VwGH vom 28.03.2014, 2014/02/0033
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Mag. Dr. Köller und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der B AG in W, vertreten durch die Weber Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rathausplatz 4, gegen den Bescheid der Wiener Börse AG vom , betreffend Zurückziehung von Aktien vom bzw. Widerruf der Zulassung von Aktien zum amtlichen Handel der Wiener Börse (weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom auf Zurückziehung ihrer Aktien vom amtlichen Handel bzw. auf Widerruf der Zulassung ihrer Aktien zum amtlichen Handel zurückgewiesen.
In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, die Aktien der Beschwerdeführerin seien jeweils mit Bescheid der belangten Behörde vom , und zum amtlichen Handel an der Wiener Börse zugelassen worden und notierten seitdem im amtlichen Handel der Wiener Börse. Mit Schreiben vom habe die Beschwerdeführerin der belangten Behörde angezeigt, dass sie die Aktien in analoger Anwendung des § 83 Abs. 4 BörseG mit Wirkung zum Ablauf des vom amtlichen Handel der Wiener Börse zurückziehe. Weiter habe die Beschwerdeführerin die Einbeziehung von 15.386.742 auf Inhaber lautende nennbetragslose Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals von EUR 1,-- je Aktie zum Dritten Markt beantragt. Schließlich habe die Beschwerdeführerin den im Spruch wieder gegebenen Antrag gestellt.
Nach Darstellung der maßgebenden Rechtslage führte die belangte Behörde aus, ein Widerruf der Zulassung von Aktien zum amtlichen Handel der Wiener Börse könne ausschließlich von Amts wegen erfolgen. Die Beschwerdeführerin habe auch keine Gründe genannt, die einen Widerruf der Zulassung ihrer Aktien von Amts wegen rechtfertigten. Die Zurückziehung von Aktien vom amtlichen Handel sei nicht vorgesehen. Eine analoge Anwendung des § 83 Abs. 4 BörseG, nach dem die Zurückziehung von Aktien vom geregelten Freiverkehr möglich sei, komme nicht in Frage, weil keine planwidrige Lücke vorliege. Der Antrag der Beschwerdeführerin sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In dem vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gewesenen Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiterhin anzuwenden, zumal durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG treten in den beim Verwaltungsgerichtshof und beim Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des anhängigen Verfahren die Verwaltungsgerichte an die Stelle der unabhängigen Verwaltungsbehörden, sonstigen unabhängigen Verwaltungsbehörden und, soweit es sich um Beschwerdeverfahren handelt, aller sonstigen Verwaltungsbehörden mit Ausnahme jener Verwaltungsbehörden, die in erster und letzter Instanz entschieden haben oder zur Entscheidung verpflichtet waren.
Die belangte Behörde erklärte in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides ein ordentliches Rechtsmittel gegen den angefochtenen Bescheid für nicht zulässig und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass sie die Zuständigkeit zur Entscheidung in erster und letzter Instanz - wie gleich gezeigt wird zu Recht - in Anspruch genommen hat.
§ 64 BörseG in der Fassung vor der Novelle
BGBl. I Nr. 70/2013 lautet auszugsweise:
"Zulassungsverfahren zum amtlichen Handel
§ 64. (1) Das Börseunternehmen entscheidet über Anträge auf Zulassung von Wertpapieren sowie von Emissionsprogrammen, in deren Rahmen Nichtdividendenwerte emittiert werden, zum amtlichen Handel.
(2) Die Berufung an einen beim Bundesminister für Finanzen eingerichteten Berufungssenat ist zulässig
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | gegen die Versagung der Zulassung, |
2. | gegen den Widerruf der Zulassung (Abs. 5),... |
Der Berufungssenat besteht aus einem rechtskundigen Vorsitzenden, einem Beisitzer, der dem aktiven Richterstand angehört, und einem weiteren Beisitzer.... |
(3) Die Entscheidungen des Berufungssenates unterliegen nicht der Abänderung oder Aufhebung im Verwaltungsweg. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist zulässig. Die Beschwerde kann auch von der FMA wegen Rechtswidrigkeit erhoben werden.
(4) Die Zulassung darf nicht erfolgen, wenn die Erfordernisse gemäß den §§ 66a, 70 bis 73 und 82 Abs. 5 nicht vorliegen; unbeschadet dessen kann die Zulassung auch versagt werden, wenn sie auf Grund der wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse des Emittenten die schutzwürdigen Interessen des anlagesuchenden Publikums verletzen würde.
(5) Die Zulassung ist zu widerrufen, wenn ein Zulassungserfordernis gemäß Abs. 4 nachträglich wegfällt, wenn sie durch unrichtige Angaben oder durch täuschende Handlungen herbeigeführt oder sonstwie erschlichen wurde, oder wenn der Emittent seine Pflichten gemäß den §§ 81 bis 87 und 91 bis 94 nicht erfüllt. Wenn dadurch der Anlegerschutz nicht verletzt wird, kann der Emittent bei nachträglichem Wegfall eines Zulassungserfordernisses oder bei Verletzung der gesetzlichen Pflichten des Emittenten unter Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Herstellung des gesetzlichen Zustandes aufgefordert werden; in diesem Fall ist die Zulassung erst nach erfolglosem Fristablauf zu widerrufen."
Die Berufung im Rahmen eines Zulassungsverfahrens zum amtlichen Handel war gemäß § 64 Abs. 2 BörseG nur gegen die Versagung der Zulassung und den Widerruf der Zulassung zulässig. Eine Berufung gegen einen einen Antrag wie den vorliegenden abweisenden Bescheid war nicht vorgesehen.
Im Zulassungs(Widerrufs)verfahren handelt die belangte Behörde als beliehenes Unternehmen (vgl. § 2 Abs. 1 3. Satz BörseG). Bei beliehenen Unternehmen wurde bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung die Zulässigkeit eines administrativen Rechtsmittels an staatliche Behörden, insbesondere an den sachlich in Betracht kommenden Bundesminister, verneint (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes , B 2271/00, und im Anschluss daran das hg. Erkenntnis vom , 2002/03/0036).
Eine über § 64 Abs. 2 BörseG hinaus gehende allgemeine Regel über die Einrichtung eines administrativen Instanzenzuges gegen Entscheidungen des Börseunternehmens fand sich im BörseG in der hier maßgebenden Fassung nicht. Die belangte Behörde war daher nach dem Gesagten im Beschwerdefall in erster und letzter Instanz zur Entscheidung zuständig (nach der nunmehr geltenden Rechtslage ist gegen Bescheide der belangten Behörde die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig, dies auch in den in § 64 Abs. 2 BörseG nF nicht geregelten Fällen unmittelbar aufgrund Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm Art. 131 Abs. 2 B-VG, unter den Voraussetzungen des Art. 132 B-VG).
In der Sache stützte die belangte Behörde die den Antrag abweisende Entscheidung auf den Umstand, dass das BörseG keine Bestimmung enthält, die es dem Emittenten ermöglichte, einmal zum amtlichen Handel zugelassene Wertpapiere über seinen Antrag vom amtlichen Handel zu nehmen oder den Widerruf auszusprechen. Nur durch einen amtswegigen Widerruf der Zulassung bei Wegfall der Voraussetzungen gemäß § 64 Abs. 5 BörseG könne der amtliche Handel der Wertpapiere beendet werden. Eine Analogie zum geregelten Freiverkehr, von dem die Zurückziehung von Aktien gemäß § 83 Abs. 4 BörseG möglich ist, komme mangels Vorliegens einer Gesetzeslücke nicht in Frage.
Die Beschwerdeführerin dagegen vertritt in der Beschwerde die Ansicht, eine Analogie zu § 83 Abs. 4 BörseG hinsichtlich der Zurückziehung von Aktien vom geregelten Freiverkehr sei für den amtlichen Handel geboten, ein Verzicht eines Emittenten auf die Zulassung zum amtlichen Handel müsse möglich sein. Ein Handelszwang widerspräche dem Legalitätsprinzip.
§ 83 Abs. 4 BörseG in der Fassung vor der Novelle
BGBl. I Nr. 70/2013 lautet:
"Pflichten der Emittenten von Aktien
§ 83. ...
(4) Die Zurückziehung der Aktien vom geregelten Freiverkehr ist dem Börseunternehmen mindestens einen Monat im Vorhinein anzuzeigen und gleichzeitig zu veröffentlichen. Diese Frist kann auf Antrag vom Börseunternehmen verkürzt werden, wenn berücksichtigungswürdige Umstände vorliegen.
..."
Nach der Rechtsprechung setzt ein Analogieschluss das Vorliegen einer echten Gesetzeslücke, also das Bestehen einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ein Abweichen vom Gesetzeswortlaut ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann zulässig, wenn eindeutig feststeht, dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hat, als er zum Ausdruck gebracht hat, so beispielsweise wenn den Gesetzesmaterialien mit eindeutiger Sicherheit entnommen werden kann, dass der Wille des Gesetzgebers tatsächlich in eine andere Richtung gegangen ist, als sie in der getroffenen Regelung zum Ausdruck kommt. Im Zweifel ist das Unterbleiben einer bestimmten Regelung im Bereich des öffentlichen Rechts als beabsichtigt anzusehen (vgl. beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/12/0120, mwN, und vom , Zl. 2009/13/0101, mwN).
Weder die Erläuterungen zum BörseG 1989, BGBl. Nr. 555/1989 (RV XVII GP 1049 Blg), wo in § 85 Abs. 4 eine dem aktuellen § 83 Abs. 4 BörseG vergleichbare Regelung getroffen wurde, noch jene zur Novelle BGBl. I Nr. 19/2007 (IA 82/A XXIII GP), durch die § 83 Abs. 4 BörseG seine oben zitierte Fassung erhielt, enthalten Hinweise in die Richtung, dass eine Zurückziehung von Aktien nicht nur vom geregelten Freiverkehr, sondern auch vom amtlichen Handel ermöglicht werden sollte.
Auch die für den amtlichen Handel in den §§ 64 und 66a BörseG einerseits und für den geregelten Freiverkehr in den §§ 67 und 68 BörseG andererseits unterschiedlich geregelten Zulassungsverfahren und Zulassungsvoraussetzungen zeigen, dass der Gesetzgeber nicht die Absicht verfolgte, für beide Formen des geregelten Marktes einheitliche Regelungen zu treffen. Vielmehr kommt deutlich hervor, dass bei dem strengeren Anforderungen hinsichtlich der Zulassung unterliegenden amtlichen Handel auch hinsichtlich der Beendigung der Teilnahme am geregelten Markt - wohl unter dem Aspekt des Anlegerschutzes - andere Voraussetzungen gelten sollten. Dies wird auch deutlich durch die nur für den geregelten Freiverkehr geschaffene Möglichkeit der Zurückziehung der Aktien.
Unter diesen Umständen ist nach der dargestellten Rechtsprechung ein Analogieschluss im Beschwerdefall ausgeschlossen.
Auch die Überlegungen der Beschwerdeführerin zu den Themen Verzicht und Handelszwang führen nicht zu dem von ihr gewünschten Ergebnis. Ein Verzicht auf die mit rechtskräftigen Bescheiden ausgesprochene Zulassung von Aktien zum amtlichen Handel ist im BörseG nicht vorgesehen; von einem Handelszwang kann schon deshalb nicht gesprochen werden, weil jeder potenzielle Emittent in Kenntnis der einschlägigen Vorschriften selbst entscheiden kann, ob er Wertpapiere im amtlichen Handel oder im geregelten Freiverkehr zugelassen haben möchte.
Wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt, finden sich auch in der den in Rede stehenden Bestimmungen zu Grunde liegenden Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen keine Hinweise auf einheitliche Bestimmungen zur Beendigung einer Börsennotierung.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am