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VwGH vom 18.08.2020, Ra 2020/16/0077

VwGH vom 18.08.2020, Ra 2020/16/0077

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/5100538/2016, betreffend Rechtsgebühr (mitbeteiligte Partei: D GmbH & Co KG in L, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wächtergasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Unbestritten ist, dass die Mitbeteiligte als Vermieterin mit der S GmbH als Mieterin am einen Mietvertrag folgenden Inhaltes abschloss:

„...

I. SACH- UND RECHTSLAGE

(1) [Die Mitbeteiligte] ist derzeit aufgrund des Sacheinlagevertrags vom außerbücherliche Miteigentümerin der Liegenschaft EZ ... KG ... mit dem Grundstück Nr... im grundbücherlichen Gesamtausmaß von 5.047 m². ...

(2) Der Vermieter beabsichtigt den vorgenannten Gebäude-Altbestand einer Generalsanierung samt Zu- und Umbau und DG-Ausbau zu unterziehen und im Zuge dessen nicht nur die vertragsgegenständliche Seniorenresidenz (‚R‘) sondern auch Wohnungen, Geschäftsräume (z.B. Ärztezentrum) sowie eine Räumlichkeit mit KFZ-Abstellplätzen zu schaffen.

An der Seniorenresidenz sowie an sämtlichen Wohnungen, Geschäftsräumen und KFZ-Abstellplätzen in der Tiefgarage wird nach Abschluss der Bauarbeiten und Vorliegen einer endgültigen, auf den tatsächlich errichteten Objekten und Nutzflächen basierenden Nutzwertberechnung Wohnungseigentum begründet werden.

Die Generalsanierung samt Um-‚ Zu- und Ausbauten erfolgt völlig frei finanziert, sohin ohne Inanspruchnahme einer Wohnbauförderung und damit auch ohne jedwede wohnbauförderungsrechtliche Beschränkung der späteren Nutzung der jeweiligen Wohnungseigentumsobjekte.

(3) Der Mieter entwickelt neue Wohnformen für das Alter und bietet Dienstleistungen für die ältere Generation an. Der Mieter wird auf Basis dieses Vertrages und des Angebots- und Betriebskonzepts Beilage ./1 die vorgenannte Seniorenresidenz als Mieter übernehmen und nach den neuesten Erkenntnissen im Bereich ‚Leben und Wohnen im Dritten Alter‘ qualitativ hochwertig betreiben.‘

...

II. MIETOBJEKT

(1) Der Vermieter vermietet und der Mieter mietet als ein einheitliches Mietobjekt

a)die nach den Bestimmungen dieses Vertrages zu errichtende Seniorenresidenz bestehend aus den in den Plänen Beilage ./2 als

MF-G1 Seniorenresidenz (im engeren Sinn)

MF-G1 Restaurant

MF-G1 Außenraum (gemeint ist die Fläche im Innenhof)

MF-G1 Balkon

MF-G1 Loggia

MF-G1 Terrasse sowie

MF-G1 Bibliothek

MF-G1 Seminarraum

bezeichneten Flächen im Erdgeschoß bis zum 4. Obergeschoß, sowie im 1. Untergeschoß (im Folgenden gemeinsam: Seniorenresidenz),

im Gesamtausmaß von insgesamt ca. 6.630,00 m²,

b)die KFZ-Abstellplätze Nrn. 1; 2; 3; 12; 13 und 14 in der Tiefgarage; dies jedoch unter der Bedingung, dass der Vermieter diese Anzahl an KFZ-Stellplätzen zulässigerweise erwerben darf (§ 5 Abs. 2 WEG).

...

(3) Auf das Mietobjekt gemäß Absatz 1) entfallen nach derzeitigem Planungsstand insgesamt 5071/17.710 Anteile an der vertragsgegenständlichen Liegenschaft.

Bei diesen Liegenschaftsanteilen handelt es sich um die nach der derzeit vorliegenden Nutzwertberechnung auf die Wohnungseigentumsobjekte, aus denen das Mietobjekt bestehen wird, entfallenden Mindestanteil (Nutzwert) gemäß § 8 Wohnungseigentumsgesetz (WEG 2002), wobei diese Liegenschaftsanteile nach Baufertigstellung und Feststehen der zu errichtenden Nutzflächen und Objekte einer sodann auf dieser Basis einzuholenden neuerlichen und endgültigen, den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes entsprechenden Nutzwertberechnung anzupassen sein werden. Mit diesen, sohin allenfalls noch gemäß einem endgültigen Nutzwertgutachten zu berichtigenden, Liegenschaftsanteilen wird sodann Wohnungseigentum an den Wohnungseigentumsobjekten, aus denen die Seniorenresidenz bestehen wird, und den KFZ-Abstellplätzen verbunden werden.

...

III. VERTRAGSDAUER

(1) Das Mietverhältnis beginnt mit dem Entstehen der Übernahmeverpflichtung des Mieters gemäß Pkt. IV, 3). Das Mietverhältnis wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

...

IV. ÜBERGABE DES MIETOBJEKTS

(1) Die Übergabe des Mietobjektes an den Mieter ist für ca. Herbst 2015 vorgesehen. ...

V. MIETENTGELT

(1) Der Mietzins für das Mietobjekt gemäß Punkt II.(1) beträgt monatlich netto EUR 100.000,00 und ist im Voraus zu bezahlen.

Im Hinblick auf Punkt II.(2) errechnet sich der Mietzins für das Mietobjekt gemäß Punkt II.1) a) wie folgt:

MF-G1 Erdgeschoß bis 4.Obergeschoß: 5316,49 m² à EUR 16,00

MF-G1 Untergeschoß Keller 314,70 m² à EUR 7,00

MF-G1 Restaurant 385,97 m² à EUR 16,00

MF-G1 Untergeschoß Restaurant 128,95 m² à EUR 12,55

MF-G1 Außenraum 123,72 m² à EUR 0,00

MF-G1 Balkon 110,84 m² à EUR 8,30

MF-G1 Loggia 99,45 m² à EUR 16,00

MF-G1 Terrasse 53,29 m² à EUR 8,20

Bibliothek 33,99 m² à EUR 16,00

Seminarraum 56,85 m² à EUR 16,00

Im Hinblick auf Punkt II.(2) errechnet sich der Mietzins für das Mietobjekt gemäß Punkt II.(1) b) wie folgt:

Monatlich netto EUR 90,00 je KFZ-Stellplatz

Der Mieter erhält (unabhängig von der Auslastung) eine Reduktion des Mietzinses

a)um 50 % für das erste Betriebsjahr;

b)um 30 % für das zweite Betriebsjahr;

c)um 20 % für das dritte Betriebsjahr.

Ab dem vierten Betriebsjahr erfolgt jedenfalls keine Reduktion mehr.

Ein Betriebsjahr im Sinne dieses Vertrages dauert 12 Monate. Das erste Betriebsjahr beginnt mit dem Beginn der Mietzinszahlungspflicht des Mieters gemäß Absatz 8).

...

VI . NUTZUNG DES MIETOBJEKTS/UNTERVERMIETUNG

(1) Die Vermietung erfolgt ausschließlich zu Geschäftszwecken, und zwar für den Betrieb einer Seniorenresidenz, die Erbringung von damit im Zusammenhang stehenden ambulanten Dienstleistungen, den Betrieb eines Restaurants (auch durch Dritte im Wege einer Untervermietung oder Verpachtung) im Erdgeschoß und zur Untervermietung/-Mietung für residenzverwandte Dienstleistungen, z.B. Arztpraxis, Therapeuten, Podologen, Friseur u.ä. welche auch von Hausfremden genutzt werden können. Jede Änderung der Benützungsart oder des Geschäftszweiges bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung durch den Vermieter.

Das Restaurant dient primär den Residenzbewohnern und deren persönlichen Gästen, kann aber nach Maßgabe der Kapazität auch von Wohnungseigentümern und deren persönlichen Gästen genutzt werden. Die Nutzung durch Hausfremde ist nur eingeschränkt insb. ohne offensive Bewerbung (z.B. keine Leuchtreklame) vorgesehen. Auf den der Residenz exklusiv zugeordneten Außenbereichen vor dem Tagesheim und dem Restaurant, darf kein Gastgarten betrieben werden.

...

(6) Eine Untervermietung oder sonstige Weitergabe der Nutzung des Mietobjektes ist über das in Abs. 1) geregelte Ausmaß - ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung des Vermieters nur an Unternehmen, mit denen der Mieter im Sinne von § 228 Abs. 3 UGB verbunden ist, zulässig. Jedenfalls ist eine Untervermietung von Mieträumlichkeiten im Rahmen des Abschlusses von Heimverträgen zu gesetzeskonformen Bedingungen zulässig. Der Vermieter ist - in jenen Fällen, in den seine Zustimmung erforderlich ist - jedoch berechtigt, aus wichtigen Gründen eine derartige Untervermietung zu untersagen. Soweit eine Untervermietung zulässig ist, ist die Untervermietung auch gegen eine im Vergleich zu dem vom Mieter zu entrichtenden Mietzins und etwaigen eigenen Leistungen an Dritte unverhältnismäßig hohe Gegenleistung ausdrücklich zulässig. Der Mieter haftet in all diesen Fällen weiterhin unbeschränkt für die Einhaltung sämtlicher Verpflichtungen aus diesem Vertrag.

...

IX. ALLGEMEINE VERTRAGSBESTIMMUNGEN

...

(6) Sämtliche aufgrund dieses Mietverhältnisses auflaufenden Steuern und Gebühren (nicht gemeint sind persönliche Steuern und Ertragssteuern nach derzeitiger Rechtslage ausschließlich die Mietvertragsgebühr § 33 TP 5) hat der Mieter zu tragen.

...“

2Der Vertreter der Mitbeteiligten meldete dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel unter Heranziehung einer Bemessungsgrundlage des dreifachen Jahreswerts der Monatsmiete für die Seniorenresidenz inclusive Umsatzsteuer in Höhe von € 120.000,-- sowie der Betriebskosten von € 15.912,-- eine selbstberechnete Bestandvertragsgebühr in Höhe von € 48.928,32.

3Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt für den genannten Mietvertrag, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von € 29.356.992,--, nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG die Gebühr mit dem Betrag von € 293.569,92 fest und bezifferte die Nachforderung mit dem Betrag von € 244.641,60, wogegen die Mitbeteiligte Beschwerde erhob.

4Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen den Bescheid vom gemäß § 279 BAO Folge und hob den Bescheid vom ersatzlos auf. Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Begründend erwog das Gericht nach einleitender Wiedergabe des verfahrensgegenständlichen Mietvertrages sowie des Verfahrensganges:

„Zum Stichtag waren Bestandverträge über Gebäude oder Gebäudeteile begünstigt, die überwiegend Wohnzwecken dienen, einschließlich sonstiger selbständiger Räume und anderer Teile der Liegenschaft (wie Keller- und Dachbodenräume, Abstellplätze und Hausgärten, die typischerweise Wohnräumen zugeordnet sind)

Unter ‚Wohnräumen‘ sind Gebäude oder Gebäudeteile zu verstehen, die überwiegend Wohnzwecken dienen, einschließlich sonstiger selbständiger Räume und anderer Teile der Liegenschaft (wie Keller- und Dachbodenräume, Abstellplätze und Hausgärten, die typischerweise Wohnräumen zugeordnet sind/zuzuordnen sind).

Wohnzwecken dienen Gebäude oder Räumlichkeiten in Gebäuden dann, wenn sie dazu bestimmt sind, in abgeschlossenen Räumen privates Leben, speziell auch Nächtigung, zu ermöglichen. Unter die Befreiung fällt nicht nur die Vermietung oder Nutzungsüberlassung der eigentlichen Wohnräume, sondern auch der mitvermieteten Nebenräume wie Keller- und Dachbodenräume. Auch ein gemeinsam (das heißt im selben Vertrag) mit dem Wohnraum in Bestand gegebener Abstellplatz oder Garten ist, wenn nicht eine andere Nutzung dominiert, als zu Wohnzwecken vermietet anzusehen.

Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, dass die Seniorenresidenz letztlich den Mietern für Wohnzwecke überlassen werden, aber nicht den Wohnzwecken des im gegenständlichen Vertrag beteiligten Mieters diene und der Mieter daher das Objekt im vorliegenden Fall nicht zu Wohnzwecken, sondern zu Geschäftszwecken mietet. Daher finde der § 33 TP 5 Abs. 3 Satz 3 GebG auf den vorliegenden Mietvertrag keine Anwendung. Dabei verkennt sie jedoch die Rechtslage, zumal sich aus § 33 TP 5 Abs. 3 Satz 3 GebG nicht ergibt, dass das Gebäude dem Mieter (unmittelbar) überwiegend für Wohnzwecke dienen muss. Gegenstand der Begünstigung sind Bestandverträge über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen. Es handelt sich um eine sachliche Begünstigung und nicht um eine persönliche Begünstigung.

In ihrer Stellungnahme vom verweist die belangte Behörde auf eine Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0941-W/04. Demnach sollte nach der Regierungsvorlage (), 1471 der Beilagen zu den Stenografischen Protokollen des Nationalrates XX. GP, BGBl. I 28/1999 zu § 33 TP 5 Abs. 3 GebG die Einführung der Höchstgrenze bei Vervielfachung der wiederkehrenden Leistungen bei Wohnungsmietverträgen die durch die anfallende Hundertsatzgebühr entstehenden Kosten beschränken und dadurch die Miete und Nutzungsüberlassung von Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten begünstigen.

Ziel der Begünstigung ist somit eine Entlastung der Vermietungen für Wohnzwecke. Folgt man der Ansicht der belangten Behörde, würde der Zweck der Befreiungsnorm konterkariert werden und es ist mit einer Überwälzung der Kosten an die einzelnen Wohnungsmieter zu rechnen.

Im Übrigen ist die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Absicht des historischen Gesetzgebers weder das einzige noch das wichtigste Mittel der Gesetzesauslegung. Stehen die Materialien in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, sind sie für die Auslegung bedeutungslos. Auf Erkenntnisquellen außerhalb des kundgemachten Gesetzes (Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage, Parlamentarische Protokolle etc.) darf nur zurückgegriffen werden, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers Zweifel aufwirft; für sich allein können sie über den normativen Inhalt einer Rechtsvorschrift nichts aussagen ...

Die Formulierung des § 33 TP 5 Abs. 3 Satz 3 GebG durch den Gesetzgeber ist eindeutig, sodass sich hier kein Auslegungsbedarf im Sinne der zitierten Rechtsprechung ergibt.

Der Vertrag nennt in Punkt II. des Bestandsvertrages vom nennt als Vertragsgegenstand:

(a)die nach den Bestimmungen dieses Vertrages zu errichtende Seniorenresidenz bestehend aus den in den Plänen Beilage ./2 als

MF-G1 Seniorenresidenz (im engeren Sinn)

MF-G1 Restaurant

MF-G1 Außenraum (gemeint ist die Fläche im Innenhof)

MF-G1 Balkon

MF-G1 Loggia

MF-G1 Terrasse sowie

MF-G1 Bibliothek

MF-G1 Seminarraum

Verfahrensgegenständlich sind einerseits Gebäudeteile, die ausschließlich dem Wohnen dienen (sog. ‚betreutes Wohnen‘) und Gebäudeteile, die Geschäftszwecken (Restaurant) dienen. Daraus ergibt sich, dass die von der [Mitbeteiligten] zum Betrieb eines Seniorenwohnheimes in Bestand gegebenen Räumlichkeiten auch aus der Sicht der zu pflegenden Personen überwiegend Wohnzwecken dienen. Die Begünstigung des § 33 TP 5 Abs. 3 letzter Satz GebG findet daher Anwendung und der angefochtene Bescheid erweist sich als rechtswidrig.“

Abschließend begründete das Gericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision damit, dass im Revisionsfall die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden seien, sodass eine Revision nicht zulässig sei.

5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Ihre Zulässigkeit legt sie darin dar, die im angefochtenen Erkenntnis, im Hinblick auf die Zulässigkeit einer Revision, zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beschäftige sich nicht mit der zu lösenden Rechtsfrage, ob die Begünstigung gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 GebG auch bei Anmietung für Geschäftszwecke angewandt werden könne, sondern mit dem Thema der Heranziehung von Gesetzesmaterialien für die Auslegung von Gesetzen. Entgegen dem Zulässigkeitsausspruch des Verwaltungsgerichtes sei die hier zu beantwortende Rechtsfrage nicht durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden. Bei der Frage, ob § 33 TP 5 Abs. 3 dritter Satz GebG, genau die Wortfolge „Bestandverträge über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen“, so auszulegen sei, dass die Begünstigung auch jenen Mietern zukommen solle, welche das Mietobjekt ausdrücklich für Geschäftszwecke - wie für den Betrieb eines Seniorenheimes (samt Einbringung von damit in Zusammenhang stehenden ambulanten Dienstleistungen, den Betrieb eines Restaurants und zur Untervermietung für residenzverwandte Dienstleistungen, z.B. Arztpraxis, Therapeuten, Podologen, Friseure, welche auch von Hausfremden genützt werden könnten) mieten, handle es sich um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, zu welcher es bislang keine inhaltliche Entscheidung des Höchstgerichtes gäbe.

6Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in der sie die Zurückweisung der Revision als unzulässig, in eventu deren Abweisung als unbegründet, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses und Zurückverweisung an das Bundesfinanzgericht, jeweils unter Zuerkennung von Aufwandersatz, beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7Mit der Auslegung der Tatbestandsmerkmale in § 33 TP 5 Abs. 3 dritter Satz GebG „Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen“ hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2011/16/0169, bezüglich sogenannter „Pflegeverträge“ auseinandergesetzt, dessen Aussagen auf den vorliegenden Revisionsfall und insbesondere auf die von der Amtsrevision aufgeworfene Rechtsfrage nicht übertragbar sind; die Amtsrevision erweist sich daher als zulässig, jedoch nicht als berechtigt:

8Gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267, in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1998, BGBl. Nr. 28, sind bei unbestimmter Vertragsdauer die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht. Abweichend vom ersten Satz sind bei Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen, einschließlich sonstiger selbständiger Räume und anderer Teile der Liegenschaft (wie Keller- und Dachbodenräume, Abstellplätze und Hausgärten, die typischerweise Wohnräumen zugeordnet sind) die wiederkehrenden Leistungen höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen.

9Die ErläutRV zum AbgÄG 1998, 1471 BlgNR XX. GP 27, führen hiezu aus:

„Bei Bestandverträgen über die Vermietung und Nutzungsüberlassung von Gebäuden oder Gebäudeteilen für Wohnzwecke sollen für die Ermittlung der Gebührenbemessungsgrundlage die wiederkehrenden Leistungen höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes zum Ansatz gelangen. Dadurch werden befristete Wohnungsmietverträge, deren vereinbarte Laufzeit drei Jahre übersteigt, den unbefristeten Wohnungsmietverträgen gebührenrechtlich gleichgestellt. Die Einführung der Höchstgrenze bei Vervielfachung der wiederkehrenden Leistungen soll bei Wohnungsmietverträgen die durch die anfallende Hundertsatzgebühr entstehenden Kosten beschränken und dadurch die Miete und Nutzungsüberlassung von Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten begünstigen.

Wohnzwecken dienen Gebäude oder Räumlichkeiten in Gebäuden dann, wenn sie dazu bestimmt sind, in abgeschlossenen Räumen privates Leben, speziell auch Nächtigung, zu ermöglichen. Unter die Höchstgrenze fällt nicht nur die Vermietung oder Nutzungsüberlassung der eigentlichen Wohnräume, sondern auch der mitvermieteten Nebenräume wie Keller- und Dachbodenräume. Auch ein gemeinsam mit dem Wohnraum in Bestand gegebener Abstellplatz oder Garten ist, wenn nicht eine andere Nutzung dominiert, als zu Wohnzwecken vermietet anzusehen.

Übersteigt das zu Wohnzwecken jenes zu anderen Zwecken benützte Ausmaß, ist überwiegende Nutzung zu Wohnzwecken gegeben.“

10§ 33 TP 5 Abs. 3 dritter Satz GebG privilegiert Bestandverträge über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen. Im Revisionsfall ist strittig, ob der Mietvertrag vom unter diese Begünstigung fällt. Das revisionswerbende Finanzamt führt gegen eine solche Begünstigung zusammengefasst ins Treffen, dass die Mieterin den Bestandgegenstand für Geschäftszwecke und nicht für Wohnzwecke anmiete.

11§ 33 TP 5 Abs. 3 dritter Satz GebG spricht von „Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen“. Die Syntax legt nahe, dass sich der Halbsatz „die überwiegend Wohnzwecken dienen“ auf „Gebäude oder Gebäudeteile“ bezieht, d.h., dass die sachliche Bestimmung des Bestandobjektes maßgeblich ist. Dass allein der zu vergebührende Bestandvertrag einer Vertragspartei (Bestandnehmer) schon unmittelbar (überwiegend) der Befriedigung eines persönlichen Wohnbedürfnisses des Bestandnehmers dienen müsste, wäre damit nicht vorausgesetzt.

12Ein solches Auslegungsergebnis, das das Bundesfinanzgericht als „sachliche Begünstigung“ bezeichnete, wird durch die eingangs wiedergegebenen ErläutRV zum Abgabenänderungsgesetz 1998 bekräftigt, sollte doch durch die Einführung der Höchstgrenze die Miete und Nutzungsüberlassung von zu Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten begünstigt werden. Werden, wie im Revisionsfall, mehrere aufeinander aufbauende Bestandverträge zur Deckung von Wohnbedürfnissen abgeschlossen, verhilft der vom Gesetz intendierten Begünstigung „der Miete oder Nutzungsüberlassung von Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten“ die Begünstigung jedes einzelnen Bestandvertrages (über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen) auf jeder Stufe, weil davon auszugehen ist, dass Nebenkosten eines Bestandvertrages wie etwa auch die Rechtsgeschäftsgebühr zumindest zum Teil auf Bestandnehmer und in einer mehrstufigen Vertragskonstellation (über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen) auf den letzten Mieter oder Nutzungsberechtigen überwälzt werden.

13Daraus folgt, dass auch Bestandverträge, die in Erwerbsabsicht über Gebäude oder Gebäudeteile abgeschlossen werden, von § 33 TP 5 Abs. 3 dritter Satz GebG erfasst sein können, wenn beim Abschluss der Verträge bereits feststeht, dass diese Gebäude oder Gebäudeteile letztlich überwiegend Wohnzwecken dienen sollen.

Das Bundesfinanzgericht sah daher zu Recht den Mietvertrag vom von § 33 TP 5 Abs. 3 dritter Satz GebG erfasst, mag dieser auch vom Mieter nicht zur Deckung seines unmittelbaren Wohnbedürfnisses abgeschlossen worden sein.

Das - überwiegende - Ausmaß der Wohnzwecken dienenden, vermieteten Gebäudeteile ist im Revisionsverfahren nicht strittig.

14Die Revision ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160077.L00

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