VwGH vom 22.05.2014, 2011/15/0190
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der M Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch die wirtschaftsberater Freyenschlag-Ganner-Halbmayr-Mitterer Steuerberatungs GmbH in 4020 Linz, Pillweinstraße 30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/1094-L/05, miterledigt Zl. RV/0646- L/05, betreffend Bescheidaufhebung (Umsatzsteuer 2003) und Umsatzsteuer 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Abspruch betreffend Umsatzsteuer 2003 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen, somit hinsichtlich der Bescheidaufhebung, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH behandelte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 2003 Fahrzeuge der Marke Opel Zafira als vorsteuerabzugsberechtigte Kleinbusse.
Mit Bescheid vom wurde die Umsatzsteuer 2003 erklärungsgemäß veranlagt.
Am erließ das Finanzamt einen "Bescheid über die Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides 2003 gemäß § 299 BAO". Der Bescheid enthielt folgende Begründung:
"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist."
In einer Bescheidbegründung vom , die der Beschwerdeführerin gesondert zuging, wurden die Gründe der Bescheidaufhebung ausführlich erläutert. Auf das Wesentliche zusammengefasst erachtete das Finanzamt den zunächst erklärungsgemäß ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2003 aus zwei Gründen als rechtswidrig. Zum einen seien Vorsteuern im Zusammenhang mit Fahrzeugen der Marke Opel Zafira berücksichtigt worden; zum anderen seien die der Beschwerdeführerin in Deutschland vergüteten Vorsteuern aus Leasingraten von Personenkraftwagen nicht der Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994 unterzogen worden. Abschließend finden sich in der Bescheidbegründung auch Ausführungen zur Ermessensübung.
Im geänderten Umsatzsteuerbescheid 2003 vom wurde der Opel Zafira nicht als vorsteuerabzugsberechtigter Kleinbus anerkannt, die von der Beschwerdeführerin der Umsatzsteuer unterzogenen Sachbezüge von der Umsatzsteuer entlastet und die Vorsteuern gekürzt. Weiters wurden die Raten für die in Deutschland geleasten Kraftfahrzeuge der Umsatzsteuer unterworfen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung sowohl gegen den Aufhebungsbescheid als auch gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2003. Gegen den Aufhebungsbescheid wandte die Beschwerdeführerin ein, dass der Bescheid nicht bezeichne, worin die Rechtswidrigkeit des bisherigen Umsatzsteuerbescheides bestünde und auch die Ermessensübung nicht begründe.
Gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der Opel Zafira als vorsteuerabzugsberechtigter Kleinbus im Sinne der Rechtslage vor 1996 einzustufen und die Besteuerung der Leasingraten nach § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 nicht mit der
6. Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar sei.
In seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung betreffend Bescheidaufhebung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass die Bescheidbegründung vom und der per EDV erstellte Aufhebungsbescheid vom als Einheit anzusehen seien.
Diesen Ausführungen hielt die Beschwerdeführerin im Vorlageantrag entgegen, dass die gesonderte Begründung dem Aufhebungsbescheid mangels gesetzlicher Grundlage nicht zugeordnet werden könne. Der vorliegende Begründungsmangel könne auch nicht im Zuge des Rechtsmittelverfahrens behoben werden, weil Bescheide gemäß § 299 BAO wie Wiederaufnahmebescheide von der ersten Instanz zu begründen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung betreffend Bescheidaufhebung als unbegründet ab. Der Beschwerdeführerin sei zeitnahe zum EDV-Bescheid eine vom Finanzamt ausgefertigte Begründung (Formular Verf. 67PC) zugegangen, aus deren Betreff eindeutig der Bezug zum Aufhebungsbescheid zu entnehmen war. Die belangte Behörde teile die Ansicht des Finanzamtes, dass Bescheid und Bescheidbegründung ungeachtet des Umstandes, dass im Bescheid nicht auf die gesondert ergehende Bescheidbegründung verwiesen werde, als Einheit anzusehen seien. Nach dem objektiven Erklärungsgehalt der gesonderten Bescheidbegründung seien die Gründe der Bescheidaufhebung für die Beschwerdeführerin nachvollziehbar und kontrollierbar gewesen.
Hinsichtlich Umsatzsteuer 2003 änderte die belangte Behörde die Festsetzung des Finanzamtes in zwei Punkten ab. Zum einen sah die belangte Behörde angesichts zwischenzeitig ergangener Rechtsprechung von einer Eigenverbrauchsbesteuerung nach § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 ab. Zum anderen änderte die belangte Behörde den Bescheid insoweit zum Nachteil der Beschwerdeführerin ab, als sie in Anlehnung an die Umsatzsteuerfestsetzung für die Jahre 2004 bis 2008 (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2011/15/0176) auch für das Jahr 2003 von einer "Privatnutzung" von 15 % ausging und die im Ausland mit Vorsteuerabzugsberechtigung geleasten Fahrzeuge einer Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 lit. a UStG 1994 unterwarf.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. Aufhebung des Umsatzsteuerbescheides gemäß § 299 BAO
Gemäß § 299 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 und 124/2003 kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.
Gemäß § 299 Abs. 2 leg. cit. ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.
Die Neufassung des § 299 BAO durch BGBl. I Nr. 97/2002 hat insbesondere zu folgenden Änderungen geführt: Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz zur Aufhebung, Antragsrecht der Partei auf Bescheidaufhebung und Verbindung des Aufhebungsbescheides mit dem neuen Sachbescheid.
Während § 299 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 als Voraussetzung der Aufhebung die inhaltliche Rechtswidrigkeit des (aufzuhebenden) Bescheides vorsah, stellt das Gesetz nach der Novellierung durch BGBl. I Nr. 124/2003 darauf ab, ob sich der Spruch des (aufzuhebenden) Bescheides "als nicht richtig erweist".
§ 299 Abs. 1 BAO idF BGBl. I Nr. 97/2002 (und BGBl. I Nr. 124/2003) räumt dem Steuerpflichtigen ein Antragsrecht auf Bescheidaufhebung ein. Den Aufhebungsgrund bestimmt bei der Aufhebung auf Antrag die betreffende Partei. Sie gibt im Aufhebungsantrag an, aus welchen Gründen sie den Bescheid für inhaltlich rechtswidrig erachtet. Korrespondierend dazu legt bei der Bescheidaufhebung von Amts wegen die Abgabenbehörde erster Instanz im Zusammenhang mit der Erlassung des Aufhebungsbescheides fest, aus welchen Gründen sie den Bescheid als inhaltlich rechtswidrig ansieht. Daraus folgt, dass die Sache, über die in der Berufung gegen einen Aufhebungsbescheid oder einen Bescheid, mit welchem der Aufhebungsantrag abgewiesen wird, zu entscheiden ist, bei der beantragten Aufhebung durch die Partei im Aufhebungsantrag und bei der amtswegigen Aufhebung durch das Finanzamt im Rahmen der Erlassung des Aufhebungsbescheides festgelegt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0119).
In der Begründung des Aufhebungsbescheides nach § 299 Abs. 1 BAO vom wird allgemein die Voraussetzung für die Aufhebung angeführt, nämlich dass sich "der Spruch des Bescheides als nicht richtig erweist." Der gemäß § 299 Abs. 2 BAO mit dem Aufhebungsbescheid verbundene, den bisherigen Umsatzsteuerbescheid ersetzende (neue) Umsatzsteuerbescheid vom verweist auf die (zusätzliche) gesondert ergehende Bescheidbegründung. In dieser Bescheidbegründung vom wird ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sich der bisherige Umsatzsteuerbescheid nach Ansicht des Finanzamtes als unrichtig erweist. Damit war objektiv erkennbar dargetan, dass das Finanzamt bei der gleichzeitigen Erlassung des Aufhebungsbescheides die "Unrichtigkeit" des ersten Umsatzsteuerbescheides 2003 in der Geltendmachung von Vorsteuern für den Opel Zafira und im Unterbleiben einer Eigenverbrauchsbesteuerung im Zusammenhang mit dem Auslandsleasing von Kraftfahrzeugen erblickt hat. Aus der Begründung der beiden miteinander verbundenen Bescheide (Aufhebungsbescheid und neuer Sachbescheid) ist daher im Beschwerdefall zu erkennen gewesen, worauf das Finanzamt die Aufhebung gestützt hat.
Die Begründung des Aufhebungsbescheides hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 299 BAO darzulegen, also sowohl den Aufhebungsgrund als auch die Gründe für die Ermessensübung anzuführen (vgl. Ritz , BAO4, § 299 Tz 40). Allerdings sind Begründungsmängel des Erstbescheides im Berufungsverfahren sanierbar (vgl. Ritz , aaO, § 93 Tz 16).
Im Berufungsverfahren kann ein mangelhaft begründeter Aufhebungsbescheid (etwa hinsichtlich der Begründung der Ermessensübung) ergänzt bzw. richtig gestellt werden, es darf bloß kein anderer (neuer) Aufhebungsgrund herangezogen werden (vgl. sinngemäß zur Wiederaufnahme des Verfahrens das hg. Erkenntnis vom , 94/14/0124).
Da diese Voraussetzung im Beschwerdefall erfüllt ist, kann der Beschwerde, die die Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides in seiner fehlenden Begründung erblickt, nicht gefolgt werden.
2. Umsatzsteuer 2003
Die belangte Behörde hat die Besteuerung des Eigenverbrauchs "beim PKW-Auslandsleasing" auf die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. a UStG 1994 gestützt. Sie spricht in diesem Zusammenhang von einer nicht näher erläuterten "privaten Verwendung" der Fahrzeuge sowie von Erhebungen des Finanzamtes für die Jahre 2004 bis 2008.
Im Erkenntnis vom , 2004/15/0158, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage u.a. des Jahres 2003 in Bezug auf die Eigenverbrauchsbesteuerung von Sachbezügen (Überlassung von Vorführfahrzeugen an die Arbeitnehmer der seinerzeit beschwerdeführenden GmbH) Folgendes ausgeführt:
"Nach Art. 6 Abs. 1 der Sechsten MwSt-RL gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes ist, als Dienstleistung. Nach Art. 6 Abs. 2 lit. b der Sechsten MwSt-RL wird die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke den Dienstleistungen gegen Entgelt gleichgestellt.
Dem entsprach § 1 Abs. 1 Z 2 lit. a und b UStG 1994 in der im Beschwerdefall maßgebenden Stammfassung nur teilweise. Nach dieser Bestimmung unterlag der Eigenverbrauch im Inland der Umsatzsteuer und lag Eigenverbrauch vor,
a) wenn ein Unternehmer Gegenstände (einschließlich des Betriebes, Teilbetriebes oder des Unternehmens selbst), die seinem Unternehmen dienten oder bisher gedient hatten, für Zwecke verwendete oder verwenden ließ, die außerhalb des Unternehmens lagen; oder
b) wenn ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens Leistungen der in § 3a Abs. 1 bezeichneten Art für Zwecke ausführte, die außerhalb des Unternehmens lagen.
Die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den Bedarf seines Personals war von dieser Bestimmung, welche lediglich die Zwecke außerhalb des Unternehmens ansprach, nicht erfasst.
Auf die Sechste MwSt-RL unmittelbar berufen konnte sich die belangte Behörde zu Lasten der Beschwerdeführerin nicht. Der Einzelne kann durch die Richtlinie nicht unmittelbar verpflichtet werden (vgl. die bei Lenz, EG-Vertrag Kommentar4, Rn 14 zu Art. 249 EG, zitierte Rechtsprechung des EuGH und Thun-Hohenstein/Cede/Hafner, Europarecht5, 181).
Auf § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 in der Stammfassung konnte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid daher auch nicht stützen."
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde nicht näher erläutert, worin sie die "private Verwendung" der Fahrzeuge erblickt. Im Zusammenhang mit ihren Verweisen auf die Erhebungen des Finanzamtes zu den Verhältnissen der Folgejahre (vgl. die diesbezügliche Sachverhaltsschilderung im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, 2011/15/0176) kann aber davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde auch im Streitjahr sachverhaltsbezogen eine Verwendung der Fahrzeuge für den privaten Bedarf der Arbeitnehmer der beschwerdeführenden GmbH angenommen hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof im oben auszugsweise wiedergegebenen Erkenntnis 2004/15/0158 ausgeführt hat, war die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des Personals von der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 in der Stammfassung nicht erfasst; in diesem Fall lag entweder ein Leistungsaustausch iSd § 1 Abs. 1 Z 1 leg. cit. - oder eine nicht steuerbare Leistung vor (vgl. auch Ruppe , UStG,§ 1 Tz 307).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in seinem Abspruch betreffend Umsatzsteuer 2003 als rechtswidrig. Er war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf den Aufhebungsbescheid schlägt diese Rechtswidrigkeit nicht durch, weil sich der Aufhebungsbescheid des Finanzamtes nicht auf diesen Punkt gestützt hat. Dass für den Opel Zafira im Erstbescheid Vorsteuern abgezogen wurden, ist ein Umstand, auf den das Finanzamt die Bescheidaufhebung zu Recht gründen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0184). Die Beschwerde war daher insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am