TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 19.03.2015, 2013/16/0048

VwGH vom 19.03.2015, 2013/16/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma, die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des A K in W, vertreten durch die Fussenegger Pucher Stb u. WT OG in 1010 Wien, Esslinggasse 17/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom , Zl. FSRV/0072-W/12, betreffend Zurückweisung einer Berufung iA Finanzvergehen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine via Finanz-Online eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers gegen ein Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 als unzulässig zurück. Begründend führte sie aus, dem Beschwerdeführer stehe zwar als Abgabepflichtigen im Abgabenverfahren zu seiner Steuernummer die Funktion der Berufung gemäß § 243 BAO für bestimmte Abgabenarten und Zeiträume zur Verfügung, jedoch fehle für die hier erfolgte Einbringung einer Berufung im Finanzstrafverfahren eine entsprechende Funktion im Sinne des § 1 Abs. 2 FinanzOnline-Verordnung 2006, sodass das Anbringen gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. unbeachtlich sei. Aus diesem Grunde erübrige sich auch ein Mängelbehebungsverfahren nach § 156 Abs. 2 oder 4 FinStrG und die Berufung sei sofort zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - durch einen gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§§ 150 Abs. 1 und 151 Abs. 1 erster Satz FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958 lauten in der Stammfassung samt Überschrift:

"VII. Hauptstück.

Ordentliche Rechtsmittel; Wiederaufnahme des Verfahrens, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

A. Ordentliche Rechtsmittel.

1. Allgemeines.

§ 150. (1) Rechtsmittel im Finanzstrafverfahren sind die Berufung und die Beschwerde.

§ 151. (1) Das Rechtsmittel der Berufung steht gegen Erkenntnisse zu."

§ 56 Abs. 2 FinStrG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 112, lautet:

"(2) Für Anbringen, Niederschriften, Aktenvermerke, Vorladungen, Erledigungen, Fristen sowie Zwangs- und Ordnungsstrafen gelten, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des 3. Abschnittes sowie § 114 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung sinngemäß."

§§ 85 Abs. 1 und 86a Abs. 1 BAO, BGBl. Nr. 194/1961 (§ 85 Abs. 1 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 660, und § 86a Abs. 1 in der Fassung BGBl. Nr. 681/1994) lauten samt Überschrift:

" 3. ABSCHNITT.

Verkehr zwischen Abgabenbehörden, Parteien und sonstigen

Personen.

A. Anbringen.

§ 85. (1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

§ 86 a. (1) Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, können auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden. Durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen kann zugelassen werden, daß sich der Einschreiter einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, daß das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt. Die Abgabenbehörde kann jedoch, wenn es die Wichtigkeit des Anbringens zweckmäßig erscheinen läßt, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung des Anbringens mit dem Hinweis auftragen, daß dieses nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt."

§§ 1 und 5 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Einreichung von Anbringen, die Akteneinsicht und die Zustellung von Erledigungen in automationsunterstützter Form (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006), BGBl. II Nr. 97/2006 lauten auszugsweise samt Überschriften in der Stammfassung:

" 1. Abschnitt

Allgemeine Vorschriften

Allgemeine Vorschriften, Sorgfaltspflichten, Zurechnung

von Anbringen

§ 1. (1) Diese Verordnung regelt automationsunterstützte Datenübertragungen in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), Erledigungen (§ 97 Abs. 3 BAO) und Akteneinsicht (§ 90a BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen.

(2) Die automationsunterstützte Datenübertragung ist zulässig für die Funktionen, die dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online (https://finanzonline.bmf.gv.at) zur Verfügung stehen. ...

(3) ...

Unbeachtliche Anbringen

§ 5. Andere als die in den Funktionen gemäß § 1 Abs. 2 dem jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung gestellten Anbringen sind, ungeachtet einer allfälligen tatsächlichen Übermittlung in FinanzOnline, unbeachtlich. ..."

Der Beschwerdeführer macht geltend, bei der Berufung im Finanzstrafverfahren handle es sich um ein Anbringen im Sinne des § 56 FinStrG, weshalb die §§ 85 und 86a BAO zur Anwendung kämen. Für dieses Rechtsmittel stehe im System der Finanz-Online gemäß § 1 Abs. 2 FOnV die Funktion "Sonstige Anbringen und Anfragen" zur Verfügung, sodass die Berufung zulässiger Weise in der genannten automationsunterstützten Form eingebracht worden sei.

Das im Finanzstrafverfahren geregelte Rechtsmittel der Berufung gegen ein Erkenntnis zielt auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung ab (vgl. etwa Reger/Hacker/Kneidinger , Das Finanzstrafgesetz, Band 23, Anmerkung 2 zu § 150). Somit handelt es sich um ein Anbringen, weil die Behörde veranlasst werden soll, sich damit zu befassen (vgl. Tannert , Finanzstrafrecht35, Anm. 6.2.1 zu § 56, mwN). Für Anbringen im Finanzstrafverfahren gelten gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG die Bestimmungen des 3. Abschnittes der BAO, wozu auch deren §§ 85 und 86a zählen, sinngemäß. Daraus ergibt sich, dass eine Berufung im Finanzstrafverfahren grundsätzlich - sofern die Behörde nicht ausnahmsweise und hier nicht weiter von Bedeutung mündliches Anbringen entgegenzunehmen hat - schriftlich, auch telegraphisch oder fernschriftlich einzubringen ist (vgl. etwa Leitner/Toifl/Brandl, Österreichisches Finanzstrafrecht3, Rz 2098) und durch Verordnung die Einreichung im Wege automationsunterstützter Datenübertragung zugelassen werden kann.

Die unter anderem auf Grund des § 86a BAO erlassene FOnV 2006 regelt automationsunterstützte Datenübertragungen in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), etc., soweit nicht eigene Vorschriften bestehen (§ 1 Abs. 1 leg. cit.). Damit wird nicht ausschließlich auf Anbringen nach der BAO abgestellt. Der erste Abschnitt der FOnV 2006 ist somit auch auf Berufungen im Finanzstrafverfahren anwendbar.

Gemäß § 1 Abs. 2 FOnV 2006 ist die in Rede stehende Einbringungsart für die Funktionen zulässig, die dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online zur Verfügung stehen.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid steht dem Beschwerdeführer in Finanz-Online im Abgabenverfahren zu seiner Steuernummer die Funktion der Berufung gemäß § 243 BAO für bestimmte Abgabenarten und Zeiträume zur Verfügung. Eine solche Funktion ist in Finanz-Online unstrittig für eine Berufung nach § 150 FinStrG nicht explizit vorgesehen, doch wurde dieses Rechtsmittel vom Beschwerdeführer unter der Funktion "Sonstige Anbringen und Anfragen" im genannten Übertragungssystem eingebracht. Da der Verordnungsgeber der FOnV 2006 automationsunterstützte Datenübertragungen nicht auf Anbringen nach der BAO einschränkte, sind Berufungen im Finanzstrafverfahren davon nicht ausgenommen (idS auch Leitner/Toifl/Brandl, aaO, Rz 2099). Es ist daher nicht ausgeschlossen, eine Berufung nach § 150 FinStrG als sonstiges Anbringen zu werten. Allerdings wären dazu auf der Sachverhaltsebene weitere Feststellungen erforderlich, vor allem ob im Zeitpunkt der Übermittlung der Berufung die Funktion "Sonstige Anbringen und Anfragen" dem Beschwerdeführer oder dessen Verteidiger zur Verfügung stand und ob sie allfällige Einschränkungen aufwies.

Der belangten Behörde kann daher nicht gefolgt werden, wenn sie ohne auf die Art und den Umfang der Funktion "Sonstige Anbringen und Anfragen" einzugehen meint, bereits aus dem Fehlen einer in Finanz-Online zur Verfügung stehenden ausdrücklichen Funktion für Berufungen in Finanzstrafverfahren ergebe sich, dass dieses Rechtsmittel nicht im Wege dieser automationsunterstützten Datenübertragung eingebracht werden könne.

Auf das von der belangten Behörde in der Gegenschrift vorgebrachte Argument, die Funktion "Sonstige Anbringen und Anfragen" sei nur für das Abgabenverfahren vorgesehen, war schon deshalb nicht einzugehen, weil es in den Feststellungen des angefochtenen Bescheides keine Deckung findet und in der Gegenschrift die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nachgeholt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/16/0001). Darüber hinaus wird es auch nicht aus dem Akteninhalt abgeleitet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der im Beschwerdefall noch maßgeblichen VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am