VwGH vom 18.12.2008, 2006/15/0367
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der M GmbH in A, vertreten durch Dr. Hans-Peter Neher, Rechtsanwalt in 4820 Bad Ischl, Pfarrgasse 5/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0333-L/05, betreffend u.a. Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 1995 bis 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde u.a. die Berufung gegen die Bescheide des Finanzamtes vom , womit die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 wieder aufgenommen wurden, als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde unter Verweis auf ihre Berufungsentscheidung vom , womit über Berufung der Beschwerdeführerin die die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 verfügenden Bescheide vom 14. und ersatzlos aufgehoben wurden, aus, die Beschwerdeführerin sei für die Streitjahre erklärungsgemäß zur Körperschaftsteuer veranlagt worden. Im Bericht über die im Jahr 1999 durchgeführte Betriebsprüfung sei unter Tz. 17 "Berichtigungen zu den Bilanzansätzen" festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin an den Bruder ihrer Alleingesellschafterin Geldbeträge hingegeben habe, die keinen Erwerb einer Beteiligung darstellten. Es seien keinerlei fremdübliche Vereinbarungen dazu getroffen worden. Es sei daher von einem Privatdarlehen der Gesellschafterin der Beschwerdeführerin an ihren Bruder auszugehen. Die Beteiligung sei daher aus der Bilanz auszuscheiden. Die hingegebenen Beträge stellten verdeckte Ausschüttungen an die Gesellschafterin der Beschwerdeführerin dar. Unter Tz. 18 "Verdeckte Ausschüttungen" habe der Prüfer festgestellt, die Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin übe keine Tätigkeiten für die Beschwerdeführerin aus, die einer fremdüblichen Tätigkeit entsprächen. Bis auf die in der Stellungnahme vom angeführten Einzeltätigkeiten habe keine entsprechende Leistung für die Gesellschaft nachgewiesen werden können. Die Abstimmung der Auszahlungen auf steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Gegebenheiten spreche ebenfalls gegen eine fremdübliche Entlohnung. Die in den Jahren 1995 und 1998 ausbezahlten Geschäftsführerbezüge stellten daher verdeckte Ausschüttungen der Beschwerdeführerin an die Gesellschafterin dar.
Die zur Verzinsung des Verrechnungskontos der Gesellschafterin angesetzten Zinssätze schienen überhöht. Der übersteigende Aufwand stelle eine verdeckte Ausschüttung an die Gesellschafterin dar.
Das Finanzamt sei diesen Feststellungen in den in den wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Körperschaftsteuerbescheiden 1995 bis 1998 gefolgt. Auf eine Begründung für die verfügte Wiederaufnahme dieser Verfahren sei verzichtet worden. Es fehle darin auch jeder Hinweis auf die durchgeführte abgabenbehördliche Buch- und Betriebsprüfung.
Aus den Körperschaftsteuererklärungen 1995 bis 1998 und deren Beilagen sei nicht ersichtlich gewesen, dass es sich bei den jeweils bloß mit einer Summe bei den unter Finanzanlagen mit dem Familiennamen des Klaus H. und dem Zusatz "BRD" angegebenen Beträgen um Gelder gehandelt habe, die an den Bruder der Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Beschwerdeführerin auf Grund einer mündlichen Vereinbarung hingegeben worden seien. Die Vereinbarung sei in keiner Weise nach außen zum Ausdruck gekommen, ihr Inhalt sei auch nach Befragen der Betroffenen unklar geblieben und deshalb sei offen, ob es sich um ein Darlehen oder eine Beteiligung gehandelt habe. Die Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin habe im Verfahren dazu erklärt, dass sie diese Vereinbarung nicht abgeschlossen hätte, wenn es sich nicht um ihren Bruder gehandelt hätte.
Die Geschäftsführervergütung sei in den Erklärungen in einer Summe unter dem Posten Personalaufwand angegeben worden. Daraus ließen sich keine Schlüsse auf die Angemessenheit der Geschäftsführerentschädigung ziehen und böten diese Angaben auch keinen Anlass für weitergehende Ermittlungen. Nur solche hätten hervorbringen können, dass die Geschäftsführerin diese Entschädigungen sich selbst in der erklärten Höhe genehmigt habe, um ihre persönliche Abgaben- und Sozialversicherungslast zu minimieren. Sie habe dazu erläutert, diese Gestaltung habe zum Verwerten von Verlustvorträgen bei ihrer persönlichen Einkommensteuer geführt und verhindert, dass sie Sozialversicherungsbeiträge leisten müsse, für welche sie auf Grund ihres Alters wohl keine Gegenleistung mehr erhalten würde. Die Zinsen für das Verrechnungskonto der Gesellschafterin seien in den Abgabenerklärungen in der Position Zinsenaufwand in einer Summe enthalten, sodass nicht einmal ersichtlich gewesen sei, dass es sich hier zum Teil um die Zinsen für das Verrechnungskonto gehandelt habe. Hinweise auf den gewählten Zinssatz und dessen Fremdüblichkeit fehlten in den Abgabenerklärungen.
Es sei daher davon auszugehen, dass in allen Punkten, welche nach dem Bericht über die abgabenbehördliche Buch- und Betriebsprüfung zu Änderungen bei der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 geführt haben, neue Sachverhaltselemente im Sinn des § 303 Abs. 4 BAO hervorgekommen seien und auch entsprechende Veränderungen der Bescheidsprüche vom Prüfer vorgeschlagen worden seien. Es sei zwar zulässig, in der Begründung eines Bescheides auf andere dem Bescheidempfänger bekannte Dokumente wie etwa den Bericht über eine abgabenbehördliche Buch- und Betriebsprüfung zu verweisen, allerdings habe dieser Verweis in den Bescheiden vom 14. und , mit welchen die Wiederaufnahme der Verfahren für die Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 verfügt worden sei, gefehlt. Diese Bescheide seien daher ersatzlos aufzuheben gewesen.
Das Finanzamt habe mit Bescheiden vom die Verfahren für die Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 der Beschwerdeführerin neuerlich gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommen und dem Ergebnis der abgabenbehördlichen Prüfung entsprechende Sachbescheide für die Streitjahre erstellt. Das Finanzamt habe dazu ausgeführt, bei der ursprünglichen Wiederaufnahme der Verfahren sei ein Formfehler unterlaufen, der die Bescheidaufhebung notwendig gemacht habe. Das Finanzamt sei verpflichtet, die Verfahren nunmehr fortzusetzen. Hinsichtlich der Wiederaufnahme werde auf den Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung vom im Zusammenhang mit der Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom verwiesen.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, anders als in den Bescheiden vom 14. und , mit welchen bereits einmal die Verfahren für die Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 ohne jede Begründung wiederaufgenommen worden waren, seien im Wiederaufnahmebescheid vom ausdrücklich Wiederaufnahmsgründe genannt worden. In der Begründung dieser Bescheide werde ausdrücklich auf den Betriebsprüfungsbericht und den Inhalt der Berufungsentscheidung vom verwiesen. In dieser Berufungsentscheidung habe die belangte Behörde ausgeführt, dass die im Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung vom in der Tz. 31 und den Tz. 17 bis 26 erwähnten Wiederaufnahmsgründe die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO erfüllten. Die belangte Behörde halte an dieser Auffassung fest.
Die Beschwerdeführerin habe eingewendet, die Verfahren für die Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 hätten nicht ein zweites Mal wiederaufgenommen werden dürfen.
Die Beschwerdeführerin übersehe aber, dass es sich bei den in den Bescheiden vom 14. und und in den Bescheiden vom jeweils für die Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 verfügten Wiederaufnahmen der Verfahren um unterschiedliche Rechtssachen gehandelt habe. Es sei zwar in den Bescheiden aus dem Jahr 2000 genauso wie in den Bescheiden aus dem Jahr 2004 die Wiederaufnahme der Verfahren für die Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 verfügt worden. Dies sei jedoch aus völlig anderen Wiederaufnahmsgründen geschehen. Im Jahr 2000 habe das Finanzamt auf den Hinweis betreffend die abgabenbehördliche Prüfung vergessen. Es habe daher den die Wiederaufnahme der Verfahren verfügenden Bescheiden ein Wiederaufnahmsgrund gefehlt, weshalb diese Bescheide mit der Berufungsentscheidung vom aufzuheben gewesen seien.
Die Wiederaufnahmsbescheide aus dem Jahr 2004 hingegen verwiesen hinsichtlich der Wiederaufnahmsgründe ausdrücklich auf die im Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung aufgezählten. So gesehen verstoße die Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 nicht gegen das Verbot der zweimaligen Entscheidung in der selben Sache.
Da die belangte Behörde sowohl hinsichtlich der Wertung der im Prüfbericht über die abgabenbehördliche Prüfung genannten Wiederaufnahmsgründe als auch bei der Ausübung des Ermessens den in der Berufungsentscheidung vom dargestellten Überlegungen folge, sei die Berufung hinsichtlich Wiederaufnahme der Verfahren abzuweisen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin meint, die Wiederaufnahme hätte wegen Vorliegens einer res iudicata nicht verfügt werden dürfen. Wenn auch die Wiederaufnahmsbescheide aus dem Jahr 2000 nicht begründet worden seien, ergebe sich aus den angeführten Zahlen und den Ausführungen in der Berufungsentscheidung vom , dass die nunmehr angeführten Wiederaufnahmegründe bereits im seinerzeitigen Wiederaufnahmeverfahren herangezogen worden seien und daher nicht neuerlich zur Verfahrenswiederaufnahme verwendet werden könnten.
Nach § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen u.a. in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Für die Vornahme einer Wiederaufnahme des Verfahrens kommt es ausschließlich darauf an, ob die im Gesetz vorgesehenen Tatbestände - hier neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel - erfüllt sind oder nicht. Gemäß § 307 Abs. 1 BAO ist mit dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden. Auch wenn die zitierte Gesetzesbestimmung die Verbindung des Wiederaufnahmebescheides mit dem neuen Sachbescheid anordnet, ist dennoch jeder dieser beiden Bescheide für sich einer Berufung zugänglich, wie auch jeder dieser Bescheide für sich der Rechtskraft teilhaftig werden kann (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2000/14/0142, und vom , 2006/15/0042). Im Beschwerdefall wurde mit erstinstanzlichen "Sammelbescheiden" im Februar 2000 einerseits die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer verfügt und wurden andererseits neue Sachentscheidungen gefällt - jeweils unter eigenen Punkten mit eigener Rechtsmittelbelehrung. Für die Verfügung der Wiederaufnahme wurde keine Begründung angeführt. Mit der Berufungsentscheidung vom wurden die die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 1995 bis 1998 verfügenden Bescheide vom 14. und ersatzlos aufgehoben. Nach Aufhebung der die Wiederaufnahme verfügenden Bescheide im Berufungswege mangels Begründung der Wiederaufnahmebescheide liegt keine rechtskräftig entschiedene Sache im Hinblick auf einen bestimmten Wiederaufnahmegrund vor, weshalb der Einwand einer "res iudicata" ins Leere geht.
Die Beschwerdeführerin vertritt weiters den Standpunkt, im vorliegenden Fall sei von keinen neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismitteln auszugehen, weil auf Grund der eingereichten Steuererklärungen samt Beilagen und Anhängen alle maßgeblichen Umstände ersichtlich gewesen seien und die Abgabenbehörde die Möglichkeit gehabt hätte, bereits zu diesem Zeitpunkt die Besteuerungsgrundlagen mit anderen Beträgen festzusetzen als in den Erklärungen angegeben.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung, ob neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel vorliegen, auf den Wissensstand auf Grund der Abgabenerklärungen und ihrer Beilagen im jeweiligen Veranlagungsjahr an (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2002/15/0028, und vom , 2006/15/0016, 0017).
Dass die im Betriebsprüfungsbericht aufgezeigten Umstände aus den Abgabenerklärungen und den Beilagen ersichtlich gewesen wären, ist - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - nicht zu erkennen und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht plausibel gemacht.
Dass die festgestellten Umstände eine Wiederaufnahme rechtfertigen, steht nicht in Streit.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am