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VwGH vom 26.11.2014, 2011/13/0008

VwGH vom 26.11.2014, 2011/13/0008

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2011/13/0009

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie den Senatspräsidenten Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerden 1.) des Dr. S als Masseverwalter der M GmbH in W und

2.) der M GmbH in W, beide vertreten durch die Prof. Dr. Thomas Keppert Wirtschaftsprüfung GmbH Co KG, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1060 Wien, Theobaldgasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zlen. RV/1176-W/10 und RV/1224-W/10, betreffend Abweisung eines Antrages auf Feststellung einer Unternehmensgruppe ab 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von 57,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist die Bildung einer Unternehmensgruppe nach § 9 Abs. 1 KStG 1988 strittig.

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, das Finanzamt habe mit Bescheid vom einen im Dezember 2009 gestellten Antrag auf Feststellung einer Unternehmensgruppe ab der Veranlagung 2009 betreffend die M GmbH (im Folgenden vereinfachend: Erstbeschwerdeführerin) als Gruppenträger und deren 90 %ige Tochtergesellschaft, die Zweitbeschwerdeführerin, als Gruppenmitglied abgewiesen. Über das Vermögen der Erstbeschwerdeführerin sei mit Gerichtsbeschluss vom (Eintragung im Firmenbuch am ) das Konkursverfahren eröffnet worden. Das Konkursverfahren sei bis dato nicht abgeschlossen, wobei nach der Aktenlage auch kein Fortbetrieb stattfinde. Nach Ansicht des Finanzamtes könnten Körperschaften in Liquidation nicht in eine Unternehmensgruppe aufgenommen werden, weil die gesetzlich vorgesehene Mindestbestandsdauer der Gruppe von drei Jahren gemäß § 9 Abs. 10 KStG 1988 nicht erfüllt werden könne. Der steuerliche Einkommensermittlungszeitraum weiche für den Fall einer Liquidation gemäß § 19 KStG 1988 vom normalen Besteuerungszeitraum ab, wobei im Auflösungszeitraum verwirklichte Gewinne und Verluste in einem einheitlichen Gewinnermittlungszeitraum zusammenzufassen seien. Daher könne eine periodengerechte Zurechnung des jeweils zwölf Monate umfassenden Jahresergebnisses des Gruppenmitglieds, wie dies § 9 Abs. 10 KStG 1988 anordne, zum jeweiligen jahresweise ermittelten Einkommen des Gruppenträgers jenes Wirtschaftsjahres, in das der Bilanzstichtag des Gruppenmitglieds falle (§ 9 Abs. 1 KStG 1988), nicht erfolgen.

In den dagegen sowohl von der Erst- als auch der Zweitbeschwerdeführerin erhobenen Berufungen sei vorgebracht worden, dass der Gruppenträger im Beschwerdefall im Konkurs sei, stehe einer Gruppenbesteuerung nicht entgegen, solange die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Trotz Konkurses und der durch den Masseverwalter zu erfolgenden Abwicklung handle es sich weiterhin um eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft im Sinne des § 9 Abs. 3 iVm § 1 Abs. 2 KStG 1988. Für den Bestand einer Unternehmensgruppe sei es nicht von Bedeutung, dass das Einkommen des Gruppenträgers im Rahmen der Liquidation nach den besonderen Bestimmungen des § 19 EStG 1988 ermittelt werde, weil es sich "trotzdem um Einkommen handle". Durch den Eintritt eines Auflösungstatbestandes komme es nicht zwingend zur Beendigung einer Gruppe, weil durch dessen Eintritt noch nicht entschieden sei, dass die dreijährige Mindestdauer nicht erfüllt werden könne. Zu der im Bescheid des Finanzamtes geforderten periodengerechten Zurechnung der Ergebnisse des Gruppenmitglieds zum Einkommen des Gruppenträgers sei darauf zu verweisen, dass es sich laut Gesetzestext um die (periodengerechte) Zurechnung der Ergebnisse der Gruppenmitglieder handle. Da sich das Gruppenmitglied nicht in Liquidation befinde und grundsätzlich die steuerlich maßgebenden Ergebnisse von jeweils drei 12 Monate umfassenden Wirtschaftsjahren zugewiesen werden könnten, seien die im § 9 KStG 1988 geforderten Voraussetzungen für die Zurechnung erfüllt. Alleine wegen des Umstandes, dass es sich beim Gruppenträger um eine im Konkurs befindliche Gesellschaft handle, könne die Bildung einer Unternehmensgruppe nicht versagt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen keine Folge.

Unstrittig sei über das Vermögen der Erstbeschwerdeführerin bereits vor Einbringung des Gruppenantrages das Konkursverfahren eröffnet worden. Das bedeute, dass im Hinblick auf die nunmehrige Abwicklung des Gruppenträgers in einem Konkursverfahren der steuerliche Gewinnermittlungszeitraum (abweichend von § 2 Abs. 5 EStG 1988) nicht mehr das Wirtschaftsjahr mit 12 Monaten umfasse, sondern ein besonderer Besteuerungszeitraum gemäß § 19 Abs. 3 KStG 1988 gelte, der sich bis auf fünf Jahre erstrecken könne. § 9 Abs. 1 KStG 1988 verlange u.a. als Voraussetzung für eine Gruppenbildung die Zurechnung des steuerlich maßgebenden Ergebnisses des jeweiligen Gruppenmitglieds zum steuerlich maßgebenden Ergebnis jenes Wirtschaftsjahres des Gruppenträgers, in das der Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres des Gruppenmitglieds falle. Da bei der als Gruppenträger "vorgesehenen Gesellschaft aber nunmehr eine periodengerechte Zurechnung des jeweils 12 Monate umfassenden Jahresergebnisses des Gruppenmitglieds, wie dies § 9 Abs. 10 KStG 1988 bestimmt, zum jeweiligen jahresweise ermittelten Einkommen des Gruppenträgers jenes Wirtschaftsjahres, in das der Bilanzstichtag des Gruppenmitglieds fällt (§ 9 Abs. 1 KStG 1988) nicht erfolgen kann, liegen die Voraussetzungen für eine Gruppenbildung jedenfalls nicht vor". Eine teleologische Reduktion des Wortlautes der Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und 10 KStG 1988 dahingehend, dass sich die periodengerechte Zurechnung der Ergebnisse nur auf die Ergebnisse der Gruppenmitglieder beziehe, erscheine im Hinblick auf die aus den Gesetzesmaterialien ("ErlRV 451 BlgNr. XXII. GP") hervorgehende Absicht des Gesetzgebers, unerwünschte Gestaltungen hintanzuhalten, bei "der gegenständlichen Fallkonstellation - Gründung einer neuen Gruppe mit einer in Abwicklung befindlichen Gesellschaft als Gruppenträger - unangebracht".

In den - wortgleich abgefassten - Beschwerden sehen sich die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf gesetzeskonforme Feststellung einer Unternehmensgruppe ab dem Jahr 2009 verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden nach Aktenvorlage und Erstattung von "Gegenschriften" durch die belangte Behörde erwogen:

Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die (aus den Gesetzesmaterialien hervorgehende) Absicht des Gesetzgebers abzustellen (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0193, VwSlg. 8447/F, mwN).

§ 7 Abs. 1 KStG 1988 ordnet im Sinne einer Individualbesteuerung an, dass der Körperschaftsteuer das Einkommen zugrunde zu legen ist, das der unbeschränkt Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

Nach § 9 Abs. 1 KStG 1988 (idF StRefG 2005, BGBl I Nr. 57/2004) können abweichend von § 7 KStG 1988 finanziell verbundene Körperschaften (Abs. 2 bis 5 leg. cit.) nach Maßgabe des Abs. 8 leg. cit. eine Unternehmensgruppe bilden. Dabei wird das steuerlich maßgebende Ergebnis des jeweiligen Gruppenmitglieds (Abs. 6 und Abs. 7 leg. cit.) dem steuerlich maßgebenden Ergebnis des beteiligten Gruppenmitglieds bzw. Gruppenträgers jenes Wirtschaftsjahres zugerechnet, in das der Bilanzstichtag des Wirtschaftsjahres des Gruppenmitgliedes fällt.

Mit der Abweichung von § 7 KStG 1988 ist das Abgehen vom Prinzip der Individualbesteuerung gemeint (vgl. die ErläutRV zum StRefG 2005, 451 BlgNR 22. GP 15, sowie z.B. Vock in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, KStG-Kommentar, Wien 2014, § 9 Tz 53). Gewinne und Verluste von Mutter- und Tochtergesellschaften können durch Bildung einer Unternehmensgruppe miteinander ausgeglichen und die Steuerbelastung kann damit verringert werden (vgl. z.B. Wiesner/Kirchmayr/Mayr , Gruppenbesteuerung2, 2). Gemäß § 9 Abs. 6 Z 1 KStG 1988 (idF AbgÄG 2004, BGBl I Nr. 180/2004) gilt als Ergebnis eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitglieds das Einkommen unter Berücksichtigung der Z 4 leg. cit. Durch die Verwendung des Begriffes "Einkommen" sollte klargestellt werden, dass das Einkommen von unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedern nach § 7 Abs. 2 KStG 1988 zu ermitteln ist (vgl. EB zum AbgÄG 2004, ErläutRV 686 BlgNR 22. GP 18). Das Regime der Gruppenbesteuerung ist damit nach der Gesetzessystematik auf die operativen Einkünfte werbender Körperschaften im Sinne des § 7 KStG 1988 ausgerichtet (vgl. auch die ErläutRV zu § 9 Abs. 6 KStG 1988, 451 BlgNR 22. GP 22 f).

§ 19 KStG 1988 sieht für die Auflösung und Abwicklung (Liquidation) von unter § 7 Abs. 3 KStG fallenden Körperschaften Sonderregelungen zur Ermittlung des Liquidationsgewinnes vor. Liquidationsgewinn ist nach § 19 Abs. 2 KStG 1988 der im Zeitraum der Abwicklung erzielte Gewinn, der sich aus der Gegenüberstellung des Abwicklungs-Endvermögens (vgl. § 19 Abs. 4 leg. cit.) und des Abwicklungs-Anfangsvermögens (vgl. § 19 Abs. 5 leg. cit.) ergibt. Vor allem gilt nach § 19 Abs. 3 KStG 1988 ein besonderer (grundsätzlich mit höchstens drei Jahren befristeter) Besteuerungszeitraum, der vom Schluss des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahres bis zur Beendigung der Abwicklung reicht (vgl. Doralt/Ruppe , Steuerrecht, I11, Tz 1029, sowie - auch zur Frage des anzuwendenden Steuersatzes auf den Liquidationsgewinn - das hg. Erkenntnis vom , 2009/13/0101). Diese Besonderheit hat u.a. den Effekt, dass im Rahmen der Liquidation (idR der "Versilberung" des gesamten Vermögens im Zuge des Abwicklungsverfahrens;

vgl. z.B. Hristov in Lang/Schuch/Staringer, KStG,§ 19 Rz 5) verwirklichte Verluste und Gewinne miteinander ausgeglichen werden können. Damit kann sich bei einem für die Abwicklung nötigen längeren Zeitraum auch die Möglichkeit eines Verlustrücktrages ergeben, die ansonsten im Steuerrecht nicht besteht (vgl. z.B. Schneider in Achatz/Kirchmayr , KStG § 19 Tz 140).

Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie dies in der Beschwerde vertreten wird - auch während des Liquidationszeitraumes die Wirtschaftsjahre formal weiterlaufen (vgl. dazu z.B. Lachmayer in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, KStG-Kommentar, Wien 2014, § 19 Tz 38, mwN), sodass nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 KStG 1988 eine Zurechnung der Ergebnisse der Gruppenmitglieder auch an einen im Stadium der Liquidation befindlichen Gruppenträger an sich möglich wäre. Bei Zurechnung der Ergebnisse der Gruppenmitglieder an den Gruppenträger würden nämlich im Ergebnis operative Einkünfte werbender Körperschaften im Abwicklungseinkommen erfasst, wodurch der Sinn und Zweck des § 19 KStG 1988 (der dort vorgesehenen Glättung der Gewinne und Verluste aus der Liquidation im Abwicklungszeitraum) konterkariert würde (vgl. Lachmayer, aaO, § 19 Tz 66). Auch käme es dadurch zu sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen, dass die Gruppenmitglieder von den steuerlichen Erleichterungen des in Liquidation befindlichen Gruppenträgers (etwa in Form eines Verlustrücktrages) profitieren würden (vgl. in diesem Sinne Haslehner , GeS 2011/3, 140). Eine Vermischung der Besteuerungsregime des § 9 KStG 1988 und des § 19 KStG 1988 auf Ebene des Gruppenträgers würde daher dem Sinn und Zweck sowohl der Gruppenbesteuerung als auch der Liquidationsbesteuerung widersprechen (vgl. nochmals Lachmayer , aaO, sowie in diesem Sinne weiters Haslehner/Urtz in Achatz/Aigner/Kofler/Tumpel, Praxisfragen der Unternehmensbesteuerung, Wien 2011, 381 ff). Es ist somit in teleologischer Interpretation davon auszugehen, dass eine nach § 19 KStG 1988 in Liquidation befindliche Kapitalgesellschaft nicht als Gruppenträger im Sinne des § 9 KStG 1988 in Betracht kommt.

Die Beschwerden erweisen sich damit als unbegründet. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Von der beantragten Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Schriftsatzaufwand war für die von der belangten Behörde erstatteten "Gegenschriften" nicht zuzusprechen, weil sie sich im Wesentlichen in einem Verweis auf den angefochtenen Bescheid erschöpfen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2002/13/0042, VwSlg. 8100/F).

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am