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iFamZ 4, August 2022, Seite 190

Zur Diskrepanz zwischen Lebens- und Entwicklungsalter bei Minderjährigen mit entwicklungsbeeinträchtigter Biografie

Ute Kraemer-Pospiech

Die Befriedigung psychischer Grundbedürfnisse hinsichtlich Bindung, Kompetenzerleben und Autonomie ist die wesentliche Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung. Das gilt nicht allein für die frühe Kindheitsphase – hier jedoch in besonderem Maße, weil junge Kinder gänzlich und existenziell von ihrer (sozialen) Umwelt abhängig sind, um angesichts ihrer physischen und psychischen Bedürftigkeit befriedigt zu werden. Bereits in dieser frühen Entwicklungsphase werden entscheidende Weichen für das zukünftige Leben gestellt.

I. Typische Entwicklungsprozesse im Kindes- und Jugendalter

Die zentrale Frage, wie eine altersgemäß angemessene, gemeinhin als alterstypisch bezeichnete Entwicklung verläuft, und ob es diese überhaupt gibt, lässt sich nicht abschließend beantworten. Im Gegensatz zum Lebensalter, das sich in kalendarischen Daten ausdrückt, bezeichnet das jeweilige Entwicklungsalter den Stand der Entwicklung eines Individuums bezogen auf das Durchschnittsniveau gleichartiger Individuen seiner Art (sogenannte Bezugsnorm). Abweichungen von dieser Norm, dh die Diskrepanz zwischen Lebensalter und Entwicklungsalter, stellen eine Früh- oder Spätentwicklung dar (Akzeleration, Retardierung). Da...

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