VwGH vom 22.05.2014, 2011/15/0176

VwGH vom 22.05.2014, 2011/15/0176

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der M Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch die wirtschaftsberater Freyenschlag-Ganner-Halbmayr-Mitterer Steuerberatungs GmbH in 4020 Linz, Pillweinstraße 30, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0623-L/05, miterledigt Zlen. RV/1186- L/07, RV/1071-L/08, RV/1096-L/10, RV/1098-L/10, betreffend Umsatzsteuer 2004 bis 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH hat in den Streitjahren Personenkraftwagen in Deutschland geleast und diese vorwiegend den Arbeitnehmern ihres in Österreich angesiedelten Unternehmens zur Verfügung gestellt, welche die Fahrzeuge auch für private Fahrten nutzen konnten (Ansatz eines vollen Sachbezuges). Die Vorsteuerbeträge wurden im Zuge von Vergütungsverfahren von der deutschen Steuerverwaltung rückerstattet.

In den Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2004 bis 2008 hat die Beschwerdeführerin keine Eigenverbrauchsbesteuerung iSd § 1 Abs. 1 Z 2 lit. b UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 134/2003 und BGBl. I Nr. 103/2005 vorgenommen, weil sie diese Bestimmung für unionsrechtswidrig erachtete.

Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer der Jahre 2004 bis 2008 u. a. in dem genannten Punkt in Abweichung von den Steuererklärungen fest.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufungen. Sie schloss sich der Ansicht der Beschwerdeführerin zur Frage der Eigenverbrauchsbesteuerung im Zusammenhang mit dem Auslandsleasing von Personenkraftwagen an, änderte die Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahre 2004 bis 2008 aber insoweit, als sie die private Nutzung der Fahrzeuge durch die Arbeitnehmer als fiktive Dienstleistung iSd § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994 (idF BGBl. I Nr. 134/2003) beurteilte.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die belangte Behörde die Verwendung von im Ausland mit Vorsteuerabzugsberechtigung geleasten Fahrzeugen für den privaten Bedarf der Arbeitnehmer des inländischen Unternehmens der Beschwerdeführerin zu Recht als fiktive Dienstleistung iSd § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994 behandelt hat. Das Ausmaß der diesbezüglichen Verwendung steht ebenso wie die Höhe der auf diese Nutzung entfallenden Kosten iSd § 4 Abs. 8 lit. b UStG 1994 außer Streit.

Mit BGBl. I Nr. 134/2003 wurde § 3a Abs. 1 UStG 1994 ein Abs. 1a angefügt. Dieser lautet:

"(1a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt:

1. Die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch den Unternehmer


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-
für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen,
-
für den Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
2.
die unentgeltliche Erbringung von anderen sonstigen Leistungen durch den Unternehmer
-
für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen,
-
für den Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen."
Diese Bestimmung steht für Zeiträume ab , somit für den Streitzeitraum in Geltung. Der im Beschwerdefall einschlägige zweite Teilstrich der Z 1 leg. cit. stellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, für den Bedarf des Personals des Unternehmens (sofern keine bloße Aufmerksamkeit vorliegt) einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleich. Der Gesetzgeber hat damit die Rechtstechnik der Mehrwertsteuerrichtlinien (vgl. Art. 6 Abs. 2 lit. a und b der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie bzw. Art. 26 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) übernommen.
Wie aus der Rechtsprechung des EuGH hervorgeht, will die genannte Richtlinienbestimmung die Nichtbesteuerung eines zu privaten Zwecken verwendeten Betriebsgegenstands verhindern (vgl. ,
Cookies World , Randnr. 56).
Die Beschwerde wendet sich gegen die Besteuerung nach § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994 mit dem Vorbringen, (im Inland) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Fahrzeuge seien gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 nicht dem Unternehmen zugeordnet. Werde ein nach österreichischen Vorschriften nicht vorsteuerabzugsberechtigter PKW im Ausland geleast, könne dieser Umstand (und die Vornahme eines Vorsteuerabzugs im Ausland) nicht dazu führen, aus dem Fahrzeug einen "dem Unternehmen zugeordneten Gegenstand" zu machen, der unternehmensfremd verwendet werden könne.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 die Bedeutung beizulegen, dass ein bloßer Vorsteuerausschluss vorliegt (vgl. den hg. Beschluss vom , 2000/14/0155). Die Anordnung lässt das den Steuerpflichtigen nach Unionsrecht zukommende Wahlrecht unberührt, ein Investitionsgut, das sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für private Zwecke verwendet wird, in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen, oder es in vollem Umfang im Privatvermögen zu belassen, oder es auch nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung in das Unternehmen einzubeziehen (vgl. zum Zuordnungswahlrecht die bei
Ruppe/Achatz , UStG4, § 12 Tz 113, angeführte Rechtsprechung des EuGH).
Dasselbe Zuordnungswahlrecht wie beim Erwerb eines Investitionsgutes kommt dem Steuerpflichtigen auch zu, wenn er ein gemischt genutztes Investitionsgut im Rahmen eines Leasingvertrages mietet (vgl. im Zusammenhang mit dem Mieten eines Kraftfahrzeuges das C- 118/11,
Eon Aset Menidjmunt , Randnr. 53).
Entscheidet sich der Steuerpflichtige dafür, ein gemischt verwendetes Investitionsgut als Gegenstand des Unternehmens zu behandeln, ist die beim Erwerb dieses Gegenstandes geschuldete Vorsteuer grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar. Unter diesen Umständen ist die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder für unternehmensfremde Zwecke nach Art. 26 Abs. 1 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (bzw. Art. 6 Abs. 2 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie) einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der entrichteten Mehrwertsteuer berechtigt hat (vgl. Randnr. 54 des zuletzt angeführten Urteils).
Die belangte Behörde hat aus der Geltendmachung des vollen Vorsteuerabzugs in Deutschland geschlossen, dass die Beschwerdeführerin die Kraftfahrzeuge zu 100 % als Unternehmensvermögen behandelt wissen will. Die Beschwerde enthält nichts, das diese Beurteilung als verfehlt erkennen ließe. Die Beschwerdeführerin vertritt vielmehr die Ansicht, dass infolge des Fehlens eines Vorsteuerabzugsrechts (bzw. Vorsteuerabzugs) im Inland ein notwendiges Tatbestandsmerkmal der Besteuerung gemäß § 3a Abs. 1a Z 1 UStG 1994 nicht erfüllt sei.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht, weil die Sichtweise der Beschwerdeführerin dem Zweck der Eigenverbrauchsbesteuerung, keinen unversteuerten Letztverbrauch in der Union zuzulassen, nicht hinreichend Rechnung trägt (vgl. nochmals ,
Cookies World , Randnr. 56; sowie das Urteil vom , C- 50/88, Kühne , in dem der EuGH bereits betont hat, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie die Nichtbesteuerung eines zu privaten Zwecken verwendeten Unternehmensgegenstandes verhindern will.)
Die Richtlinienbestimmung stellt nur darauf ab, dass der betreffende Gegenstand zum Vorsteuerabzug berechtigt hat, nicht hingegen darauf, in welchem der Mitgliedstaaten der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden konnte. Stellte man mit der Beschwerdeführerin (die insoweit
Tumpel/Aigner, SWK 14/2011, S 622, zitiert) darauf ab, dass der Vorsteuerabzug immer auf jenen Mitgliedstaat bezogen sein müsse, in dem der Mehrwertsteueranspruch entstanden sei, hätte dies überdies unerwünschte Wettbewerbsverzerrungen zur Folge, weil jeder Steuerpflichtiger bestrebt sein würde, sein Investitionsvorhaben so einzurichten, dass es zu einem territorialen Auseinanderfallen von Vorsteuerabzugsrecht und Eigenverbrauch kommt.
Aus diesen Gründen schließt sich der Verwaltungsgerichtshof der in der Fachliteratur in der Mehrzahl vertretenen Ansicht an, dass auch ein ausländischer Vorsteuerabzug für die Besteuerung des Eigenverbrauchs als fiktive Dienstleistung ausreicht (vgl.
Ruppe/Achatz , UStG4, § 3 Tz 255; Pernegger in Melhardt/Tumpel, § 3 Tz 423; Gunacker-Slawitsch , Eigenverbrauch, 59; Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 3 Anm. 1617).
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Ergebnis - ungeachtet der in der Beschwerde relevierten Begründungsmängel - als frei von Rechtsirrtum.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.
Wien, am