahlungen Körperschaftsteuer 2006, Umsatzsteuer 2001 bis 2004, Festsetzung Umsatzsteuer 1-8/2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit über Körperschaftsteuer 2001 bis 2004, Vorauszahlungen Körperschaftsteuer 2006, Umsatzsteuer 2001 bis 2004 sowie Festsetzung Umsatzsteuer 1-8/2005 entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen (Kapitalertragsteuer 2001 und 2002) wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einer Hausdurchsuchung (April 2004) in der von der Revisionswerberin betriebenen Bar (Nachtclub) erfolgte eine Außenprüfung der Revisionswerberin.

Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom wurde u.a. ausgeführt, es lägen - näher angeführte - Buchhaltungsmängel vor (insbesondere fehlten "Uraufzeichnungen"). Im Zuge der Hausdurchsuchung seien Kassabons für den Monat März 2004 gefunden worden. Bankkonten, aus denen Gutschriften aus der Bankomatkasse und Kreditkartenerlöse ersichtlich seien, seien in der Buchhaltung nicht erfasst worden. Ebenso seien Prostitutionserlöse sowie Erlöse aus der Vermietung von Zimmern nicht in der Buchhaltung erfasst worden. Die Getränkeumsätze seien nur verkürzt erfasst worden. Die Getränke- und Prostitutionserlöse seien anhand einer Verhältnisrechnung zu schätzen. Zahlungen an den Gesellschafter in den Jahren 2001 und 2002 seien als verdeckte Ausschüttung zu beurteilen.

Im Anschluss an die Außenprüfung erließ das Finanzamt am Kapitalertragsteuer-Haftungsbescheide für 2001 und 2002 und am Bescheide betreffend Umsatzsteuer 2001 bis 2004, Festsetzung Umsatzsteuer 1-8/2005 sowie Körperschaftsteuer 2001 bis 2003. Am erließ das Finanzamt Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2004 und Vorauszahlungen Körperschaftsteuer 2006. Das Finanzamt verwies jeweils auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung.

Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Berufungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab.

Nach umfangreicher Darlegung des Verfahrensganges - insbesondere auch Schilderung des strafgerichtlichen Verfahrens und der Verurteilung der handelsrechtlichen Geschäftsführerin F und des "faktischen" Geschäftsführers K - führte die belangte Behörde aus, ein rechtskräftiges Strafurteil entfalte bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruhe, wozu jene Tatumstände gehörten, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetze. Die vom Landesgericht S festgestellten (in der Schilderung des Verfahrensganges zitierten) Tatsachen bildeten den von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt. Dieser Sachverhalt decke sich hinsichtlich der Umsatz- und Körperschaftsteuer mit den von der Betriebsprüfung getroffenen Sachverhaltsfeststellungen.

Die Buchhaltung der Revisionswerberin sei in den streitgegenständlichen Jahren in mehrfacher Hinsicht mangelhaft gewesen. Bereits die Tatsache, dass in der Buchhaltung "Uraufzeichnungen" (Tagesabrechnungszettel der Kellner, Journalausdrucke) gefehlt hätten, habe die Berechtigung der Behörde zur Durchführung einer Schätzung gemäß § 184 BAO zur Folge.

Die Revisionswerberin habe im Prüfungszeitraum keine Prostitutionserlöse erklärt. Die Getränkeerlöse seien nicht zur Gänze erklärt worden, Mieterlöse (Privatzimmer Prostituierte) seien ebenfalls nicht erklärt worden. Im Zuge der Hausdurchsuchung seien die Kassabons für den Monat März 2004 gefunden worden; auf diesen Belegen seien händisch die Tageslosungen Getränke und Zimmer eingetragen worden. Anhand der Kassabons habe auch die prozentuelle Höhe des Kreditkartenumsatzes für diesen Monat ermittelt werden können. Die Höhe der tatsächlichen Bankumsätze sei für jedes Jahr bekannt gewesen. Die im Rahmen der Schätzung durchgeführte Verhältnisrechnung, die auf diesem als erwiesen beurteilten Sachverhalt beruhe, sei logisch aufgebaut. Auch seien zusätzlich anfallende Betriebsausgaben berücksichtigt. Die belangte Behörde sei daher zur Überzeugung gelangt, dass die vom Finanzamt durchgeführte Schätzung rechtmäßig sei.

Die Revisionswerberin sei als wirtschaftliche Erbringerin sämtlicher in ihrem Bar- und Bordellbetrieb gebotenen Leistungen anzusehen. Die Berufung betreffend Umsatzsteuer 2001 bis 2004, Festsetzung Umsatzsteuer 1-08/2005 und betreffend Körperschaftsteuer 2001 bis 2004 sei somit abzuweisen.

Betreffend Kapitalertragsteuer sei im Urteil des Landesgerichtes S zwar festgestellt worden, dass in den Jahren 2001 und 2002 Zahlungen der Revisionswerberin an ihren einzigen Gesellschafter P erfolgt seien, dass aber weder positiv noch negativ habe festgestellt werden können, ob diesen Zahlungen entsprechende Leistungen des Gesellschafters gegenübergestanden seien. Das Landesgericht habe somit keine Feststellung darüber getroffen, ob es den von der Betriebsprüfung angenommenen Sachverhalt als erwiesen annehme oder nicht. Die Feststellung darüber, welcher Sachverhalt als erwiesen gelte, obliege hier der belangten Behörde.

Die Betriebsprüfung habe in ihrer Stellungnahme zur Berufung ausgeführt, dass lediglich eine Bestätigung von P über angeblich erbrachte Leistungen vorgelegt worden sei. Unterlagen darüber hätten weder von P noch von der Revisionswerberin vorgelegt werden können. Auf Grund eines Telefonüberwachungsprotokolls habe festgestellt werden können, dass K den P angerufen und eine vom Finanzamt angeforderte Beratungshonorarbestätigung verlangt habe. P habe dann die Zettel in Ungarn "verschwinden" lassen. Auf Grund dieses Abhörprotokolls sei die verdeckte Gewinnausschüttung angenommen und die Rechnungen als fingiert gewertet worden. Dies sei auch im Zuge der Schlussbesprechung erörtert worden.

Die belangte Behörde sei daher zu der Überzeugung gelangt, dass den dem Gesellschafter P in den Jahren 2001 und 2002 unbestritten zugeflossenen, als "Vermittlungs- und Beratungshonorare" deklarierten und als Betriebsausgaben zum Abzug gebrachten Beträgen nicht die behaupteten Leistungen gegenüber gestanden seien, es lägen vielmehr verdeckte Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter vor. Im Hinblick auf die Tatsache, dass mit Ausnahme einer per Fax übermittelten Rechnung und eines Schreibens des P im gesamten Verfahren trotz erhöhter Mitwirkungspflicht (Auslandsbezug) und des Naheverhältnisses keinerlei Unterlagen über Leistungen, die laut Behauptung des Gesellschafters an die Revisionswerberin erbracht worden seien, beigebracht worden seien, seien die Voraussetzungen für die Anerkennung der Aufwendungen der Revisionswerberin infolge der behaupteten Leistungserbringung nicht gegeben. Die Aufzeichnung des diesbezüglichen Telefonabhörprotokolls sei darüber hinaus eine zusätzliche Bestätigung für die Richtigkeit des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes. Der Umstand, dass keinerlei Unterlagen über Verträge, Aufträge und Erfüllung der Aufträge bzw. Abrechnungen hätten vorgelegt werden können, habe zur Folge, dass eine derartig geschilderte Vereinbarung einem Fremdvergleich nicht standhalte. Die Berufung betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2001 und 2002 sei sohin abzuweisen gewesen.

Die Vorauszahlung an Körperschaftsteuer 2006 sei auf Basis der Veranlagung der Körperschaftsteuer 2004 festgesetzt worden; die Vorgangsweise entspreche der geltenden Rechtslage. Die Berufung sei daher auch insoweit abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch das Bundesfinanzgericht erwogen hat:

Die Revision wendet im Wesentlichen ein, das strafgerichtliche Urteil sei nicht bindend, zumal es - jedenfalls betreffend K - nicht rechtskräftig sei. Weiter wendet sich die Revision umfangreich gegen die Schätzungsbefugnis und rügt das Schätzungsverfahren.

Nach ständiger - auch in der Revision nicht bestrittener - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Schuldspruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 95/13/0214, VwSlg. 7123/F, vom , 95/14/0043, VwSlg. 7578/F, und vom , 2010/16/0169, je mwN; vgl. auch Ritz , BAO5, § 116 Tz 14, mwN).

Diese Bindung besteht allerdings (im Hinblick auf die Ableitung der Bindungswirkung aus der materiellen Rechtskraft des Strafurteils, vgl. hiezu etwa Lässig in Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung, 185. Lfg., § 398 Rz 3) nur hinsichtlich jener Personen, denen gegenüber das Strafurteil ergangen ist, nicht aber gegenüber Dritten (vgl. die Erkenntnisse vom , 97/15/0059, VwSlg. 7379/F, und vom , 2009/16/0272).

Das Strafurteil richtete sich gegen F (die handelsrechtliche Geschäftsführerin) und K (den "faktischen" Geschäftsführer) der Revisionswerberin. Dass die Revisionswerberin als Haftungsbeteiligte (§ 28 Abs. 1 FinStrG idF vor dem Abgabenänderungsgesetz 2005, BGBl. I Nr. 161/2005; vgl. zur Anwendbarkeit der Bestimmung in dieser Fassung § 265 Abs. 1h FinStrG sowie 1187 BlgNR 22. GP, 27) dem Strafverfahren beigezogen worden wäre (§ 122 FinStrG), ist nicht ersichtlich; das in den Verwaltungsakten erliegende Strafurteil enthält keinen Hinweis auf eine Nebenbeteiligung der Revisionswerberin (vgl. § 217 iVm § 76 lit. b FinStrG) und insbesondere keinen Ausspruch der Haftung (§ 215 Abs. 1 lit. c FinStrG).

Betreffend die Revisionswerberin besteht demnach keine Bindung an das verurteilende Straferkenntnis (vgl. auch , wonach ein Verein an das seinen Obmann verurteilende Straferkenntnis im Hinblick auf die Trennung zwischen juristischer Person und dem für sie handelnden Organwalter nicht gebunden ist).

Mangels Bindung der Revisionswerberin an die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichtes war der Sachverhalt von der belangten Behörde selbst festzustellen. Die belangte Behörde hat hiezu auch - durch Verweis auf die zitierten Feststellungen des Strafgerichtes - Sachverhaltsannahmen getroffen. Eine - mangels Bindung an die Sachverhaltsannahmen des Strafgerichtes - erforderliche Angabe der Erwägungen, aufgrund derer die belangte Behörde zur Ansicht gelangte, dass gerade der festgestellte Sachverhalt vorliege (vgl. - unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung - Ritz , aaO, § 93 Tz 12), kann dem angefochtenen Bescheid aber (weitgehend) nicht entnommen werden. Damit hat aber die belangte Behörde - in Verkennung der Rechtslage - den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet.

Nicht betroffen von diesem Begründungsmangel ist die Entscheidung der belangten Behörde, soweit sie die Haftung für Kapitalertragsteuer 2001 und 2002 betrifft. Insoweit ging die belangte Behörde - gestützt auf im angefochtenen Bescheid angeführte Erwägungen - davon aus, dass den als Betriebsausgaben geltend gemachten Zahlungen an den Gesellschafter keine entsprechenden Leistungen gegenüber gestanden seien.

Die Revision enthält keine gesonderten Ausführungen zur Kapitalertragsteuer bzw. zu diesen Zahlungen an den Gesellschafter der Revisionswerberin. Soweit aber (allgemein) geltend gemacht wird, es bestehe ein Beweisverwertungsverbot betreffend Telefonabhörprotokolle, so ist zunächst darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde ihre Sachverhaltsannahmen betreffend die Zahlungen an den Gesellschafter nicht tragend auf diese Telefonabhörprotokolle gestützt hat. Im Übrigen ist - entgegen dem unkonkreten Revisionsvorbringen - nicht erkennbar, dass das Telefonabhörprotokoll unrechtmäßig aufgenommen worden wäre (vgl. die - die Geschäftsführerin sowie den faktischen Geschäftsführer der Revisionswerberin betreffende - Entscheidung des : Die Telefonüberwachung sei vom Untersuchungsrichter angeordnet worden). Schließlich ist dem Verfahren zur Abgabenerhebung nach den Bestimmungen der BAO ein Beweisverwertungsverbot grundsätzlich fremd (vgl. das Erkenntnis vom , 2005/15/0161, VwSlg. 8309/F).

Betreffend Kapitalertragsteuer 2001 und 2002 erweist sich sohin die Revision als nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid war daher betreffend Körperschaftsteuer 2001 bis 2004, Vorauszahlungen Körperschaftsteuer 2006, Umsatzsteuer 2001 bis 2004 sowie Festsetzung Umsatzsteuer 1-8/2005 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, im Übrigen (Kapitalertragsteuer 2001 und 2002) war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-AufwErsV.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG - mit der dort angeführten Maßgabe - iVm § 28 Abs. 5 BFGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am