VwGH vom 20.05.2010, 2006/15/0337
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der N GmbH in H, vertreten durch die Gruber Wirtschaftstreuhand GmbH in 3393 Zelking/Melk, Gassen 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1250-W/06, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag auf Nachsicht eines festgesetzten Säumniszuschlages von 17.656,44 EUR und führte aus, sie habe im November 2003 alle Vermögensgegenstände und ihren Kundenstock an die X AG verkauft. Die auf den Kaufpreis entfallende Umsatzsteuer wäre vereinbarungsgemäß durch Überrechnung zu entrichten gewesen. Der Kaufpreis von 5,800.000 EUR hätte mittels Übernahme von Verbindlichkeiten in Höhe von 5,185.505,05 EUR und die Zahlung von 614.494,95 EUR zuzüglich Umsatzsteuer beglichen werden sollen. Der Betrag von 614.494,95 EUR habe dem Wert des übertragenen Kundenstocks entsprochen.
Irrtümlich sei die Umsatzsteuer nur vom Wert des Kundenstocks, also vom Geldfluss berechnet und nur für diesen Betrag eine Verrechnungsweisung gegeben worden. Richtigerweise wäre die Umsatzsteuer gemäß § 4 Abs 7 UStG vom Entgelt für die gesamten übertragenen Gegenstände zu errechnen gewesen, wobei die übernommenen Schulden nicht hätten abgezogen werden dürfen. Es hätte somit statt der Überrechnung von 122.898,99 EUR eine solche von 1,005.722,42 EUR durchgeführt werden müssen.
Durch die irrtümlich unrichtige Rechnung habe die Beschwerdeführerin 2003 eine zu geringe Umsatzsteuer abgeführt. Zu einer Abgabenverkürzung sei es aber im Ergebnis nicht gekommen, weil die X AG nur den geringeren Betrag als Vorsteuer geltend gemacht habe.
Bei Unternehmensübertragungen im Wege eines so genannten "asset deals" komme es aufgrund der Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes beim übertragenden Unternehmen zu einer Umsatzsteuerschuld und beim übernehmenden Unternehmen in gleicher Höhe und im selben Voranmeldezeitraum zu einem Vorsteuerguthaben, wodurch im Ergebnis kein Abgabenertrag für die öffentliche Hand entstehe. In diesen Fällen sei es üblich, die durch die Übertragung entstehende Umsatzsteuerschuld mit Verrechnungsweisung zu begleichen. Das sei auch im vorliegenden Fall so vereinbart gewesen. Durch die Überrechnung der Umsatzsteuer komme es zu keinem Geldfluss, weshalb der vorliegende Fall mit einer Übertragung nach dem Umgründungssteuergesetz vergleichbar sei.
Gemäß § 236 BAO könne eine Abgabenschuld auf Antrag nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Eine sachliche Unbilligkeit sei anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff komme.
Im vorliegenden Fall liege eine sachliche Unbilligkeit vor, weil durch die Überrechnung der Umsatzsteuer keine Abgabenschuld entstehe und auf Seiten der öffentlichen Hand kein Abgabenertrag anfalle. Die Rechnungsberichtigung sei zwischenzeitig durchgeführt und im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung Jänner 2006 berücksichtigt worden. Dabei sei das bei der X AG entstehende Vorsteuerguthaben auf das Abgabenkonto der Beschwerdeführerin überrechnet worden, womit die Umsatzsteuerschuld aus der Übertragung des Unternehmens in voller Höhe beglichen worden sei.
Die Wirkung eines Säumniszuschlages sei die Vergütung des Schadens des Gläubigers, also der öffentlichen Hand, der durch eine verspätete Zahlung entstanden sei. Im gegenständlichen Fall sei der öffentlichen Hand kein Schaden entstanden. "Ein Säumniszuschlag entstünde in diesem Fall aufgrund der Besonderheit des Umsatzsteuerverfahrens im Bereich von Unternehmensübertragungen nach § 4 (7) UStG", der bestimme, dass die Umsatzsteuer vom Entgelt für die gesamten übertragenen Gegenstände zu errechnen sei, wobei die übernommenen Schulden nicht abgezogen werden dürften. Durch die Überrechnung des Vorsteuerguthabens komme es in diesen Fällen praktisch nie zu einem Geldfluss/Abgabenertrag und damit zu keinem Schaden durch eine formell verspätete Entrichtung aufgrund der Rechnungsberichtigung.
Es habe nur für einen geringen Teil des Kaufpreises einen Geldfluss gegeben. Der überwiegende Teil sei durch die Übernahme von Verbindlichkeiten beglichen worden. Es wäre unbillig, wenn die Beschwerdeführerin einen Säumniszuschlag, der am gesamten Kaufpreis bemessen werde, entrichten müsste. Der Ertrag aus dem Verkauf habe nur 614.494,95 EUR (rund 10% des Kaufpreises) betragen, weshalb ein Säumniszuschlag von rund 17.000 EUR unverhältnismäßig wäre.
Die Beschwerdeführerin habe alle ihre Abgabenschulden stets termingerecht entrichtet, bei der durchgeführten Abgabenprüfung seien über diesen Punkt hinaus keine Feststellungen getroffen worden. Die Berichtigung sei bereits erfolgt. Auch der ursprüngliche Überrechnungsantrag sei fristgerecht durchgeführt worden.
Vom Finanzamt wurde das Nachsichtsansuchen abgewiesen, wogegen die Beschwerdeführerin, unter Wiederholung ihres Vorbringens im Nachsichtsantrag, berief.
In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, wurde von der Beschwerdeführerin ergänzend vorgebracht, die Umsatzsteuer sei auf Grund eines Fehlers eines sehr qualifizierten Mitarbeiters der Steuerberatungskanzlei in zu geringer Höhe abgeführt worden. Der öffentlichen Hand sei dadurch kein Schaden entstanden. Im Umsatzsteuersystem sollte zwischen Unternehmen auf Grund der Umsatzsteuer keine Belastungssituation entstehen. Eine derartige Belastungssituation sei im gegenständlichen Fall auf Grund des Fehlers des Mitarbeiters und der daraus resultierenden Verhängung des Säumniszuschlages entstanden. Aufgrund der Büroorganisation wären Kontrollen der Mitarbeiter erfolgt. Dieser konkrete Fehler sei allerdings erst in Vorbereitung auf die Betriebsprüfung aufgefallen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setze die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stehe, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergäben. Somit liege Unbilligkeit nur vor, wenn sie in den Besonderheiten des Einzelfalles begründet sei. Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles sei aber nicht gegeben, wenn nur eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliege, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folge. Nur wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete, sei die Einziehung "nach der Lage des Falles unbillig".
Die Beschwerdeführerin bringe vor, die Unbilligkeit sei im Streitfall darin gelegen, dass der öffentlichen Hand kein Schaden entstanden sei, da der Umsatzsteuerschuld eine entsprechende Umsatzsteuerforderung der X AG gegenüberstehe. Darin könne keine zur Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten führende, sachlich bedingte Unbilligkeit erkannt werden. Denn die Umsatzsteuerschuld entstehe für einen Unternehmer unabhängig davon, ob der Empfänger der Lieferung und sonstigen Leistung einen Anspruch auf Rückvergütung der Umsatzsteuer habe oder geltend gemacht habe. Werde diese nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, trete gemäß § 217 BAO die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein.
Wie das Finanzamt im angefochtenen Bescheid - unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 94/13/0264, 0265, - zutreffend ausgeführt habe, handle es sich bei der Beschwerdeführerin und ihrer Vertragspartnerin um zwei unterschiedliche Steuersubjekte. Eine gleichsam saldierende Betrachtungsweise komme daher schon aus diesem Grund nicht in Betracht. "Denn bei verschiedenen durch wechselseitige Geschäfte verbundenen Unternehmen stehen regelmäßig Umsatzsteuer-Zahlungsverpflichtungen Vorsteuerabzugsberechtigungen einander gegenüber, ohne dass deswegen gesagt werden könnte, Säumniszuschläge, die auf nicht fristgerecht zum Fälligkeitszeitpunkt entrichtete Umsatzsteuerzahlungen zurückzuführen sind, seien mit Rücksicht auf einen gleichzeitig einem anderen Unternehmen zustehenden Vorsteuerabzug unbillig".
Der Säumniszuschlag sei eine objektive Säumnisfolge (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 87/15/0138). § 217 BAO stelle auch keine Schadenersatzregelung betreffend den Schaden des Abgabengläubigers aus einer verspäteten Abgabenentrichtung dar. Die Regelung bezwecke vielmehr die im Interesse einer ordnungsmäßigen Finanzgebarung unabdingbare Sicherstellung der pünktlichen Tilgung von Abgabenschulden.
Die Höhe des Säumniszuschlages ergebe sich aus § 217 Abs 2 BAO. Der Berufungsfall weise keine Besonderheiten auf, die die Annahme rechtfertigten, dass die Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis zeitige. "Vielmehr liegt hier eine Auswirkung der im § 4 Abs. 7 UStG ausdrücklich geregelten allgemeinen Rechtslage, dass bei einer Geschäftsveräußerung die (nicht zu einem Geldfluss führenden) übernommenen Schulden zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer gehören, vor".
Auch das Vorbringen, die Beschwerdeführerin habe die Abgabenschulden stets termingerecht entrichtet, zeige keine unbillige Härte auf, da sich aus § 217 Abs 7 BAO ergebe, dass der Gesetzgeber den Härten, die durch eine nicht grob verschuldete Säumnis entstünden, mit der Schaffung der genannten Bestimmung entgegengetreten sei.
Dagegen wendet sich die Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 236 Abs 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die in § 236 Abs 1 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Beschwerde auf das Vorliegen sachlicher Unbilligkeit im Falle der Einhebung des gegenständlichen Säumniszuschlags.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2000/15/0196, mwN) ist eine sachliche Unbilligkeit anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist.
Wie die belangte Behörde zutreffend ausführte, kann eine steuerliche Auswirkung, die ausschließlich Folge eines als generelle Norm mit umfassendem persönlichen Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist und durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden, nicht durch Nachsicht behoben werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2001/17/0158, mwN).
Die Festsetzung des in Rede stehenden Säumniszuschlags ist darauf zurückzuführen, dass die Beschwerdeführerin einen maßgeblichen Teil des im November 2003 erzielten Kaufpreises nicht bzw verspätet erklärt und die darauf entfallende Umsatzsteuer nicht bzw verspätet entrichtet hat. Die Höhe des Säumniszuschlages von 2 % ergibt sich - für alle Fälle - aus § 217 BAO. Der Beschwerdefall weist auch keine Besonderheiten auf, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis zeitige. Es liegt insofern im Beschwerdefall nur die Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vor.
Das Beschwerdevorbringen, ein festzusetzender Säumniszuschlag diene als Druckmittel zur rechtzeitigen Erfüllung der "Abgabenentrichtungspflicht" und verfehle im vorliegenden Fall seine Wirkung, da die Abgabenschuld "aufgrund eines Irrtums einer fehlerhaften Berechnung" und "nicht aufgrund eines fahrlässigen Fristversäumnisses" zu spät entrichtet worden sei, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg, weil Einwendungen zum Fehlen eines groben Verschuldens an der Säumnis im Rahmen einer (grundsätzlich unbefristeten) Antragstellung nach § 217 Abs 7 BAO erhoben werden können und auch nach der durch das BudgetbegleitG 2001 gestalteten Rechtslage kein Raum dafür bleibt, derartige Gründe in dem der Abgabenfestsetzung nachgelagerten Verfahren nach § 236 BAO zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2003/13/0062).
Der vorliegende Sachverhalt ist auch nicht mit Sachverhalten vergleichbar wie sie beispielsweise den hg. Erkenntnissen vom , 87/15/0103, und vom , 95/13/0049, zugrunde gelegen sind. Dort wurden Gründe vorgebracht (vollständig offengelegte Einkünfte wurden jahrelang als nicht umsatzsteuerpflichtig behandelt, ein zeitgerecht eingebrachter Umbuchungsantrag blieb monatelang unbearbeitet liegen), die geeignet sind, eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung eines nach dem Gesetz verwirkten Säumniszuschlages darzutun, wohingegen es im vorliegenden Fall allein in der Ingerenz der Beschwerdeführerin lag, das Entstehen des Säumniszuschlages zu verhindern.
Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0264, 0265, meint, der Umstand, dass die X AG die von der Beschwerdeführerin nicht erklärte und nicht abgeführte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer in Abzug gebracht und dem Abgabengläubiger kein Schaden entstanden sei, mache die Einhebung des festgesetzten Säumniszuschlages nicht unbillig. Im angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. klargestellt, dass Vorgänge auf dem Abgabenkonto eines anderen Abgabenpflichtigen auf die Beurteilung der Billigkeit oder Unbilligkeit der Einhebung eines festgesetzten Säumniszuschlages grundsätzlich ohne Einfluss sind.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am