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VwGH vom 02.07.2015, 2013/16/0170

VwGH vom 02.07.2015, 2013/16/0170

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde der J R in W, vertreten durch die Knirsch Gschaider Cerha Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1317- W/13, betreffend Gewährung erhöhter Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis zum , zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug einen Antrag der Beschwerdeführerin ab, ihr die Erhöhung der Familienbeihilfe für ihre im Juni 2006 geborene Tochter für den Zeitraum vom bis zum zu gewähren.

Auf Grund im Verwaltungsverfahren eingeholter (im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebener) Sachverständigengutachten vom , vom und vom stehe fest, dass die Tochter der Beschwerdeführerin seit Geburt am Asperger Syndrom leide. Die Sachverständigen hätten aufgrund der Anamnese einen Grad der Behinderung von 50 % rückwirkend ab Jänner 2011 zuerkannt und den Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung nicht erst mit der (erstmaligen) Diagnoseerstellung durch das Kompetenzzentrum Autistenhilfe am angenommen, sondern ab dem Datum der ersten dokumentierten schweren Auffälligkeit. An die schlüssigen Sachverständigengutachten sei die belangte Behörde gebunden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin im Recht verletzt, die Erhöhung der Familienbeihilfe gewährt zu erhalten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 1 FLAG nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird, und wird danach abgestuft im § 8 Abs. 2 FLAG näher festgelegt.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe um dort näher angeführte Beträge monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

§ 8 Abs. 5 und 6 FLAG lautet:

"(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen."

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt und ist die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4 leg. cit.) besonders zu beantragen.

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre Tochter hatte.

Strittig ist im Beschwerdefall, ob die Beschwerdeführerin für den Streitzeitraum Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe (§ 8 Abs. 4 FLAG) hat, weil ihre Tochter im Streitzeitraum erheblich behindert im Sinne des § 8 Abs. 5 FLAG war.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, beim Asperger Syndrom handle es sich um eine angeborene Erkrankung, die nicht nachträglich erworben werde. Die Diagnose dieser Entwicklungsstörung sei besonders schwierig und aufwändig und ziehe sich regelmäßig über einen langen Zeitraum hin. Die Tochter der Beschwerdeführerin habe das Asperger Syndrom nicht erst im Jahr 2011 erworben (was medizinisch unmöglich sei), vielmehr seien die Beeinträchtigungen zu viel früheren Zeitpunkten aufgetreten und die Diagnose habe sich bis ins Jahr 2011 hingezogen. Wenn ein Gutachten aussage, im Jänner 2011 sei durch eine Sonderpädagogin die psychologische Untersuchung eingeleitet worden, liege es auf der Hand, dass zu diesem Zeitpunkt bereits über eine lange Zeit Beeinträchtigungen bestanden hätten, sonst wäre es überhaupt nicht zu einer Begutachtung durch die Sonderpädagogin gekommen. Da es sich beim Asperger Syndrom um eine angeborene Erkrankung handle, habe die Beschwerdeführerin Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe nicht erst ab dem Zeitpunkt der Diagnose, sondern ab demjenigen Zeitpunkt, zu dem die Erkrankung aufgetreten sei, hier ab der Geburt.

§ 8 Abs. 5 FLAG stellt darauf ab, dass ein Kind einen Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. aufweist, sofern es nicht voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Dass die Tochter der Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande wäre, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, haben weder die Gutachter festgestellt noch wird solches von der Beschwerdeführerin behauptet.

Eine Behinderung im Sinn des § 8 Abs. 5 FLAG mit einen Grad von mindestens 50 v.H. kann durchaus die Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt (bei angeborenen Krankheiten oder genetischen Anomalien etwa seit Geburt), sich jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt manifestiert. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG erfüllt. Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. erreicht (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/16/0010).

Diesen Zeitpunkt hat die belangte Behörde aufgrund der ihr vorliegenden Gutachten mit dem Jänner 2011 angenommen. Die Beschwerdeführerin trägt vor, die Einleitung einer psychologischen Untersuchung durch eine Sonderpädagogin im Jänner 2011 zeige, dass bereits über eine lange Zeit Beeinträchtigungen bestanden hätten. Da die in § 8 Abs. 5 FLAG normierte Voraussetzung nicht bloß in Beeinträchtigungen, sondern in einer Behinderung von mindestens 50 v.H. besteht, zeigt die Beschwerdeführerin damit keine Unschlüssigkeit der Gutachten auf.

Somit hat sich die belangte Behörde rechtlich zutreffend an den in den Gutachten enthaltenen Zeitpunkt gehalten, zu dem die von Geburt an bestehende Erkrankung der Tochter der Beschwerdeführerin einen Grad von 50 v.H. erreicht habe.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch maßgeblichen VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am