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VwGH vom 28.06.2012, 2011/16/0023

VwGH vom 28.06.2012, 2011/16/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. Christian Gassauer-Fleissner Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wallnerstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/2501- W/10, betreffend erhöhte Familienbeihilfe ab Oktober 2004, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Abweisung der erhöhten Familienbeihilfe ab September 2008 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im Übrigen (Zeitraum Oktober 2004 bis August 2008) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am langte beim zuständigen Finanzamt ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab dem Jahre 2004 für ihren minderjährigen Sohn wegen dessen erheblicher Behinderung ein.

Laut dem daraufhin vom Finanzamt beauftragten Gutachten des Bundessozialamtes Wien vom litt der Sohn der Beschwerdeführerin an einer chronisch-rezidivierenden obstruktiven Bronchitis ab dem ersten Lebensjahr und an einer Anämie seit dem Säuglingsalter. Als Diagnose finden sich ein kindliches Asthma bronchiale (Richtsatzposition 286: 30%) und eine Eisenmangelanämie (Richtsatzposition 388: 10%). Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 30% voraussichtlich mehr als drei Jahre anhaltend beurteilt und festgehalten, dass die Eisenmangelanämie (10%) den Grad der Behinderung der erstgenannten Erkrankung (30%) nicht erhöhe.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Juni 2004 abgewiesen.

Auf Grund eines neuerlichen Antrages der Beschwerdeführerin vom wurde ein weiteres Gutachten des Bundessozialamtes Wien (vom ) eingeholt, in dem in der Anamnese neben dem Asthma bronchiale eine Sprachentwicklungsstörung (Dyslalie) angeführt wird und als Behandlung/Therapie unter anderem Eisensaft genannt wird. Als Diagnose findet sich eine rezidivierende obstruktive Bronchitis/ein Asthma bronchiale (Richtsatzposition 286: 30%) und eine Sprachentwicklungsstörung (Richtsatzposition 578: 30%). Als Gesamtgrad der Behinderung werden 40% voraussichtlich mehr als drei Jahre anhaltend beurteilt. Im Vergleich zur Voruntersuchung vom August 2008 sei eine maßgebliche neue Diagnose zu Tage getreten, die den Gesamtgrad der Behinderung von 40% bedinge.

Gegen den auf Grund dieses Gutachtens erlassenen abweisenden Bescheid des Finanzamtes vom hat die Beschwerdeführerin Berufung erhoben, in der sie eine Behinderung von mindestens 50% behauptete und unter anderem vorgebracht hat, ihr minderjähriger Sohn leide seit seiner Geburt an einer Blutarmut und an Asthma, was ihn bei seinen täglichen Verrichtungen erheblich einschränke.

In einem im Berufungsverfahren eingeholten weiteren Gutachten des Bundessozialamtes Wien vom wird unter Bezugnahme auf die Vorbefunde und auch unter Hinweis auf die Richtsatzposition für Eisenmangelanämie als Diagnose eine obstruktive Bronchitis (Richtsatzposition 286: 30%) und eine partielle Dyslalie (Richtsatzposition 578: 30%) mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40% voraussichtlich mehr als drei Jahre anhaltend beurteilt. Festgehalten wird auch, dass dieses Gutachten das Erstgutachten bestätige, über eine Anämie lägen keine Befunde vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Bescheid des Finanzamtes vom hinsichtlich eines Zeitraumes von Oktober 2004 bis August 2008 aufgehoben, hinsichtlich des Zeitraumes ab September 2008 hat sie die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Nach der Begründung habe das Finanzamt mit Bescheid vom über den Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe ab Juni 2004 abgesprochen. Dieser Bescheid sei am an die Beschwerdeführerin zugestellt worden, die keine Berufung dagegen eingebracht habe. Eine Gewährung des Erhöhungsbetrages der Familienbeihilfe für den Zeitraum von Juni 2004 bis August 2008 stehe daher der Rechtskraft dieses Bescheides entgegen. Für die Zeit ab September 2008 ergebe sich nach dem zuletzt eingeholten Gutachten ein Gesamtgrad der Behinderung von 40%. Es sei nicht klar, auf Grund welcher Befunde die Beschwerdeführerin von einer bestehenden Eisenmangelanämie ausgehe, zumal auch im Berufungsverfahren trotz Vorhaltes keine aktuellen Befunde vorgelegt worden seien. Die anlässlich des ersten Gutachtens vorgelegten zwei Befunde über Eisenmangelanämie datierten aus dem Jahre 2008. Bei der Untersuchung am habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, ihr Sohn nehme Eisensaft, bei der zweiten Untersuchung am sei lediglich von Behandlungen der Bronchitis und der Sprachentwicklungsstörung die Rede gewesen. Es sei daher nicht erwiesen, dass der Sohn der Beschwerdeführerin nach diesem Zeitpunkt noch an einer Anämie gelitten hätte. Es sei auch nicht dargelegt worden, inwiefern sich eine dennoch vorliegende Anämie negativ auf den Sohn der Beschwerdeführerin ausgewirkt hätte. Eine über die nachgewiesene Beeinträchtigung ersichtliche Behinderung sei daher nicht anzunehmen. Im Gutachten vom sei angenommen worden, dass durch die Eisenmangelanämie der Grad der Behinderung nicht erhöht werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Keinerlei Vorbringen enthält die den gesamten Bescheid der belangten Behörde bekämpfende Beschwerde zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides hinsichtlich des Zeitraumes von Oktober 2004 bis August 2008, weil darüber bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei. Tatsächlich ergibt sich aus der Aktenlage, dass mit Bescheid des Finanzamtes vom der am beim Finanzamt eingelangte Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Juni 2004 für ihren Sohn abgewiesen worden ist. Die belangte Behörde hat daher durch die den in Rede stehenden Zeitraum betreffende Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides zutreffend zum Ausdruck gebracht, dass darüber bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist.

Zum Zeitraum ab September 2008:

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe bei

einer erheblichen Behinderung des Kindes.

Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (§ 8 Abs. 5 FLAG).

Nach § 8 Abs. 6 FLAG ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundessozialamtes auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Die Beschwerdeführerin wendet sich in erster Linie gegen den Umstand, dass in den ärztlichen Gutachten vom und vom trotz des entsprechenden Hinweises im (Vor)Gutachten vom und auch trotz des einschlägigen Vorbringens in der Berufung auf die Eisenmangelanämie ihres Sohnes nicht eingegangen worden sei. Dies mit dem Hinweis, es lägen keine Befunde über eine Anämie vor.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin einen Verfahrensfehler auf, weil sich die genannten Gutachten einerseits nicht mit dem Umstand auseinander gesetzt haben, dass im ersten Gutachten vom in der Anamnese eine Anämie seit dem Säuglingsalter festgehalten wurde und auch die Diagnose eine Eisenmangelanämie mit 10%-iger Behinderung festhält; andererseits wird das entsprechende Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung übergangen.

Selbst wenn die Beschwerdeführerin im Zuge des Berufungsverfahrens keine Befunde über eine aktuell vorliegende Anämie ihres Sohnes vorgelegt hat, wäre es am begutachtenden Arzt bzw. an der belangten Behörde gelegen, sich mit der Behauptung, es liege Anämie vor, im Hinblick auf das eben genannte Gutachten auseinanderzusetzen. Es fehlt auch jegliche Begründung für die Annahme, dass der Sohn der Beschwerdeführerin an der im Jahre 2008 vorgelegenen Anämie, an der er seit dem Säuglingsalter gelitten hat, nunmehr nicht mehr leide. Auch lässt die Begründung der belangten Behörde, entsprechend dem ersten Gutachten würde selbst bei Vorliegen einer Anämie keine Erhöhung des Grades der Behinderung bewirkt werden, unberücksichtigt, dass in den beiden anderen Gutachten vom Vorliegen anderer bzw. weiterer Krankheiten ausgegangen worden ist; dass diese in Kombination mit Anämie keine Erhöhung des Grades der Behinderung mit sich brächten, ergibt sich aus den Gutachten nicht.

Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Gutachten erweisen sich in diesem Sinne als widersprüchlich und unvollständig. Da die belangte Behörde diese Gutachten ihrer Entscheidung zu Grunde legte, hat sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war demnach für den Zeitraum ab September 2008 gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am