VwGH vom 22.12.2011, 2011/16/0066

VwGH vom 22.12.2011, 2011/16/0066

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. Helmut Salzbrunn, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zelinkagasse 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2878-W/08, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Jänner bis September 2007, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezog für ihren am geborenen Sohn B. u.a. für den Streitzeitraum Jänner bis September 2007 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Mit Schriftsatz vom teilte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit, dass ihr Sohn den ersten Studienabschnitt erfolgreich abgeschlossen habe und seit Juli 2007, während des zweiten Studienabschnitts teilzeitbeschäftigt sei, wobei er die Freigrenze voraussichtlich überschreiten werde. Daher ersuche sie, die Auszahlung der Familienbeihilfe einzustellen.

Mit Schriftsatz vom legte die Beschwerdeführerin zum Nachweis des erfolgreichen Abschlusses des "ersten Studienabschnitts" ihres Sohnes die Bachelor-Urkunde der Fachhochschule Technikum Wien vom vor, wonach der Sohn der Beschwerdeführerin den Fachhochschul-Bachelorstudiengang "Informatik/Computer Science" durch Ablegung der Bachelor-Prüfung am ordnungsgemäß abgeschlossen habe und berechtigt sei, den akademischen Grad Bachelor of Science in Engineering, abgekürzt BSc, zu führen.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Beschwerdeführerin für B. bezogene Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum von Jänner bis September 2007 mit der Begründung zurück, dass B. die Einkunftsgrenze von

8.725 EUR im Kalenderjahr 2007 überschritten habe.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin. Ihr Sohn habe wie aus der vorgelegten Bachelor-Urkunde hervorgehe, sein Studium abgeschlossen, weshalb sie im Schriftsatz vom um Einstellung der der Auszahlung von Familienbeihilfe ersucht habe. Unter Einrechnung des Zeitraumes nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG wäre nur das zu versteuernde Einkommen ihres Sohnes ab Oktober 2007 heranzuziehen, welches weit unter 8.725 EUR liege.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Der Sohn der Beschwerdeführerin habe zwar sein Bachelorstudium am abgeschlossen, er habe jedoch im September 2007 das Masterstudium "Informationsmanagement und Computersicherheit" belegt. Daher sei davon auszugehen, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin sowohl von Jänner bis August 2007 (Beginn des Wintersemesters mit ) als auch von September bis Dezember 2007 in Ausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG befunden habe. Da sich der Sohn der Beschwerdeführerin somit während des gesamten Jahres 2007 in Berufsausbildung befunden habe, sei der mit rechtskräftigem Einkommensteuerbescheid ermittelte Einkommensbetrag von 10.421,46 EUR heranzuziehen. Da dieser Betrag über der Freigrenze des § 5 Abs. 1 FLAG von 8.725 EUR liege, seien die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen worden und zurückzufordern gewesen.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der vor ihm dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 18/09-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht verletzt, "die einmal gewährte Familienbeihilfe zu behalten".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/1999, hatten Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet wurden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich war.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Gesetzes über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer - GAFB, BGBl. I Nr. 30/1998, hatten Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisteten.

§ 5 Abs. 1 FLAG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2001 lautet:

"§ 5. (1) Für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem es ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) bezogen hat, das den Betrag von 8.725 Euro übersteigt, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wobei § 10 Abs. 2 nicht anzuwenden ist. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Kindes bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht; hiebei bleibt das zu versteuernde Einkommen für Zeiträume nach § 2 Abs. 1 lit. d unberücksichtigt,


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b)
c)
…"
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a Einkommensteuergesetz in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Euro-Steuerumstellungsgesetzes - EuroStUG 2001, BGBl. I Nr. 59/2001, stand einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG Familienbeihilfe gewährt wurde, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 50,90 EUR für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 FLAG anzuwenden.
Die belangte Behörde geht zutreffend davon aus, dass der Sohn der Beschwerdeführerin mit dem Abschluss des Bachelorstudiums eine Berufsausbildung abgeschlossen hatte und dass das mit September 2007 begonnene Masterstudium ein davon getrenntes neues Studium und eine neuerliche weitere Berufsausbildung darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/16/0086).
Die belangte Behörde verkennt dabei allerdings, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin damit nicht für den gesamten Zeitraum des Kalenderjahres 2007 in Berufsausbildung befunden hatte, weil mit Abschluss des Bachelorstudiums am diese Berufsausbildung abgeschlossen war. Der Anspruch auf Familienbeihilfe aus dem Titel des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG bestand somit nicht - wie es die belangte Behörde offenbar sieht - bis zum Ende des Semesters, sondern endete mit Ablauf des Kalendermonats, in dem das Studium abgeschlossen war. Damit bestand mit Ablauf des Juni 2007 kein Anspruch auf Familienbeihilfe aus dem Titel des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG mehr.
Die Beschwerdeführerin trägt zutreffend vor, dass sie für die Zeit nach dem Abschluss des Bachelorstudiums ihres Sohnes grundsätzlich Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. d habe.
Daher hat jener Teil des von B. im Kalenderjahr 2007 erzielten Einkommens, welchen er außerhalb der Zeiten der Berufsausbildung erzielt hatte - unbeschadet des Umstandes, dass für diese Zeit ein Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG bestand -, bei der Ermittlung jenes Einkommens außer Betracht zu bleiben, bei dessen Überschreiten des in § 5 Abs. 1 FLAG genannten Betrages kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (vgl. nochmals das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).
Die belangte Behörde hat dies verkannt und deshalb keine Feststellungen getroffen, welcher Anteil des vom Sohn der Beschwerdeführerin im Jahr 2007 erzielten und zu versteuernden Einkommens auf die Monate nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG und welcher Anteil auf die Zeit der Berufsausbildung in diesem Kalenderjahr entfallen (vgl. abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG auszuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das Mehrbegehren betrifft die verzeichnete Umsatzsteuer und war abzuweisen, weil neben dem Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht.
Wien, am