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VwGH vom 11.09.2014, 2013/16/0028

VwGH vom 11.09.2014, 2013/16/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Beschwerde des H D in S, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner, Mag. Thomas Laherstorfer, Dr. Robert Gamsjäger und Mag. Bertram Fischer, Rechtsanwälte in 5310 Mondsee, Franz-Kreutzbergerstraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0822-L/11, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau schlossen als Mieter mit den Eheleuten H. und T. M. als Vermieter am einen Mietvertrag auf die Dauer von zwei Jahren über die Anmietung eines Einfamilienhauses, in dem vereinbart wurde, "jede Partei trägt die bei ihr entstehenden Kosten und Gebühren für die Errichtung und Vergebührung des Mietvertrages selbst".

Mit einer Ergänzung zum Mietvertrag vom wurde dieser auf unbestimmte Zeit, ohne weitere Vereinbarung über die Tragung "entstehender Kosten und Gebühren", geschlossen.

Das Finanzamt erlangte hiervon durch eine vom Beschwerdeführer übermittelte Sachverhaltsdarstellung vom , mit dem Hinweis, dass die Vermieter unter anderem verdächtig seien "ihre Pflicht zur Vergebührung und Abführung der Bestandvertragsgebühren" verletzt zu haben, Kenntnis.

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde ausgehend vom Mietvertrag und der Ergänzung zum Mietvertrag im Instanzenzug Rechtsgebühren gemäß § 33 TP 5 (Bestandverträge) Gebührengesetz 1957 (GebG) gegenüber dem Beschwerdeführer fest und führte dazu aus, dass bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, bei welchen die Vertragsurkunde von beiden Vertragspartnern unterzeichnet worden sei, der Beschwerdeführer neben den Vermietern Gebührenschuldner sei.

Da im Beschwerdefall gemäß § 28 Abs. 1 GebG mehrere Personen dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden würden, seien sie gemäß § 6 BAO Gesamtschuldner. Bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses in Abgabensachen stehe der Abgabenbehörde im Sinne des § 891 zweiter Satz ABGB die Wahl zu, ob sie alle Gesamtschuldner oder nur einzelne, im letzteren Fall welche der Gesamtschuldner, die diese Abgabe schulden würden, zur Leistung heranziehe. Dabei liege die Inanspruchnahme jedes einzelnen Gesamtschuldners im Ermessen der Abgabenbehörde, wobei die Ermessensentscheidung nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen sei. Da sich im Beschwerdefall die Bestandnehmer im Mietvertrag (Innenverhältnis) zur Gebührentragung verpflichtet hätten, sei es sachgerecht die bescheidmäßige Festsetzung gegenüber dem Beschwerdeführer vorzunehmen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf "korrekte und rechtsrichtige Vorschreibung von Gebühren, insbesondere den hier gegenständlichen Bestandsvertragsgebühren, und darin, keine Abgaben/Gebühren ohne Notwendigkeit bzw entgegen bestehender Vereinbarungen bezahlen zu müssen" sowie in seinem Recht auf "korrekte und fehlerfreie Ermessensausübung durch die belangte/n Behörde/n" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Beschwerdeführer replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, einer Gebühr von 1 v.H. nach dem Wert.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 GebG entsteht die Gebührenschuld, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet wird, bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von den Vertragsteilen unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Unterzeichnung (lit. a), wenn die Urkunde von einem Vertragsteil unterzeichnet wird, im Zeitpunkt der Aushändigung (Übersendung) der Urkunde an den anderen Vertragsteil oder an dessen Vertreter oder an einen Dritten (lit. b).

Werden durch einen Zusatz oder Nachtrag zu einer bereits ausgefertigten Urkunde die darin beurkundeten Rechte oder Verbindlichkeiten ihrer Art oder ihrem Umfang nach geändert oder wird die vereinbarte Geltungsdauer des Rechtsgeschäftes verlängert, so ist dieser Zusatz oder Nachtrag im Umfang der vereinbarten Änderung oder Verlängerung gemäß § 21 GebG als selbständiges Rechtsgeschäft gebührenpflichtig.

Nach § 33 TP 5 Abs. 5 Z 1 GebG in der im Beschwerdefall noch maßgeblichen Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2001 (AbgÄG 2001), BGBl. I Nr. 144, ist die Hundertsatzgebühr vom Bestandgeber, der im Inland einen Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat oder eine inländische Betriebsstätte unterhält, selbst zu berechnen und bis zum 15. Tag (Fälligkeitstag) des dem Entstehen der Gebührenschuld zweitfolgenden Monats an das für die Erhebung der Gebühren sachlich zuständige Finanzamt zu entrichten, in dessen Amtsbereich der Bestandgeber seinen (Haupt )Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt, den Ort der Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat oder sich die wirtschaftlich bedeutendste Betriebsstätte befindet.

Nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a GebG sind bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet.

Trifft die Verpflichtung zur Gebührenentrichtung zwei oder mehrere Personen, so sind sie nach § 28 Abs. 6 GebG zur ungeteilten Hand verpflichtet.

Der Beschwerdeführer trägt vor, die Verpflichtung zur Entrichtung der Bestandsgebühr treffe von Gesetzes wegen den Vermieter, weshalb die Bestandvertragsgebühr bei der Vermieterseite anfielen und entstünden und daher entsprechend der Vereinbarung im in Rede stehenden Mietvertrag auch bei dieser verbleibe und endgültig zu tragen sei.

Die Bestandvertragsgebühr nach § 33 TP 5 Abs. 1 GebG entstand im Beschwerdefall gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 lit. a leg. cit. mit der Unterzeichnung des in Rede stehenden Mietvertrages durch alle vier Personen (durch den Beschwerdeführer und seine Ehefrau als Mieter und durch die Eheleute H. und T. M. als Vermieter) und zwar gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 GebG für alle diese vier Personen, gemäß § 28 Abs. 6 leg. cit. als Gesamtschuldner.

§ 33 TP 5 Abs. 5 Z 1 GebG verpflichtete im Beschwerdefall die Bestandgeber H. und T. M. (deren Wohnsitz nach dem Bestandvertrag im Inland gelegen war) zur Selbstberechnung und Entrichtung der Gebühr bis zum 15. Tag des dem Entstehen der Gebührenschuld zweitfolgenden Monats. Die Bestandnehmer (den Beschwerdeführer und seine Ehefrau) traf diese Pflicht nicht. Allerdings lässt die Bestimmung des § 33 TP 5 Abs. 5 Z 1 GebG die Eigenschaft der Bestandnehmer als Gebührenschuldner (§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a leg.cit.) unberührt. Der nicht der Pflicht des § 33 TP 5 Abs. 5 Z 1 GebG unterworfene Gesamtschuldner (der Beschwerdeführer als einer der Bestandnehmer) hatte die Plicht zur Entrichtung der Gebühr bis zum Ablauf eines Monats, nachdem ihm gegenüber ein Abgabenbescheid mit einem Leistungsgebot erlassen worden war (§ 210 Abs. 1 BAO).

Daraus erhellt, dass die in Rede stehende Bestandvertragsgebühr bei allen Vertragsparteien, somit auch beim Beschwerdeführer, entstehen konnte. Die in Rede stehende Vertragsbestimmung legte sohin nicht von vorneherein bestimmt fest, wer die Bestandvertragsgebühr letztlich zu tragen habe, denn bei dieser Formulierung hing es davon ab, ob die Bestandnehmer ihre Pflicht nach § 33 TP 5 Abs. 5 Z 1 GebG erfüllen und wen das Finanzamt gegebenenfalls mit Abgabenbescheid heranzieht.

Bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses hängt es gemäß § 891 zweiter Satz ABGB vom Gläubiger ab, ob er von allen oder von einigen Mitschuldnern das Ganze oder nach von ihm gewählten Anteilen oder ob er das Ganze von einem Einzigen fordern will. Das Gesetz räumt der Abgabenbehörde somit einen Ermessensspielraum ein, in dessen Rahmen sie ihre Entscheidung nach § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/16/0606, mwN). Ermessen des Abgabengläubigers eines Gesamtschuldverhältnisses bedeutet das Recht der Ausnützung jener Gläubigerschritte, die dazu führen, den Abgabenanspruch zeitgerecht, sicher, auf einfachstem Weg unter Umgehung von Erschwernissen und unter Vermeidung von Gefährdungen hereinzubringen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/16/0108).

Trifft eine Abgabenschuld zwei oder mehrere Gesamtschuldner, so wird sich die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensübung nicht ohne sachgerechten Grund an jene Partei halten dürfen, die nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Steuerlast nicht tragen sollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/16/0599).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann der belangten Behörde ein Ermessensmissbrauch bei der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers nicht angelastet werden, denn nach dem Inhalt des in Rede stehenden Mietvertrages trägt "jede Partei die bei ihr entstehenden Kosten und Gebühren für die Errichtung und Vergebührung des Mietvertrages selbst". Die belangte Behörde musste bei ihrer Ermessensentscheidung daher nicht als Einschränkung berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nach dem vertraglichen Innenverhältnis die Bestandvertragsgebühr nicht hätte tragen sollen.

Da bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses in Abgabensachen der Abgabenbehörde als Gläubiger die Wahl zusteht, ob sie alle Gesamtschuldner oder nur einzelne, im letzteren Fall, welche der Gesamtschuldner, die dieselbe Abgabe schulden, zur Leistung heranziehen will, zeigt der Beschwerdeführer mit dem eventualiter vorgetragenen Argument, dass zumindest eine Vorschreibung an beide Bestandnehmer je zur Hälfte zu erfolgen gehabt hätte, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf (vgl. nochmals das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der im Beschwerdefall noch anwendbaren Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am